Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt ihren Ankündigungen treu und erhöht die Leitzinsen im Euroraum erneut um 0,5 Prozentpunkte. Der Schritt war bereits bei der vorangegangenen Zinssitzung angekündigt worden. Seit Juli 2022 haben die Eurowährungshüter im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen sechsmal in Folge angehoben, der Leitzins im Euroraum liegt nun bereits bei 3,5 Prozent. Auch der Einlagen- und der Spitzenrefinanzierungszinssatz steigen um denselben Betrag. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hoher Inflation entgegenwirken soll.

Mittelfristig strebt die EZB für den Euroraum Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von 2 Prozent an. Diese Zielmarke ist seit Monaten meilenweit entfernt. Im Februar lag die Inflationsrate im gemeinsamen Währungsraum nach einer ersten Schätzung des europäischen Statistikamtes Eurostat bei 8,5 Prozent. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern, sie können sich für einen Euro weniger leisten.

Weitere Zinserhöhungen über März hinaus deuteten sich zuletzt an. "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es möglich, dass wir diesen Weg weitergehen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde unlängst im spanischen Fernsehen. Über die Größe der denkbaren Zinsschritte könne aber noch nichts gesagt werden.

Neue Prognosen

Wichtige Entscheidungshilfen für die Währungshüter waren die neuen Konjunktur- und Inflationsprognosen der EZB-Volkswirte. Zwar deuten die neuen Zahlen darauf hin, dass die Inflation heuer noch auf 5,3 Prozent zurückgehen wird und bis 2025 auf 2,1 Prozent sinken soll. Allerdings bleibt die sogenannte Kerninflation, also die Teuerung ohne Energiepreise, weiterhin zu hoch. Sie soll heuer im Schnitt 4,6 Prozent betragen, was ein Hinweis darauf ist, dass die Teuerung hartnäckiger ist, als bisher angenommen. Erst 2025 soll auch dieser Wert auf 2,2 Prozent sinken.

Positiv sehen die EZB-Ökonomen die Entwicklung der Wirtschaft. Das BIP des Euroraums werde trotz Ukraine-Krieg und unsicherer Energieversorgung heuer um rund 1,0 Prozent zulegen. 2024 und 2025 werden es dann 1,6 Prozent sein.

Nicht eingerechnet sind die aktuellen Turbulenzen am Bankensektor, die für Unsicherheit auf den Finanzmärkten sorgen - auch denen in Europa. Nach dem Kollaps von drei US-Banken ist zuletzt die Schweizer Credit Suisse in Bedrängnis geraten. Börsenexperten hatten daher erwartet, dass die EZB von ihrem Zinskurs abweicht.

Allerdings sieht EZB-Chefin Lagarde den EU-Bankensektor als robust genug an, um die aktuellen Marktturbulenzen zu überstehen. "Wir haben aus 2008 gelernt und es gibt in der EU heute strenge Kapitalvorschriften und das Regelwerk Basel III." Lagarde versichert darüber hinaus, dass die EZB genug Möglichkeiten hat, um Banken im Krisenfall mit Liquidität auszustatten, wie bereits am Beginn der Covid-Pandemie unter Beweis gestellt wurde.

Vorsichtiger

Dennoch: Die aktuellen Verwerfungen am Bankensektor machen die EZB vorsichtig. Wurde zuvor mehrfach betont, dass es noch mehrere Zinserhöhungen geben sollte, ist Lagarde nun betont vorsichtig. Die EZB werde anhand der wirtschaftlichen und finanziellen Daten entscheiden. Es sei derzeit einfach noch nicht klar, wie sich die Lage an den Finanzmärkten weiter entwickeln werde. Sie stellt aber klar: Die Bekämpfung der Inflation sei der EZB ebenso wichtig wie die Stabilität der Finanzmärkte, das eine wiege das andere nicht auf.

Weitere Zinserhöhungen seien daher keineswegs ausgeschlossen. Mehr noch: Wenn sich die vor dem Kollaps der drei US-Banken erstellten Prognosen bewahrheiten, sind weitere Zinsschritte sogar eher wahrscheinlich, um zu dem Ziel der 2-Prozent-Inflation zu kommen.