Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hätte die Europäische Gaskonferenz (EGC) am Montag in einem Wiener Hotel am Parkring stattfinden sollen, dies verhinderten jedoch Umweltaktivisten von "BlockGas" und "Don't Gas Africa" mit nicht angemeldeten Versammlungen. Ab 8.00 Uhr standen sich alsbald Polizei und Protestierende sowohl neben dem Hotel am Ring wie auch in der 250 Meter davon entfernten Johannesgasse gegenüber, wo die Kundgebung teils mit Pfefferspray aufgelöst wurde.

Deutliche Kritik am Polizeieinsatz kam am Nachmittag von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die die Proteste eigenen Angaben zufolge an Ort und Stelle verfolgt hatte. Die Polizei habe Demonstrierende eingekesselt, sei "sehr aggressiv" vorgegangen und habe "unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt", schrieb Amnesty International Österreich auf Twitter. Die Behauptung der Polizei, Demonstrierende hätten strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden gesetzt, könne "von uns nicht nachvollzogen werden". Amnesty zeigte sich "besorgt über die Kriminalisierung friedlicher Proteste", der Staat habe "die Pflicht, friedliche Proteste zu ermöglichen und nicht zu verhindern, wie wir es heute gesehen haben".

Vorwurf: "Profiteure des Krieges und der Inflation"

"In diesem Hotel trifft sich gerade die europäische Gasindustrie mit Investoren, wie beispielsweise BlackRock, und der europäischen Politik, um dort über die Zukunft unseres Energiesystems zu verhandeln", hatte zuvor Verena Gradinger, Sprecherin des Bündnisses "BlockGas", den Grund für die Proteste benannt. Anselm Schindler, ebenfalls von "BlockGas", sprach von "Profiteuren des Krieges und der Inflation", die über die nächsten Jahrzehnte die Gasinfrastruktur weiter ausbauen würden. Auch an den Küsten Afrikas und in Lateinamerikas werde agiert, Schindler ortete "koloniale Kontinuitäten", denn die Energiearmut bliebe der jeweiligen Bevölkerung erhalten, die Ressourcen seien schließlich für "uns" in Europa.

Die Proteste führten zu Staus auf allen Zufahrten rund um den Parkring, wie der ÖAMTC gegenüber der APA mitteilte. Bei der nicht angemeldeten Versammlung von Umweltaktivisten an der Kreuzung Johannesgasse/Kantgasse kam es gegen 9.15 Uhr unter anderem zum Einsatz von Pfefferspray, als die Gruppe trotz Unterzahl versuchte, die Reihen der Exekutive zu durchbrechen – die Landespolizeidirektion (LPD) schrieb auf Twitter von "koordinierten Versuchen, zum Veranstaltungsort vorzudringen". Bei der Anhaltung der Kundgebung seien zwei Polizisten durch Widerstand gegen die Staatsgewalt verletzt worden, sagte Polizeisprecherin Barbara Gass.

Erste Festnahmen am Vormittag

Die zuvor bereits umstellten Teilnehmenden wurden infolge mit Absperrgittern blockiert, zahlenmäßig war die Exekutive den rund 50 Protestierenden weit überlegen, Diensthundestaffel und die Sondereinheit Wega unterstützen die bereits anwesenden Beamten. Die LPD Wien begründete das weitere Vorgehen per Twitter, dass wegen "schwerer gemeinschaftlichen Gewalt" (Paragraf 274 StGB) eingeschritten werde, und daher Identitätsfeststellungen vorgenommen werden müssten. Mit ersten Festnahmen wurde gegen 10.00 Uhr begonnen. Die zweite, nicht angemeldete Kundgebung am Parkring in unmittelbarer Nähe des Tagungshotels konnte hingegen ungehindert weiter gehen, und wurde in eine "Marschkundgebung" umgewandelt.

Das am Parkring gelegene Tagungshotel selbst war bereits im Vorfeld von der Polizei großräumig abgeriegelt und ein Platzverbot angeordnet worden. Laut Gass stehen am Montag und in den kommenden Tagen "mehrere Hundert Beamte" im Einsatz, nicht nur bei den aktuellen Kundgebungen in der Nähe des Konferenzortes. Der ÖAMTC riet dazu, verstärkt auf U-Bahnen auszuweichen und sich frühzeitig über etwaige Verkehrsbehinderungen zu informieren.

Demonstranten teilweise aus dem Ausland angereist

Unter anderem auch aus dem Ausland angereiste Aktivisten machten darauf aufmerksam, dass die Konferenz abseits der Öffentlichkeit stattfinden sollte. "Gas Is Colonialism" und "Last Winter Of Gas" war beispielsweise auf Transparenten zu lesen. Mit den Protestaktionen werde "ein Ende der klimaschädlichen, undemokratischen und anti-sozialen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen" gefordert, hieß es in einer Aussendung des internationalen Bündnisses "BlockGas".

"Wir haben eine koloniale Geschichte", sagte Lorraine Chiponda von "Don't Gas Africa" gegenüber der APA. Sie sprach von Unternehmen, die kontinuierlich die afrikanischen Ressourcen ausgebeutet und damit massive, obszöne Gewinne erzielt hätten. "Wir sind nicht die Tankstelle Europas", ergänzte Mitstreiter Dean Bhebe aus Südafrika. Die Ausbeutung der Ressourcen habe die Ungleichheit auf dem ganzen Kontinent vorangetrieben. "Die Ernährungssicherheit von Fischereigemeinden im Senegal ist wegen neuer Gas-Explorationen gefährdet", so Bhebe unter Hinweis auf neue LNG-Gas-Megaprojekte an den Küsten, die als Antwort auf die gesunkenen Importe aus Russland aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine erfolgen.

"Die Protestierenden werden kriminalisiert"

Aus Österreich schloss sich unter anderen "Fridays For Future" den Protesten an, Global 2000 projizierte laut einer Aussendung den Schriftzug "Stop Europe's Fossil Energy Addiction" auf das Konferenzgebäude und die Raffinerie der einladenden OMV. Aktivisten von Attac hielten am Wochenende einen Alternativengipfel ab und riefen für Dienstag um 17.30 Uhr am Stephansplatz zur Demonstration "Stoppt die Gaslobby!" auf. "Die Protestierenden werden kriminalisiert, doch die eigentlichen Verbrechen werden von der fossilen Gasindustrie hinter verschlossenen Türen beschlossen", kommentierte Alexander Egit, Geschäftsführer bei Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, das heutige Vorgehen.

OMV-Chef: "Kooperation, nicht Eskalation"

OMV-Chef Alfred Stern, der am Dienstag eine Keynote-Rede bei der Gaskonferenz halten wird, zeigt Verständnis für die Forderung nach einem raschen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas. "Tatsache ist, dass wir in der Transformation unseres Energiesystems zu langsam sind", sagte Stern am Montag zur APA. Aber der Ausstieg könne nicht von heute auf morgen erfolgen, bevor nicht ein neues, nachhaltigeres Energiesystem aufgestellt sei, sagte Stern.

Proteste von Umweltaktivisten müssten in einer Demokratie möglich sein, "solange sie rechtskonform abgehalten werden, ist es Teil unserer Meinungsvielfalt, die wir in einer Demokratie leben und alle schätzen", sagte Stern im Gespräch mit der APA. "Aber Fortschritt wird durch Kooperation und nicht durch Eskalation erzeugt, und auch nicht durch Emotionen."

"Energiesystem nicht über Nacht transformierbar"

"Mittlerweile hat ein Großteil der Menschen erkannt, dass wir gegen den Klimawandel was tun müssen, und dass wir das so schnell wie möglich tun müssen. Aber es muss uns auch ganz klar sein, dass wir ein Energiesystem nicht über Nacht transformieren können und dass es nicht möglich ist, das bestehende Energiesystem einfach abzustellen, bevor wir nicht ein neues, nachhaltigeres Energiesystem aufgestellt haben."

"Diese Transformation braucht die Energieunternehmen, die heute am Markt sind, weil dafür enorme Investitionen notwendig sind", so Stern. "Dabei geht es nicht nur um das Geld, sondern um die praktische Umsetzung von solchen Projekten. Es gibt auf der Welt nicht so viele Firmen, die die Kompetenz und die Ressourcen haben, um das zu tun."

Deshalb habe sich die OMV in ihrer Strategie das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Das bedeutet, dass sie dann bei ihrer Produktion keine Emissionen mehr erzeugen will und auch bei der Nutzung ihrer Produkte keine Emissionen entstehen sollen.

Keine "Gasdeals" auf der Konferenz

Die Europäische Gaskonferenz findet bereits seit einigen Jahren in Wien statt. Früher war dort auch die russische Gazprom stark vertreten, das Treffen diente zum Austausch mit den europäischen Geschäftspartnern. Heuer dreht sich die Konferenz hingegen vor allem darum, wie Europa unabhängig vom russischen Gas werden kann, hieß es am Montag etwa im "Ö-1-Mittagsjournal". Investoren und Analysten würden sich dort über die Marktsituation austauschen, Gasdeals würden auf der Konferenz jedoch keine geschlagen. Themen seien beispielsweise die Versorgung mit Flüssiggas, aber auch die Entwicklung von grünem Wasserstoff.

"Kein Wachstumsmarkt in Europa"

Stern sieht Öl und Gas nicht als Wachstumsmarkt in Europa – aber man werde auch in Zukunft noch bei der OMV Benzin und Diesel tanken können und auch Erdgas werde weiter benötigt. "Man kann natürlich von der OMV fordern, aus Öl und Gas heute auszusteigen. Ich kann morgen meine Raffinerie schließen, ich kann alle Bohrlöcher verschließen – dann ist die OMV auch weg", sagte Stern. Allerdings generiere die OMV 1,6 Prozent von Österreichs Bruttosozialprodukt.

Wo die OMV aber bald wieder aussteigen will, das ist die Öl- und Gas-Exploration und -produktion (E&P) in Malaysia und Neuseeland. Hier erkunde man derzeit das Interesse möglicher Käufer, sagte der OMV-Chef am Montag. In der Region Asien-Pazifik produziert die OMV 59.000 boe (Fässer Öl-Äquivalent) pro Tag, das sind rund 15 Prozent der OMV-Gesamtproduktion von 392.000 boe pro Tag. Man habe festgestellt, "dass wir gar keine Möglichkeit sehen, das Gas von dort irgendwie in unsere Kernmärkte nach Europa zu bringen". Die OMV verfolgt die Strategie, Öl und Gas nicht nur zu fördern und zu verkaufen, sondern auch selbst zu verarbeiten.

"Sehr vereinfachtes Rechtsverständnis"

Aussteigen würde Stern gerne auch aus der Beteiligung am russischen Gasfeld Juschno-Russkoje, die man bereits fast zur Gänze abgeschrieben hat. "Aber um etwas verkaufen zu können, müssen Sie einmal jemanden finden, der das auch kaufen will und es auch kaufen darf." Dafür brauche man in Russland auch die entsprechenden Genehmigungen. "Das ist zur Zeit aufgrund der Rechtslage extrem schwierig." Forderungen nach einem sofortigen Rückzug aus Russland zeugen für Stern von einem "sehr vereinfachten Rechtsverständnis. Ich könnte als OMV-Chef beispielsweise diese Verträge zerreißen hier in Wien, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir nach wie vor dort beteiligt sind."

Erdgas aus Russland "sanktionskonform"

Dass die OMV aufgrund der bestehenden Lieferverträge nach wie vor Erdgas aus Russland bezieht, sei "sanktions- und gesetzeskonform", betonte Stern. "Tatsache ist, dass Gas bisher nicht unter Sanktionen steht. Wir haben nicht den Luxus, Gas aus legitimen Lieferquellen abzulehnen – insbesondere auch, wenn wir Verträge haben, die uns zur Abnahme verpflichten." Anders sehe es bei Erdöl aus: Man habe bereits vor dem Eintreten der Sanktionen russisches Öl aus den OMV-Raffinerien entfernt und importiere auch keine russischen Ölprodukte wie Diesel.

Kein Verständnis hat der OMV-Chef für die wiederholte Forderung nach einer Offenlegung der Lieferverträge mit dem russischen Gazprom-Konzern. "Bei den Gasverträgen handelt es sich um privatrechtliche Verträge, die – wie bei solchen Verträgen auch üblich – eine Vertraulichkeitsklausel enthalten. Das heißt, wenn wir als OMV einseitig solche Verträge offenlegen, dann werden wir vertragsbrüchig." Der OMV-Aufsichtsrat sei über den Inhalt der Verträge informiert, aber ebenso wie der Vorstand zur Vertraulichkeit verpflichtet. Der österreichische Staat sei zwar mit 31,5 Prozent an der OMV beteiligt, nach dem Aktiengesetz müsse man aber alle Eigentümer gleich behandeln und daher könne man keine Ausnahmen machen und nur einen Teil der Eigentümer über den Inhalt der Verträge informieren.