Die Konjunkturexperten des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) rechnen heuer mit einem Mini-Wirtschaftswachstum von 0,3 bzw. 0,5 Prozent und einer weiterhin hohen Inflationsrate von über 7 Prozent in Österreich. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht dringenden Handlungsbedarf bei Regierung und Sozialpartnern, um die Inflation zu bekämpfen. IHS-Direktor Klaus Neusser wünscht sich "mehr Treffsicherheit" bei Maßnahmen der Regierung.
"Die Preisdynamik ist viel zu hoch. Das macht mir Sorgen", sagte Wifo-Chef Felbermayr am Donnerstag bei der Präsentation der Frühjahrs-Konjunkturprognose. Im Vergleich zu Deutschland und dem Eurozonen-Schnitt werde die erwartete Inflationsrate in Österreich heuer um 1 bzw. 2 Prozentpunkte höher sein. Wenn dieser Abstand mehrere Jahre bestehe, dann habe dies Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und drücke auf das Wachstum. Von der Regierung wünscht sich der Wifo-Chef eine Strategie zur Teuerungsbekämpfung. Kritik übte er erneut daran, dass keine Mietpreisbremse eingeführt wurde.
Appell auch an die Sozialpartner
Felbermayr richtete einen Appell an die Sozialpartner im Hinblick auf die Gehalts- und Lohnverhandlungen und die Preispolitik: "Es muss auf beiden Seiten Mäßigung eintreten." Man könne aber nicht von der Gewerkschaft verlangen, dass sie die Lasten trage, wenn es von der Arbeitgeberseite keine Signale gebe, dass "man bei den Preisen was tut". Hier brauche man "die gute alte Sozialpartnerschaft". "Das sollte man gemeinsam angehen, um die Lasten, die da sind, gerecht zu verteilen." Als Wifo helfe man den Sozialpartnern gerne, "innovative Lösungen zu finden", so Felbermayr.
Eine Lohn-Preis-Spirale sei "gegenwärtig nicht auszumachen", allerdings wirke "die Lohnentwicklungen einem zügigeren Abflachen der Inflation entgegen", heißt es in der IHS-Konjunkturprognose. Für IHS-Chef Neusser ist vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig für die Inflationsbekämpfung. "Sie hat erkannt, dass sie was tun muss." Die heimische Regierung könne bei der Wettbewerbspolitik nachschärfen. "Da sollte man mehr tun, dass man da die Preise runterbringt", sagte Neusser.
Hohe Energiepreise wurden viel schneller "überwälzt"
Wifo und IHS haben in ihrer heute veröffentlichten Konjunktur-Frühjahrsprognose die für das laufende Jahr erwartete Inflationsrate merklich nach oben korrigiert. Im vergangenen Dezember rechneten die Wirtschaftsforscher für 2023 noch mit einer Teuerung von 6,5 bzw. 6,7 Prozent in Österreich, nun liegt die prognostizierte Steigerung des Verbraucherpreisindex (VPI) bei 7,1 bzw. 7,5 Prozent. Im Vorjahr belief sich die Inflation auf 8,6 Prozent.
Die hohen Energiepreise werden laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) schneller und stärker auf andere Güter und Dienstleistungen überwälzt als in der letzten Konjunkturprognose angenommen. Im kommenden Jahr erwarten die Experten dann eine Halbierung der Inflationsrate auf 3,5 Prozent (IHS) bzw. 3,8 Prozent (Wifo).
Rückkehr auf "stabilen Wachstumspfad" ab Jahresmitte
Die Prognose für die heimische Wirtschaftsentwicklung beließen beide Institute im Vergleich zu Dezember nahezu unverändert. Das Wirtschaftswachstum in Österreich wird heuer unter anderem von der hohen Inflation und der schwachen internationalen Nachfrage stark gebremst und soll laut Wifo und IHS nur bei real plus 0,3 bzw. plus 0,5 Prozent liegen. In der zweiten Hälfte des laufenden Jahres rechnen die Wifo-Ökonomen dann mit "einer Konjunkturbelebung" und die IHS-Forscher mit einer Rückkehr auf "einen stabilen Wachstumspfad". Im kommenden Jahr erwarten die Expertinnen und Experten ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent (IHS) und 1,8 Prozent (Wifo).
Österreichs Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren eine Achterbahnfahrt erlebt: Nach dem coronabedingten Einbruch des realen Wirtschaftswachstums im Jahr 2020 von minus 6,5 Prozent ging es 2021 mit plus 4,6 Prozent und 2022 mit plus 5 Prozent wieder steil nach oben. Im zweiten Halbjahr 2022 setzte ein internationaler Konjunktureinbruch ein, der auch Österreichs Volkswirtschaft erfasste.
Kaum Spuren am Arbeitsmarkt
Die Stagnation der Wirtschaft im laufenden Jahr hinterlässt aber kaum Spuren am Arbeitsmarkt. Das Wifo geht von einem Anstieg der nationalen Arbeitslosenrate von nur 0,1 Prozentpunkten auf 6,4 Prozent aus, das IHS rechnet mit einer Seitwärtsbewegung. Für 2024 gehen die Experten von einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 6,1 bzw. 6,2 Prozent aus.
Hohe Inflation hilft dem Budget
Die hohe Inflation hilft aber dem öffentlichen Budget: Inflationsbedingt steigen die Steuereinnahmen deutlich stärker als die Staatsausgaben und das nominelle Bruttoinlandsprodukt soll im laufenden Jahr um 7,4 Prozent auf 480,6 Milliarden Euro klettern. Das Wifo rechnet für heuer mit einem staatlichen Finanzierungssaldo in Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von minus 1,8 Prozent, das IHS mit einem Budgetsaldo von minus 2,9 Prozent.