Nach dem Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) und den Maßnahmen in den USA zur Stabilisierung des Bankensystems sind auch die Behörden und die Märkte in Europa in Habtacht-Stellung. In Frankfurt ordnete die deutsche Finanzaufsicht BaFin am Montag ein Moratorium über die deutsche Zweigstelle der SVB an, um die Vermögenswerte für die Gläubiger zu sichern.
"Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar", betonten jedoch die Aufseher. Dennoch beriet der nach der Finanzkrise 2008 eingerichtete Finanzkrisenstab der Deutschen Bundesbank über mögliche Auswirkungen. Die EZB-Bankenaufsicht plante einem Insider zufolge dagegen kein Notfall-Treffen ihres Aufsichtsgremiums (SSB). An den Börsen sorgte die Pleite der SVB für Nervosität: Banken-Aktien sackten ab, der deutsche Leitindex DAX stand zeitweise mehr als drei Prozent im Minus. Der heimische Leitindex ATX notierte gegen 12 Uhr mit einem Minus von 3,86 Prozent bei 3.312,67 Punkten.
Hohe Summen in Staatsanleihen angelegt
Die auf die Finanzierung von jungen Technologiefirmen spezialisierte SVB war in Schieflage geraten, weil sie hohe Summen in langlaufende US-Staatsanleihen angelegt hatte. Deren Kurse sind durch die Zinserhöhungen der Notenbanken aber deutlich gesunken. Zur Auszahlung von Kundengeldern musste die SVB Anleihen verkaufen und Milliarden-Verluste in Kauf nehmen. Eine Kapitalerhöhung zur Bilanzstärkung scheiterte. Kunden zogen Milliarden bei der Bank ab, die schließlich geschlossen wurde.
Auch die in New York ansässige Signature Bank wurde dichtgemacht. In den USA will die US-Notenbank Fed mit einem neuen Kreditprogramm der Gefahr einer größeren Finanzkrise entgegenwirken. Die Banken sollen mit der neu geschaffenen Kreditlinie Bank Term Funding Program (BTFP) auch in Zeiten von Marktstress ausreichend Liquidität erhalten. US-Präsident Biden kündigte für den frühen Nachmittag ein Statement an.
Lösung in Großbritannien
In Großbritannien hat die SVB über eine Tochter ebenfalls zahlreiche Startups finanziert. Um diese zu schützen, übernahm die britische Großbank HSBC mit der Unterstützung der Bank of England die SVB-Tochter. Die Transaktion schütze die Kundeneinlagen, erklärte Finanzminister Jeremy Hunt. "HSBC ist die größte Bank Europas und die Kunden der SVB UK sollten sich von ihrer Stärke, Schutz und Sicherheit vergewissern." Für das Finanzsystem bestehe keine Gefahr. "Das britische Bankensystem ist extrem sicher und gut kapitalisiert", sagte Hunt. Auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire gab sich entspannt: "Wir beobachten die Situation in den USA, aber es gibt keinen spezifischen Alarm für das französische Bankensystem, das solide ist", sagte er dem Radiosender Franceinfo.
"Für Stärke und Sicherheit"
In Deutschland ist die SVB nur über eine Zweigstelle mit einer Bilanzsumme von rund 790 Millionen Euro vertreten. Zu ihren Kunden zählen etwa Hellofresh und Lilium. "Die Silicon Valley Bank Germany Branch hat keine systemische Relevanz", erklärte die BaFin. Die Finanzbehörde ordnete die Schließung des Kundenverkehrs an. Konsequenzen für die Einlagensicherung gebe es keine. Der deutsche Start-up-Verband äußerte sich vorsichtig optimistisch, dass heimische Firmen mit einem blauen Auge davonkommen könnten.
Die Europäische Zentralbank (EZB), die 111 größere Banken im Euroraum überwacht, sah keinen Anlass für ein Krisentreffen, wie ein hochrangiger Insider sagte. Die Banken im Euroraum seien insgesamt finanziell gut ausgestattet. Sie hätten gute Arbeit geleistet bei der Übertragung von Vermögenswerten aus ihren Handelsbüchern in ihr Portfolio der bis zur Endfälligkeit gehaltenen Finanzinvestitionen. Damit seien diese vor steigenden Zinsen und sinkenden Kursen besser geschützt. Zudem besäßen Geldhäuser in der 20-Länder-Gemeinschaft eine viel konservativere Mixtur ihrer Vermögenswerte als die SVB.
Die Sorgen um die Folgen der SVB-Pleite treiben Anleger trotz der Maßnahmen der Behörden um. "Die große und entscheidende Frage ist jetzt, wie viele Banken folgen werden." Mit den Maßnahmen der US-Behörden und der Übernahme der britischen SVB-Tochter sei die Gefahr einer Bankenkrise zunächst gebannt, konstatierte RoboMarkets-Analyst Jürgen Molnar. "Nichtsdestotrotz bleibt das Problem hoher Buchverluste in den Anleiheportfolios der Banken bestehen und dürfte die Börse noch eine ganze Weile beschäftigen."
Welche Rolle spielt die Zinspolitik?
Experten machen die starken Zinserhöhungen in den USA mitverantwortlich für die Probleme der SVB. Mit deutlichen Zinserhöhungen haben zuletzt Zentralbanken rund um den Globus versucht, die spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr sprunghaft gestiegene Inflation einzudämmen. Nach mehr als einem Jahrzehnt mit Nullzinsen zeigen sich nun aber Risse im Finanzsystem. Einige Investoren fürchten, dass sich der plötzliche Kurswechsel jetzt rächt. In den USA hat die Notenbank Fed die Zinsen so stark angehoben wie seit den frühen 1980er-Jahren nicht mehr. Als Nebenwirkungen davon gelten ein Ausverkauf bei Technologieaktien, Turbulenzen bei Kryptowährungen sowie Druck auf amerikanische und britische Immobilienfonds.
Größter Kollaps seit der globalen Finanzkrise von 2008
Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) mit Sitz in Santa Clara ist der größte Kollaps seit der globalen Finanzkrise von 2008. Das Institut hatte Ende 2022 Vermögenswerte von 209 Milliarden Dollar in der Bilanz und war damit die Nummer 16 der US-Bankenbranche. Bislang leiden vor allem Investoren unter der Pleite, die besonders riskante Wetten eingehen. Das könnte sich aber ändern, befürchten Experten. Bekannte Investoren wie Kyle Bass und Bill Ackman fordern von der Regierung ein schnelles Eingreifen, um zu vermeiden, dass Kunden massenhaft ihre Bankeinlagen abheben wollen. Bei der SVB hatten Kunden an nur einem Tag 42 Milliarden Dollar abgezogen. Die kalifornische Aufsichtsbehörde zog daraufhin am Freitag den Stecker und schloss das Institut.
Wegen der Größe der SVB ist der Kreis möglicher Retter begrenzt. Die Fed und die US-Einlagensicherung FDIC erörtern einem Bericht der Agentur Bloomberg zufolge eine Auffanglösung für Institute, die nun auch unter Druck geraten könnten. So könnte versucht werden, Bankkunden zu beruhigen, um Panik zu vermeiden. Die Fed und die FDIC wollten sich dazu nicht äußern. Das Weiße Haus hatte am Samstag mitgeteilt, US-Präsident Joe Biden habe mit dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom über die Bank gesprochen.
Beratungen über Vorschuss- und Diskontsätze
Die Fed kündigte für Montag eine Sitzung ihres Gouverneursrats an. Es werde dabei in erster Linie um Vorschuss- und Diskontsätze gehen, so die US-Notenbank am Sonntag. Die Kreditvergabe der Fed über das sogenannte Diskontfenster spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Liquidität und Stabilität des Bankensystems. Durch den einfachen Zugang zu Finanzmitteln hilft es den Geldinstituten laut der Notenbank, ihre Liquiditätsrisiken effizient zu verwalten und Maßnahmen zu vermeiden, die negative Folgen für ihre Kunden haben – insbesondere in Zeiten von Marktstress. Somit unterstützt das Diskontfenster laut der Fed den reibungslosen Kreditfluss an Haushalte und Unternehmen.