"Das erschüttert uns und die Betriebe in den Grundfesten“, sagt Josef Herk. Der steirische Wirtschaftskammerpräsident weiß von immer mehr Unternehmen zu berichten, die kaum noch neue Aufträge annehmen, ihre Betriebszeiten reduzieren und das Angebot einschränken. Nicht, weil sie das so wollen, sondern weil sie aufgrund von Personalengpässen müssen, wie Herk betont.
Er spricht von einem „demografischen Tsunami und einer Pensionierungswelle, die über die steirische Wirtschaft schwappt“. Innerhalb von 15 Jahren habe sich der Anteil der über 50-jährigen unselbstständig Beschäftigten in der Steiermark von 68.893 auf 150.981 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig habe „der Anteil der unter 25-Jährigen in den steirischen Firmen von 71.959 auf 60.962 rapide abgenommen“. Der Arbeitskräftemangel werde sich in Zukunft also noch verstärken.
Für das Fachkräfteradar hat das WK-Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) auch heuer die Zahl der Arbeitslosen (ab Lehre) pro offener Stelle als Indikator herangezogen – und daraus die sogenannte „Stellenandrangsziffer“ je Beruf errechnet. Sie zeigt also auf, wie viele Arbeitslose es pro offener Stelle für einen Beruf gibt.
In der Steiermark sei diese Ziffer in den letzten Jahren sukzessive gesunken, sie lag 2019 im Schnitt noch bei 2,34. Trotz Coronaverwerfungen sank sie 2021 auf 1,9 – und im Vorjahr dann überhaupt auf nur noch 1,19. Von einem Mangelberuf spricht man bei einem Wert unter 1,5. Die Gesamtzahl der Mangelberufe sei in der Steiermark „innerhalb von nur drei Jahren von 74 auf 129 gestiegen“, so Herk.
In 17 Berufen gab es 2022 laut IWS-Auswertung – auf Basis von AMS-Daten – mindestens doppelt so viele offene Stellen als für diese Tätigkeit qualifizierte Arbeitslose.
Die Palette reicht von Diplomingenieuren im Bereich Energietechnik über IT-Spezialistinnen und Maschinenbauer über Krankenpflegerinnen, Elektro- und Rohrinstallateure sowie Dreherinnen bis hin zu Augenoptikern, Lackiererinnen, Ärzten, Kfz-Mechanikerinnen oder Schlossern, Schweißerinnen sowie Bau- und Möbeltischlern.
Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Zahl der Beschäftigten hat mit rund 546.000 ebenso ein Allzeithoch erreicht wie die Zahl der offenen Stellen. „Trotzdem ist die geleistete Arbeitszeit rückläufig“, das habe auch mit dem verstärkten Teilzeit-Trend zu tun, so Herk.
„Vom Reden endlich ins Tun kommen“
Bundesweit legte die Zahl der Teilzeit-Beschäftigten 2022 laut Statistik Austria um sieben Prozent (88.900 Personen) zu. Jede zweite erwerbstätige Frau (50,7 Prozent) und jeder achte Mann (12,6 Prozent) gaben an, auf Teilzeitbasis zu arbeiten. Frauen nennen als Hauptgrund ihre Betreuungsaufgaben (29,5 Prozent), weitere 26,5 Prozent sagen aber, dass es ihr Wunsch ist, weniger zu arbeiten. Herk fordert steuerliche Anreize für Vollzeitbeschäftigung – für die es auch entsprechende Rahmenbedingungen brauche, also den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung für alle Altersstufen. Auch verstärkter qualifizierter Zuzug, eine Ausweitung der Steuerbefreiung von Überstunden sowie Anreize für freiwilliges längeres Arbeiten im Alter seien dringend notwendig.
Es müsse politisch gegengesteuert werden, „sonst fahren wir mit Vollgas und ohne Airbag gegen die Wand“. Auch beim „Dauerthema der Anpassung des faktischen an das gesetzliche Pensionsantrittsalter“ müsse man „vom Reden endlich ins Tun kommen“. Herk: „Denn in Österreich arbeiten aktuell gerade einmal 32 Prozent der 60- bis 64-Jährigen, während es in Deutschland 63,2 Prozent sind.“