Die stark in Russland vertretene Raiffeisen Bank International (RBI) grenzt ihre Optionen in Russland ein. Man konzentriere sich auf Transaktionen, die zum Ausstieg führen, sagte RBI-Chef Johann Strobl am Donnerstag in der Hauptversammlung der Bank in Wien. Konkret geht es um einen Verkauf oder eine Abspaltung. Bisher hielt sich das Institut in Bezug auf Russland "alle Optionen" offen, wodurch der Eindruck entstand, man wolle den Ukraine-Krieg und die Sanktionen aussitzen.
"Wir haben uns dazu entschieden, dass wir mögliche Transaktionen, die zu einem Verkauf oder einer Abspaltung der Raiffeisenbank Russland und ihrer Entkonsolidierung aus dem RBI-Konzern führen, in voller Übereinstimmung mit den lokalen und internationalen Gesetzen und Vorschriften und in Absprache mit den jeweils zuständigen Behörden weiterzuverfolgen", sagte Strobl. In allen Szenarien, auch im Fall einer vollständigen Entkonsolidierung der Raiffeisenbank ohne Gegenwert, würde die Kernkapitalquote des RBI-Konzerns robust bleiben, versicherte er.
Für einen etwaigen Verkauf gebe es bereits konkrete Interessenten, bestätigte Strobl am Donnerstagnachmittag. Ein RBI-Aktionär hatte in seiner Frage auf die "Financial Times" verwiesen, die am Donnerstag von zwei Kaufinteressenten für die Russland-Tochter berichtet hatte.
Geschäftsaktivitäten werden weiter reduziert
Während man die möglichen Transaktionen weiterverfolge, würde man die Geschäftsaktivitäten in Russland weiter reduzieren, kündigte er an. Konkret sprach er von der einer Reduktion des Volumens von Kundenkredite sowie bei Fremdwährungstransaktionen, die zu einer Verringerung des Zahlungsverkehrsgeschäfts des RBI-Konzerns führen würden.
Die Raiffeisenbank in Russland werde allerdings Bankgeschäfte beibehalten, um die Bedingungen zur Aufrechterhaltung ihrer Banklizenz zu erfüllen, und werde ihre Kunden weiter unterstützen, versicherte der RBI-Chef. Zudem habe man eine Fürsorgepflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Märkten, darunter 9000 Personen in Russland.
Kein Zeitplan genannt
Einen Zeitplan für die nun in Betracht gezogenen Optionen nannte Strobl nicht. Eine Abspaltung würde zumindest einige Monate dauern. Ein Verkauf könnte schneller gehen, sofern es einen Käufer gibt. In beiden Fällen bräuchte die RBI eine Reihe behördlicher Genehmigungen, bei einem Verkauf zudem einen Käufer, der nicht sanktioniert ist, und eine "Sonderentscheidung" des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Bei einer Abspaltung würden die RBI-Aktionäre dann zwei Aktien besitzen, eine für die RBI ohne Russland und eine zweite für das Russlandgeschäft. Laut Spaltungsgesetz müsste die zweite Aktie an einer europäischen Börse notieren.
Medienkritik von RBI-Aufsichtschef Hameseder
Bereits vor dem RBI-Chef hatte sich am Donnerstagvormittag auch RBI-Aufsichtsratsvorsitzende Erwin Hameseder zu Wort gemeldet und sich auf Ukrainisch insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ukrainischen Tochterbank für ihre Arbeit unter "unvorstellbaren Bedingungen" bedankt. Kritik übte Hameseder an Medienberichten über die Russland-Aktivitäten der Bank. "Nun erleben wir, dass die RBI aus der völlig risikolosen Behaglichkeit einzelner Redaktionsstuben heraus belehrt wird und ihr unmoralisches Verhalten vorgeworfen wird", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende. Vorwürfe, dass RBI der Verlockung des Geldes erlegen und sich am Krieg bereichern wollte, bezeichnete er als "inhaltlich falsch wie moralisch überheblich". Hameseder machte aber auch klar, dass ein etwaiger Verkauf der Russland-Tochter äußerst schwierig sein würde. "Der Marktwert unserer Beteiligung, für die sich in der aktuellen Lage kaum ein wünschenswerter Käufer finden lässt, ist drastisch gesunken", sagte er.
Strobl: "Völkerrechtswidriger Angriffskrieg"
In seiner Rede am Donnerstag bezog Strobl wiederholt klar Position zum Krieg in der Ukraine und sprach von einem "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine". "Dass ein so sinnloser Krieg in Europa möglich ist, hat unser Vorstellungsvermögen bei weitem gesprengt und macht uns traurig", sagte er. Das unermessliche Leid der Menschen in der Ukraine sei nicht in Worte zu fassen, konstatierte der RBI-Chef und verwies auch auf humanitäre Projekte seiner Bank für Ukrainerinnen und Ukrainer.
Zwischenrufe und Demonstrationen
Nachdem bereits vor Beginn der Hauptversammlung einige Dutzend Ukrainer vor dem Veranstaltungsort demonstriert hatten, kam es gegen Ende von Strobls Präsentation zu einem Zwischenruf eines wahrscheinlich ukrainischen Aktivisten, der die Raiffeisenbank auf Russisch als "Terrorist" und "Kriegsverbrecher" beschimpfte. Der RBI-Chef reagierte wenig begeistert: "Es tut mir leid für die Unterbrechung. Sie sehen - man kann trotz all dieser Hilfen immer noch unzufrieden sein, und das muss ich auch zur Kenntnis nehmen", sagte er.