Was hat die Anhebung der EZB-Leitzinsen mit den tatsächlichen Zinssätzen für Kredite und Sparguthaben, für Private und Unternehmer gemacht? Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), rechnete bei einer Pressekonferenz die unterschiedlichen Zinsniveaus vor.
Im Neugeschäft mit privaten Haushalten erreichten im Jänner 2023 sowohl die Kredite mit durchschnittlich 3,95 Prozent als auch gebundene Einlagen mit 2,03 Prozent die höchsten Zinsniveaus seit mehr als zehn Jahren. Wegen des hohen Anteils variabel verzinster Kredite nahmen auch die Zinsaufwendungen bestehender Kredite deutlich zu. Die Neukreditvergaben für den Wohnbau hingegen gingen deutlich zurück. Die Reduktion war in Österreich im Halbjahresvergleich mit
minus 41 Prozent ähnlich hoch wie in Deutschland (mit minus 39 Prozent) ausgeprägt. "Wegen der hohen Liquidität im Bankensystem steigen die Einlagenzinssätze mit Zeitverzögerung gegenüber den Kreditzinssätzen", so Haber.
Der EZB-Hauptrefinanzierungssatz stieg von null Prozent vor dem 27. Juli 2022 auf aktuell 3,5 Prozent, was folglich auch zu höheren Geldmarkt- und Kundenzinssätzen führte. Bei neu vereinbarten Wohnbaukrediten lag der Durchschnittszinssatz in Österreich mit 3,33 Prozent im Jänner 2023 deutlich über dem Vorjahreswert (Jänner 2022: 1,18 Prozent). Die steigenden Zinssätze im Neugeschäft führten dazu, dass die Neukreditvergaben für Wohnbauzwecke im zweiten Halbjahr 2022 deutlich geringer ausfielen.
Aufgrund des (im internationalen Vergleich) hohen Anteils variabel verzinster Kredite wirkten sich die steigenden Kredit- und Referenzzinssätze in Österreich deutlich stärker auf die Verzinsung aushaftender Wohnbaukredite als im Euroraum aus. Berechnet man anhand der Bestandszinssätze die monatlich von privaten Haushalten aufzuwendenden Zinszahlungen, so haben sich diese innerhalb eines Jahres von 148 Millionen Euro (Jänner 2022) auf 284 Millionen Euro (Jänner 2023) nahezu verdoppelt.
Sparzinsen: "Höchstes Niveau seit mehr als zehn Jahren"
"Die Zinssätze von neu abgeschlossenen Einlagen privater Haushalte mit vereinbarter Laufzeit stiegen im vergangenen Jahr deutlich und wiesen im Jänner 2023 mit 2,03 Prozent das höchste Niveau seit mehr als zehn Jahren auf", erklärt Johannes Turner, Statistik-Direktor in der OeNB. Mit den höheren Zinssätzen zog auch die Nachfrage nach gebundenen Einlagen wieder stärker an. Trotz steigender Konditionen lagen die Zinssätze in allen Segmenten aber weiterhin deutlich unter der Inflation.
Auch bei Unternehmen waren bei Krediten deutlich anziehende Zinssätze beobachtbar. Während Österreich seinen Zinsvorteil im Kreditneugeschäft gegenüber dem Euroraum, aufgrund von ähnlich hohen Anstiegen der Zinssätze, behielt, stieg die Verzinsung der aushaftenden Unternehmenskredite in Österreich stärker als im Euroraum an. Mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 3,14 Prozent (Jänner 2023) bezahlten Unternehmen in Österreich erstmals mehr Zinsen auf ihr aushaftendes Kreditvolumen als im Euroraum-Durchschnitt (2,8 Prozent). Ausschlaggebend dafür war abermals die im internationalen Vergleich höhere Bedeutung von variabel verzinsten Krediten.