Die Schweizer Notenbank greift der angeschlagenen Crédit Suisse mit einer milliardenschweren Kreditlinie unter die Arme. Das Geldhaus will mit der Option auf Kredite von bis zu 50 Milliarden Franken (rund 51 Milliarden Euro) verlorenes Vertrauen auf dem Finanzmarkt zurückgewinnen. Für Währungshüter, Finanzaufsicht und Regierungen geht es auch darum, eine schwere Bankenkrise zu verhindern.
Angesichts der Turbulenzen zeigte sich Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe zuversichtlich, dass Europas Banken gewappnet sind. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hatte bereits am Mittwochabend die Stabilität des deutschen Kreditwesens hervorgehoben.
Erholung vom Kurssturz
An der Börse zeigten die Maßnahmen am Donnerstag Wirkung: Die Aktie der Crédit Suisse erholte sich ein gutes Stück von ihrem Kurssturz. Zum Handelsstart legte ihr Kurs um fast ein Drittel zu. Am späten Vormittag lag er noch mit 23 Prozent im Plus.
Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken hatte Unsicherheit im Bankensektor ausgelöst. Bei der schon zuvor angeschlagenen Crédit Suisse schlug sich dies besonders deutlich nieder. Die Großaktionärin Saudi National Bank glaubt nach eigener Aussage nicht, dass das Schweizer Institut weiteres Kapital benötigt. Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) habe bestätigt, dass die Crédit Suisse gut kapitalisiert sei, sagte Ammar Al Khudairy, Präsident der saudischen Bank, dem Sender CNBC. Die jüngste Panik sei "vollkommen ungerechtfertigt" - sowohl mit Blick auf die Crédit Suisse als auch mit Blick auf den gesamten Markt. Allerdings bekräftigte er, dass die Saudi National Bank ihre Beteiligung nicht über 9,9 Prozent ausbauen werde.
"Entschlossene Maßnahmen"
Unterdessen stellt die SNB der Crédit Suisse die 50 Milliarden Franken nicht blanko zur Verfügung: Die Kreditlinie sei vollständig mit erstklassigen Vermögenswerten besichert, teilte die Crédit Suisse mit. Außerdem kündigte sie den Rückkauf von Anleihen im Volumen von 3 Milliarden Franken an. Die Crédit Suisse bezeichnete die Schritte als "entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung" der Liquidität. "Mit diesen Maßnahmen stärken wir die Crédit Suisse im Rahmen unseres strategischen Wandels, um für unsere Kunden und andere Anspruchsgruppen Mehrwert zu schaffen", sagte Bankchef Ulrich Körner.
Bereits am Mittwochabend hatten die SNB und die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma mitgeteilt, dass die Crédit Suisse bei Kapitaldecke und Liquidität die erhöhten Anforderungen für systemrelevante Banken erfülle. So verfügte die Bank Ende 2022 über eine harte Eigenkapitalquote von 14,1 Prozent. Auch gehe von den jüngsten Problemen in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt aus.
"Sind uns der Risiken bewusst"
Mit Blick auf mögliche Gefahren für deutsche Banken und ihre Kunden hob der deutsche Finanzminister Lindner die Stabilität des deutschen Kreditwesens hervor. "Die Bundesregierung ist mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch", sagte der FDP-Chef in der ARD-Sendung "Maischberger". "Wir haben mit der Bafin eine leistungsfähige Finanzaufsicht, und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat. Wir können deshalb sehr klar sagen: Das deutsche Kreditwesen - private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute - ist stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter."
Eurogruppen-Chef Donohoe zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. "Wir sind uns der Risiken bewusst, die derzeit in unserem Banken- und unserem globalen Finanzsystem bestehen. Aber die Höhe der Eigenkapitalpuffer gibt uns die Gewissheit, dass wir in der Lage sind, diese Risiken zu managen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Auf die Frage, ob die europäischen Banken auch für weitere Zinserhöhungen gewappnet seien, antwortete Donohoe: "Ja, unsere Banken sind auf mögliche Veränderungen vorbereitet."
Experten äußerten sich zwar eher positiv zu den Maßnahmen. Schließlich sei die Crédit Suisse auf den Finanzmärkten wie bei ihren Kunden mit einem Vertrauensverlust konfrontiert, schrieb Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldwirtschaft an der Universität Freiburg in der Schweiz. "Aber selbst mit dem Kredit der SNB wird die Crédit Suisse alle ihre Probleme in einer Woche nicht gelöst haben."
Bankenanalyst Kian Abouhossein von der US-Bank JP Morgan attestierte ein anhaltendes Vertrauensproblem mit Blick auf das Investmentbank-Geschäft. Hinzu kämen Sorgen wegen Mittelabflüssen und die jüngsten Verluste der lange erfolgreichen Vermögensverwaltung. Die Kapitaldecke des Instituts ist aus seiner Sicht nicht das Problem.
Es kriselt seit Jahren
Die Crédit Suisse wurde 1856 gegründet und hat mehr als 50.000 Angestellte. Sie ist die zweitgrößte Bank der Schweiz hinter der UBS und steckt schon länger in der Krise. 2021 erlitt sie durch den Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und die Abwicklung von Fonds des Finanzkonglomerats Greensill einen Verlust von 1,65 Mrd. Franken. Ein Jahr später folgte auch wegen riskanter Geschäfte im Investmentbanking ein Fehlbetrag von 7,3 Milliarden Franken - der zweithöchste Verlust in der Geschichte der Bank.
Gerüchte über eine mögliche finanzielle Schieflage der Bank hatten im vergangenen Jahr reale Folgen: So zogen Kunden netto mehr als 123 Milliarden Franken ab. Zudem rügte die Aufsicht zuletzt das Risikomanagement und Teile der Finanzberichterstattung.