Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland haben Österreichs Wirtschaft bisher zehn Milliarden Euro an entgangener Wertschöpfung gekostet, sagt der Chef der Industriellenvereinigung, Georg Knill. "Wir sind aber gerne bereit, diesen Preis mitzutragen", betonte Knill am Sonntag in der ORF-Pressestunde.

Ins heurige Jahr gehe die Industrie optimistisch, er gehe nach wie vor von einem schwachen Wachstum aus. Vorwürfe, die Industrie habe ihre Abhängigkeit vom russischen Gas zu langsam verringert, wies Knill zurück: "Wir haben 50 Prozent binnen kürzester Zeit diversifiziert." Am Rest werde "im Hintergrund" gearbeitet, aber die OMV habe sich an die geschlossenen Lieferverträge (also Abnahmepflichten) zu halten. Andererseits müsse man jederzeit damit rechnen, dass "morgen null" Gas aus Russland kommt: "Dieses Verhältnis ist vertrauensmäßig weg." Und der Steirer räumte auch offen ein: "Wir haben uns in Summe mit Russland komplett verschätzt."

Reformen bei Rot-Weiß-Rot-Card

Zum Arbeitskräftemangel meinte Knill, höhere Einstiegsgehälter für Junge seien "ein interessanter Zugang", man müsse darüber nachdenken. Auch beim qualifizierten Zuzug über die Rot-Weiß-Rot-Card will er antauchen. "Wir werden intensiv Standortmarketing betreiben müssen" - und zwar zum Beispiel im Kosovo, in Bosnien, in Südamerika und Südostasien. Die 56.000 Ukrainer in Grundversorgung seien beim Zuverdienst eingeschränkt, "das wird gerade angesehen", kündigt Knill Reformen an.

Weitere Industrie-Forderungen sind 20 statt 10 steuerfreie Überstunden pro Monat und geringere Sozialversicherungsbeiträge für arbeitende Pensionisten. Das rechne sich über die höhere Wertschöpfung "von selbst", glaubt der Industrie-Präsident. Aufhorchen lässt er bei der Frühpension: Eine gänzliche Abschaffung des Instruments "wäre mir willkommen, aber das steht anscheinend nicht im Regierungsprogramm".

Deutlich nimmt Knill für den Abschluss des Mercosur-Freihandelsabkommens Partei: Die EU könne damit einen Markt von 226 Millionen Menschen in Südamerika erschließen. Vor allem gehe es um Zugang zu Rohstoffen, wie zum Biespiel seltene Erden in Brasilien: "Ohne die läuft kein Windrad." Da Mercosur ausdrücklich die Bindung an die Pariser Klimaziele enthalte, wäre der Handelspakt laut Knill auch "ein deutliches Signal in Richtung Klimaschutz."