Die App TikTok ist aktuell fast täglich in den Schlagzeilen. Letzten Donnerstag musste sich der TikTok-Chef Shou Zi Chew einer Anhörung im US-Kongress stellen. Die dortige Regierung überlegt ein generelles Verbot der chinesischen App. Auch in Europa wird befürchtet, dass TikTok eine Hintertür für chinesische Überwachung und Einflussnahme sein könnte.

TikTok-Tänzer und ihre wertvollen Daten

Bei uns ist TikTok vor allem für seine lustigen Inhalte bekannt: Hier wird getanzt, gesungen und gekocht. Laut der aktuellen Erhebung "Jugend-Internet-Monitor" verwenden 68 Prozent der 11- bis 17-Jährigen die Video-App. So viel Spaß lässt schnell vergessen, dass hinter TikTok auch ein großes Unternehmen steht, das mit der App in erster Linie Geld verdient.

Wichtig sind dafür die Nutzerdaten, die viel über die TikTok-Tänzer verraten. "TikTok will von uns viele Dinge wissen, etwa unseren Standort, die E-Mail-Adresse, unseren Namen oder die Telefonnummer. Es will Zugriff auf unsere Fotos, Videos, den Browserverlauf und die Gerätedaten. Diese Infos werden dann kombiniert, denn je spezieller die Werbung auf mich zugeschnitten ist, desto interessanter ist sie für mich", erklärt Elmar Krainz. Er ist Studiengangsleiter von "Mobile Software Development" an der FH Joanneum.

Auf den ersten Blick wirkt das harmlos: Sieht sich jemand gerne Videos an, in denen sich Mädchen schminken, merkt sich TikTok das. Diese Person sieht dann etwa mehr Werbevideos über Lippenstifte und Foundation. Andererseits gibt es aber auch das Risiko, dass diese Daten für andere Zwecke verwendet werden.

Auch in den USA hat TikTok viele Fans, so wie diese Demonstranten: Sie wollen die App behalten
Auch in den USA hat TikTok viele Fans, so wie diese Demonstranten: Sie wollen die App behalten © AP/J. Scott Applewhite

Werbung verkaufen oder politisch beeinflussen?

Heute können mit den Daten über Menschen genaue Profile erstellt werden. Ähnliches gilt für politische Einstellungen: Der "Cambridge Analytica"-Skandal machte 2018 öffentlich, wie Menschen mit politischen Werbebotschaften manipuliert wurden. Hannes Stummer, Datenschutzexperte von "epicenter.works", sieht grundsätzlich "immer die Gefahr, dass Daten von IT-Unternehmen missbraucht werden – dabei ist es egal, ob es sich um Meta, Amazon oder TikTok handelt. Sie alle gehen teils skrupellos mit unseren Daten um".

Denn nicht nur die Vorliebe für TikTok-Schmink-Videos sagt heute viel über jemanden aus. Besitzt der Schmink-Video-Fan etwa auch einen Staubsaugerroboter, dann kann es sein, dass es auch Daten über die Wohnung oder das Haus gibt, in dem man lebt. Ist das Haus groß und in einer Gegend mit höheren Grundstückspreisen, dann wird man wahrscheinlich Werbung für teurere Lippenstifte bekommen – und vielleicht auch mehr Werbung für politische Parteien, die sich für Eigenheimbesitzer starkmachen. Das heißt, Daten können auch für politische Beeinflussung verwendet werden – ein wesentlicher Punkt in der aktuellen TikTok-Debatte.

Überwachte Menschen in China

Überall in der westlichen Welt fürchten sich Politiker vor TikTok. Zwar sammeln auch westliche Internet-Konzerne die Daten ihrer Nutzerinnen und wissen oft mehr über einzelne Menschen als diese selbst. Aber anders als beispielsweise der Facebook-Konzern ist TikTok keine westliche App. Das Unternehmen ByteDance, dem TikTok gehört, hat seinen Hauptsitz in Peking. Die chinesische Regierung ist wiederum dafür bekannt, dass sie Daten sehr stark für die Überwachung der chinesischen Bürger einsetzt.

So gibt es in China ein eigenes Sozialkreditsystem, das Menschen aufgrund ihrer Daten bewertet. Überwachungskameras und Handydaten zeichnen in einigen Regionen exakt auf, wer sich wie bewegt. "In China sind die Bürger gläsern, Verhalten abseits des Mainstreams wird bestraft. Technisch ist vieles möglich: Auch bei uns kann man die Bewegungsmuster einer Person bei Kriminalfällen mit einem richterlichen Beschluss abfragen. Man geht davon aus, dass diese Möglichkeiten in nicht demokratischen Ländern wie China ausgeschöpft werden könnten", sagt der Informatiker Krainz.

In westlichen Ländern gibt es nun die Angst, China könnte durch die TikTok-Daten zu viel über Einzelne erfahren und dieses Wissen zu seinem Vorteil nutzen. Dasselbe gilt für Europa – auch wenn wir mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eigentlich ein Gesetz haben, dass uns schützen soll. "Bei der Durchsetzung der DSGVO gibt es aber leider Lücken. Bei TikTok ist die irische Datenschutzbehörde zuständig, die den Fall gerade prüft", sagt Stummer. Der Informatiker Krainz vermutet, dass "ein nicht demokratisches Land wie China vermutlich keine Rücksicht auf die DSGVO" nimmt.

Der Tiktok-Chef Shou Zi Chew behauptet, dass TikTok keine Daten an die chinesische Regierung weitergibt
Der Tiktok-Chef Shou Zi Chew behauptet, dass TikTok keine Daten an die chinesische Regierung weitergibt © AP/Manuel Balce Ceneta

Wann gehen Politiker zu Besprechungen?

Während es in den USA jetzt um ein TikTok-Verbot für die Allgemeinheit geht, wurde die App für Staatsdiener auf Diensthandys dort bereits verboten. Auch in Europa wird seit Wochen über mögliche Verbote diskutiert. Mitarbeiter der EU-Kommission mussten die chinesische App Mitte März sogar von ihren privaten Handys löschen, ähnliche Empfehlungen sprach auch das EU-Parlament aus. In Österreich wird über ein Verbot der App auf Handys von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Behörden und öffentlichen Einrichtungen diskutiert.

Die Angst der Politik ist, dass TikTok die Daten an die chinesische Regierung weitergeben könnte. "TikTok ist eine App aus China. Die Verhältnisse in diesem Land sind andere als bei uns. Auch wenn das Unternehmen ByteDance wirtschaftlich agiert, kann man nicht sicher sein, ob die chinesische Regierung keinen Druck ausübt, um an diese Daten zu kommen", sagt der Informatiker Krainz. Bei den Handys von Politikern ist das besonders heikel: Bewegungs- und Kommunikationsprofile können viel über das Verhalten der Person verraten. Im Falle von Politikern etwa, wer wann an welchen Besprechungen teilnimmt.

Der Mutterkonzern ByteDance bestreitet, dass er Daten an die chinesische Regierung weitergibt. Aber wie im Dezember 2022 bekannt wurde, überwachte TikTok kritische US-Journalisten, indem es ihre Aufenthaltsorte überwachte. Das zählt nicht zu den eigentlichen Aufgaben einer Unterhaltungsapp. Es gibt also gute Gründe, warum die Politik bei TikTok so nervös reagiert.