„Die Idee ist eigentlich recht alt“, sagt Wilfried Gappmair. „Aber erst jetzt scheint die Zeit wirklich reif.“
Die bekannte und doch zeitgemäße Idee, über die der Spezialist vom Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz spricht, ist eine via Satelliten hergestellte, sehr schnelle Internetverbindung. In aller Munde ist die Technologie nicht zuletzt, weil mit Amazon der nächste Unternehmensriese in dieser Woche seine Ambitionen unterstrich. Tausende Satelliten will der Online-Händler für sein „Projekt Kuiper“ in den Orbit schießen. Profitieren sollen davon laut Amazon Regionen, die heute „unserved or underserved“, also unversorgt oder unterversorgt mit Internet sind. Was uns auf direktem Wege zu den technologischen Vorteilen von Satelliteninternet führt. Als größte Stärke gilt nämlich die Kombination einer relativ großen Bandbreite mit weitgehend ortsungebundener Verfügbarkeit.
2018 begann Amazon an „Kuiper“ zu arbeiten, 2020 holte sich der Konzern die behördliche Lizenz, um die Satelliten einzusetzen und zu betreiben. Jetzt erhöht das Unternehmen um Lenker Andy Jassy das Tempo. Anfang Mai starten zwei Prototypen-Satelliten, im kommenden Jahr sollen erste Testkunden vom Internet aus dem All profitieren.
Amazon schießt 3200 Satelliten in den Orbit
2026 schließlich will Amazon die Hälfte der in Summe 3200 Satelliten aktiviert haben. Mit dem größten Antennenmodul sollen dann Übertragungsgeschwindigkeiten von 1 Gigabit pro Sekunde möglich sein. „Ich bin überzeugt, dass es ein sehr gutes Geschäft sein kann, wenn wir unsere Kosten und Technologie im Griff haben“, lässt Amazons Gerätechef Dave Limp wissen.
Auch TU-Wissenschafter Gappmair sieht großes Potenzial. Vor allem, seit man die Internetverbindung nicht mehr primär über 36.000 Kilometer entfernte geostationäre Satelliten realisiert. Sondern immer mehr Anbieter auf eine „Wolke aus niedrig fliegenden Satelliten setzen“. Nur 400 bis 600 Kilometer sind diese Satelliten von der Erde entfernt. Verzögerungseffekte werden so irrelevant.
Dass Breitband-Internet aus dem Weltall tatsächlich keine Zukunftsmusik mehr ist und zunehmend Geschäftspläne für ein breiteres Publikum darauf aufbauen, stellt nicht zuletzt das von Elon Musk gegründete Unternehmen SpaceX unter Beweis. Dessen System Starlink ist neben OneWeb heute eine der größten diesbezüglichen Satellitenkonstellationen. Auf 2400 aktive Satelliten und 400.000 Nutzerinnen und Nutzer verweist man bei Starlink.
Dass die Technologie sehr gefragt sein kann, zeigen auch zwei geopolitische Großereignisse dieser Tage. Einerseits griffen zuletzt im stark von Internetzensur beherrschten Iran immer mehr Menschen auf das Satellitennetz zurück. Andererseits wurde Starlink auch in der kriegsverwüsteten Ukraine zu einer Kommunikationsbastion.
Preislich bewegen sich die Dienste von Starlink übrigens in unterschiedlichen Sphären.
Wer etwa am Schiff auf Internetdienste nicht verzichten will und eine „globale maritime Abdeckung“ bestellt, entlöhnt jedes Monat mehr als 5600 Euro. Dafür garantieren Elon Musk & Co. immerhin Downloadgeschwindigkeiten von „bis zu 350 Megabit pro Sekunde“.
Was geschieht mit dem Weltraumschrott?
Weniger offensiv sprechen die Anbieter über eine andere Frage: Was passiert, wenn die zigtausenden Kleinsatelliten am Ende ihrer Lebenszeit angelangt sind? Nur eine bedingt brauchbare Option scheint, die Satelliten einfach verglühen zu lassen. „Verglühen bedeutet ja nicht, dass das Material dann weg ist“, betont der Astrophysiker Gerhard Drolshagen gegenüber dem MDR. Gasteilchen oder kleine Staubteilchen würden in der Atmosphäre bleiben und langsam zu Boden sinken. Alleine durch die erste Starlink-Generation würden so zwei Tonnen „totes Satellitenmaterial“ auf die Erde gelangen. Tendenz steigend.