Josef Obergantschnig ist Unternehmer, Gründer von www.ecobono.com, Präsident des Wirtschaftsethikklubs Ethico und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bank- und Börsenwesen. In seinem "Logbuch eines Börsianers" schildert der erfahrene Kapitalmarktexperte für die Kleine Zeitung seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse in diesen – auch auf dem Börsenparkett – ereignisreichen Zeiten und zieht jeweils eine Wochenbilanz.
Samstag, 13. Juli: Was die Österreicher mit ihrem Geld tun
Mit Beginn der zweiten Jahreshälfte startet auch für viele von uns die Urlaubssaison. Auch für uns steht der Urlaub ante portas. Das ist die Zeit der Erholung und Entspannung. Für mich sind die Sommerwochen aber auch die Zeit, Vergangenes Revue passieren zu lassen und über die Zukunft nachzudenken. Es geht zwar nicht nach Italien, aber für mich gibt es dennoch keine bessere Einstimmung, als in der Morgensonne einen Espresso beim Italiener meines Vertrauens zu genießen.
Ein Pärchen am Nebentisch bestellt einen Café Latte und einen doppelten Espresso. Irgendwie muss ich schmunzeln. Diese Woche hat die Österreichische Nationalbank die aktuelle Statistik zum Finanzvermögen der privaten Haushalte publiziert. Der Espresso ist klein, dafür aber sehr stark. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das wie ein Aktieninvestment. Der Anteil am Gesamtportfolio ist zwar im Regelfall gering, der Ertragsanteil langfristig aber vermutlich sehr hoch.
Der Café Latte steht für mich für ein gemischtes Portfolio. Allerdings ist hier der Sicherheitsgedanke – also der Milchanteil – besonders hoch. Die Milch repräsentiert für mich das Bargeld oder auch Einlagen oder konservative Anleihen. Wenn ich ein bisschen mehr „Pfeffer“ im Portfolio habe, muss ich auf einen Cappuccino umschwenken.
Österreichische Haushalte besitzen ein Finanzvermögen von 849 Milliarden Euro. Bei 9,2 Millionen Einwohnern entspricht das rund 92.000 Euro pro Kopf. Demgegenüber stehen Verbindlichkeiten von 214 Milliarden Euro, wovon nahezu dreiviertel auf klassische Wohnbaukredite entfallen. Rechnet man beide Positionen zusammen, bleiben in Summe 635 Milliarden Euro an Nettovermögen übrig. Das um Kredite bereinigte Gesamtvermögen beträgt damit in Österreich rund 69.000 Euro pro Kopf. Bei der Zusammenstellung des Finanzvermögens überwiegt der Milchanteil.
Unglaubliche 336 Milliarden Euro sind in Bargeld und Einlagen und damit de facto unverzinst „investiert“. Das entspricht immerhin 39,6 % des Finanzanlagevermögens. Im Vergleich dazu ist der Anteil der drei Wertpapierkategorien – also Aktien, Anleihen und Fonds – mit 20,3 % nahezu halb so groß. Mit 94 Milliarden machen Investmentfonds den größten Anteil aus. Das können sowohl Aktien-, Anleihen- oder gemischte Fonds mit unterschiedlich hoher Aktienquote sein. Vom Espresso bis zum Café Latte ist also alles möglich.
In Österreich dominiert aber der Bereich der Mischfonds. Durchschnittlich hat damit jeder Österreicher 10.200 Euro in Fonds veranlagt. Im Vergleich dazu beträgt der Bestand an börsennotierten Aktien – und damit sind wir beim doppelten Espresso angelangt – 43,9 Milliarden Euro oder 4.771 Euro pro Kopf. Der restliche Teil des Finanzvermögens ist auf andere Bereiche wie z.B. Lebensversicherungen oder Pensionsansprüche aufgeteilt.
Und jetzt stellt sich natürlich auch die Frage, liebe Leserin und lieber Leser, wer von dem Pärchen den Espresso und wer den Café Latte getrunken hat? Spannenderweise korreliert das auch mit dem typischen Investorenverhalten. Männer neigen dazu, mehr Risiken einzugehen. Das erhöht langfristig die Ertragschancen, kann aber bei zu hoher Risikobereitschaft auch ziemlich ungemütlich werden. Frauen sind hier tendenziell eher konservativer. Das sorgt zwar für eine höhere Stabilität, schmälert aber auch das Ertragspotenzial. Ein Cappuccino wird in Italien traditionell nur vormittags getrunken. Ab dem Mittagessen ist der Espresso die unangefochtene Nummer eins. Bei Veranlagungsthemen verkehrt sich das Bild. Am Morgen, also in jungen Lebensjahren, empfehle ich einen Espresso und ab dem Mittagessen einen Cappuccino.
Oder anders ausgedrückt: Je geringer die Veranlagungsdauer, desto geringer das Risiko. In Österreich gibt es rund 2,1 Millionen Wertpapierbesitzer. Bei einer langfristigen Veranlagungsstrategie und einem Schuss Espresso bin ich der festen Überzeugung, dass diese langfristig auch unter Berücksichtigung der Inflation real Geld verdienen werden. Ein schlechtes Geschäft sind aber die 336 Milliarden Bargeld und Einlagen. Ziel muss es sein, diese zu überzeugen, einen Teil in Wertpapiere umzuschichten. Selbst wenn man mit Wertpapieren real langfristig „nur“ 3 % verdient, wäre das Potenzial hier bei rund 10 Milliarden Euro. Und das wiederum entspricht rund 10 % der jährlichen Steuereinnahmen Österreichs. Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, wünsche ich eine entspannte Zeit und erholsame Wochen. Auch meine Kolumne geht in die Sommerpause. Für mich heißt es nun Koffer packen. Aber davor genehmige ich mir noch einen Espresso.
Samstag, 6. Juli: Schwierige Prognosen und der aktuelle Börsenliebling
Diese Woche ist es leider passiert. Die österreichische Nationalmannschaft ist bei der Fußballeuropameisterschaft gegen ein sich aufopferndes türkisches Team ausgeschieden. Das österreichische Sommermärchen ist geplatzt; anstelle von Euphorie herrschte am Tag danach Katzenjammer. Zu sicher war man sich hierzulande, erstmals in der österreichischen Geschichte ins Viertelfinale einzuziehen. Nicht einmal mein morgendlicher Espresso mag mir am Tag danach neue Lebensenergie einzuhauchen.
An den Aktienmärkten herrscht hingegen Euphorie. Diese Woche hat der S&P 500 erstmals in seiner Geschichte über 5500 Punkten geschlossen und damit die atemberaubende Rallye fortgesetzt. Es war das 32. „neue“ All-Time-High in diesem Jahr. Auch die Technologiebörse Nasdaq-100 ließ sich nicht lumpen und konnte erstmals die 20.000er-Hürde überspringen. Seit dem Tiefstand im Oktober 2022 ist der Börsenwert der S&P 500 Unternehmen um mehr als 16 Billionen US-Dollar gestiegen. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der vierfachen jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands oder etwas mehr als dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands.
In diesem Umfeld ist es nicht verwunderlich, dass die Wall-Street-Analysten ihre Kursziele stetig nach oben revidieren müssen. Nicht nur der eine oder andere Fußballfan lag bei seiner Prognose falsch. Auch Finanzexperten kann es einmal auf den falschen Fuß erwischen. JPMorgan’s Marko Kolanovic, Chefstratege für Globale Märkte, blickt auf zwei katastrophale Jahre zurück. Im Jahr 2022 war er noch bullish und prognostizierte steigende Aktienkurse. Der S&P 500 verlor aber 19 Prozent an Wert. Daraufhin wurde auch er pessimistisch und prognostizierte weiterhin fallende Kurse. Auch für 2024 stach er mit seiner negativen Prognose heraus. Seiner Einschätzung nach wird der S&P 500 zum Jahresende bei 4200 Punkten stehen. Um sein Kursziel noch zu erreichen, müsste der amerikanische Aktienmarkt im zweiten Halbjahr um rund 25 Prozent einbrechen. Und das erscheint gegenwärtig als äußerst unwahrscheinlich. Seit 2022 lag JP Morgan mit seiner Einschätzung damit kontinuierlich falsch. Diese Woche hat die Bank in einem internen Memo angekündigt, dass Marko Kolanovic das Unternehmen verlassen wird. Für mich ist das wieder einmal ein Beweis dafür, dass selbst außergewöhnliche Börsenexperten mit ihrer Einschätzung grundlegend falsch liegen können. Gerade in einer komplexen Welt mit vielen internationalen Verstrickungen und unzähligen thematischen Verzahnungen ist es unmöglich, die Zukunft vorherzusehen.
Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass eine Pandemie die Welt lahmlegen würde? Oder wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass wir zweistellige Inflationsraten und rasant steigende Zinsen erleben werden? Auslöser und Brandbeschleuniger war bekanntlich der russische Krieg in der Ukraine.
Kommen wir noch zu Nvidia, dem aktuellen Börsenliebling Nummer eins. Im Juni 2023 konnte die Marktkapitalisierung erstmals die 1-Billion-Dollar-Schwelle überschreiten. Das Unternehmen hat nur 262 Tage benötigt, um die 2-Billionen-Dollar-Schwelle zu erklimmen. Und das wiederum entspricht einer Kursverdoppelung. Weitere 96 Tage waren nötig, um die nächste Billionenhürde zu überspringen. Der Sprung von zwei auf drei Billionen Dollar entspricht immerhin auch noch einer Performance von 50 Prozent. Aktuell sind neben Nvidia noch Microsoft und Apple mit mehr als 3 Billionen Dollar bewertet. Die beiden Börsengiganten gingen es aber vergleichsweise „langsam“ an. Für den Sprung von einer auf zwei Billionen Dollar benötigte Apple 749 Tage bzw. Microsoft 786 Tage. Und für das Erklimmen der 3-Billionen-Schwelle 1044 bzw. 945 Tage. Diese Zahlen verdeutlichen das enorme Potenzial, das im KI-Bereich schlummert – oder zumindest das, was die Investoren darin sehen.
Wir leben in absolut unsicheren Zeiten, so viel scheint klar. Aber war die Zukunft nicht immer ungewiss? Als Aktieninvestor kommt es nicht darauf an, den Indexstand per Jahresende möglichst punktgenau zu prognostizieren. An den Märkten pendelt die Stimmung zwischen Euphorie und Depression. Die Wahrheit liegt bekanntlich oftmals in der Mitte. Mit einem Aktieninvestment kann jeder von uns am internationalen Wirtschaftsgeschehen teilhaben. Bei einer langfristigen Veranlagungsdauer werden wir sehr gute, aber auch sehr schlechte Phasen erleben. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass der Investor langfristig auch dafür belohnt wird. Die Kunst ist es nur, einen langen Atem zu haben und nicht bei stürmischer See alles panisch über Bord zu werfen. Das mag in der Theorie einfach klingen, aber glauben Sie mir, liebe Leserin und lieber Leser, in der Praxis ist das aber extrem schwer durchzuhalten.
Samstag, 29. Juni: Reich und wertvoll
Die Vorrunde der Fußballeuropameisterschaft ist abgeschlossen. Österreich hat sich sensationell als Gruppensieger für das Achtelfinale qualifiziert und damit die Alpenrepublik in Euphorie versetzt. Jetzt steht Regeneration auf dem Programm, denn schließlich warten ab dem Achtelfinale nur noch K.o.-Duelle. Nach der ein oder anderen kürzeren Nacht macht sich der Schlafentzug langsam bemerkbar. In dieser Phase haucht mir mein Espresso neue Lebensenergie ein. Das ist unkompliziert und wirkt rasch.
Bei der Altersvorsorge sieht es hingegen anders aus. Hier dauert es, bis eingeleitete Reformen ihre Wirkung entfalten können. Darüber hinaus spielen die Demografie und die Altersstruktur der Bevölkerung eine entscheidende Rolle. Larry Fink, der Chef der größten Investmentfirma Blackrock, befasst sich laufend mit den wichtigsten Themen unserer Zeit und publiziert seine Gedanken dazu in einem jährlichen Brief. Der Titel der 2024er Ausgabe „Altersvorsorge: Zeit zum Umdenken“ verrät bereits alles. Larry Fink geht davon aus, dass traditionelle Rentensysteme mit neuen demografischen Entwicklungen konfrontiert werden und für viele Menschen ein sicherer und würdiger Ruhestand zunehmend unerreichbar wird.
Das sollte ich wieder einmal zum Anlass nehmen, um mit meinen Teenager-Kindern über Altersvorsorge zu sprechen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass mit der richtigen Strategie und einem langfristigen Durchhaltevermögen dieses Problem abgewendet oder zumindest deutlich reduziert werden kann. Und genau hier macht ein Aktieninvestment Sinn. An der Spitze gibt es wieder einen Wechsel. Nachdem der Chiphersteller Nvidia Apple und Microsoft vom Thron gestoßen hatte, ist wieder der „Normalzustand“ hergestellt. Die Aktie wurde abverkauft und hat zwischenzeitlich 13 Prozent an Wert verloren. Das sind immerhin stolze 430 Milliarden US-Dollar, die die Aktionäre abschreiben mussten. Das entspricht in etwa der Börsenkapitalisierung von Mastercard, das immerhin auf Rang 20 der wertvollsten Unternehmen der Welt liegt!
Auch bei den reichsten Menschen erklomm ein alter Bekannter zum wiederholten Male den Platz an der Sonne. Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, führt mit einem geschätzten Nettovermögen von 211 Milliarden Dollar vor Tesla-Chef Elon Musk mit 207 Milliarden Dollar das Ranking an. Auf Platz drei rangiert ein „Exote“. Bernard Arnault ist Europäer und Chef von LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton, dem weltgrößten Luxusgüterhersteller. In den Top-10 befinden sich ansonsten „nur“ US-Amerikaner und abgesehen vom Investor Warren Buffet ausschließlich Tech-Unternehmer. Auf dem 16. Platz rangiert mit Francoise Bettencourt Meyers vom weltgrößten Kosmetikunternehmen L’Oreal die reichste Frau. Auch hier merkt man die gute Lage an den Weltbörsen. Die Top-10 haben ihr Vermögen seit Jahresbeginn um rund 211 Milliarden Dollar erhöht. Das entspricht genau dem Gesamtvermögen von Jeff Bezos. In Summe besitzen die reichsten zehn Menschen unseres Planeten 1704 Milliarden Dollar. Das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Australien, immerhin der zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Die größten Wall-Street-Banken haben auch wieder ihre Jahresendprognosen für den S&P 500 aktualisiert. Bei einem aktuellen Indexstand von rund 5450 Punkten reicht die Bandbreite von 4200 Punkten (JP Morgan) bis 6000 Punkte (Evercore). Damit, liebe Leserin und lieber Leser, ist eines klar: Die Performance bis Ende Dezember kann zwischen plus zehn Prozent und minus 24 Prozent schwanken. Ob Sie damit etwas anfangen können, wage ich aber zu bezweifeln! Für meine Kinder oder all jene, die langfristig Vermögen aufbauen möchten, ist das aber auch egal. Wen interessiert es im Jahr 2040, 2050 oder sogar 2060, auf welchem Niveau der S&P 500 das Jahr 2024 abgeschlossen hat!
Samstag, 22. Juni: Über die Dominanz der Tech-Titel
Diese Woche ging es auch abseits der Fußball-Europameisterschaft so richtig rund. Viele Aktien und Indizes stehen am oder zumindest nahe den Höchstständen. Die amerikanische Leitbörse S&P 500 konnte beispielsweise bereits zum 30. Mal in diesem Jahr einen neuen Höchststand erklimmen. Wen wundert es, dass in diesem angenehmen Umfeld mein morgendlicher Espresso besonders gut schmeckt.
Bei Nvidia hört man dieser Tage vermutlich weniger das Mahlwerk der Kaffeemaschine, sondern vielmehr das Knallen der Sektkorken. Das Halbleiterunternehmen wird an der Börse aktuell mit mehr als 3,3 Billionen US-Dollar bewertet und ist damit das wertvollste Unternehmen der Welt. Es liegt noch vor den beiden Börsengiganten Microsoft und Apple, die seit 2012 ununterbrochen die Poleposition eingenommen haben. Die großen Drei sind an der Börse mit nahezu 10 Billionen US-Dollar bewertet. Die Marktkapitalisierung von Nvidia allein entspricht dem rund 20-fachen Wert der Marktkapitalisierung aller an der Wiener Börse gelisteten Unternehmen oder mehr als dem Börsenwert aller 40 DAX-Unternehmen.
Zum Vergleich: Das wertvollste DAX-Unternehmen ist SAP mit einer Marktkapitalisierung von 205 Milliarden Euro. In der Schweiz führt Nestlé das Ranking mit 257 Milliarden Euro an und in Österreich Verbund mit 26 Milliarden Euro. Die Performance der großen Aktienindizes ist also durchaus erfreulich.
Ohne die großen Tech-Titel im Portfolio sieht die Welt aber ganz anders aus. Nvidia allein ist für ein Drittel der Gesamtperformance des S&P 500 verantwortlich. Nimmt man noch die Tech-Giganten Microsoft, Alphabet und Meta hinzu, konnten lediglich vier Unternehmen mehr als die Hälfte der Gesamtmarktperformance und damit mehr als die restlichen 496 Unternehmen erwirtschaften. Das ist einmal eine Ansage, meinen Sie nicht auch?
Machen wir noch einen Schwenk zur Konjunktur. Im Gegensatz zu den USA oder vielen asiatischen Ländern stottert der europäische Wirtschaftsmotor gewaltig. Das liegt auch an der Wettbewerbsfähigkeit. Österreich liegt bei der von der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD publizierten Analyse beim Standort-Ranking „nur“ noch auf Rang 26 von 67 Ländern. Zum Vergleich: 2020 belegte die Alpenrepublik noch Rang 16. Das Ranking wird von Singapur, der Schweiz, Dänemark und Irland angeführt. Die USA liegen auf Rang 12, China auf dem 14. und Deutschland auf dem 24. Platz.
Der Standort Europa hat in den letzten fünf Jahren an Attraktivität eingebüßt, liegt aber als Region hinter Ostasien immer noch auf Rang zwei. Die Karten werden in den nächsten Jahren neu gemischt. Wohlhabende Staaten kämpfen mit der zunehmenden Konkurrenz durch aufstrebende Schwellenländer, der digitalen Transformation und dem Umstieg auf eine Kreislaufwirtschaft mit geringem CO₂-Fußabdruck. Es mangelt also definitiv nicht an Herausforderungen. Und das gilt sowohl für den Wirtschaftsstandort, Investoren und natürlich auch die teilnehmenden Mannschaften der Fußball-Europameisterschaft.
Samstag, 15. Juni: Wie aus fünf Zinssenkungen maximal eine wurde
Während letzte Woche die EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit der eingeleiteten Zinswende den Newsflow dominierte, zog diese Woche der Präsident der amerikanischen Notenbank die Aufmerksamkeit auf sich. Bei der Zinsentscheidung am Mittwoch gab es keine Überraschung. Fed-Präsident Jerome Powell ließ den Leitzins im Gegensatz zur EZB unverändert und kündigte darüber hinaus an, dass für das verbleibende Jahr mit lediglich einer Zinssenkung zu rechnen sei. Das Blatt hat sich damit gewendet. Noch zu Jahresbeginn wurden für 2024 fünf Zinssenkungen prognostiziert. Wie sehr man sich doch täuschen kann!
Bill Gross ist ein Urgestein der Wall Street und wird gemeinhin als „King of Bonds“, also als „Anleihen-König“, bezeichnet. 1971 hat er gemeinsam mit Jim Muzzi und Bill Podlich die Pacific Investment Management Company (PIMCO) gegründet. Was ganz klein begann, ist im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einer der größten und einflussreichsten Vermögensverwaltungsgesellschaften weltweit gereift. Der Fokus von PIMCO liegt im Anleihenbereich, der unter der Leitung vom lieben Bill über viele Jahre hinweg konstant beeindruckende Renditen erwirtschaftete.
Und jetzt scheint der „King of Bonds“ seine Liebe für europäische Anleihen entdeckt zu haben. Durch den Anstieg der Renditen nach der EU-Wahl sind europäische Staatsanleihen laut Einschätzung des lieben Bill attraktiver als ihre US-Pendants. Das finde ich sehr spannend. Aus Sicht eines Investors, der zumindest die Inflation abgegolten haben möchte, trifft diese Einschätzung mit Sicherheit nicht zu. Eine 10-jährige österreichische Staatsanleihe wirft gegenwärtig eine Rendite von etwas über 3 Prozent ab. Bei einer aktuellen Inflation von 3,3 Prozent ist das selbst ohne Berücksichtigung von Steuern und Kosten in Bezug auf Geldwerterhalt definitiv kein gutes Investment.
Kommen wir noch zum Aktienmarkt. Totgesagte leben länger. Diese Woche feierte Apple ein Comeback. CEO Tim Cook hat mit seiner Präsentation bei der Entwicklerkonferenz überrascht und ein wahres Kursfeuerwerk ausgelöst. Unter dem Schlagwort „Apple Intelligence“ werden auch Apple-Produktanwender tief in die Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) eintauchen. Und damit konnte Apple im Kopf-an-Kopf-Rennen um das wertvollste Unternehmen der Welt zu den Konkurrenten Microsoft und Nvidia aufschließen. Alle drei Kontrahenten werden aktuell mit mehr als drei Billionen US-Dollar bewertet.
Spannend finde ich auch, dass diese drei Unternehmen zusammen eine höhere Marktkapitalisierung aufweisen als der gesamte chinesische Aktienmarkt. Anstatt eines Duells erleben wir einen spannenden Dreikampf um den Platz an der Sonne. Aber auch in Europa scheint die Sonne. Trotz der schwachen Konjunktur konnten deutsche Unternehmen 2023 erstmals die Billionenmarke beim Umsatz überschreiten. Der Inflation und der anziehenden Auslandsnachfrage sei Dank. In der Analyse berücksichtigt das Statistische Bundesamt 675 deutsche Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Bergbau.
Apropos Sonne – der Urlaub steht vor der Tür. Ich stelle mir gerade die Frage, in welchem Land ich heuer meinen Espresso trinken werde. Laut einer Analyse der UniCredit Bank Austria ist es um die Kaufkraft des Euros gut bestellt. Für 2024 sind 100 Euro in Österreich im Ausland sogar 120 Euro wert. Man kann es billig und teuer haben. Die Bandbreite reicht von 181 Euro in Bulgarien bis 68 Euro in der Schweiz. Gerade die Schweiz erscheint damit eher „unattraktiv“. Sollte das Ihre bevorzugte Urlaubsdestination sein, sollten Sie aber auch eines berücksichtigen: Der „Urlaubseuro“ in der Schweiz war seit 2000 noch nie mehr wert!
Samstag, 8. Juni: Eingerissene Schallmauern
Diese Woche hatte es wahrlich in sich. Mit Spannung haben die Marktteilnehmer auf die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag hingefiebert. Wenig überraschend hat Präsidentin Christine Lagarde die Zinsenwende eingeleitet und den europäischen Leitzins um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass die EZB einmal vor der amerikanischen Notenbank vorgeprescht ist. Mit Spannung blicke ich schon auf die nächste Fed-Sitzung kommende Woche und vor allem auf die Kommentare von Präsident Jerome Powell. Eines scheint aber klar zu sein: Die Richtung zeigt auch hier klar nach Süden. An den Finanzmärkten wird für 2024 mit zwei Zinssenkungen der US-Fed gerechnet.
Heute möchte ich mich bei meinem morgendlichen Espresso aber mit der Einschätzung der Chief Economists beschäftigen. In einer quartalsweisen Umfrage unter weltweit führenden Volkswirten erhebt das World Economic Forum ein Stimmungsbild. Wenig überraschend bleiben laut ihrer Einschätzung die Unsicherheiten bestehen – allerdings mit Anzeichen einer Aufhellung. Der Anteil der Chefvolkswirte, die erwarten, dass sich die globalen Bedingungen in diesem Jahr verschlechtern, ist von 56 Prozent im Januar auf 17 Prozent gesunken.
Im zweiten Halbjahr wird sich der Fokus auf die Geopolitik und die Wahlen in vielen Ländern richten. Immerhin werden 2024 nahezu die Hälfte der Erdenbürger zur Wahlurne schreiten. Und das ist wiederum die Zeit innenpolitischer Geplänkel. Besonders positiv wird mittlerweile die Lage für die USA eingeschätzt. 97 Prozent der Volkswirte attestieren einen brummenden Wirtschaftsmotor. Im Januar waren es „nur“ vergleichsweise geringe 59 Prozent. In Europa sieht die Lage jedoch anders aus. Sieben von zehn Ökonomen sehen 2024 eine sehr schwache Konjunkturdynamik. Die Wolken am Konjunkturhimmel lichten sich. Auch bei einem längerfristigen Ausblick scheint Optimismus angebracht. Das Weltwirtschaftswachstum wird innerhalb der nächsten fünf Jahre wieder auf vier Prozent steigen und damit auf das Vorkrisenniveau zurückkehren.
Einig sind sich die Ökonomen auch, dass die technologische Transformation, die nachhaltige Energiewende und das aktuelle Brennpunktthema KI die großen Wachstumstreiber in den nächsten Jahren sein werden. Im Gegensatz dazu werden uns die Themenfelder Geopolitik, Verschuldung, Klimawandel sowie das gesellschaftliche Konfliktpotenzial zwischen den linken und rechten Rändern vor große Herausforderungen stellen.
Kommen wir noch zu den Kapitalmärkten. Diese Woche hat der amerikanische Aktienmarkt wieder einmal ein neues All-Time-High erreicht. Irgendwie wird das schon zur Gewohnheit. Zu den absoluten Börsenlieblingen zählt nach wie vor der Chiphersteller Nvidia. Angetrieben durch den KI-Boom konnte der Börsenwert erstmals die 3-Billionen-Dollar-Schwelle überschreiten und damit erstmals in der Geschichte Apple überholen. Lediglich der Softwaregigant Microsoft liegt noch vor dem „Rising Star“. Es scheint wohl nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis Nvidia auch noch die letzte Hürde nimmt und zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufsteigt. Die 1-Billion-Dollar-Grenze hat Nvidia erstmals Mitte Juni 2023 – also vor nicht einmal einem Jahr – überschritten. Ende Februar 2024 fiel die 2-Billionen-Dollar-Schallmauer. Das ist ein unfassbares Tempo! Es würde mich daher überhaupt nicht überraschen, wenn Microsoft bereits in wenigen Tagen oder Wochen den Platz an der Sonne räumen muss!
Mal schauen, wie nachhaltig diese Entwicklung und dieser Hype wirklich sind. Wenn ich meinen Espresso-Konsum so in die Höhe schrauben würde, würde der Arzt meines Vertrauens nur verzweifelt den Kopf schütteln.
Samstag, 1. Juni: Radfahren in Graz, so fühlt sich ein Investor
Diese Woche hat mich mein alter Freund Bernhard im Büro besucht, um mit mir einen Espresso zu trinken. Standesgemäß kam er trotz dunkler und bedrohlich aussehender Gewitterwolken mit dem Fahrrad. Als treuer Leser dieser Kolumne hat er mir erzählt, dass er sich als Investor manchmal wie ein Radfahrer in Graz fühlt. Diese Metapher möchte ich Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, natürlich nicht vorenthalten.
Auf dem Weg zu mir musste er zuerst durch die verwinkelte Innenstadt, voller von manch ungehobelten Autofahrern verursachter Unsicherheiten und Gefahren. Diese Wegstrecke ist mit einer turbulenten Börsenphase oder sogar einem Börsencrash vergleichbar. In diesem Umfeld macht weder das Radfahren noch das Investieren Spaß. Danach, am Rad-Highway der Mur entlang, ging es locker und sehr entspannt dahin. Wie ein „ruhiger“ und für Investoren entspannter Bullenmarkt, in dem wir von einem High zum nächsten High klettern und uns als Investoren über beträchtliche Gewinne freuen können. Das sind jene Phasen, in denen beide Aktivitäten so richtig Freude machen. Um den Weg zu mir ins Büro zu schaffen, musste er durch beide Phasen durch. Ähnlich einem Aktieninvestor, der mit seinen Investments im Laufe der Zeit vermutlich ungeahnte Höhen, aber auch sehr tiefe Schluchten erleben wird. Am Ende sind Ausdauer und Durchhaltevermögen wesentliche Erfolgskomponenten. An den Aktienmärkten sind wir in den letzten Monaten locker dahingeradelt und haben schöne Gewinne eingefahren. Wahljahre – und für die Finanzmärkte ist vor allem die US-Präsidentschaftswahl im November von besonderem Interesse – sind bekanntlich ganz gute Börsenjahre.
Wie Sie wissen, halte ich nicht viel von Prognosen. Diese Woche lehne ich mich aber einmal weit aus dem Fenster. Der Chiphersteller Nvidia ist ja einer der Börsenlieblinge schlechthin. Seit Jahresbeginn konnte sich der Börsenkurs mehr als verdoppeln. Aktuell müssen Investoren bereits mehr als 1000 US-Dollar für eine Aktie bezahlen. Wenn Sie Ende nächster Woche auf den Kurszettel schauen, wird der Kurs nur noch knapp über 100 US-Dollar liegen. Keine Sorge, das ist kein Grund zur Panik und ich bin nicht unter die Crash-Propheten gegangen. Nächste Woche wird ein Aktiensplit durchgeführt. Das bedeutet, dass jeder Investor für eine Aktie neun weitere Aktien auf seinem Depot eingebucht bekommt. Aus 1 mach 10! Geschenkt bekommt man an der Börse aber definitiv nichts. Im gleichen Atemzug wird der Aktienkurs gezehntelt. Für den Investor ist es also ein Nullsummenspiel. Diese Kapitalmaßnahme wird Aktiensplit genannt. Einer der Gründe für diese Maßnahme ist mit Sicherheit, dass das Unternehmen wieder „billiger“ wird und für viele Investoren damit auch wieder kaufbar.
Laut einer Analyse der Bank of America konnten Unternehmen, die seit den 1980ern einen Aktiensplit durchgeführt haben, in den folgenden 12 Monaten den Gesamtmarkt deutlich übertreffen. Während der S&P 500 eine durchschnittliche Performance von 9,1 Prozent erwirtschaftete, konnten „Split-Aktien“ um 25,4 Prozent zulegen. Wenn etwas schon einmal über 1000 Dollar gekostet hat, sind 100 Dollar gefühlt ein wahres Schnäppchen. Dass es anders geht, hat wieder einmal der gute Warren Buffet bewiesen. Der Börsenkurs seiner Berkshire Hathaway A liegt aktuell bei rund 610.000 US-Dollar. Dem alten Börsenfuchs war es wichtig, die Wertsteigerung für seine Investoren auch im Aktienkurs auszudrücken. Aufgrund dessen hat er auf Aktiensplits verzichtet. Zum Zeitpunkt meiner Geburt im April 1977 kostete eine Aktie lediglich 94 US-Dollar. All meine Altersgenossen, die damals eine Berkshire Hathaway Aktie als Geschenk bekommen haben, können sich wahrlich freuen.
Kommende Woche steht noch die Sitzung der EZB auf der Agenda. Alles andere als eine von Christine Lagarde verkündete Zinssenkung würde vermutlich nicht nur mich sehr überraschen. Bernhard musste etwas länger bei mir ausharren, da ein Gewitter aufzog. Er wartete Blitz und Donner ab, bevor er im Regen tollkühn wieder nach Hause radelte. Dieses Bild werde ich mir in Erinnerung rufen, wenn es an den Börsen wieder einmal so richtig ruppig wird.
Samstag, 25. Mai: Der Wirtschaft wieder neues Leben einzuhauchen
Die Spannung steigt. Ein Juni voller Großereignisse steht ante portas. Am 14. Juni startet die Fußball-Europameisterschaft. Ralf Rangnick hat diese Woche den erweiterten Kader bekanntgegeben. Das allein ist Anlass genug für heftige Diskussionen unter den gefühlten neun Millionen anderen österreichischen Teamchefs. In Deutschland hat die revitalisierte Fußball-Ikone Toni Kroos angekündigt, nach dem Fußballfest in seiner Heimat und dem Champions-League-Finale in Wembley mit seinem Herzensverein Real Madrid seine einzigartige Karriere zu beenden.
Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt, um den lieben Toni einmal zu einem Espresso einzuladen? An den Finanzmärkten wird mit Spannung die nächste Zinssitzung der EZB am 6. Juni erwartet. Der Einlagensatz liegt aktuell bei 4 Prozent und damit auf dem höchsten Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Alles andere als eine Zinssenkung wäre wohl eine große Überraschung. Die Währungshüter haben schließlich bereits bei ihrer letzten Zinssitzung die Finanzmarktakteure darauf vorbereitet. Dem Protokoll des Notenbanker-Treffens vom April in Frankfurt ist zu entnehmen: „Es wurde als plausibel angesehen, dass der EZB-Rat in der Lage sein würde, auf der Juni-Sitzung mit einer Lockerung der geldpolitischen Restriktionen zu beginnen.“ Auch Robert Holzmann, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank und EZB-Ratsmitglied, geht davon aus, dass die EZB im Juni die Zinsen senkt. Er warnt aber gleichzeitig auch davor, zu schnell und zu stark die Leitzinsen zu senken. Wenn aber mit Holzmann selbst ein Verfechter eher hoher Zinsen von einer Senkung spricht, kann man davon ausgehen, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits vor der amerikanischen Notenbank die Zinswende einleiten wird. Sollte die Zinssenkung nun wirklich vollzogen werden, wird das nicht nur den einen oder anderen Kreditnehmer freuen. Mit dieser Strategie wird auch versucht, der europäischen Wirtschaft wieder neues Leben einzuhauchen. Dass das notwendig ist, verdeutlichen auch die jüngsten Zahlen des globalen Einkaufsmanagerindex (EMI). Ein Wert von über 50 deutet eine Expansion und eine positive Wirtschaftsdynamik an, ein Wert unter 50 einen Abschwung und ein Wert von 42 eine Rezession. In der Eurozone liegt der Wert aktuell bei 45,3 Punkten, in Deutschland sogar bei nur 42,5. Zum Vergleich: die USA liegen bei 50, China bei 51,4 und Indien sogar bei 58,8 Punkten.
Viele renommierte Aktienindizes konnten in den letzten Wochen neue Höchststände erreichen. Die Stimmung ist nach wie vor positiv. Gerade die Zinssenkungsfantasie hat den Märkten nochmals einen Schub verschafft. Die Bewertung der Aktienmärkte kann gegenwärtig zwar nicht als billig eingestuft werden, eine Übertreibung wie z.B. in der Internetblase sehe ich aber auch nicht. In den letzten Jahren sind schließlich auch die Unternehmensergebnisse deutlich angezogen. Zu meinem Glück bin ich ein strategischer und langfristiger Investor. Als Fußballer hat man im Laufe der Zeit Abnutzungserscheinungen und irgendwann seinen Leistungszenit überschritten. Durch den Zinseszins ist die Zeit der größte Verbündete eines Investors. Insofern muss ich mir nicht wie der liebe Toni die Frage stellen, ob ich bei den aktuellen Alltime-High meine Investorenkarriere beende.
Samstag, 18. Mai: Nachhaltige Strategie statt kurzfristiger Spekulation
Diese Woche sind wieder einmal Rekorde gepurzelt. Und nein, lieber Leser, damit meine ich nicht meinen Espresso-Konsum. Beginnen wir beim amerikanischen Dow Jones Index. Dieser konnte am Donnerstag dieser Woche erstmals die 40.000er Marke überspringen und damit ein neues Allzeithoch erzielen. Als ich meinen ersten Job im Finanzbereich im April 1998 angetreten bin, lag der Index-Stand noch bei 9000 Punkten. Wenn ein Investor damals 100 Euro investiert hätte, wären daraus heute 444 Euro geworden. Die 10.000er Schwelle wurde erstmals 1999, also in der Blütephase der Internetblase, erreicht. Dann sollte es bis 2017 dauern, bis der Index erstmals die 20.000er Marke überschreiten konnte. Dazwischen lagen einige Börsenkrisen: der Bärenmarkt nach der Dotcom-Blase, 9/11, die Lehman-Pleite, die Euro-Krise oder auch die Flüchtlingskrise, um nur einige zu nennen.
Aktien rücken immer stärker in den Fokus vieler Menschen. Die Verdoppelung von 20.000 auf 40.000 hat nicht einmal sieben Jahre gedauert. Mit einem Aktieninvestment in Dow-Jones-Unternehmen konnten Investoren in den vergangenen sieben Jahren eine Performance von etwas mehr als 10 Prozent pro Jahr erwirtschaften. Und das trotz einiger historischer Ereignisse wie der Corona-Pandemie, dem Russland-Ukraine-Konflikt oder der außer Kontrolle geratenen Inflation. Der Dow Jones Industrial Average (DJIA) wurde am 26. Mai 1896 erstmals berechnet und ist der zweitälteste Aktienindex der Welt. Der älteste Aktienindex ist der Dow Jones Transportation Average (DJTA), der am 3. Juli 1884 von Charles Dow entwickelt wurde. Charles Dow war ein renommierter Journalist und Mitbegründer des Wall Street Journal, während Edward Jones ein Statistiker und Geschäftspartner von Dow war. Zusammen schufen sie Indizes, die bis heute als wichtige Indikatoren für die Finanzmärkte dienen.
Die amerikanische Leitbörse schlechthin ist heute aber nicht mehr der Dow Jones, sondern der breitere S&P 500. Analog zum Dow Jones konnte auch dieser Index diese Woche ein neues Allzeithoch erklimmen. 2024 ist bisher ein sehr gutes Aktienjahr. Seit Jahresbeginn konnte der S&P 500 um ca. 11 Prozent zulegen, der Dow Jones immerhin um 6 Prozent. Der S&P 500, oft einfach als SPX bezeichnet, wurde erstmals 1957 von Standard & Poor‘s eingeführt. Der Index umfasst 500 der größten börsennotierten Unternehmen in den USA und gilt als einer der besten Indikatoren für die amerikanische Wirtschaft. Im Gegensatz zum Dow Jones, der nur 30 Unternehmen abbildet, bietet der S&P 500 eine breitere Marktübersicht und wird daher häufig als Benchmark für die Gesamtperformance des US-Aktienmarktes genutzt. Und wenig überraschend hat auch die Technologiebörse Nasdaq ein neues Allzeithoch erreicht. Die Wertentwicklung seit Jahresbeginn liegt ebenfalls bei rund 11 Prozent. Damit konnten Technologie-Aktien dieses Jahr den breiten Markt nicht „outperformen“. Das ist eine Entwicklung, die ich durchaus positiv beurteilen würde. Die Performance wird damit nämlich nicht mehr „nur“ von wenigen Unternehmen – also den glorreichen Sieben – getragen, sondern hat an Marktbreite gewonnen.
Die Nasdaq wurde 1971 gegründet und war die weltweit erste vollelektronische Börse. Sie entstand, um einen transparenten und automatisierten Handelsplatz für Investoren zu schaffen. Die Nasdaq ist bekannt für ihre Vielzahl an Technologieunternehmen und hat sich im Laufe der Jahre zu einer der größten Börsen der Welt entwickelt. Die Einführung einer elektronischen Handelsplattform revolutionierte den Börsenhandel und trug wesentlich zur Entwicklung des modernen Aktienmarktes bei.
Die Stimmung an den Börsen ist nach wie vor sehr gut. Für manche Investoren drängt sich schon ein Vergleich mit der Internetblase auf. Die Märkte sind für mich gegenwärtig zwar definitiv nicht mehr billig bewertet, aber auch nicht ansatzweise so „irrational“ wie in den späten 1990ern. Der weltweite MSCI All-Country-World-Index (ACWI) hat derzeit beispielsweise ein Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2024 von 17, der MSCI Emerging Markets von 12. Im Vergleich zu den 1990ern sind die Kursanstiege damit auch zu einem nicht unwesentlichen Teil fundamental – also auch mit Gewinnsteigerungen – untermauert und nicht nur auf Phantasie aufgebaut. Apple hat im letzten Jahr beispielsweise 121 Milliarden US-Dollar verdient, Microsoft stolze 105 Milliarden US-Dollar und Alphabet (Google) 96 Milliarden US-Dollar. Ich weiß natürlich nicht, was die Zukunft bringt. Als Aktionär habe ich jedoch gelernt, dass ich immer wieder mit massiven Kursrückschlägen rechnen muss. Die langfristig höhere Ertragserwartung bezahlt der Investor mit der einen oder anderen schlaflosen Nacht.
Erfolgreich sind meiner Beobachtung nach jene, die konsequent ihre Strategie über viele Jahre durchziehen und nicht versuchen, durch kurzfristige Spekulationen zum Erfolg zu kommen. Es gibt die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away“ – diese hat sich im Jahr 2024 definitiv nicht als keine kluge Strategie erwiesen.
Samstag, 11. Mai: Börsengeschichte – von Beethoven bis Boschan
Diese Woche war es so weit. Nahezu unbemerkt hat ein Index ein neues All-Time-High erreicht. Nein, lieber Leser, ich spreche nicht von einem Tech-Index oder einem asiatischen Index, sondern vom österreichischen ATX TR. Das ist für mich Grund genug, mich heute bei meinem morgendlichen Espresso einmal etwas näher mit dem heimischen Kapitalmarkt auseinanderzusetzen.
Die Wiener Börse wurde 1771 von Maria Theresia gegründet und blickt damit auf eine mehr als 250-jährige Geschichte zurück. Der Gründungsgedanke war damals aber alles andere als uneigennützig. Die Erzherzogin von Österreich und Königin von Böhmen und Ungarn aus dem Hause Habsburg führte die Börse als „Zwangsbörse zur staatlichen Kapitalaufbringung“ ein, um das chronisch angespannte Staatsbudget etwas zu entlasten. In den Anfangsjahren wurden ausschließlich Aktien, Wechsel und Devisen gehandelt. Im Jahr 1811 war Österreich bankrott. 1816 wurde die österreichische Nationalbank gegründet, die ein Emissionsmonopol erhielt und dadurch für eine Beruhigung im österreichischen Geldwesen sorgte. Zwei Jahre später, 1818, war die Österreichische Nationalbank die erste Aktiengesellschaft, die an der Wiener Börse notierte. Und auch einer der ersten Investoren ist selbst mehr als zwei Jahrhunderte danach kein Unbekannter. Der deutsche Komponist Ludwig van Beethoven, der trotz seiner Taubheit als einer der bedeutendsten Komponisten aller Zeiten gilt, war auch in Finanzangelegenheiten fortschrittlich und erwarb Aktien der Nationalbank.
Am 8. April 1868 ging der österreichische Baukonzern PORR AG an die Börse und ist damit das älteste, durchgehend an der Wiener Börse notierte Unternehmen. Das ist aber lediglich um eine Woche länger als das 1819 gegründete österreichische Vorzeigeunternehmen Wienerberger. 1991 hat die Wiener Börse den ATX zum ersten Mal publiziert. Der bis dato größte Börsengang der österreichischen Börsengeschichte war 2017 die BAWAG Group mit einem Emissionsvolumen von 1,93 Milliarden Euro. Heute notieren 865 Aktien und 16.562 Anleihen an der Wiener Börse. Darüber hinaus können Optionsscheine, Zertifikate oder auch ETFs gehandelt werden. Die Marktkapitalisierung lag am Jahresende 2023 bei 125,6 Milliarden Euro. Der Deutsche Ludwig van Beethoven war einer der ersten Investoren. Und heute kann sich neben den Investoren auch der Deutsche Christoph Boschan, der bereits seit 2016 Vorstandsvorsitzender ist, über das neue All-Time-High freuen.
Die internationalen Aktienmärkte notieren nach wie vor am oder nahe den Höchstständen. Die Performance der Tech-Giganten und vieler anderer großen Unternehmen (Large-Caps) war in den letzten Jahren deutlich besser als die der „kleineren“ Unternehmen (Small-Caps). Dabei handelt es sich bei Small-Caps um Unternehmen, die teilweise mit weit mehr als einer Milliarde Euro bewertet werden. Die höhere Wertentwicklung ist unter anderem auf die außergewöhnlich guten Gewinnmargen zurückzuführen. Während Large-Caps eine operative Gewinnmarge (EBIT/Umsatz) von 13,4 Prozent aufweisen, liegt diese bei den Small-Caps nur bei 5,2 Prozent. Grundsätzlich gilt: Je größer die Unternehmen, desto höher ist die Gewinnmarge! Auffallend ist, dass die Margen in diesen turbulenten Zeiten gerade bei den Small-Caps deutlich zurückgegangen sind, während sich die Margen der Mid-Caps und Large-Caps auf hohem Niveau halten konnten. Ob die Rallye und die Outperformance der Large-Caps weiterhin anhalten wird, wage ich nicht zu prognostizieren. Es ist jedoch auffallend, dass es in den letzten Monaten zu einem Trendwechsel gekommen ist und andere Marktsegmente den Blue-Chips durchaus Paroli bieten konnten.
Auch wenn die ATX-Aktien relativ betrachtet nicht ganz vorne liegen, sind an unserer Heimatbörse doch viele spannende Unternehmen gelistet. Für all jene, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben, kann ich einen Blick auf den Kurszettel nur empfehlen. Es würde mich keinesfalls überraschen, wenn der liebe Christoph Boschan noch das eine oder andere weitere Allzeithoch feiert.
Samstag, 4. Mai: Ein Wochenende im Zeichen des „Orakels“
Als ich in den frühen Morgenstunden meine Espresso-Maschine einschalte, scrolle ich auf meinem Mobiltelefon durch die neuesten Finanznachrichten. Es ist schon etwas Besonderes, auf einem iPhone über die jüngsten Erfolgsmeldungen von Apple zu lesen. Das Unternehmen mit dem angebissenen Apfel-Logo hat oft für Überraschungen gesorgt und die Finanzwelt ins Staunen versetzt, trotz eines Aktienkurses, der in den letzten Monaten nicht so recht in Schwung kam.
Nach fünf Umsatzrückgängen in den letzten sechs Quartalen ist laut CEO Tim Cook endlich die Wende erreicht. Ein robustes Dienstleistungsgeschäft und der Erfolg neuer Laptop-Modelle, zusammen mit der Hoffnung auf revolutionäre neue KI-Funktionen in den kommenden Monaten, haben die Stimmung merklich gehoben. Apple investiert kräftig in diesen Bereich und könnte dabei auf die Technologie von OpenAI oder die KI „Gemini“ von Googles Mutterkonzern Alphabet zurückgreifen.
Analysten gehen davon aus, dass diese Neuerungen der nächsten iPhone-Generation einen kräftigen Nachfrageschub verleihen könnten, insbesondere in China, wo Apple durch die neuen KI-Funktionen wieder verlorene Marktanteile zurückgewinnen will. Darüber hinaus hat Tim Cook angekündigt, eigene Aktien im Wert von 110 Milliarden US-Dollar zurückzukaufen und die Dividende auf 4% zu erhöhen.
Die guten Apple-Ergebnisse werden wiederum auch die Börsenlegende Warren Buffett erfreuen, der mit seiner Berkshire Hathaway ganze 5,86% des Unternehmens besitzt. Damit ist er hinter den Investmentfirmen Vanguard mit 8,49% und noch vor BlackRock mit 4,40% der zweitgrößte Apple-Investor. Seine Investmentfirma konnte seit 1964 eine durchschnittliche Performance von 19,8% erzielen und damit die Wertentwicklung des Gesamtmarktes deutlich übertreffen.
Die Apple-Aktien im Buffett-Portfolio sind aktuell mit rund 175 Milliarden US-Dollar die mit Abstand größte Position. Dahinter kommen langfristige Beteiligungen wie die Bank of America mit 35 Milliarden US-Dollar, American Express mit 28 Milliarden US-Dollar und Coca-Cola mit 24 Milliarden US-Dollar.
Wenn ich mir die Apple-Gewichtung im Vergleich zu den anderen Positionen anschaue, liegt der Schluss nahe, dass der liebe Warren sich bei Apple ziemlich sicher sein muss. Spannend finde ich auch, dass Berkshire Hathaway derzeit einiges Geld in Anleihen gebunkert hat, weil sie laut Einschätzung von Buffett derzeit günstiger bewertet sind als Aktien. Gemeinsam mit den Cash-Beständen hat Warren Buffett die Kriegskasse gut gefüllt und 18% der Vermögenswerte „sicher“ geparkt. Im Falle einer Börsenkorrektur ist er dann wieder in der Lage, das eine oder andere Unternehmen billig zu kaufen.
Dieses Wochenende lädt der liebe Warren seine „Jünger“ zur Hauptversammlung von Berkshire Hathaway in seine Heimat Omaha im US-Bundesstaat Nebraska ein. Das „Orakel von Omaha“ kann sich erfreut die Hände reiben, da er einen Rekordgewinn von 96 Milliarden US-Dollar verkünden kann. Und darüber hinaus werden die Apple-Zahlen mit Sicherheit auch kein Stimmungskiller sein.
Kommen wir abschließend noch zur Europäischen Zentralbank. Der Juni-Termin, an dem bereits viele Marktteilnehmer die erste Zinssenkung erwarten, rückt näher und näher. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane rückt dieser Tage aus und plädiert dafür, sich aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten nicht bereits jetzt auf einen bestimmten Zinspfad festzulegen. Aus seiner Sicht müssen die Notenbanker so viele Daten wie möglich in den Entscheidungsprozess einbeziehen und sich von einer Zinssitzung zur nächsten bewegen.
Und gerade hier schwächelt die größte europäische Volkswirtschaft. Die OECD hat diese Woche die Wachstumsprognose für Deutschland erneut nach unten revidiert und geht für 2024 nur mehr von einem Plus von 0,2% aus. Im Gegensatz zu Europa scheint der Konjunkturmotor aber in vielen anderen Ländern bereits wieder deutlich zu brummen. Für die Weltwirtschaft sei man trotz anhaltender geopolitischer Risiken „vorsichtig optimistisch“ und hat daher die Wachstumsprognose von 2,9% auf 3,1% angehoben. Ob das der lieben Christine Lagarde gefallen wird, wage ich zu bezweifeln. Ich bleibe dabei: Eine Zinssenkung bereits im Juni würde mich keinesfalls überraschen.
Samstag, 27. April: Aktienmärkte passen sich dem April-Wetter an
Im April ist es wieder so weit: Viele Unternehmen legen ihre Quartalsergebnisse vor. Für mich gehört es zur morgendlichen Routine, diese bei einem Espresso zu analysieren. Global gesehen haben bisher 15 Prozent der Unternehmen ihre Gewinne offengelegt. Erfreulicherweise konnten 56 Prozent der CEOs die Erwartungen übertreffen, was für Aktionäre durchaus positiv ist. Demgegenüber blieben 38 Prozent der Unternehmen hinter den Erwartungen zurück. Besonders widerstandsfähig zeigten sich nicht-zyklische Konsumgüter – Unternehmen wie Pepsi, Philip Morris oder Procter & Gamble, von denen 73 Prozent die Erwartungen übertrafen.
Im Energiesektor blieben jedoch 49 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Regional betrachtet, konnten nordamerikanische Unternehmen beeindruckende Ergebnisse erzielen: 68 Prozent übertrafen die Erwartungen, während nur 25 Prozent diese nicht erfüllen konnten. Im Vergleich dazu sieht die Eurozone mit einem Verhältnis von 42 Prozent positiven Überraschungen zu 52 Prozent Enttäuschungen deutlich schwächer aus. Spiegelt dies die Wirtschaftsdynamik der jeweiligen Regionen wider? An der Börse wird zwischen defensiven und zyklischen Sektoren unterschieden.
Defensive Sektoren, wie das Gesundheitswesen, Versorgungsbetriebe und Grundnahrungsmittel, gelten als weniger anfällig für Wirtschaftszyklen. Unternehmen in diesen Sektoren produzieren oder bieten Dienstleistungen an, die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gefragt sind. Daher neigen Aktien aus defensiven Sektoren dazu, in Abschwungphasen oder bei unsicheren Marktbedingungen besser zu performen. Zyklische Sektoren, wie der Automobilsektor, Luxusgüter und die Bauindustrie, sind stark von der Wirtschaftslage abhängig. In Phasen wirtschaftlichen Aufschwungs tendieren diese Sektoren zu einer überdurchschnittlichen Performance, während sie in einer Rezession oft stärker leiden.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlicht traditionell im April die neuen Wirtschaftsprognosen. Für 2024 wird ein globales Wachstum von 3,2 Prozent erwartet, was genau dem Wachstum von 2023 entspricht. Schwellenländer sollen mit 4,2 Prozent deutlich stärker wachsen als entwickelte Volkswirtschaften mit 1,7 Prozent. Besonders interessant sind die Anpassungen der Prognosen: Für die USA wurde das erwartete Wachstum um 0,6 Prozent auf 2,7 Prozent deutlich nach oben korrigiert – die Befürchtungen einer Rezession scheinen vom Tisch zu sein. Auch für Indien wurde die BIP-Prognose um 0,3 Prozent auf 6,8 Prozent angehoben, was deutlich über dem Wachstum Chinas liegt. Der IWF sieht für China ein Wachstum von 4,6 Prozent, was zwar über den Raten Europas oder der USA liegt, aber im historischen Vergleich niedrig ist. Auffällig ist die Divergenz zwischen den G7-Staaten und den aufstrebenden BRICS-Ländern. Während in den USA noch relativ robustes Wachstum herrscht, schwankt das BIP-Wachstum zwischen 1,2 Prozent in Kanada und 0,2 Prozent in Deutschland. In den BRICS-Ländern reicht die Spanne von 6,8 Prozent in Indien bis 0,9 Prozent in Südafrika. Abgesehen von Südafrika und Brasilien (2,2 Prozent) sowie Saudi-Arabien (2,6 Prozent) weisen alle anderen BRICS-Länder ein höheres Wachstum auf als das beste G7-Land.
An den Aktienmärkten geht es analog zum Wetter im April einmal rauf und einmal runter. Spannenderweise ist das Wirtschaftswachstum in den USA, nur wenige Tage nach der Publikation der IWF-Zahlen, auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Gepaart mit einer anziehenden Inflation richten sich die Augen nun auf die amerikanische Notenbank. Wird der Fed-Präsident die Zinssätze noch länger auf dem 20-Jahres-Hoch belassen oder doch an der Zinsschraube drehen und den Markt mit einer Zinssenkung überraschen? In Europa verdichten sich immer mehr die Zeichen, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde heuer noch zumindest drei Mal die Leitzinsen senken wird. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wohin die liebe Christine Lagarde und der liebe Jerome Powell das Notenbank-Schiff steuern werden.
Samstag, 20. April: 8500 Jahre arbeiten für eine Musk-Gage
Der April zeigt sich wechselhaft. Das betrifft sowohl das Wetter als auch die Börsenkurse. In diesem herausfordernden Umfeld ist es wichtig, etwas Stabilität im Leben zu haben. Deshalb trinke ich beim Verfassen dieser Zeilen meinen Espresso, während der Kräutertee unberührt im Schrank bleibt. Nach einem sehr starken ersten Quartal geraten nun auch die Aktienmärkte etwas unter Druck. Die Unsicherheit ist spürbar.
Das betrifft auch einen der Börsenlieblinge der letzten Jahre: Tesla wird an der Börse mit weniger als 500 Milliarden US-Dollar bewertet und steht damit „nur“ noch auf Platz 15 der wertvollsten Unternehmen der Welt. Das wertvollste Unternehmen Europas ist derzeit Novo Nordisk aus Dänemark, das mit einer Marktkapitalisierung von rund 550 Milliarden US-Dollar noch vor Tesla auf Platz 13 im globalen Ranking gelistet ist. Vor ungefähr zweieinhalb Jahren lag die Marktkapitalisierung noch bei 1,2 Billionen US-Dollar. Damit müssen wir uns auch die Frage stellen, ob Tesla noch zu den glorreichen Sieben zu zählen ist. Die anderen sechs Kandidaten sind immerhin mit mehr als einer Billion US-Dollar bewertet. Das Ranking führt nach wie vor Microsoft mit einer Marktkapitalisierung von drei Billionen US-Dollar an, gefolgt von Apple mit 2,6 Billionen und Nvidia mit 2,1 Billionen. Aber auch Google (1,9 Billionen), Amazon (1,9 Billionen) und Meta (1,2 Billionen) liegen mittlerweile deutlich vor Elon Musks Paradeunternehmen.
Die jüngste Kursentwicklung trifft auch Elon Musk hart. Seit Jahresbeginn hat er 55 Milliarden Dollar an Vermögen eingebüßt. Er ist hinter Bernard Arnault von Louis Vuitton, Jeff Bezos von Amazon und Mark Zuckerberg von Meta (Facebook) „nur“ noch der viertreichste Mensch der Welt. Darüber hinaus ist er der einzige unter den Top 10, der sein Vermögen im Jahr 2024 nicht steigern konnte. Im Gegensatz dazu konnte Jeff Bezos sich in den ersten Wochen des Jahres über einen Zuwachs von 26,5 Milliarden US-Dollar freuen, dank steigender Aktienkurse.
Elon Musk hat auch angekündigt, dass Tesla aufgrund der aktuellen Herausforderungen zehn Prozent seiner Belegschaft entlassen muss. Weltweit sind das immerhin 14.000 Stellen. Und das zu einem Zeitpunkt, als auch bekannt wurde, dass Elon Musk versucht, sich ein vom Gericht gekipptes Gehaltspaket in Höhe von rund 56 Milliarden US-Dollar von den Aktionären absegnen zu lassen.
Der Tesla-Verwaltungsrat hat bereits in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht festgehalten, an dem vor sechs Jahren beschlossenen Vergütungsplan festhalten zu wollen. Noch im Januar dieses Jahres erklärte eine US-Richterin das Gehaltspaket für ungültig, da ihrer Einschätzung nach weder Tesla noch Elon Musk nachweisen konnten, dass die Vergütung auch „fair“ sei. Ursprünglich wurde vereinbart, Elon Musk mit einem Aktienpaket zu entlohnen, wenn bestimmte Ziele innerhalb von zehn Jahren erreicht werden. Im Januar 2018 wurde Tesla an der Börse mit rund 50 Milliarden US-Dollar bewertet. Seitdem konnte sich der Unternehmenswert trotz herber Verluste in den letzten Monaten nahezu verzehnfachen. Wenn die Gehaltszahlung tatsächlich geleistet wird, erhält der Tesla-Chef rund zehn Prozent der gesamten Kursgewinne seit 2018. Unternehmenspolitisch sind dadurch Spannungen vorprogrammiert, besonders in einer Zeit, in der viele Mitarbeiter um ihre Jobs und ihre Existenz bangen. Zum Vergleich: Das Median-Gehalt der Vorstandsvorsitzenden im DAX liegt bei knapp über sechs Millionen Euro. Um an das 56 Milliarden Dollar schwere Gehaltspaket von Elon Musk heranzukommen, müsste ein DAX-Vorstand daher etwa 8500 Jahre arbeiten. Bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren wären das 106 Menschenleben. Wenn wir die Zeit um 8500 Jahre zurückdrehen, landen wir in einer Ära, in der die Menschen beginnen, sesshaft zu werden und Ackerbau sowie Viehzucht zu entwickeln.
Sollte sich Elon Musk dieses Gehaltspaket auszahlen lassen, könnte er erneut zum reichsten Menschen der Welt aufsteigen. Doch wäre dies kein ruhmreiches Comeback, sondern eines mit einem fahlen Beigeschmack.
Samstag, 13. April: Spatz in der Hand, nicht die Taube auf dem Dach
Diese Woche war ich wieder einmal auf Roadshow. Der Fonds-Dialog von e-fundresearch ist für mich immer ein besonderes Highlight. Gemeinsam mit Experten internationaler Asset-Manager war ich in Graz, Wien und Salzburg unterwegs. Aufgrund des dichten Programms ist auch mein ohnehin schon hoher Espresso-Konsum weiter in die Höhe geschnellt.
Die Grundstimmung unter Österreichs Finanzexperten ist weiterhin positiv. Gerade der Anleihenbereich, der in den letzten Jahren durch die Niedrigzinsphase nicht wirklich attraktiv war, rückt immer stärker in den Fokus. Es gibt ja schließlich wieder Zinsen. Spannend finde ich, dass diese Einschätzung auch von 20 international agierenden Finanzinstituten geteilt wird. Ausgenommen davon sind lediglich Geldmarktveranlagungen und Cash. Und das ist beachtlich. Schließlich haben aktuell 30 Länder eine inverse Zinskurve. Das bedeutet, dass Investoren für eine kürzere Zinsbindung einen höheren Ertrag erhalten als für eine langfristige Veranlagung. Insofern wirft eine Festgeldveranlagung mit beispielsweise dreimonatiger Zinsbindung einen höheren Ertrag ab als eine Anleihe mit 10-jähriger Restlaufzeit. Klar ist aber auch, dass bei einer kurzfristigen Veranlagung auch ein Wiederanlagerisiko besteht. Das bedeutet, dass der höhere Zinssatz nur für drei Monate fixiert werden kann. Danach muss sich der Investor neu orientieren und sein Geld mit den dann vorherrschenden Konditionen weiterveranlagen.
Bei inversen Zinskurven geht der Markt davon aus, dass die Wirtschaft überhitzt ist und die Notenbanken in absehbarer Zeit die Zinsen senken werden. Die EZB hat am Donnerstag eine Sitzung abgehalten und die Leitzinsen erneut unverändert gelassen. Die Signale sind aber eindeutig. Viele Marktteilnehmer – und ich teile diese Ansicht zu 100 Prozent – gehen davon aus, dass in der Juni-Sitzung EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Zinssenkung verkünden wird. An den Märkten wird dieses Szenario mittlerweile mit 90 Prozent Wahrscheinlichkeit eingepreist. Spannend finde ich, dass mittlerweile viele davon ausgehen, dass die EZB bereits vor der amerikanischen Notenbank den Zinssenkungszyklus einleiten wird. In den USA deuten schließlich die jüngsten Inflationszahlen darauf hin, dass die Notenbanker vielleicht doch noch einmal genauer die Rahmenbedingungen unter die Lupe nehmen sollten.
Vor nicht allzu langer Zeit ging der Markt noch von drei Zinssenkungen für 2024 aus, mittlerweile sind es nur mehr zwei. Die Wahrscheinlichkeit für den ersten Zinsschritt im Juni hat sich von ziemlich sicher auf 50 Prozent reduziert. Und genau dieses Szenario spricht für eine kurzfristige Zinsbindung. Bei einer längeren Duration fixiere ich mir den Zinssatz über einen deutlich längeren Zeitraum. Und das ist, im Falle eines durch die Notenbanken ausgelösten fallenden Zinsszenarios, natürlich von Vorteil. Als Investor kauft man sprichwörtlich den Spatz in der Hand und nicht die Taube auf dem Dach.
An den Aktienmärkten waren viele Jahre vor allem Technologietitel die absoluten Performance-Treiber. Dieser Sektor hat schließlich in den letzten Jahren eine beeindruckende Performance erwirtschaften können. Aber ohne Beimischung von Technologieunternehmen hat es für Investoren nur halb so viel Spaß gemacht. Schließlich haben nur wenige Titel den Gesamtmarkt deutlich nach oben gezogen. Hier ist aber nahezu unbemerkt ein Trendwechsel eingetreten. Der breite Markt hat im 1. Quartal 2024 den Technologiesektor outperformt. Damit hat der Aufwärtstrend definitiv an Breite gewonnen. Und das ist auch gut so.
Kommen wir abschließend noch zum Goldpreis, der ein neues All-Time-High erklommen hat. Gold ist für mich ein Synonym für ein krisensicheres Investment, welches im „Normalfall“ gut läuft, wenn risikobehaftetere Assetklassen wie z. B. Aktien Federn lassen müssen. Der Goldpreis hat mit Sicherheit auch davon profitiert, dass die Hoffnung auf Zinssenkungen sehr groß waren und nach wie vor sind. Nachdem der Goldpreis per se keine Zinsen abwirft, reduzieren sich bei fallenden Zinsen auch die Opportunitätskosten im Vergleich zu einer zinsbringenden Veranlagung. Fakt ist aber definitiv, dass die gefühlten Unsicherheiten an den Märkten zunehmen. Auch wenn wir bei Aktien nahe an den Höchstständen notieren, fühlt es sich irgendwie nicht so an. Ich habe persönlich noch nie ein so depressives All-Time-High erlebt. Ob das gut oder auch schlecht ist, wird uns wohl erst die Zukunft weisen.
Samstag, 6. April: Das tierische Börsenlexikon
„Jeder gute Tag beginnt …“ Treue Leser wissen, dass für mich hier nur mein geliebter morgendlicher Espresso folgen kann. Daran kann auch die Kaffeepreisentwicklung der letzten Monate nichts ändern. An der Börse wird Kaffee jetzt um rund ein Drittel teurer gehandelt als noch vor einem Jahr. Das ist viel! Als Börsianer habe ich gelernt, dass es immer auf den relativen Vergleich ankommt. Im Vergleich zur Inflation im Euroraum, die laut der aktuellen Eurostat-Schätzung für März bei 2,4% liegt, ist das definitiv hoch. In Österreich liegt sie mit 4,3% fast doppelt so hoch wie im Euro-Raum. Im Vergleich zur Kaffeepreisentwicklung ist das aber nicht der Rede wert.
Meine Kinder lieben Kakao. Hier haben sich die Preise seit Ende Januar an der Börse verdoppelt und auf Einjahressicht nahezu vervierfacht. Bei unserem Kaffee- und Kakaokonsum wird unser Haushaltsbudget in der nächsten Zeit wohl massiv belastet werden.
Das 1. Quartal 2024 ist bereits Geschichte. Die Wertentwicklung kann sich nach dem schwachen Jahresstart aber durchaus sehen lassen: Aktienmärkte sind weit im Plus. Der amerikanische S&P 500 und der japanische Topix konnten zweistellige Performancezahlen aufweisen. Der europäische Markt hinkt zwar etwas hinterher, aber mit einer Performance von 8% können die Investoren dennoch entspannt sein. Weniger gut lief es mit einem Investment in Schwellenländer-Aktien, aber auch hier hält sich der Schaden mit knapp 5% in Grenzen.
Auf der Anleihenseite zeigt sich ein gemischtes Bild: Während Schwellenländer-Anleihen und der Unternehmensanleihen-Bereich eine gute Performance ausweisen, mussten europäische Staatsanleihen Verluste hinnehmen. Nach dem Osterwochenende wurde das zweite Quartal auch eher schwach eröffnet. Ich bin schon gespannt, ob dies analog zum Jahresstart ein gutes Omen ist.
Beim weiteren Screening durch den Newsflow bleibe ich an einem Beitrag meines Freundes Erwin Hof von der Wiener Börse hängen. Beim Lesen dieser Zeilen muss ich unweigerlich lächeln. Der liebe Erwin ist dabei auf die Eigenheiten der Börsianer eingegangen und hat einen Ausflug in den Zoo der hartgesottenen Börsianer gewagt.
Beginnen wir mit dem Bullen, der für steigende Kurse steht und diese mit seinen Hörnern nach oben stößt – ein Traum für jeden Anleger. Es gibt da aber auch noch den Bären. Er ist der Freund all jener, die auf fallende Kurse setzen oder auf günstige Einstiegskurse hoffen, denn er drückt die Kurse mit seinen Tatzen nach unten. An der Börse tummeln sich auch viele schwarze Schwäne. Dabei handelt es sich um seltene und für einen Börsianer äußerst unangenehme Tiere.
Bis ins 17. Jahrhundert waren „alle“ Schwäne nur weiß. Dann entdeckte ein gewisser William de Vlamingh schwarze Schwäne in Australien. Nassim Taleb prägte diesen Begriff für die Finanzmärkte im Jahr 2007, kurz bevor die große Finanzkrise hereinbrach. Schwarze Schwäne stehen an der Börse für unerwartete Ereignisse, die alle bisherigen Annahmen über den Haufen werfen.
Jetzt wird es Zeit, bei den Truthähnen vorbeizuschauen. Oder handelt es sich dabei um eine Illusion? Der Truthahn, der täglich gefüttert wird und sich in Sicherheit wiegt, bis zum Tag seiner Schlachtung. Dies mahnt uns, Trends nicht blindlings in die Zukunft zu projizieren und als Anleger wachsam zu bleiben. Eines Tages kann der Metzger oder ein Bär um die Ecke schauen. Nach dem Truthahn kommen wir zu den Schildkröten. Diese Tiere wirken für mich immer entspannt und beruhigend. Richard Dennis hat in den 1980ern felsenfest behauptet, dass es nur eine erfolgreiche Handelsstrategie brauche, und er selbst ungelernte Trader wie Schildkröten züchten könne. Sein Experiment war erfolgreich.
Der Erfolg währte aber nur kurz. Bei den Optionshändlern sorgen „Schmetterlinge“, oder Butterfly-Spreads, für leuchtende Augen. Sie setzen darauf, dass sich der Kurs am Verfallstag innerhalb einer definierten Bandbreite bewegt. Das Gewinn-Verlust-Diagramm dieser Strategie ähnelt den Konturen eines Schmetterlings.
Und nun kommen wir zu einem beliebten Haustier, der Katze. Der sogenannte „dead cat bounce“ beschreibt eine kurzzeitige Erholung der Kurse nach einem starken Einbruch. Also quasi eine Katze, die von hoch oben auf den Boden fällt und aufgrund des ungeheuren Aufpralls kurz nach oben abhebt, um letztlich doch wieder auf den Boden zu fallen.
Und schließlich kommen wir noch zum Freund des Menschen, dem Hund. Die „Dogs of Dow“-Anlagestrategie geht auf Michael B. O’Higgins zurück. Hierbei werden in die 10 Aktien des Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite investiert. Und das Jahr für Jahr. Da diese Unternehmen nicht die beliebtesten waren, wurden sie als Dogs bezeichnet. Ich bin schon gespannt, welche Tiere uns im Laufe des Jahres an den Börsen noch begegnen werden. Vielleicht sollte ich den lieben Erwin einfach einmal bitten, mich bei seinem nächsten Ausflug in den Börsenzoo einfach mitzunehmen.
Samstag, 30. März: Das schwierige Warten auf Gewinne
Weltweit gibt es rund 40.000 Aktien und etwa 800.000 Investmentprodukte. Das ist wahrlich enorm. Die Suche nach dem „optimalen“ Investmentprodukt gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen oder einem gut versteckten Osternest. Der Biss in den Schokohasen hat schon so manchem nach der „kräftezehrenden“ Fastenzeit ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Der Lohn folgt unmittelbar nach dem Fund. Das erinnert mich an meinen morgendlichen Espresso. Meine geliebte Kaffeemaschine muss ich zwar nicht suchen, aber sobald die „richtigen“ und sorgfältig ausgewählten Kaffeebohnen gemahlen sind, steht dem Genuss nichts mehr im Wege.
Im Gegensatz dazu müssen Investoren nach der Auswahl des (vermeintlich) „richtigen“ Investmentproduktes normalerweise eine ganze Weile warten, um die Früchte ihrer Investitionen ernten zu können. Die empfohlene Behaltedauer eines Aktieninvestments liegt immerhin bei zehn Jahren. Wie uns das berühmte Marshmallow-Projekt gezeigt hat, fällt es Menschen oft schwer, lange auf einen Gewinn zu warten. In diesem Experiment wurden Kinder vor die Wahl gestellt: ein Marshmallow sofort oder zwei, wenn sie 15 Minuten warten. Die Kinder, die widerstehen konnten, hatten später im Leben oft mehr Erfolg. Dieser Drang nach sofortiger Belohnung spiegelt sich auch in der Finanzwelt wider. Anleger jagen oft nach schnellen Gewinnen, statt auf langfristige, nachhaltige Ergebnisse zu setzen.
Das Warten auf den zweiten Marshmallow im Investmentkontext, sprich das Durchhalten und strategische Planen, kann letztendlich zu einer süßeren Rendite führen. Aber wer wartet schon gerne? Für viele Menschen gilt schließlich das Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Dieses Sprichwort trifft allerdings für einen Investorentyp nicht zu. An der Börse tummeln sich Spekulanten, die das Ziel verfolgen, möglichst rasch einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften.
Zu dieser Zunft gehören für mich auch Day-Trader, die innerhalb eines Tages Unmengen an Transaktionen ausführen und der festen Überzeugung sind, durch Aktivität den Gesamtertrag zu erhöhen. Haben Sie sich aber schon einmal gefragt, wie groß die Erfolgsaussichten eines Day-Traders sind? Bevor wir uns mit dieser Frage näher auseinandersetzen, möchte ich Ihnen noch die Gewinnchancen bei einem Casino-Besuch offenlegen. Eine Analyse eines Internet-Anbieters hat die (unverfälschten) Ergebnisse von Internetspielern im Zeitraum 2005-2008 für Blackjack, Roulette und Slotmaschinen ermittelt. Das Ergebnis hat mich überrascht. In 30% der Spieltage konnten die Glücksritter Gewinne einfahren. Über einen mehrjährigen Zeitraum schaffen es „nur“ 11% der Gambler, mit einem Gewinn zu bilanzieren.
Dabei handelt es sich aber nicht um einen Millionenbetrag. Die meisten der Gewinner haben weniger als 150 US-Dollar verdient. Kommen wir nochmals zu den Day-Tradern. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit laut einer Studie aus dem Jahr 2013 bei lediglich 1%. Also schafft es nur einer von 100 Day-Tradern langfristig, mit einem Gewinn auszusteigen. Wie heißt es an der Börse so schön: Hin und her macht Taschen leer!
In meiner persönlichen Investorenkarriere habe ich mich vom kurzfristigen Spekulanten in den späten 1990ern zu einem langfristig orientierten Investor entwickelt. Auf 10-Jahressicht konnten Aktien eine beeindruckende Performance aufweisen. Der breite S&P 500 liegt mit über 150% im Plus. Auch andere Luxusgüter wie teure Weine (+146%), Uhren (+138%) oder Kunstgegenstände (+105%) konnten ihren Wert ordentlich steigern. Der Top-Performer unter den Luxusgütern ist aber ein ausgewählter Whisky mit +280%. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Für mich ist aber klar: Ich bleibe meinen Aktien und meinem Espresso treu. Ein erfolgreiches Whisky-Investment kann im Falle einer ausufernden Party oder eines geselligen Männerabends auch ganz schnell zu einem Totalverlust werden.
Samstag, 23. März: Börsenhochs ohne knallende Sektkorken
Während der Motor meiner Kaffeemaschine rattert, schweift mein Blick in die Ferne. Unweit von unserem Haus ist eine neue Baustelle errichtet worden. Seit unserem Einzug im Jahr 2016 sind die Immobilienpreise trotz der jüngsten Irritationen am Immobilienmarkt deutlich gestiegen. Aber wie belastend sind die Wohnkosten für einzelne Familien wirklich? Bereits beim ersten Espresso werde ich fündig: Die europäische Statistikbehörde berechnet für einzelne Länder eine sogenannte Wohnkostenüberlastungsrate. Diese zeigt den Anteil der Haushalte, in denen die gesamten Wohnkosten mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens ausmachen, fein untergliedert zwischen Land und Stadt.
In Österreich liegt die Quote für Landbewohner bei 4,2 Prozent. Bei Städtern ist die Rate mit 12,6 Prozent dreimal so hoch! Teure Stadt, billiges Landleben – das gilt für alle EU-Länder, allerdings mit der Einschränkung, dass die Kluft bei der Wohnkostenbelastungsquote zwischen Land und Stadt in den meisten EU-Ländern nicht so stark auseinanderklafft. In Deutschland liegt die Quote bei 10,5 Prozent für Menschen mit einem Wohnsitz auf dem Land bzw. 13,1 Prozent für Städter. Die 40-Prozent-Quote wird auch in der vielkritisierten KIM-Verordnung erwähnt. Zur Erinnerung: Bei Krediten werden seit August 2022 mindestens 20 Prozent Eigenmittel gefordert, die Laufzeit auf 35 Jahre maximiert, und die monatliche Kreditrate darf 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigen. Durch diese Verschärfung und die stark gestiegenen Zinsen haben sich Kredite in den letzten beiden Jahren massiv verteuert.
Laut Statistik Austria müssen 25 Prozent der Haushalte mit einem jährlichen Nettoeinkommen von weniger als 24.958 Euro ihr Auskommen finden. Mit diesem Einkommen und den erforderlichen Eigenmitteln von rund 45.000 Euro ist eine maximale Kreditsumme von etwa 223.000 Euro möglich. In Wien-Josefstadt werden Eigentumswohnungen aktuell mit rund 7.000 Euro pro Quadratmeter gehandelt. Ein Referenzhaushalt würde sich mit dieser Summe eine Wohnung von lediglich 29 Quadratmetern leisten können! Das Mediannettoeinkommen – also 50 Prozent der Haushalte verdienen mehr und 50 Prozent weniger als diese Schwelle – liegt bei 40.309 Euro. Damit wäre eine Kreditsumme von 289.000 Euro oder eine etwa 52 Quadratmeter große Wohnung in der Josefstadt möglich. Die 25 Prozent der Topverdiener erwirtschaften ein Jahresnettoeinkommen von 60.923 Euro. Damit ließe sich eine Kreditsumme von 436.500 Euro stemmen. Gepaart mit den Eigenmitteln sind aber auch nicht mehr als 78 Quadratmeter drin. Bei diesen Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass die Kreditnachfrage nach Einführung der Richtlinie stark zurückgegangen ist.
Diese Woche war auch die Woche der Notenbanken. Selbst EZB-Präsidentin Christine Lagarde – an und für sich eine zurückhaltende und vorsichtige Person – deutet mittlerweile an, dass die Zeichen am Horizont relativ klar auf die erste Zinssenkung hindeuten. Es verdichten sich die Anzeichen, dass es bereits im Juni so weit sein könnte. Entscheidend dafür werden sowohl der Zustand der europäischen Wirtschaft als auch die weitere Inflationsentwicklung sein. Die Teuerungsrate in der Eurozone hat sich im Februar bereits auf 2,6 Prozent abgesenkt und liegt damit nicht mehr allzu weit über der EZB-Zielrate von maximal zwei Prozent. Sollte dies eintreten, werden die Zinsen für fixe und variable Wohnbaukredite wieder sinken.
Auch beim Blick über den Atlantik dominiert die amerikanische Notenbank den Newsflow. Die US-Notenbank hat in ihrer Sitzung am Mittwoch den Leitzins erneut, wie von vielen Marktteilnehmern erwartet, stabil gehalten. Obwohl die Fantasie bezüglich einer Zinssenkung etwas nachgelassen hat, neigt sich die Erwartungshaltung der meisten Börsianer dennoch deutlich nach Süden. Trotz der nach wie vor sehr freundlichen Märkte – der deutsche DAX hat beispielsweise die 18.000-Punkte-Marke überwunden und der japanische Nikkei-225 notiert erstmals seit den 1980ern wieder über der fast magischen 40.000-Punkte-Marke – knallen keine Sektkorken. Vermutlich gab es in der gesamten Börsengeschichte noch nie ein Allzeithoch, bei dem das Gros der Börsianer mit hängenden Köpfen und in depressiver Stimmung über das glitschige Börsenparkett schlich.
Samstag, 16. März: 20 Jahre und keine negative Renditen
Diese Woche war für mich sehr intensiv. Das Motto lautete: 4 Tage, 4 Landeshauptstädte, 4 Kinos und 4 Keynotes. Für mich bedeutete das, mehr als sieben Stunden vor über 500 Finanzexperten auf der Bühne zu stehen und die Cineplexx-Kinos in Österreich einmal von der anderen Seite kennenzulernen. Insgesamt waren damit auch rund 1.500 Reisekilometer, viele Reisestunden, sehr lange Tage und ein erhöhter Espressokonsum verbunden. Im Fokus stand das Thema Aktien.
Ähnlich wie das Cineplexx-Tour-Team in Österreich benötigen Investoren bei einem Aktieninvestment Ausdauer und Durchhaltevermögen. Als Aktionär erlebt man im Laufe der Zeit viele Höhen und Tiefen, gute und schlechte Jahre. In Summe – und das wiederum bestätigen Studien des renommierten Yale-Professors Robert Shiller – wurden Investoren bei entsprechender Behaltedauer in den letzten 150 Jahren belohnt.
Bei einer 20-jährigen Behaltedauer gab es keine einzige Periode mit negativen Renditen. Und eines ist klar: Rauf geht es langsamer und gemütlicher, runter meist rasant und schnell. Als Österreicher fühlt man sich unweigerlich an einen Skitag erinnert. Am Morgen geht es mit der Gondel langsam bergauf. Nach dem „Gipfelsturm“ folgt die rasante Abfahrt ins Tal. Ein ständiges Wechselspiel zwischen Gondel und angeschnallten Skiern. Und dann darf natürlich auch der Einkehrschwung am Ende des Skitages in eine Hütte nicht fehlen. Und dieser kostet Geld. Diese Phasen lassen sich auch auf das Leben der Investoren übertragen.
Zuerst kommt die Ansparphase mit ihren Aufs und Abs. Das Ziel ist ein langfristiger und strategischer Vermögensaufbau, um auch im Rentenalter das Leben in vollen Zügen genießen zu können. Der einzige Unterschied: Beim Skifahren macht die rasante Abfahrt vermutlich mehr Spaß, an der Börse definitiv der langfristige Aufwärtstrend. Als Fondsmanager habe ich im Laufe meines Berufslebens vermutlich zehntausende Wertpapiertransaktionen getätigt. Es ist mir kein einziges Mal gelungen, eine Aktie zum absoluten Tiefpunkt zu kaufen und zum absoluten Höchststand wieder zu verkaufen.
Market Timing – das bewusste Kaufen und Verkaufen nach der subjektiven Markteinschätzung – hat seit jeher einen Reiz. Als Investor spürt man das Adrenalin: Liegt man mit seiner Einschätzung richtig oder falsch? Dies wirft die Frage auf, ob diese Strategie langfristig einen großen Beitrag zum Erfolg leistet.
Um das zu verdeutlichen, lade ich Sie, liebe Leser, zu einem kleinen Gedankenexperiment ein, basierend auf einer Analyse von T. Rowe Price, die mir kürzlich bei einer Recherche aufgefallen ist. Stellen Sie sich vor, Sie hätten am 31. Dezember 1990 10.000 US-Dollar in amerikanische Aktien (Russell 2500) investiert. Hätten Sie durchgehend investiert, wäre Ihr Depot heute rund 343.000 US-Dollar wert. Aber was, wenn Sie die besten Tage durch Market-Timing verpasst hätten? Das Verpassen der besten fünf Handelstage würde den Investor etwa 118.000 US-Dollar kosten. Bei den besten zehn Tagen reduziert sich der Depotwert um 185.000 US-Dollar und bei den besten 30 Tagen um 287.000 US-Dollar.
Der Schluss liegt auf der Hand: In Aktien zu investieren war noch nie das alleinige Erfolgskriterium. Entscheidend war, vor allem an den besten Tagen investiert zu sein, die in der Regel nach einem Abverkauf kommen. Wie viele Investoren sind bereit, nach einem rabenschwarzen Börsentag mit verheerenden Verlusten Geld in die Märkte zu investieren? Allen, die auf Market-Timing setzen, rate ich zur Vorsicht. Das Verpassen nur weniger Tage kann dramatische Auswirkungen haben. Um dieses Risiko zu umgehen, gibt es eine einfache Regel: Bleiben Sie durchgängig investiert. Akzeptieren Sie, dass es an den Börsen mal rauf und mal runter geht. Wie heißt es so schön: Die höhere Ertragserwartung erkauft man sich mit der einen oder anderen schlaflosen Nacht. Ich bin jedoch fest überzeugt, dass das bewusste Eingehen von Risiken am Ende zu einem stimmungsvollen Ausklang in einer Skihütte führt.
Samstag, 9. März: Die Analyse der Top-Techtitel
Die glorreichen Sieben stehen wieder einmal im Fokus. Für mich Anlass genug, mich einmal mit der Frage beim morgendlichen Espresso auseinanderzusetzen, ob die Performance der letzten Jahre auch wirklich fundamental untermauert ist. Beginnen wir einmal mit der Börsenbewertung. Aktuell führt Microsoft mit einer Marktkapitalisierung von 3,09 Billionen US-Dollar das Ranking vor Apple mit 2,78 Billionen US-Dollar an. Irgendwie beeindruckend, wie die Kluft zwischen der Nummer eins und der Nummer zwei in den letzten Wochen auseinandergegangen ist.
Am Jahresende war Apple ja das dritte Jahr in Folge das wertvollste Unternehmen der Welt. Im Jänner hat Microsoft den Thron das erste Mal seit 2020 bestiegen. Seit 2012 matchen sich die beiden „ewigen“ Kontrahenten im Kampf der Giganten. Auf Platz drei der wertvollsten Unternehmen rangiert mittlerweile Nvidia mit einem Börsenwert von 2,13 Billionen Dollar – der „aufgehende Stern“ am Börsenhimmel. Der Künstlichen Intelligenz sei Dank!
Dahinter tummeln sich die alten Bekannten: Amazon (1,85 Bio.), Alphabet/Google (1,71 Bio.) und Meta/Facebook (1,28 Bio.). Tesla musste in den letzten Monaten deutlich Federn lassen und liegt als einziger der glorreichen Sieben mit einer Marktkapitalisierung von 650 Milliarden US-Dollar weit unterhalb der Einen-Billion-US-Dollar-Schwelle. Auch bei der Performance gibt es deutliche Unterschiede zu verzeichnen. Die Spannweite auf Einjahressicht reicht von über 250 Prozent bei Nvidia bis zu -6 Prozent bei Tesla.
Auf Dreijahressicht konnten Nvidia-Aktionäre ihr Investment mehr als versechsfachen, wohingegen Tesla-Aktionäre nur ein mageres Plus von 2 Prozent erwirtschaften konnten. Im Durchschnitt konnten die glorreichen Sieben aber mit 86 Prozent auf Einjahressicht und 145 Prozent auf Dreijahressicht ein außergewöhnlich gutes Ergebnis einfahren. Jeder Aktionär ist ja Miteigentümer eines Unternehmens. Insofern stellt sich die Frage, ob die aktuelle Börsenbewertung auch mit den Gewinnen im Einklang steht.
Starten wir mit dem „Rising Star“ Nvidia. Der Gewinn beträgt 21 Milliarden US-Dollar und konnte sich im Vergleich zu 2019 – also dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie – mehr als verzehnfachen. Bei einer Gewinnmarge von 55 Prozent – das heißt, dass das Unternehmen bei einem Umsatz von 100 US-Dollar einen operativen Gewinn von 55 US-Dollar einfährt – kann man von einem hochprofitablen Geschäftsmodell sprechen. Auch wenn die Gewinnaussichten sehr rosig sind, ist die aktuelle Börsenbewertung doch sehr sportlich.
Auch Microsoft ist im Bereich der Künstlichen Intelligenz federführend. Der einstige Software-Gigant erwirtschaftet mit 101 Milliarden Dollar einen satten Gewinn und kann sich mit einer Gewinnmarge von 42 Prozent über ein hochprofitables Geschäftsmodell freuen. Das Gleiche gilt auch für Apple-Aktionäre, die im letzten Jahr einen Gewinn von 121 Mrd. US-Dollar vereinnahmt haben. Auch Alphabet/Google (86 Mrd. $) und Meta/Facebook (48 Mrd. $) können schöne Gewinne einfahren. Die Margen sind beim Online-Riesen Amazon mit 6 Prozent deutlich geringer. Ein Gewinn von 41 Milliarden Dollar kann sich aber auch sehen lassen.
Und dann haben wir noch Tesla mit einem Gewinn von 10 Milliarden Dollar. Die glorreichen Sieben konnten damit 428 Milliarden Dollar erwirtschaften. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vergleichsjahr 2019 mit 204 Milliarden Dollar. Die glorreichen Sieben sind auch ein großer Arbeitgeber und beschäftigen insgesamt mehr als 2,3 Millionen – davon entfallen rund 1,5 Millionen auf Amazon – Mitarbeiter. Im Vergleich zu den Highflyern der Internetblase können die Börsenstars des Jahres 2024 über sprudelnde Gewinne und vergleichsweise hohe Margen freuen. In den aktuellen Kursen steckt aber auch schon viel Fantasie. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie die Reise der glorreichen Sieben weitergeht.
Samstag, 2. März: Die Milliarden-Show der „glorreichen Sieben“
Irgendwie fühlt es sich komisch an. Der Tag ist erst wenige Stunden alt, als ich beim morgendlichen Espresso die Aktienkurse checke. An den „glorreichen Sieben“ kommt gegenwärtig niemand vorbei. Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), Microsoft, Tesla und Nvidia sind die klingenden Namen, die die Indizes von einem Allzeithoch zum nächsten treiben. Dabei handelt es sich einheitlich um US-Unternehmen, deren Geschäftsmodelle eng mit Technologie und dem absoluten Trendthema Künstliche Intelligenz (KI) verbunden sind.
Der aktuelle Börsenwert der glorreichen Sieben ist auf über 13 Billionen US-Dollar geklettert. Das entspricht nahezu der jährlichen Wirtschaftsleistung der Eurozone oder mehr als zehn Prozent der Marktkapitalisierung aller börsennotierten Unternehmen der Welt. In den vergangenen Monaten hat die Gewichtungskonzentration der glorreichen Sieben und damit auch jener der USA enorm zugenommen. Nahezu 90 Prozent der S&P 500 Performance des Jahres 2023 ist auf diese sieben Titel zurückzuführen. Während der Gesamtindex eine Performance von 24 Prozent aufgewiesen hat, lag das durchschnittliche Ergebnis aller enthaltenen Titel bei vergleichsweise geringen 8,2 Prozent. Für uns Investoren ist das eine klare Botschaft: Ohne die glorreichen Sieben keine glorreiche Performance!
Für all jene – auch ich gehöre mittlerweile zum alten Eisen – die bereits in den 1990ern an den Kapitalmärkten aktiv waren, drängt sich unweigerlich ein Vergleich mit der Dotcom-Blase auf. Erleben wir gerade eine Tech 2.0 oder eine KI-Blase? Die Gewichtungskonzentration ist durchaus vergleichbar. Im Unterschied zu den späten 1990ern können die Börsenlieblinge des Jahres 2024 auf ein hochprofitables Geschäftsmodell verweisen. Die Gewinnmargen lagen Ende 2023 bei 20 Prozent, jene im Index bei „nur“ zwölf Prozent. Mit Apple (121 Milliarden US-Dollar) und Microsoft (101 Milliarden) konnten zwei der glorreichen Sieben bereits die Gewinnschwelle von 100 Milliarden US-Dollar überschreiten. Alphabet (86 Milliarden), Meta (48 Milliarden), Amazon (40 Milliarden), Nvidia (34 Milliarden) und Tesla (zehn Milliarden) sind hochprofitabel. In Summe haben damit im abgelaufenen Jahr die glorreichen Sieben unglaubliche 440 Milliarden US-Dollar verdient. Das entspricht nahezu sechs Prozent der Gewinne aller börsennotierten Unternehmen der Welt. Die fundamentale Bewertung der größten Titel ist definitiv nicht billig, und die Gewinnansprüche werden mit Sicherheit auch nicht geringer. Die glorreichen Sieben setzen stark auf die Künstliche Intelligenz und zählen in ihrem Bereich zu den absoluten Marktführern. Ob die Gewinne in den nächsten Jahren auch wirklich den Erwartungen entsprechen werden, hängt damit auch stark davon ab, ob sich der KI-Hype als gerechtfertigt erweist.
Schwenken wir nach Europa. Der wirtschaftliche Ausblick hat sich weiter eingetrübt. Die Unternehmen werden vorsichtiger. Der Ifo-Beschäftigungsbarometer sank auf den niedrigsten Wert seit drei Jahren. Der Trend in der Industrie geht Richtung Personalabbau. Auch österreichischen Unternehmen weht ein rauer Wind entgegen. Das traditionsreiche Grazer Unternehmen AVL List hat angekündigt, heuer bis zu 200 von insgesamt 4300 Jobs in Graz abbauen zu wollen. 70 davon in Form von Kündigungen, der Rest erfolgt durch natürliche Abgänge bzw. Pensionierungen.
Besonders stark betroffen ist laut dem Ifo-Beschäftigungsbarometer vor allem die Baubranche. Die österreichische Bundesregierung hat angekündigt, den Bausektor ankurbeln zu wollen. Und dazu ist man auch durchaus bereit, einen Milliardenbetrag in die Hand zu nehmen. Ziel der Initiative ist es, den Neubausektor zu fördern und rund 40.000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft zu erhalten. Europa hinkt den anderen großen Wirtschaftsblöcken hinterher und verliert im Vergleich zu den USA und den aufstrebenden asiatischen Ländern rund um China und Indien sukzessive an Boden. Wir erleben durch den Vormarsch der KI eine technologische Revolution und einen gigantischen Transformationsprozess. Und genau in dieser Zeit ist es wichtig, die Rolle Europas neu zu definieren. Wenn wir aus unserer Lethargie erwachen und die nötigen Akzente setzen, bin ich überzeugt, dass wir auch in Zukunft eine gewichtige Rolle einnehmen werden
Samstag, 24. Februar: Ein Uraltrekord wurde ausgelöscht
Diese Woche war ich auf dem Sustainable Investor Summit (SIS7) in Wien. Diese Tage sind inspirierend und richtungsweisend zugleich. Für mich persönlich bedeutet das auch, den einen oder anderen Espresso mehr zu trinken. Vielleicht habe ich sogar meinen persönlichen Rekordwert erreicht? Wer weiß das schon.
Klar scheint aber auch, dass der Rekordlauf von Nvidia auch nach den mit Spannung erwarteten Zahlen weitergeht. Dank des KI-Booms ist der Quartalsumsatz auf 22,1 Milliarden US-Dollar angestiegen und war damit dreimal so hoch wie im Jahr davor! Investoren können sich die Hände reiben. Der Quartalsgewinn ist von 1,4 auf 12,3 Milliarden gestiegen. So etwas sieht man auch an der Börse nicht alle Tage. Die Investoren stehen auf der Käuferseite Schlange. Der Aktienkurs hat sich seit Dezember 2022 mehr als verfünffacht. Sehr beeindruckend. Im Schatten von Nvidia wurde aber auch ein Uraltrekord ausgelöscht.
Der japanische Nikkei 225 konnte ein neues Allzeithoch erreichen. Irgendwie unglaublich, dass der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 1989 datiert! Das ist unglaublich lange her. Damals saß ich als Dreikäsehoch noch auf einer Schulbank und nicht in einem gepolsterten Bürosessel. Damals waren japanische Aktien voll im Trend. In einem global ausgerichteten Portfolio betrug der Japan-Anteil nahezu 40%. Zum Vergleich: Heute beträgt der Anteil japanischer Aktien „nur“ sechs Prozent. Damals war China auch noch ein Entwicklungsland, welches der eine oder andere Börsianer vermutlich nicht einmal auf der Landkarte gefunden hätte. Dadurch wird mir wieder einmal bewusst, welchen Transformationsprozess wir in den letzten drei Jahrzehnten eigentlich erlebt haben. Und als Drittes im Bunde hätten wir noch den deutschen DAX, der sich diese Woche auch über ein neues Allzeithoch freuen durfte.
Spannend finde ich, dass im Gegensatz dazu der chinesische Aktienmarkt nicht so recht vom Fleck kommt. In den letzten 5 Jahren hat der Hang Seng Index, der Leitindex der Börse von Hongkong, der die größten und liquidesten Unternehmen abbildet, nahezu 50 Prozent seines Werts verloren. Trotz dieser Herausforderungen bleibt China ein Wachstumsgigant. Das rasante Wirtschaftswachstum des Landes hat allerdings nicht automatisch zu steigenden lokalen Aktienkursen geführt. Die Frage stellt sich nun, wie man als Investor vom chinesischen Wachstum profitieren kann? Zuerst einmal durch den Kauf von lokalen Aktien. Ein direkter Weg, aber mit Herausforderungen hinsichtlich Zugang, Rechtssicherheit und Marktverständnis. Darüber hinaus kann man sich als Investor auch einen Fonds/ETF auf den chinesischen Markt kaufen. Das ist aus meiner Sicht eine zugänglichere Option, die Diversifikation und Fachkenntnisse von Fondsmanagern bietet. Und zu guter Letzt kann der Investor auch durch ein Investment in einen Global Player profitieren. Viele weltweit agierende Unternehmen sind stark in China und anderen Schwellenländern engagiert. Indem man in diese Unternehmen investiert, etwa über Aktien in den USA, UK oder Europa, profitiert man indirekt vom Wachstum in China, genießt aber gleichzeitig die Rechtssicherheit und Standards des Heimatmarktes des Unternehmens. Rund ein Viertel der Umsätze eines globalen Aktienindex wird in Schwellenländern erwirtschaftet. Für mich persönlich ist das eine spannende Alternative, da ein Investor zum einen von der Dynamik Chinas profitieren kann, ohne aber in Bezug auf die Rechtssicherheit oder andere Standards Abstriche machen zu müssen.
Ob die Zeit für Emerging Markets gekommen ist, wird uns wohl erst die Zukunft weisen. Eine Beimischung in einem global orientierten Portfolio kann vermutlich aber nicht schaden. Durch die Künstliche Intelligenz werden wir vermutlich in den nächsten Jahren einen gigantischen Transformationsprozess erleben. Ich bin schon gespannt, wie hoch einzelne Länder oder Sektoren in zehn oder 20 Jahren in einem Weltaktienportfolio gewichtet sein werden. Eines scheint aber klar: definitiv ganz anders als heute!
Samstag, 17. Februar: Wie schnell sich das Blatt wenden kann . . .
Heute Morgen reibe ich übermüdet meine Augen. Beim Blick auf die aktuelle Kurstafel stockt mir der Atem: Der S&P 500 hat die 5000er-Grenze überschritten. Das Mahlwerk der Kaffeemaschine macht gerade einen Höllenlärm – irgendwie eine passende Fanfare als Begleitmusik. Mein Espresso war schließlich in all den Jahrzehnten ein ständiger und zuverlässiger Wegbegleiter.
Als meine „Liebesbeziehung“ mit dem S&P 500 begann, hat der Index erstmals die 1000er-Schwelle überschritten. Wir sprechen hier vom Jahr 1998. Dass sich der Index in 26 Jahren trotz aller Krisen verfünffachen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber so kann man sich täuschen. Belohnt wurden all jene, die in all den Jahren trotz aller Rückschläge durchgehalten haben. Gut Ding braucht anscheinend auch an der Börse Weile. An der Wall Street knallen vermutlich die Korken. In diesen Tagen herrscht Optimismus. Seit November ist der Index immerhin um mehr als 20 Prozent gestiegen. Die US-Wirtschaft zeigt sich erstaunlich robust und widerstandsfähig, die Arbeitslosenraten sind konstant niedrig und der Druck auf der Inflationsfront nimmt spürbar ab.
Nur zur Erinnerung: Vor wenigen Monaten gingen viele Marktteilnehmer noch von einer tiefgreifenden Rezession aus. Wie schnell sich das Blatt wenden kann, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Viele Börsianer setzen nun ihre Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank. Ich bin schon gespannt, wie lange der Leitzins noch auf dem 22-Jahres-Hoch verbleiben wird.
Die EZB scheint noch etwas vorsichtiger zu sein. Diese Woche meldete sich Präsidentin Christine Lagarde zu Wort. In ihrem Statement vor dem Europäischen Parlament in Brüssel betonte sie, dass jede Entscheidung der EZB datenabhängig sei, insbesondere hinsichtlich der weiteren Entwicklungen bei der Inflation. Lagarde mahnte auch zur Vorsicht, da eine vorschnelle Lockerung zu einem erneuten Anheizen der Inflation führen könne. Die EZB hat bisher keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass ihr mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent nachhaltig erreicht wird. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die EZB mit etwas Verzögerung der Fed folgen wird.
Als Fondsmanager waren nicht nur mein Espresso, sondern auch Excel wichtige Begleiter. Es gilt schließlich, das eigene Portfolio oder Einzeltitel zu analysieren und darauf basierend die eigene Investmentstrategie aufzubauen. Der norwegische Staatsfonds verwaltet eine Billionen-Portfolio und ist damit der größte Staatsfonds der Welt. Der Fonds zählt darüber hinaus zu den größten Anteilseignern der Wirtschaftsgiganten wie z.B. Apple, Microsoft oder auch Amazon. Doch so mächtig Excel auch sein mag, es birgt auch Gefahren. Ein Anwenderfehler führte zu einem Verlust von unglaublichen 92 Millionen US-Dollar für den Staatsfonds. Der „Miss-Trade“ resultierte aus einer fehlerhaften Benchmark-Berechnung und einer leicht erhöhten Gewichtung von US-Anleihen. Dieser Verlust ist nahezu doppelt so hoch wie die Summe aller operativen Fehler zwischen 2010 und 2020. Positiv anzumerken ist, dass die Verantwortlichen sehr offen mit dem Fehler umgegangen sind und ihn nach dem Erkennen sofort aktiv bereinigt haben.
Nachdenklich stimmen sollte jedoch, dass ein ähnlicher „Fehler“ im Jahr 2021 einen Gewinn von 55 Millionen US-Dollar einbrachte. Von einem meiner Chefs habe ich gelernt, dass es völlig irrelevant ist, ob bei einem Miss-Trade ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird. Wichtig ist, daraus zu lernen und einen Fehler möglichst nur einmal zu begehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass solche Excel-Fehler im hohen Norden ab sofort der Vergangenheit angehören.
Samstag, 10. Februar: Mr. Market scheint extrem euphorisch
Diese Woche haben auch europäische Indizes wie der deutsche DAX oder der Euro-Stoxx 50 ein neues Allzeithoch erreicht. Nach dem schwachen Jahresauftakt scheint wieder Energie zu sein. Das scheint bei den Börsianern abzuprallen. Trotz einer schwachen Konjunktur kann die Leitbörse des als kranker Mann Europas verschrienen Landes auf eine starke Börse verweisen. Mr. Market scheint wieder einmal extrem euphorisch und voller Lebensenergie zu sein. Bei mir ist es der morgendliche Espresso – was Mr. Market so euphorisch macht, habe ich zu meinem Leidwesen in all den Jahren noch nicht herausgefunden.
Kommen wir noch einmal zurück zum DAX. Deutsche Unternehmen erwirtschaften nur einen Bruchteil der Umsätze in Deutschland. Der Globalisierung sei Dank. Und darüber hinaus ist ein Großteil des Anstiegs auf lediglich eine Handvoll Unternehmen zurückzuführen. Was in den USA die Magnificent Seven – also die großen Tech-Unternehmen Apple, Nvidia, Alphabet (Google), Meta (Facebook), Amazon, Tesla und Microsoft – sind, sind in Deutschland die glorreichen Fünf bestehend aus den Indexschwergewichten SAP, Siemens, Allianz, Münchner Rück und der Deutschen Telekom. Der deutsche Aktienmarkt wird von diesen Giganten nach oben gezogen, wohingegen die durchschnittliche DAX-Aktie fast 40% unter dem Allzeithoch notiert.
Kommen wir noch einmal zu den Magnificent Seven. An der Spitze als wertvollstes Unternehmen hat vor wenigen Wochen Microsoft den ewigen Konkurrenten Apple abgelöst. Das Comeback feiert Mark Zuckerbergs Meta, der bereits von vielen Investoren für tot oder zumindest als todkrank abgeschrieben wurde. Vor zwei Jahren, also im Februar 2022, hat die Aktie noch den größten Wertverlust in der gesamten Börsengeschichte hingelegt. Im November 2022, also vor etwas mehr als einem Jahr, konnte man eine Aktie des Tech-Giganten noch um 110 US-Dollar kaufen. Seit damals hat sich der Kurs mehr als vervierfacht. Nach Bekanntgabe der letzten Zahlen ist Meta an einem Tag um 20% und damit um einen Börsenwert von knapp 200 Milliarden US-Dollar gestiegen. Auch das ist ein Rekord. Wenn das kein eindrucksvolles Comeback ist!
2023 erwirtschaftete der Meta-Konzern einen Umsatz von 135 Milliarden US-Dollar. Und davon bleiben nach Abzug aller Steuern und Kosten für die Aktionäre noch ein Gewinn von 39 Milliarden US-Dollar übrig. Das kann sich wahrlich sehen lassen, meinen Sie nicht auch? Darüber hinaus hat Meta auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz eine Vorreiterrolle eingenommen. Und das wiederum lässt Börsianer von sprudelnden zukünftigen Gewinnen träumen.
Mark Zuckerberg, der einen Großteil seines Vermögens in den eigenen Aktien investiert hat, hat die letzten Wochen Microsoft-Gründer Bill Gates überholt und ist mit einem geschätzten Vermögen von 163 Milliarden US-Dollar bereits der viertreichste Mensch der Erde. Das Ranking führt ein gewisser Elon Musk mit 203 Milliarden US-Dollar an. Der liebe Elon hat aber im Gegensatz zu Mark sehr turbulente Wochen hinter sich. Er ist der einzige auf der Top-10 Liste, der heuer Verluste erlitten hat. 2024 ist sein Vermögen um unglaubliche 26 Milliarden geschrumpft. Das entspricht in etwa der Marktkapitalisierung von Verbund, dem wertvollsten ATX-Unternehmen.
Kommen wir noch einmal nach Deutschland. Im Rahmen eines Pilotprojekts haben 45 Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt. Und zwar ganz nach dem Motto: 100-80-100. Also 100% der Leistung bei 80% der Zeit bei 100% Bezahlung. Das Projekt wird auch von wissenschaftlicher Seite aus begleitet und die Ergebnisse analysiert. Ich bin schon sehr gespannt auf das Ergebnis. Ich persönlich halte mich da eher an Warren Buffets Grundsatz: „If you don’t find a way to make money while you sleep you will work until you die.“
Samstag, 3. Februar: Über die gigantischen Margen der Tech-Riesen
Diese Woche habe ich mir eine schöne Teekanne gekauft. Ja, Sie haben richtig gelesen. Es handelt sich wirklich um eine Teekanne. Eines kann ich aber garantieren: Meinem geliebten Espresso bleibe ich auch in Zukunft treu. Während ich durch die Innenstadt bummelte, wimmelte es von Ausverkaufsschildern. Gerade diese Rabattaktionen spülen ordentlich Geld in die Kassen. Der größte Online-Einzelhändler Amazon hat diese Woche Zahlen vorgelegt. Der Konzernumsatz ist im 4. Quartal 2023 um 14% auf 170 Milliarden US-Dollar gestiegen. Dem robusten Cloud-Geschäft und Sonderangeboten sei Dank. Allein am Black-Friday und am Cyber-Monday wurden mehr als eine Milliarde Artikel bestellt.
Von den 170 Milliarden bleibt ein Nettogewinn von knapp über 10 Milliarden Dollar übrig. Das entspricht einer Marge von rund 6%. Trotzt neuer aggressiver Konkurrenten aus Asien, die mit einem hohen Werbebudget und extremen Dumpingpreisen auf den Markt drängen, scheint die Euphorie schier grenzenlos. Ein Grund dafür ist auch, dass uns Konsumenten künftig Rufus – dabei handelt es sich um eine KI-Software – beim Online-Einkauf unterstützen wird. Ich bin schon gespannt, was mir die KI künftig in mein Einkaufswagerl legen wird.
Mit Apple hat auch ein zweiter Tech-Gigant seine Zahlen vorgelegt. Nach vier Quartalen in Folge, in denen der Umsatz zurückgegangen ist, konnte das Unternehmen im 4. Quartal wieder ein Umsatzplus vermelden. Für das erfolgsverwöhnte Unternehmen endet damit die längste Negativserie seit 2001. Bei einem Quartalsumsatz von 120 Milliarden Dollar bleiben immerhin 34 Milliarden Dollar Gewinn übrig. Die Gewinnmarge ist mit 28% deutlich höher als jene von Amazon. Es ist aber definitiv nicht alles eitel Wonne. In China, einem der wichtigsten Absatzmärkte, ist der Umsatz um 13% gefallen.
Das ist zwar wenig überraschend, da Apple hier mit dem lokalen Rivalen Huawei verbissen um Marktanteile kämpft, aber doch irgendwie enttäuschend. Produktseitig können sich Apple-Kunden auf die Computerbrille „Vision Pro“ freuen, welche ab einem Startpreis von 3.500 US-Dollar zu haben sein wird. Auf den Bildern ähnelt sie einer Skibrille. Bei der Frage, wie hoch das Absatzpotenzial dieses Virtual-Reality-Headsets wirklich sein wird, gehen die Expertenmeinungen weit auseinander. Ich bin schon gespannt.
Und abschließend möchte ich noch kurz zum Facebook-Konzern schwenken. Mark Zuckerberg und sein Meta-Konzern wurden ja schon von vielen abgeschrieben. Es bewahrheitet sich aber wieder einmal das alte Sprichwort: Totgesagte leben länger. Das Werbegeschäft von Meta boomt. Der Umsatz ist im 4. Quartal um ein Viertel auf 40 Milliarden US-Dollar gestiegen. Der Gewinn liegt bei 14 Milliarden US-Dollar und konnte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal verdreifachen. Eine Gewinnmarge von 35% kann sich sehen lassen. Der Fokus liegt in der virtuellen Welt. In der Realität dürfen sich Aktionäre auch erstmals über eine Dividende freuen.
Auch Elon Musk setzt auf die Vernetzung zwischen Mensch und Computer. Sein Unternehmen Neuralink hat erstmals einem Patienten ein Gehirnimplantat eingesetzt. Das primäre Ziel ist es, Menschen mit Parkinson oder ALS zu helfen. Hier sind aber vermutlich keine Grenzen gesetzt. Ob ich mir in naher Zukunft aber einen Chip einsetzen lasse, um meine menschlichen Fähigkeiten zu verbessern, wage ich definitiv zu bezweifeln. Bei diesen Ergebnissen ist es wenig verwunderlich, dass Technologie-Aktien auch 2024 noch voll im Trend sind. Es mehren sich aber mittlerweile auch schon kritische Stimmen, dass die Bewertungen schon sehr sportlich sind. Eines ist aber klar. Für Spannung ist gesorgt.
Die amerikanische Notenbank hat ihre Leitzinsen wie erwartet unverändert gelassen. Auch wenn laut eigenen Angaben die Entscheidung für Zinssenkungen noch nicht gefallen ist, deutete Fed-Präsident Jerome Powell an, dass wir heuer noch Zinssenkungen ab Mai erleben werden. Natürlich nur, sofern man die Inflation im Griff habe. Es würde mich nicht wundern, wenn EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit ein paar Monaten Verspätung dem lieben Jerome folgen würde. Vielleicht sollten die beiden einmal eine VR-Brille aufsetzen, um ihre Strategie zu testen? Oder vielleicht macht es ja auch mehr Sinn, einmal bei der KI nachzufragen?
Samstag, 27. Jänner: Mit Dollarzeichen in den Augen . . .
Diese Woche war es wieder so weit. Als Börsianer gibt es wohl nichts Erfreulicheres, als in den frühen Morgenstunden die Kaffeemaschine anzuwerfen und beim Scrollen durch die Nachrichten über die Meldung zu stolpern, dass der Dow Jones, der S&P 500 und der Nasdaq 100 ein neues Allzeithoch erreicht haben. Da schmeckt mein heißgeliebter Espresso doppelt gut.
Die Rekordjagd setzt sich somit sowohl bei der Skiflug-Weltmeisterschaft am steirischen Kulm als auch an den wichtigsten US-Leitbörsen fort. Die letzten Wochen waren geprägt von Vorhersagen und Prognosen für 2024. Zu den Top-Prognosen gehört, dass Anleihen ein Comeback als attraktive Asset-Klasse erleben, Indiens Wirtschaftswachstum Chinas übertrifft und der S&P 500 ein neues Rekordhoch erreicht. Damit haben wir bereits in der vierten Woche des noch jungen Jahres eine der Top-Prognosen erreicht. Bei den Investoren stehen Technologieunternehmen, insbesondere solche, die das Thema Künstliche Intelligenz (KI) abdecken, hoch im Kurs.
Als Börsianer befinde ich mich in einem emotionalen Zwiespalt. Einerseits freue ich mich natürlich über die gute Performance und das Erreichen neuer Höchststände, andererseits drängt sich die Frage auf, ob wir den Zenit bereits überschritten haben. In dieser Woche wurde ich im Rahmen eines Vortrags erneut gefragt, ob ich Parallelen zu den späten 1990ern sehe und ob wir gerade eine Internet-Blase 2.0 erleben. Diese Frage kann ich natürlich nicht seriös beantworten, denn niemand kann wirklich einen Blick in die vielzitierte Glaskugel erhaschen. Ich kann jedoch die aktuelle Situation bewerten und daraus meine Schlüsse ziehen.
Betrachten wir die Fakten, so sehen wir, dass die Aktienmärkte, insbesondere jene in den USA, fundamental betrachtet sicherlich nicht gerade günstig bewertet sind. Das ist unbestreitbar und klar. Doch wenn wir uns die Performance genauer ansehen, wird deutlich, dass ein Großteil der Kursgewinne zwischen 2020 und 2023 durch Gewinnsteigerungen und Dividendenzahlungen gestützt wurde. Tatsächlich lassen sich mehr als 85 Prozent der Kursanstiege auf diese Faktoren zurückführen, während der verbleibende Rest auf eine etwas teurere fundamentale Bewertung zurückzuführen ist. Und genau darin sehe ich den entscheidenden Unterschied zu den späten 1990ern. Damals wurden viele Aktien nur aufgrund der Euphorie und der Erwartung sprudelnder Gewinne in naher Zukunft gekauft. Mit manch einem – und da möchte ich mich als damals noch sehr junger Fondsmanager definitiv nicht ausnehmen – sind sogar die Pferde durchgegangen. Mit Dollarzeichen in den Augen haben Käufer die Aktienkurse in schwindelerregende Höhen gehoben. Und dieser Kursanstieg war damals definitiv nicht fundamental untermauert. Ob die Party an den Märkten auch 2024 weitergeht, wird erst die Zukunft zeigen. Ich persönlich blicke jedoch durchaus optimistisch in die Zukunft.
An den Finanzmärkten gilt es bereits als ausgemachte Sache, dass die Notenbanken in absehbarer Zukunft die Zinsen erneut senken werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist entschlossen und zuversichtlich, die Inflation in naher Zukunft auf den mittelfristigen Zielwert zurückzuführen. Obwohl Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, diese Woche die Märkte noch nicht mit einer Zinssenkung überraschen konnte, bin ich sehr zuversichtlich, dass Kreditnehmer mit variablen Zinsbindungen im Laufe des Jahres noch von der ein oder anderen Zinssenkung profitieren werden.
Spannend finde ich, dass viele Experten davon ausgehen, dass durch die Künstliche Intelligenz ein Wahlskandal ausgelöst werden könnte. In den Fabrikhallen und vermutlich auch in so manchen Bürogebäuden wimmelt es mittlerweile von arbeitenden Robotern. Ob diese jedoch auch die Wahllokale stürmen werden, wage ich (zumindest vorerst) zu bezweifeln.
Samstag, 20. Jänner: Eine Pflichtlektüre und ein Sparstift
Manche Dinge ändern sich nie. Genauso wie mein liebgewonnener morgendlicher Espresso, freue ich mich im Jänner Jahr für Jahr auf den neuen Risk Report des World Economic Forums. Das ist sozusagen der „Wake-Up-Call“ für die globale Wirtschaft. Als Investor ist es wichtig, sich auch mit den Risiken auseinanderzusetzen. Für mich ist das eine Pflichtlektüre, aus der ich viel über die großen Themen, Herausforderungen und Risiken unserer Zeit lernen kann. Besonders spannend finde ich, dass Experten aus unterschiedlichen Spezialgebieten – vom Volkswirt über den Physiker, Unternehmer, Geostrategen, Finanzexperten, Soziologen bis hin zum Klimaforscher – Trendthemen beurteilen und dann zu einem großen Gesamtbild zusammenfügen. Und genau dieser Risk Report wird beim Treffen in Davos dieser Tage in Anwesenheit des „Who’s Who“ der globalen Wirtschaft und Politik vorgestellt.
Angeführt wird die Risikolandkarte von Extremwetter-Ereignissen. Von wirtschaftlicher Seite werden die Inflation und ein wirtschaftlicher Abschwung oder gar eine Rezession als die größte Gefahrenquelle definiert. Spannend finde ich, dass AI-generierte Fehlinformationen bei kurzfristiger Betrachtungsweise als das größte Risiko ausgewiesen werden. ChatGPT lässt grüßen. Für mich ist das auch eine gute Gelegenheit, Ihnen zu versichern, dass dieser Text von mir persönlich verfasst wurde. Aber das würde Ihnen die KI vermutlich auch versichern.
Kommen wir zu den Finanzmärkten. Auch wenn wir 2024 einen holprigen Jahresstart erlebt haben, hat die Nasdaq-100 ein neues Rekordhoch erreicht. Die jüngsten Kursverluste haben wohl den einen oder anderen Schnäppchenjäger auf den Plan gerufen. Technologieunternehmen liegen nach wie vor im Trend, aber auch der Finanzsektor nimmt weltweit eine dominante Rolle ein. Die Stimmungslage bei den Big-Playern könnte wohl unterschiedlicher nicht sein. Die Citigroup, immerhin auf Rang 18 der größten Banken der Welt, kämpft mit einem großen Ertragsproblem. Jane Fraser, Vorstandsvorsitzende des in New York ansässigen Finanzgiganten, kündigte an, 20.000 Stellen abbauen zu wollen. Es wird der Sparstift angesetzt. Das ist irgendwie verständlich, da das Unternehmen im 4. Quartal einen Verlust von 1,8 Milliarden US-Dollar verzeichnete. Langfristig will man 2,5 Milliarden US-Dollar einsparen. Dies stellt das schlechteste Quartalsergebnis seit 15 Jahren dar. Damals befanden wir uns mitten in der Finanzkrise und hatten mit den Nachwehen der Lehman-Pleite zu kämpfen. Aktuell wird die Citigroup an der Börse mit 97 Milliarden US-Dollar bewertet, was sie auf Rang 148 der wertvollsten Unternehmen der Welt platziert. Diese Entwicklung wird die Aktionäre jedoch wenig erfreuen, da die Marktkapitalisierung vor 20 Jahren noch knapp über 250 Milliarden US-Dollar lag. Das bedeutet, dass die Aktionäre in den letzten 20 Jahren etwas mehr als 150 Milliarden US-Dollar an Wert verloren haben.
Auf der anderen Seite steht J.P. Morgan Chase, aktuell die mit Abstand wertvollste Bank der Welt. Das Unternehmen wird an der Börse mit 480 Milliarden bewertet, was annähernd doppelt so hoch ist wie die Bewertung der Nummer zwei, der Bank of America. Im Vergleich dazu weist die Erste Group eine Marktkapitalisierung von 16 Milliarden Euro auf, während die Deutsche Bank 24 Milliarden Euro und die UBS 88 Milliarden Euro aufweisen. Vor 20 Jahren betrug die Marktkapitalisierung „nur“ 80 Milliarden US-Dollar. Aktionäre konnten in den letzten 20 Jahren einen Gewinn von rund 400 Milliarden US-Dollar verzeichnen, was immerhin einer Versechsfachung des Börsenwerts entspricht. Aktuell rangiert J.P. Morgan Chase auf Rang 14 der wertvollsten Unternehmen der Welt. Das Unternehmen hat seinen Nettogewinn im 4. Quartal noch einmal deutlich gesteigert, und im Gesamtjahr 2023 hat das Finanzinstitut 50 Milliarden US-Dollar verdient, mehr als jemals zuvor eine amerikanische Bank verdient hat. Die J.P. Morgan Banker können sich im Gegensatz zu den Citigroup-Mitarbeitern wohl auf eine satte Bonus-Zahlung freuen. Ich bin schon gespannt, ob wir Aktionäre uns Ende 2024 auch über einen ordentlichen Gewinn freuen können!
Samstag, 13. Jänner: Optimisten, Pessimisten und ein Espresso-Roboter
Diese Woche war ich auf meiner ersten Geschäftsreise 2024. Ich sitze gerade beim Frühstück in einem schönen Hotel mit Blick auf den Dom und genieße einen ausgezeichneten Espresso, während ich diese Kolumne verfasse. Das Jahr 2024 hat bereits Fahrt aufgenommen, und ich bin zuversichtlich, dass es ein gutes Jahr wird.
Der Januar ist für mich stets ein Zeitpunkt, um Trendthemen zu analysieren und einen Ausblick zu wagen. Trotz eines verhaltenen Starts an den Finanzmärkten erwarten 70 Prozent der Analysten ein neues Allzeithoch beim amerikanischen S&P 500. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass große Technologieunternehmen wie Apple, Microsoft oder Alphabet auch 2024 attraktive Investments bleiben werden. Bei einem Indexstand von rund 4800 Punkten reichen die Prognosen von 5400, prognostiziert von Yardeni Research, bis zu 4200 von J.P. Morgan. Es ist faszinierend, wie divergent die Ansichten sein können. Der größte Pessimist gibt zu bedenken, dass wir 2024 mit größeren makroökonomischen Herausforderungen und einer schwächeren Wirtschaftsdynamik konfrontiert sein könnten. Diese könnten dazu führen, dass die Unternehmensgewinne nicht mehr so stark steigen.
Zusätzlich werden geopolitische Unsicherheiten ins Feld geführt. Im Gegensatz dazu zählt Ed Yardeni zu den Optimisten. Er geht davon aus, dass der S&P 500 im Jahr 2024 auf 5400 Punkte steigen und im Jahr 2025 die 6000-Punkte-Marke erreichen wird. Seine positive Prognose begründet er vor allem mit dem Abwenden einer Rezession in den USA und einer zunehmenden Wirtschaftsdynamik.
Prognosen und Einschätzungen sind in unserer vernetzten Welt allerdings mit Vorsicht zu genießen. Für 2023 hatten die Analysten mehrheitlich eine Performance zwischen fünf und zehn Prozent vorhergesagt. Mit mehr als 20 Prozent hat der amerikanische Aktienmarkt jedoch positiv überrascht.
Beim Anleihenmarkt erwarten mehr als 70 Prozent der Fondsmanager für 2024 fallende Renditen – der höchste Wert seit zwei Jahrzehnten. Die Finanzmärkte spekulieren darauf, dass die Notenbanken bald mit Zinssenkungen beginnen werden. Es werden zwei bis drei Zinssenkungen von der Fed und später von der EZB erwartet. Langfristige Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren werden daher als die attraktivste Anlagemöglichkeit für 2024 angesehen, noch vor den sogenannten „Magnificent Seven“ – den Börsenstars der letzten Jahre, zu denen Apple, Alphabet (Google), Microsoft, Amazon, Meta (Facebook), Tesla und Nvidia zählen.
Abschließend noch ein Blick auf die Weltwirtschaft: Der Internationale Währungsfonds prognostiziert ein Wachstum von 2,7 Prozent. Die Analystenhäuser sind im Schnitt etwas optimistischer und rechnen mit 2,9 Prozent. Das liegt global gesehen nur knapp unter der Durchschnittsrate der letzten zehn Jahre von 3,1 Prozent. Ein erheblicher Teil des Wachstums wird von China beigesteuert, während der Anteil der USA oder der Eurozone jeweils bei etwa zehn Prozent liegt. Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahren das Wirtschaftswachstum hauptsächlich aus China und anderen aufstrebenden Schwellenländern wie Indien oder Indonesien stammen wird. Indien könnte 2024 sogar eine höhere Wachstumsrate als China erzielen. Was können wir also von 2024 erwarten? Die Inflation dürfte „niedrig“ bleiben, jedoch weiterhin über dem Ziel der EZB liegen. Apple wird in seine Produkte KI integrieren, und Roboter werden verstärkt in den Arbeitsmarkt eindringen. Im Jahr 2025 könnte die KI meines Smartphones sogar den Espresso bestellen, der mir dann von einem Roboter serviert wird – eine spannende Aussicht!
Samstag, 6. Jänner: Kurzfristige Marktschwankungen ignorieren!
Nach ein paar entspannten Skitagen mit meinen Kindern nimmt das Jahr 2024 für mich so richtig Fahrt auf. Als ich heute Morgen meinen Espresso trinke, muss ich schmunzeln. Die Uhren wurden wieder zurückgestellt. Die Year-to-Date-Performance (YTD) – also die Wertentwicklung seit Jahresbeginn – sah vor wenigen Tagen noch wunderbar aus. 2024 sind die Weltbörsen so irgendwie ins Jahr gestolpert. Schon am ersten Handelstag verloren der Nasdaq-100-Index 1,7 Prozent und verzeichnete damit den schlechtesten Jahresauftakt seit 2001. Die Anleihenmärkte erklärten sich solidarisch. Steigende Renditen führten zu Kursverlusten und damit ging es im Tandem nach unten. Nach dem sehr starken 4. Quartal kam es zu Gewinnmitnahmen.
Das Jahr ist noch jung und die jüngsten Entwicklungen sind definitiv keine Katastrophe. Spannend finde ich aber, dass das Stimmungsbild der Börsianer doch stark von der YTD-Performance abhängt und sich damit in den ersten Tagen des Jahres doch etwas die Unsicherheit breit macht. Diese Woche waren noch viele Börsianer auf Urlaub. Ich bin schon gespannt, wie es ihnen geht, wenn sie ab kommender Woche wieder auf das glitschige Börsenparkett zurückkehren. Ob sie beim Blick auf die YTD-Zahlen nervös werden?
In den „Roaring“ 2020ern haben wir bereits viele turbulenten Tage erlebt. Die Dekade ist noch jung, aber brüllend war sie allemal. Wir haben 2020 den Corona-Shutdown erlebt, 2021 mit der zweiten Corona-Welle zu leben gelernt. 2022 erlebten wir den russischen Einmarsch in die Ukraine, in beängstigende Höhen steigende Inflationszahlen, einen Crash am Anleihenmarkt und die Angst vor der größten Depression aller Zeiten. 2023 erlebten wir darüber hinaus den Beginn des Israel-Gaza-Krieges, als palästinensische Kämpfer einer Terrororganisation Israel angriffen und eine Sperranlage zum Gazastreifen durchbrachen. Im Herbst mehrten sich auch die Kritiker der Notenbanken, die durch einen historisch sowohl vom Ausmaß als auch von der Geschwindigkeit einzigartigen Zinserhebungszyklus eingeleitet haben, um der davongaloppierenden Inflation Herr zu werden. Rückblickend betrachtet ein sehr komplexer und gefährlicher Mix, meinen Sie nicht auch?
Investoren können trotz dieser Rahmenbedingungen auf außergewöhnlich erfolgreiche 2020er-Jahre zurückblicken. In dieser Dekade stieg der globale MSCI World Index um mehr als 40 Prozent, der S&P 500 um nahezu 50 Prozent und die Technologiebörse Nasdaq-100 um fast 100 Prozent. Auch für europäische Indizes waren es erfreuliche Jahre, auch wenn die Performance des DAX mit rund 25 Prozent bzw. des ATX mit 20 Prozent im internationalen Vergleich doch etwas hinterherhinkt.
Beim Durchscrollen des Newsflow bleibe ich an einer Nachricht hängen: „We have nothing to fear but fear itself.“ Irgendwie ein passendes Investoren-Mantra der letzten Jahre, die anscheinend mit allen Rückschlägen gut umgehen können und nichts als die Angst selbst zu fürchten haben. Stellt sich noch die Frage, ob die Angst 2024 zurückgekehrt ist? Die Börse ist emotional und auch wenn ich persönlich es nicht glaube, ist diese Frage gegenwärtig noch nicht seriös beantwortbar. Wichtig ist aber auch festzuhalten, dass sich die Rahmenbedingungen seit den letzten Dezembertagen nicht wirklich verändert haben. Auf der Inflationsfront sollte sich die Lage entspannen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind zwar etwas schwächer, allerdings scheinen wir den Tiefpunkt bereits überschritten zu haben. Im Laufe des Jahres dürfte sowohl die amerikanische Fed als auch die EZB die Zinsen wieder senken und damit versuchen, die Wirtschaft zu unterstützen. Sollte das eintreten, dürften auch viele Kreditnehmer hörbar aufatmen, da dadurch auch für sie die monatlichen Ratenzahlungen wieder etwas billiger werden.
Die Bewertung der Aktienmärkte ist im historischen Kontext definitiv nicht billig, liegt aber dennoch nur knapp über den historischen Durchschnittswerten. Das ist für mich ein Beleg dafür, dass die Kursanstiege der Vergangenheit auch fundamental durch steigende Unternehmensgewinne unterstützt wurden. Zinsseitig gibt es wieder Anlass zur Freude für Investoren, da es wieder attraktive Renditen gibt. Aus meiner Sicht gibt es (noch) keinen Grund, pessimistisch zu sein.
Bei der Aufstellung des eigenen Portfolios spielt die Vergangenheit keine Rolle. Es ist entscheidend, aktuelle Chancen und Risiken zu bewerten und darauf basierende Entscheidungen zu treffen. Meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll, eine langfristige Strategie zu verfolgen und kurzfristige Marktschwankungen zu ignorieren. Ich wünsche uns allen ein erfolgreiches Börsenjahr 2024.
Samstag, 23. Dezember: Leuchtende Augen, Charles Dow und Edward Jones
Weihnachten steht unmittelbar vor der Tür. Heute gönne ich mir ein paar Kekse zu meinem morgendlichen Espresso. Während ich durch die aktuellen Nachrichten scrolle, springt mir der Name Playmobil ins Auge. Meine Kinder haben das geliebt, und nicht selten war ein Päckchen der deutschen Spielwarenmarke unter dem Christbaum zu finden. Das Unternehmen wurde 1974 gegründet und feiert damit im kommenden Jahr seinen 50. Geburtstag. Der Gründer Hans Beck gilt als Erfinder und Vater der Playmobil-Figuren. Diese Woche hat das Unternehmen verlautbart, erstmals in seiner Unternehmensgeschichte einen Verlust gemacht zu haben. Bereits Anfang Oktober kündigte das Unternehmen an, etwas mehr als 15 Prozent seiner rund 4000 Mitarbeiter abzubauen. Playmobil kämpft mit den veränderten Spielgewohnheiten der Kinder und dem Vormarsch digitaler Konkurrenzprodukte. Ich bin gespannt, ob für meine kleinen Neffen in einigen Jahren ein Playmobil-Päckchen die Augen zum Leuchten bringen wird.
Werfen wir einen Blick auf die Aktienmärkte, die eine beachtliche Jahresend-Rallye auf das Börsenparkett gelegt haben. So notiert der Dow-Jones-Index auf einem Allzeithoch. Dies hat Goldman Sachs dazu veranlasst, die erst vor wenigen Wochen veröffentlichten Ziele noch einmal deutlich anzuheben. Grund dafür ist neben der starken Performance der Aktienmärkte auch die amerikanische Notenbank, die aufgrund der rückläufigen Inflation, 2024 mit Zinssenkungen die Märkte wieder unterstützen könnte. Ähnlich sehen es auch andere Wall-Street-Finanzinstitute wie z. B. die Bank of America oder Oppenheimer Asset Management.
Spannend finde ich auch den „Erwartungs-Gap“ zwischen Investoren und Finanzexperten. Seit 1928 konnte der breite amerikanische S&P 500-Index einen Ertrag von 11,5 Prozent pro Jahr erwirtschaften. Wenn wir die aktuelle Erwartungshaltung heranziehen, sind deutliche Unterschiede zu beobachten. Während US-Finanzexperten einen Ertrag von sieben Prozent prognostizieren, sind Investoren deutlich optimistischer gestimmt. Mit einer Ertragserwartung von durchschnittlich 15,6 Prozent liegt man mehr als doppelt so hoch. Es würde mich mit Blickrichtung 2024 freuen, wenn die Wahrheit in der Mitte läge. Dann könnten wir in einem Jahr auf ein erfolgreiches Börsenjahr 2024 zurückblicken.
Kommen wir noch einmal zum Dow Jones Index, der für mich persönlich Börsengeschichte pur bedeutet. Erstmals wurde der von Charles Dow und Edward Jones entwickelte Index am 26. Mai 1896 publiziert. Der Index umfasst die größten 30 börsennotierten Unternehmen der USA und wurde ursprünglich mit dem Zweck entwickelt, die Leistung der amerikanischen Industrie widerzuspiegeln. Und das stellte sich als alles andere als einfach heraus. Die Gründerväter Charles und Edward stritten sich heftig darüber, welche Unternehmen im Index aufgenommen werden sollten, da die Frage der besten Repräsentanten der US-Wirtschaft nicht so einfach zu beantworten ist. Stellen Sie sich in einem Gedankenexperiment einmal vor, was die Börsianer anno 1896 zu dieser innovativen Idee einer Indexberechnung gesagt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn die Abneigung groß und die Kritik vernichtend war. Charles Dow verstarb bereits 51-jährig im Jahr 1902 und hat den Aufstieg seines Index nur in den ersten Zügen miterlebt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich heute ins Fäustchen lachen würde, wenn er seinen Namen noch 122 Jahre nach seinem Ableben auf den Kurslisten wiederfinden würde.
Auch Anleihen-Investoren können auf erfolgreiche Wochen zurückblicken. Die Renditen rund um den Globus sind wieder deutlich zurückgegangen. Das führt zu Kursgewinnen, aber auch zu einer rückläufigen Ertragserwartung für 2024. Zehnjährige US-Treasury-Bonds, die volumenmäßig mehr als ein Drittel der globalen Staatsanleihen repräsentieren, notieren wieder unter vier Prozent. Vor rund zwei Monaten lag die Rendite noch bei über fünf Prozent. Positiv ist aber, dass wir trotz der jüngsten Entwicklungen im Vergleich zu den letzten Jahren immer noch ansehnliche Zinsen haben.
Seit knapp vier Jahren schreibe ich nun Woche für Woche diese Kolumne. Nachdem das meine letzte Kolumne im heurigen Jahr ist, möchte ich auch die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, für Ihre Treue und die positiven Rückmeldungen zu bedanken. Von Herzen wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben frohe Weihnachten, ein paar entspannte Tage und alles Gute für 2024! Und natürlich auch ein glückliches Händchen bei den Investments :-)
Samstag, 16. Dezember: Über 500.000 riskante Haushalte und deren Zinsen
Obwohl dieser Tage der Regen den Schneefall abgelöst hat, ist es bitterkalt. Ähnlich dürfte es wohl dem einen oder anderen Kreditnehmer gehen. Die Rahmenbedingungen haben sich für all jene verschärft, deren Kredite variabel verzinst sind. So wie mir mein morgendlicher Espresso neue Energie einhaucht, versucht dieser Tage auch die Politik den leidgeprüften Kreditnehmern ein Präsent unter den Christbaum zu legen.
Die Grünen haben den Vorschlag unterbreitet, dass alle variabel verzinsten Wohnkredite rückwirkend in einen Fixzinskredit umgewandelt werden sollen. Konkret soll allen Kreditnehmern, die ab dem 21. März 2016 einen Immobilienkredit abgeschlossen haben, ein verpflichtendes Umwandlungsangebot auf den Tisch gelegt werden. Da werden die 500.000 betroffenen Haushalte in Österreich vermutlich einmal aufatmen. Aber durch ist die Sache noch lange nicht. Die Fronten sind verhärtet, schließlich beabsichtigt die Politik einen willkürlichen Eingriff in laufende Verträge.
All jene, die sich für einen variablen Kredit entschieden haben, sind ein bewusstes Risiko eingegangen. Die im Vergleich zu einem Fixzins-Kredit niedrigeren Zinszahlungen werden mit der Unsicherheit bezahlt, dass die Zinsen und damit auch die monatlichen Belastungen steigen können. Das ist jahrelang gut gegangen. Um das zu verdeutlichen, machen wir ein Gedankenexperiment.
Im Jänner 2022 betrug der Zinssatz für variable Verzinsung 0,90 Prozent bzw. jener für eine Fixzins-Variante 1,35 Prozent. Bei einer offenen Kreditsumme von 100.000 Euro macht das eine jährliche Zinszahlung von 900 Euro bzw. 1350 Euro. Die Zinsersparnis für einen variablen Kredit betrug demnach 450 Euro pro Jahr oder 37,50 Euro pro Monat. Und dies ist die „Prämie“ für die Unsicherheit. Ende Oktober 2023 ist der variable Zinssatz auf 4,59 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass bei einer Kreditsumme von 100.000 Euro die Zinsbelastung auf 4590 Euro gestiegen ist. Das ist eine Mehrbelastung von 3690 Euro pro Jahr oder etwas mehr als 300 Euro pro Monat. Unterstellen wir einmal, dass der Immobilienkredit erst vor kurzem aufgenommen wurde, ist die ausstehende Kreditsumme natürlich viel höher.
Bei 400.000 Euro beträgt die jährliche Zinsbelastung 18.360 Euro pro Jahr oder 1530 Euro pro Monat. Anfang 2022 mussten nur 3600 Euro pro Jahr oder 300 Euro pro Monat an Zinsen bezahlt werden. Die monatliche Belastung ist damit für einen „400.000-Euro-Kreditnehmer“ um 1230 Euro pro Monat angestiegen. Die Situation für die Betroffenen ist mit Sicherheit hart. Und es ist auch klar, dass die Entwicklungen der letzten eineinhalb Jahre niemand antizipieren konnte. Im Veranlagungsbereich ist es klar, dass ein höheres Ertragspotenzial mit Unsicherheit bezahlt werden muss. Und der gleiche Grundsatz gilt für den Finanzierungsbereich. Vor schwarzen Schwänen – also extrem unerwartete und für den Einzelnen „unangenehme“ Ereignisse – ist weder der Investor noch der Kreditnehmer gefeit.
Diese Woche waren die Notenbanker das letzte Mal 2023 aktiv. Sowohl Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, als auch Fed-Präsident Jerome Powell haben die Leitzinsen unverändert gelassen. Diese Woche ist auch der ZEW-Finanzmarkttest publiziert worden. Im Rahmen einer monatlichen Umfrage wird die Einschätzung von Finanzmarktexperten zu unterschiedlichen Themen abgefragt. Rund zwei Drittel der Experten gehen davon aus, dass die Inflationsrate in den nächsten Monaten sinken wird. Im Vergleich dazu rechnen nur 7,6 Prozent mit einer höheren Teuerungsrate. Wenn sich die Lage an der Inflationsfront entspannt, nimmt auch der Druck auf die Notenbanken ab. So gehen nur 2,6 Prozent der Befragten davon aus, dass die kurzfristigen Zinsen steigen werden. Nahezu die Hälfte der Befragten gehen sogar von sinkenden Zinsen aus.
Sollte das eintreten, wird die Zinsbelastung für variable Kredite wieder abnehmen. Spannend finde ich auch, dass die Lage für den Aktienmarkt trotz der aktuell schwachen Konjunktur sehr positiv eingeschätzt wird. Mehr als 40 Prozent der Befragten gehen von steigenden Kursen aus, wohingegen knapp über 20 Prozent mit Kursrückgängen rechnen. Die Lage auf der Konjunkturfront dürfte sich auch deutlich verbessern. Mehr als 85 Prozent der Befragten gehen von einer Verbesserung oder einer gleichbleibenden Entwicklung aus. An den Kapitalmärkten kehrt schön langsam die Weihnachtsruhe ein. Das Jahr 2023 scheint gelaufen. Jetzt heißt es durchschnaufen. Ab 1. Jänner werden die Uhren schließlich wieder auf Null gestellt.
Samstag, 9. Dezember: Schuldenkaiser und Rezessionssorgen
Diese Woche habe ich Premiere. Es hat mich erwischt. Ich bin krank und verzichte heute deswegen auf meinen obligatorischen Espresso. Ein Blick auf die Kurstaffel versetzt mich trotz der widrigen Umstände in ein Hochgefühl. Die Party an den Finanzmärkten scheint weiterzugehen. Das Jahr 2023 stand im Zeichen der Inflation. In der Eurozone hat sich die Teuerungsrate bereits wieder nahe dem EZB-Ziel von zwei Prozent angenähert. Im November liegt die Inflation für die Eurozone bei 2,4 Prozent. Haupttreiber dafür sind vor allem die im Vergleich zum Vorjahr gesunkenen Energiepreise. In Österreich liegt sie aktuell bei 5,4 Prozent und damit deutlich darüber. Einer der Gründe dafür ist, dass in Österreich die Gewichtung des Dienstleistungssektors überdurchschnittlich hoch ist. Und genau dieser Sektor ist sehr personalintensiv und daher von hohen Lohnabschlüssen betroffen. Die Finanzmärkte erwarten für 2024, dass die Inflationsraten weiter sinken werden. Sollte diese Erwartung auch wirklich eintreffen, sind wir auch am Ende des Zinsanhebungszyklus der Notenbanken angekommen.
2023 war bisher ein sehr gutes Aktienjahr. Die Investoren scheinen in den letzten Handelswochen in Feierlaune zu sein. Technologie-Aktien liegen nach wie vor voll im Trend. Spannend finde ich auch, dass Aktien von Schwellenländern dem Gesamtmarkt deutlich hinterherhinken. Auffallend ist, dass anscheinend bereits einige Investoren Kasse machen und ihre Tücher ins Trockene bringen. In den letzten Wochen wurde Geld aus den Aktienmärkten abgezogen und am Geldmarkt geparkt.
Der Risikoappetit scheint auch im Anleihen-Bereich zuzunehmen. Die Risikoaufschläge für schlechtere Schuldner sind 2023 deutlich zurückgegangen. Kommen wir noch zur Staatsverschuldung, die aktuell ein Niveau von 97 Billionen US-Dollar erreicht hat. Im Vergleich zu 2019 sind die Staatsschulden um 40 Prozent angestiegen. Der weltweit größte Schuldner ist die USA mit aktuell 33 Billionen US-Dollar. Das ist unglaublich viel und entspricht rund einem Drittel aller Staatsschulden. Dahinter folgt China mit 15 bzw. Japan mit 11 Billionen US-Dollar. In Summe zeichnen sich lediglich diese drei Länder für 60 Prozent der gesamten Staatsschulden verantwortlich. Japan ist darüber hinaus auch jenes Land, welches mit 255 Prozent Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt die mit Abstand höchste Schuldenquote aufweist. Zum Vergleich dazu liegt die Schuldenquote der USA bei 123 Prozent bzw. jene von Deutschland bei 65 Prozent. Vom Zinsanstieg am stärksten betroffen ist gegenwärtig Ägypten. Das Land am Nil und das Land der Pharaonen ist vom Zinsanstieg besonders stark betroffen und muss bereits 40 Prozent der Einnahmen für Zinsen ausgeben.
Die Finanzmärkte laufen häufig der wirtschaftlichen Entwicklung ein paar Monate voraus. Die Lage – allen voran in Europa – schaut nicht so rosig aus. In den USA wurde die angekündigte Rezession zwar „abgesagt“, aber von Hochkonjunktur kann auch hier keine Rede sein. Alles deutet darauf hin, dass die größte Volkswirtschaft der Welt 2024 ein moderates Einstellungs- und Lohnwachstum aufweisen wird. Und das wiederum wird Fed-Präsidenten Jerome Powell brennend interessieren. Die kommende Woche steht noch einmal im Zeichen der Notenbanken. Die großen drei – also die Fed, die EZB und die Bank of England – tagen zum letzten Mal in diesem Jahr und beraten sich über den geldpolitischen Kurs. Ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk würde ich mir aber nicht erwarten. Da würde ich schon eher auf den Aktienmarkt setzen.
Samstag, 2. Dezember: Die Lehren Charlie Mungers
Heute Morgen bin ich irgendwie traurig und mein Espresso mag mir auch nicht so richtig schmecken. Beim Durchscrollen der Nachrichten habe ich vom Tod Charlie Mungers, der im Jänner seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, erfahren. Charlie hat sich wie sein Freund und jahrzehntelanger Geschäftspartner Warren Buffett, mit dem er gemeinsam Berkshire Hathaway zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt aufgebaut hat, längst einen Legendenstatus erarbeitet.
Warum war Charlie Munger so außergewöhnlich? Charlie hatte schon immer ein ausgeprägtes Interesse an den Kapitalmärkten. Munger zeichnete sich seit Jahrzehnten durch einen schier nie enden wollenden Wissensdurst aus. Als Investor zeichnete ihn aus, dass er im Zuge der Entscheidungsfindung unterschiedliche Gebiete, wie z.B. Psychologie, Mathematik, Wirtschaft oder auch Physik, miteinander verbindet, um damit jedes Investment von unterschiedlichen Blickwinkeln aus betrachten zu können.
Munger hat auch frühzeitig erkannt, dass Investoren oftmals keineswegs rational handeln, sondern sich von ihren Emotionen leiten lassen. Berühmt waren die gemeinsamen Auftritte mit seinem Freund Warren Buffet, die sich durch fundiertes Wissen, Lebensweisheiten gepaart mit einer gehörigen Portion Humor auszeichneten und Jahr für Jahr viele Menschen nach Oklahoma führten.
Was können Investoren von Charlie lernen? Um an der Börse erfolgreich zu sein, braucht man einen langen Atem. Als Aktionär ist man den Launen des manisch-depressiven „Mr. Market“ ausgesetzt. Das Pendel schwankt zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt hin und her. Erfolgreich sind diejenigen, die die Launen über einen langen Zeitraum aushalten. Charlie Munger wollte Zeit seines Lebens Tag für Tag etwas Neues lernen und ist auch in diesem Punkt ein absolutes Vorbild. Über Jahrzehnte konnte er sich ein umfassendes Wissen aufbauen und einzelne Themenbereiche von unterschiedlichen Seiten aus betrachten.
Es gibt aktuell weltweit laut einer Analyse von Morningstar rund 700.000 Investmentmöglichkeiten. Für Anleger ist es von immenser Bedeutung, jedes Investment genau zu verstehen. Das betrifft die Bereiche Risiko, Ertragspotenzial und natürlich auch die Liquidität.
Blenden wir nach Österreich. Am Mittwoch hat die Signa Holding von René Benko Insolvenz angemeldet. Laut Angaben des Konzerns konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht aufgebracht werden. Begründet wird dieser Schritt mit dem in den letzten Jahren aufgrund externer Einflussfaktoren extrem unter Druck geratenem stationären Einzelhandel. Darüber hinaus haben sich auch die negativen Entwicklungen im Immobilienbereich auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt. Die steigenden Zinsen haben damit ein prominentes Opfer gefordert.
Kommen wir noch zu den Aktienmärkten. MSCI Unternehmen erwirtschaften nahezu 50 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Spannend finde ich, dass chinesische Unternehmen im Gegensatz dazu 89 Prozent der Umsätze im Heimatmarkt erwirtschaften, wohingegen Unternehmen aus anderen Schwellenländern sehr exportgetrieben sind und im Schnitt 66 Prozent der Umsätze im Ausland generieren. Der Grund mag daran liegen, dass chinesische Unternehmen den Fokus auf die lokalen Märkte legen. In China wächst die Mittelschicht und damit auch die Anzahl zahlungskräftiger Konsumenten.
Abschließend werfen wir noch einen Blick zu den Anleihenmärkten, die in den letzten Wochen die stärkste Aufwärtsbewegung seit der Lehman Pleite im Jahr 2008 erlebten. Unternehmensanleihen und Staatsanleihen sind laut Bloomberg im November um 5 Prozent angestiegen. Grund für die Anleihen-Rallye ist die Annahme, dass die amerikanische Notenbank, die EZB und andere große Notenbanken sich bereits am Ende des Zinsanhebungszyklus befinden. Nach den herben Verlusten in den letzten Jahren ist das wie Balsam auf den Wunden der betroffenen Investoren.
Samstag, 25. November: Die Börse und die Nationalmannschaft
Diese Woche musste ich mir verwundert die Augen reiben. Nein, keine Sorge, mir sind meine Espresso-Bohnen nicht versehentlich ausgegangen. Der Grund war auch nicht die Börse, sondern die österreichische Fußballnationalmannschaft, die Deutschland in einem Freundschaftsspiel klar in die Schranken gewiesen hat. Für den leidgeprüften österreichischen Fußballfan ist das auch aufgrund der Dominanz und des Spielverlaufs irgendwie eine verkehrte Welt. Erleben wir jetzt eine Zeitenwende oder war es doch „nur“ ein Sieg Davids gegen Goliath? Als Investor habe ich gelernt, mich über Gewinne zu freuen. Ich habe aber auch lernen müssen, dass Erfolge kein Grund zum Abheben sind. Überheblichkeit und Selbstüberschätzung sind absolut unangebracht und müssen im Regelfall teuer bezahlt werden. Das gilt sowohl für die Börse als auch unsere Nationalmannschaft.
An den Aktienmärkten dominiert nach wie vor der liebe Goliath. Die großen Technologieunternehmen geben den Ton an. Laut einer aktuellen Umfrage unter Fondsmanagern gehen viele davon aus, dass dieser Trend auch 2024 weitergehen wird. Aktuell sind mit Apple (drei Billionen US-Dollar), Microsoft (2,8 Billionen US-Dollar), Saudi Arabian Oil (2,1 Billionen US-Dollar), Alphabet (1,7 Billionen US-Dollar), Amazon (1,5 Billionen US-Dollar) und Nvidia (1,2 Billionen US-Dollar) sechs Unternehmen mit mehr als einer Billion US-Dollar bewertet. Fünf davon haben einen starken Technologiefokus. Der große Gewinner des Jahres ist Nvidia. Der Börsenwert betrug zu Jahresbeginn „nur“ 350 Milliarden US-Dollar und ist seither um mehr als 200 Prozent gestiegen. Im Vergleich dazu liegt Nestlé als wertvollstes Unternehmen der Schweiz mit einer Marktkapitalisierung von 300 Milliarden US-Dollar auf dem 28. Platz bzw. SAP mit 178 Milliarden US-Dollar als erster Vertreter Deutschlands auf Position 58. Um in die Top-100 einzuziehen, muss die Marktkapitalisierung 123 Milliarden übersteigen. Der österreichische Primus Erste Group wird an der Börse mit 17 Milliarden US-Dollar bewertet. Das bedeutet, der Börsenwert von Apple, dem teuersten Unternehmen der Welt, entspricht dem 176fachen Wert der Erste Group, dem 17fachen Wert von SAP und dem zehnfachen Wert von Nestlé.
Der November ist vielerorts trüb, regnerisch und neblig und sorgt zum Teil für eine depressive Stimmung. Für Aktionäre waren die letzten Wochen durchaus erfreulich. Der amerikanische S&P 500 hat im November mehr als acht Prozent zulegen können. Das entspricht ungefähr der langfristigen Ertragserwartung vieler Finanzmarktstrategen. Spannend finde ich auch, dass der November 2023 auch im historischen Kontext sehr gut abschneidet. In lediglich sechs Jahren seit 1928 konnten sich Investoren über eine bessere Monatsperformance in einem anderen Monat als November erfreuen. Ein paar Novembertage stehen ja noch vor der Tür und ich bin schon gespannt, ob die Euphorie weiterhin anhält. Das Jahresende ist historisch betrachtet kein schlechter Zeitpunkt, um in Aktien investiert zu sein. Ob das 2023 auch sein wird, kann ich trotz aller Bemühung aus meinem Kaffeesud nicht herauslesen.
Kommen wir noch zu den Anleihenmärkten. Zinsseitig haben wir in den letzten Monaten definitiv eine Zeitenwende erlebt. Im Gegensatz zu vergangenen Jahren gibt es wieder Zinsen! Gestiegene Kreditzinsen führen zu gestiegenen Finanzierungskosten. Und das wiederum betrifft sowohl Privatpersonen, Unternehmen aber letztendlich auch die Staaten. In Österreich hat der Kaufkraftverlust zu einer „milden“ Rezession geführt. Laut einer aktuellen Analyse der OeNB (Österreichische Nationalbank) ist die Kreditnachfrage deutlich eingebrochen. Nichtsdestotrotz haben Banken ihre Profitabilität weiter ausbauen und in Bezug auf die Kosteneffizienz weitere Fortschritte erzielen können. Im ersten Halbjahr 2023 konnte der Bankensektor einen Gewinn von 7,3 Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie im Vorjahresvergleichszeitraum ausweisen. Laut Einschätzung der OeNB steigt auch in diesem Umfeld die Nachfrage nach variabel verzinsten Krediten. Das wundert mich, da doch viele Kreditnehmer in den letzten Monaten gemerkt haben, dass Zinsrisiken das Haushaltsbudget doch schwer belasten können. Eine Planungssicherheit in Bezug auf die monatlichen Raten ist nur mit einer Fixzinsvereinbarung darstellbar. Aktionäre müssen im Gegensatz dazu mit einer stärkeren Unsicherheit leben und werden dafür mit einer höheren Ertragserwartung „bezahlt“.
Samstag, 18. November: Börsenjahr 2023? „Higher for Longer“
Seit mehr als 25 Jahren „lebe“ ich die Börse. Das Stimmungspendel schlägt ständig zwischen „Himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“ hin und her. Das bunte Treiben an den Kapitalmärkten ist auch mit den Stimmungsschwankungen eines pubertierenden Teenagers zu vergleichen. In der Ruhe liegt die Kraft. Glauben Sie mir das, lieber Leser. Der Zauber der frühen Morgenstunden gepaart mit einem wohlriechenden Espresso kann wahre Wunder bewirken.
Wie ist es eigentlich um die aktuelle Stimmungslage an den Börsen bestellt? In einer aktuellen Fondsmanager-Umfrage im November hat das Pendel klar in den positiven Bereich gedreht. Für 2024 prognostiziert die Mehrheit der Fondsmanager ein wirtschaftliches Soft-Landing für die USA, sinkende Zinsen und einen etwas schwächeren US-Dollar. Spannend finde ich auch, dass die Fondsmanager mehrheitlich von weiteren Kurssteigerungen bei großen Hightech-Aktien und Pharma-Aktien ausgehen.
Für 2024 sehen Fondsmanager die Geopolitik als das größte Risiko für die Finanzmärkte. Darüber hinaus zählen die Inflation und eine Rezession der Weltwirtschaft zu den größten Risikoherden. Die Top-Risiken werden in jeder der monatlich durchgeführten BofA Global Fund Manager Survey abgefragt. In der November-Umfrage wurde die Inflation als Top-Risiko von der Geopolitik abgelöst. Diese Woche wurde ich im Rahmen einer Veranstaltung gefragt, was für mich das Börsenwort des Jahres 2023 wäre. Die Entscheidung ist mir heuer leichtgefallen. Es sind zwar streng genommen drei Wörter, aber für mich repräsentiert die Phrase „Higher for Longer“ das Börsenjahr 2023. Es symbolisiert die Erwartung der Marktteilnehmer, dass die Zinsen über einen längeren Zeitraum hoch bleiben.
Um die davongaloppierende Inflation wieder einzufangen, haben die Notenbanken rund um den Globus die Zinsen in atemberaubender Geschwindigkeit angehoben. In den letzten Sitzungen haben sowohl Fed-Präsident Jerome Powell als auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde angedeutet, dass wir uns schon am Ende des Zinsanhebungszyklus befinden. Die Erleichterung war sowohl am Börsenparkett als auch bei dem einen oder anderen Kreditnehmer spürbar. Als Börsianer deshalb, weil weitere steigende Zinsen Finanzierungen teuer machen und damit dem Wirtschaftskreislauf Geld entzogen wird. Die bisherigen Zinserwartungen haben ohnehin schon eine ordentliche Bremsspur hinterlassen.
Im 3. Quartal ist die Wirtschaft der Eurozone heuer erstmals geschrumpft. In Österreich befinden wir uns schon in einer Rezession, da es bereits das zweite Quartal in Folge mit einem negativen Wirtschaftswachstum war. Hier ist die Divergenz zu der nach wie vor größten Volkswirtschaft USA unverkennbar. Zu Jahresbeginn war die Einschätzung noch etwas verhalten. Die Prognose von einer Wachstumsrate von knapp über Null konnte deutlich übertroffen werden. Und für Kreditnehmer bedeutet ein Ende des Zinserhöhungszyklus, dass künftige Finanzierungen oder aktuell variabel verzinste Kredite nicht noch teurer werden und damit die jeweiligen Budgets noch mehr belasten. Für 2024 wird bereits mit der einen oder anderen Zinssenkung gerechnet. Für die Investoren sind die Rahmenbedingungen trotz der abnehmenden Wirtschaftsdynamik gar nicht so schlecht.
Für US-Aktien wird für 2024 mit einem Gewinnwachstum von 10 Prozent gerechnet. Für weniger technologielastige europäische Unternehmen wird ein Gewinnwachstum von immerhin 5 Prozent prognostiziert. Und die Renditen und damit auch das Ertragspotenzial am Anleihenmarkt sind im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich gestiegen. Für europäische Staatsanleihen bekommt man im Schnitt mehr als 3 Prozent, für US-Staatsanleihen knappe 5 Prozent und für US-High-Yield-Anleihen sogar rund 9 Prozent. Zusammengefasst ist der Gesamtausblick auf 2024 eigentlich sehr positiv. Das Problem ist allerdings, dass es sich hier nur um Prognosen handelt. Im Laufe meines Lebens habe ich zwei wesentliche Dinge gelernt: Überschätze nie die Prognosefähigkeit eines Finanzexperten und unterschätze niemals den amerikanischen Konsumenten! Ich verspreche Ihnen aber, dass ich Ihnen nächstes Jahr genau erklären kann, warum die diesjährigen Prognosen nicht eingetroffen sind.
Samstag, 11. November: Jede Dekade hat an der Börse ihre Lieblinge
Während ich meinen Espresso trinke und meine Gedanken schweifen lasse, muss ich schmunzeln. Bekannterweise bin ich ein bekennender Koffeinliebhaber. Und zwar in heißer Form in kleinen Tassen. Wenn ich so darüber nachdenke, haben meine beiden Kids durchaus die eine oder andere Gemeinsamkeit mit der Investoren-Legende Warren Buffet. Meine Tochter, mein Sohn und der liebe Warren stehen auf Cola. Im Falle von Warren als trinkender Konsument und Großaktionär. Aktuell besitzt er 9,25 Prozent des Unternehmens und ist damit vor Vermögensverwaltern Vanguard (8,51 Prozent) und BlackRock (4,58 Prozent) der größte Anteilseigner. Das Unternehmen wurde 1919 gegründet und beschäftigt gegenwärtig 82.500 Mitarbeiter. Bei einem Umsatz von 45 Milliarden bleiben 10,77 Milliarden Gewinn übrig. Und davon fließt knapp eine Milliarde Dollar in die Taschen des lieben Warren Buffet.
Jede Dekade hat an der Börse ihre Lieblinge. In den 1950ern waren europäische Aktien hoch im Kurs. Die 1960er waren die Zeit der „Nifty-Fifty“. Darunter versteht man eine Gruppe von 50 großen Blue-Chip-Aktien, die durch stabile Gewinne, solide Wachstumsaussichten und hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) charakterisiert werden können. Und ja, Sie werden es vermutlich schon erahnen, auch Coca-Cola gehörte zu den heiß begehrten „Nifty-Fifty“-Aktien. In diesem selektiven Kreis fanden sich auch andere prominente Namen wie z.B. IBM, McDonald’s, Johnson & Johnson, General Electric, Xerox oder auch Kodak wieder. In den 1970ern verlagerte sich der Fokus der Investoren auf Schwellenländer und Rohstoffe. Der Ölpreis stieg von 3,35 auf 32,5 Dollar pro Barrel. Die 1980er Jahre standen im Zeichen Japans. 1989 hat die Börse in Tokio 41 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung für sich vereinnahmt. Die goldenen Jahre sind hier schon lange vorbei. Japanische Unternehmen werden gegenwärtig mit 6,13 Prozent im MSCI World gewichtet. Eine höhere Gewichtung weist nur die USA auf. Mit einer Gewichtung von 70,08 Prozent spielt Uncle Sam aber definitiv in einer anderen Liga. In den 1990ern war die Zeit der Technologieunternehmen. In der Blütephase der Tech-Blase habe ich meinen ersten Job im Finanzbereich angetreten. Die ersten Jahre waren bombastisch, die Folgejahre nach dem Platzen der Blase der blanke Horror. In den 2000ern war wieder die Zeit der Emerging Markets und Rohstoffe. BRICS – also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – waren das beliebte Ziel vieler Investoren. Durch die Globalisierung und die hohen Wachstumsraten in diesen Ländern wurden viele Marktakteure in eine Goldgräberstimmung versetzt. Und in den 2010er Jahren war definitiv die Zeit der amerikanischen „Mega-Caps“. Unternehmen wie Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google, die unter dem Synonym „FAANG“ zusammengefasst werden, erreichten bisher ungekannte und unerreichte Höhen. Welche Investment-Themen in den 2020ern im Fokus stehen werden wage ich noch nicht vorauszusagen. Eines hat die Historie aber immer wieder gezeigt. Themen kommen in den Fokus, verschwinden aber auch wieder in der Versenkung.
Kommen wir noch zu den Märkten. Das Jahr 2023 geht in die finale Phase. Die Stimmung an den Aktienmärkten hat sich wieder signifikant gebessert. Bei der Performance gibt es aber große Unterschiede zu beobachten. Während die Technologiebörse Nasdaq seit Jahresbeginn mehr als 30 Prozent zulegen konnte, liegt der Dow Jones Index sowie der österreichische ATX nur knapp über der Nulllinie. Chinesische Aktien liegen sogar im negativen Bereich. Auf der Anleihenseite sind die Renditen wieder etwas gesunken. Mit Anleihen – allen voran jene mit langen Laufzeiten – haben Investoren in den letzten Jahren viel Federn lassen müssen. Ich habe aber gelernt, dass die vergangene Performance kein guter Einstiegsindikator ist. Oftmals sind die Verlierer von heute die Gewinner von morgen! Vielleicht haben meine Kinder neben der Cola-Liebe auch ein ähnlich geschicktes Händchen beim Investieren wie der liebe Warren. Die Chance ist vermutlich gering, aber träumen wird man ja noch dürfen.
Samstag, 4. November: Weder billige, noch teure Börsenzeiten
Meine beiden Kinder haben diese Woche Herbstferien und schlafen sich vor der stressigen Schularbeitenzeit im November und Dezember heute noch einmal so richtig aus. Für mich ist das kein Grund, von meiner Morgenroutine abzuweichen. Als ich wie gewohnt meinen ersten Espresso zubereite, schweift mein Blick über den Küchentisch. Hier hat mein Sohn im Teenager-Alter sein „neues“ Handy liegen gelassen. Nach einigen Versuchen mit anderen Marken ist er erstmals Besitzer eines Apple-Smartphones. Das Unternehmen hat in den letzten Jahrzehnten eine unfassbare Entwicklung vollzogen und ist mit einer Marktkapitalisierung von $2,7 Billionen das wertvollste Unternehmen der Welt. Haben Sie sich eigentlich auch schon einmal gefragt, wie viel Apple überhaupt verdient? Der Gigant erwirtschaftet einen Reingewinn von $99,8 Milliarden und ist damit auch das profitabelste Fortune 500 Unternehmen.
Im Technologiesektor sind die Gewinnmargen im Vergleich zu anderen Sektoren hoch. Das profitabelste Energieunternehmen ist Exxon Mobile mit einem Gewinn von $55,7 Milliarden. JPMorgan Chase ist mit $37,7 Milliarden der Primus im Finanzsektor und Pfizer mit $31,3 Milliarden im Pharmasektor. Meine Kinder stehen wahrscheinlich, wie viele Teenager, auf Coca-Cola (Gewinn $9,5 Mrd.), McDonald’s ($6,2 Mrd.), Nike ($6 Mrd.) und Netflix ($4,5 Mrd.). Spannenderweise sind das alles Unternehmen, die in ihrem Sektor die größten Gewinne erwirtschaften. Unweigerlich drängt sich mir die Frage auf, ob ich mich bei der Aktienauswahl auf die Vorlieben meiner Kinder fokussieren sollte.
Neues gibt es auch von der Inflationsfront zu vermelden. Die Inflation ist laut einer Schnellschätzung der europäischen Statistikbehörde Eurostat für den Euroraum im Oktober auf 2,9% gesunken. Im Vormonat lag die Inflationsrate noch bei 4,3%. Bei den einzelnen Produktgruppen sind aber deutliche Unterschiede zu verzeichnen. Während die Energiepreise im Vergleich zum Oktober 2022 um 11,1% gesunken sind, sind die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak auf Jahresbasis um 7,5% gestiegen.
Mit Belgien (-1,7%) und den Niederlanden (-1,0%) weisen bereits zwei Euroländer eine Deflation auf. In Österreich liegt die Inflation mit 4,9% deutlich über jener Deutschlands mit 3%. Auch wenn wir uns noch über dem EZB-Ziel von 2% bewegen, hat sich in den letzten Monaten die Lage doch deutlich entspannt. Finanzmarktteilnehmer sowie auch der IMF gehen laut jüngsten Prognosen von einer weiteren Entspannung aus. Mal schauen, ob EZB-Präsidentin Christine Lagarde oder der Fed-Präsident Jerome Powell, die in ihren letzten Zinssitzungen einmal eine Pause eingelegt haben, das auch so interpretieren werden.
Im Oktober konnten die Aktienmärkte wahrlich kein Kursfeuerwerk zünden. Fest steht aber, dass sich die Abwärtsdynamik deutlich abgeschwächt hat. Fundamental betrachtet sind wir gegenwärtig weder billig noch teuer bewertet. Nachdem heuer die Gewinne nur geringfügig gewachsen sind, zeichnen Marktteilnehmer wieder ein deutlich optimistischeres Zukunftsbild. Für 2024 wird aktuell mit einem Gewinnwachstum von 10% gerechnet. Das geschätzte KGV für den Weltaktienmarkt liegt gegenwärtig knapp unter dem langfristigen Durchschnittswert.
Wenig überraschend sind US-Aktien höher bewertet als europäische Unternehmen oder Aktien aus Schwellenländern. Anleiheninvestoren haben wahrlich schwierige Jahre hinter sich. US-Staatsanleihen haben real – also unter Berücksichtigung der Inflation - mehr als 30% an Wert eingebüßt. Zum Vergleich haben die temporären Verluste in den letzten 40 Jahren nie die 10%-Grenze überschritten. Besonders große Kursverluste mussten langlaufende Anleihen hinnehmen. US-Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als 20 Jahren verloren seit Jänner 2022 mehr als 40%, europäische Anleihen mit einer Restlaufzeit von mehr als 25 Jahren sogar mehr als 50%. Der Verlust in dieser „sicheren“ Asset-Klasse hat damit das Niveau eines Aktien-Crashs erreicht. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass damit die Renditen bzw. die Ertragspotenziale für Anleiheninvestoren deutlich gestiegen sind. Für Neu-Investoren mag das durchaus attraktiv erscheinen, für Alt-Investoren ist das vermutlich nur ein schwacher Trost!
Samstag, 28. Oktober: König Fußball und die größte Börse der Welt
Heute Morgen will und will mir mein Espresso nicht so richtig schmecken. Der Grund meiner miesen Laune ist, dass eine meiner Websites durch einen Hackerangriff zerstört wurde. Es handelt sich zwar nicht um sensible Daten und ich wurde auch nicht Opfer eines Erpressungsversuches, aber ärgerlich ist es allemal. Schließlich ist alles wieder neu aufzubauen und aufzusetzen und das kostet Zeit und Geld. Damit bin ich aber definitiv nicht alleine auf der Welt.
Die Cyberkriminalität ist ein durchaus präsentes Thema. Für 2023 wird der daraus resultierende Schaden auf 11,5 Billionen US-Dollar geschätzt. Damit hat sich das Ausmaß allein in den letzten drei Jahren mehr als verdreifacht. Und die Tendenz ist weiter steigend. Bis zum Jahr 2027 wird mit einer weiteren Verdoppelung auf unglaubliche 23,82 Billionen US-Dollar gerechnet. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass Cyberkriminalität in vielen Unternehmen eines der Hauptrisiken darstellt.
Der UBS Global Wealth Report analysiert das Vermögen von Privatpersonen. Laut dieser Analyse besitzt der Erdenbürger durchschnittlich 84.718 US-Dollar . Wenig überraschend ist die Schweiz mit einem durchschnittlichen Vermögen von 685.200 US-Dollar das reichste Land der Welt. Auf dem Podium finden sich noch die USA und Australien. Das Ergebnis wird aber von Superreichen deutlich nach oben gezogen. Wenn man im Vergleich dazu den Median-Wert als Messgröße heranzieht, ergibt sich ein stark verändertes Bild. In der Schweiz liegt der Median bei 167.400 US-Dollar . Und das ist genau die Grenze an Vermögen, die die ärmere und die reichere Hälfte der Schweizer unterteilt. In Österreich beträgt im Vergleich dazu das durchschnittliche Vermögen 245.200 US-Dollar bzw. der Median-Wert 68.500 US-Dollar, in Deutschland 256.200 US-Dollar bzw. 66.700 US-Dollar. In den Top-10 der reichsten Länder der Welt finden sich neben der Schweiz, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Belgien noch fünf weitere Europäer.
Kommen wir noch zu den Aktienmärkten. Wir befinden uns zwar erst am Beginn der Berichtssaison, aber der Start kann sich schon einmal sehen lassen. Die Marktkapitalisierung aller an den Weltbörsen gelisteten Unternehmen ist nach den Kursverlusten im Vorjahr wieder über die 100-Billionen-Dollar-Grenze geklettert. Ein Investment in Aktien hat sich in den letzten Jahren durchaus bezahlt gemacht. Der Börsenwert der gelisteten Unternehmen hat sich von 69 auf aktuell 110 Billionen US-Dollar erhöht. Die größte Börse der Welt ist die New-York-Stock-Exchange (NYSE), dessen Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 25 Billionen US-Dollar gehandelt werden. Dahinter folgt bereit die Nasdaq mit einer Marktkapitalisierung von 21,7 Billion Dollar und bereits mit deutlichem Respektabstand die Euronext mit 7,2 Billionen US-Dollar. Die Top-5 Börsen repräsentieren 60 Prozent des Börsenwerts aller gelisteten Unternehmen. Von der regionalen Aufteilung her vereinnahmen US-Börsen mit 47 Prozent den größten Teil für sich. Dahinter folgen die Regionen Asien/Pazifik mit 29 Prozent bzw. Europa/Mittlerer Osten/Afrika mit 24 Prozent.
Auf dem Anleihenmarkt heißt es nach wie vor Wunden lecken. Spannend wird die weitere Ausrichtung der Notenbanken. Wird die Zinserhöhungsstrategie weitergeführt oder kommt es doch bald wieder zu einer Trendumkehr. Apropos Trendumkehr. In den letzten Wochen hat auch der Bitcoin-Kurs ein kleines Revival erlebt und diese Woche den höchsten Kurs seit mehr als eineinhalb Jahren erklommen. Ich bin schon sehr gespannt, ob dieser Trend in der nächsten Zeit fortgesetzt werden kann.
Diese Woche findet in der Wiener Stadthalle ein großes Tennisturnier statt. Das erfreut den heimischen Tennis-Fan. Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wie viel in einzelnen Sportarten überhaupt umgesetzt wird? Mit Tennis wird jährlich ein Umsatz von 700 Millionen Dollar verdient. Das klingt viel, aber der Umsatz ist nur halb so hoch wie in der Formel 1 oder nur 10 Prozent oder Einnahmen des Basketballsports. Absoluter Branchenprimus ist aber König Fußball mit einem geschätzten Jahresumsatz von 50 Milliarden Dollar. Für mich stellt sich blöderweise nicht die Frage, ob ich meine durch den Hackerangriff erlittenen Verluste durch ein entspanntes „Sonntagskickerl“ ausgleichen kann.
Samstag, 21. Oktober: Warum Birkenstock kein Schnäppchen ist
Als ich heute morgen schlaftrunken im Dunklen zu meiner Kaffeemaschine schlurfte, bin ich über die Birkenstock meiner Kinder gestolpert. Diese Hausschuhe waren schon zu meiner Schulzeit vor mehreren Jahrzehnten interessant. Das seit der Vorwoche börsennotierte deutsche Unternehmen wurde bereits 1774 gegründet und feiert demnach im kommenden Jahr sein 250-jähriges Jubiläum. Die Dynastie begann einst mit Schuhmachermeister Johann Adam Birkenstock im kleinen hessischen Ort Langen-Bergheim. Carl Birkenstock, ein Nachfahre Johanns führte 1945 die flexiblen Korkeinlagen ein und produzierte damit die ersten Birkenstocksandalen. Im Jahr 2021 wurde das Familienunternehmen von der amerikanisch-französischen Beteiligungsgesellschaft L Catterton, hinter der u.a. der Bernard Arnault und sein französischer Luxusgüterkonzern LVMH steht, gekauft. Und genau diese Beteiligungsgesellschaft hat sich 2023 dazu entschlossen, Birkenstock an die Börse zu bringen.
Der offizielle Börsengang erfolgte am 11. Oktober 2023. Und mittlerweile scheint klar, dass dieser, trotz aller Bemühungen der beteiligten Parteien, nicht zwingend als Erfolg bewertet werden kann. Der Ausrufepreis der Birkenstock-Aktien für den Börsengang wurde in der Bandbreite zwischen $44 und $49 festgezurrt, was einer Marktkapitalisierung von bis zu $10 Milliarden gleichkommen würde. Gerade seit Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 konnte Birkenstock die Umsätze um mehr als 70 Prozent auf $1,2 Milliarden steigern. Nachdem wir jetzt viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen, liegt es wohl nahe, auch das zur Verfügung stehende Hausschuh-Sortiment ordentlich aufzumotzen. Die Birkenstockaktie notiert seit 11. Oktober an der New York Stock Exchange (NYSE). Der Ausgabepreis wurde mit $46 festgelegt. Entgegen den Erwartungen verlor die Aktie bereits am ersten Börsentag 13 Prozent. Die mehr als 4.000 Mitarbeiter erwirtschafteten einen Nettogewinn von $161 Millionen.
An der Börse wird das Unternehmen mittlerweile mit rund $7 Milliarden bewertet. Das bedeutet, dass ein Aktionär gegenwärtig $42 auf den Tisch legen muss, um als Gegenwert einen Anteil von $1 Gewinn zu bekommen. Ein Kurs-Gewinnverhältnis (KGV) von 42 kann nach herkömmlichen Bewertungsmethoden definitiv nicht als Schnäppchen bezeichnet werden. Der LVHM-Konzern von Bernard Arnault ist mit einer Marktkapitalisierung von $379 Milliarden hinter Novo Nordisk ($408 Mrd.) und vor Nestle ($320 Mrd.) der wertvollste europäische Konzern. ASML mit $234 Mrd. und L’Oréal mit $223 Mrd. runden die Top-5 ab. Zum Vergleich dazu beträgt die Marktkapitalisierung der ATX-Unternehmen rund 50 Milliarden Euro. In Summe beträgt der Börsenwert der Top-5-Unternehmen in Europa damit $1,55 Milliarden. Und das reicht nicht einmal aus, um es in die Top-3 der wertvollsten US-Unternehmen zu schaffen.
Das wertvollste Unternehmen ist Apple mit $2,7 Billionen. Dahinter runden Microsoft mit $2,4 Billionen und Alphabet mit $1,7 Billionen die Top-3 ab. Mit Amazon ($1,3 Bio.) und Nvidia ($1,1 Bio.) sind noch zwei weitere US-Unternehmen mit mehr als einer Billion bewertet. Der Börsenwert Apples beträgt demnach mehr als das Sechsfache von Novo Nordisk, dem wertvollsten europäischen Unternehmen.
Das verdeutlicht relativ schön die Dominanz der US-Unternehmen. US-Unternehmen stehen für 42,5% der weltweiten Marktkapitalisierung. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil Europas 11,1% bzw. jener Chinas 10,6%. In den nächsten Jahrzehnten ist davon auszugehen, dass der Anteil der Schwellenländer deutlich ansteigen und jener der USA und Europas zunehmend an Bedeutung verlieren wird. Bereits in wenigen Jahren dürften chinesische Unternehmen in Bezug auf den Börsenwert ihre europäischen Pendants überholen. Der weltweite Aktienmarkt hat von der Bewertung her wieder die 100-Billionen-Dollar Grenze überschritten. Alle börsennotierten Unternehmen der Welt werden mit einer Marktkapitalisierung von $109 Billionen bewertet.
Apple alleine vereinnahmt demnach rund 2,5% des Börsenwertes aller an den Weltbörsen notierten Unternehmen. Die fünf wertvollsten Unternehmen der USA repräsentieren unglaubliche 8,5% der globalen Marktkapitalisierung.
Kommen wir noch zum Zinsmarkt. 10-jährige US-Staatsanleihen kratzen an der 5%-Grenze, jene in Deutschland an der 3%-Schwelle. Dieser Zinsanstieg macht zum einen Finanzierungen für Private, Unternehmen aber auch den Staat teurer. Darüber hinaus mussten Anleiheninvestoren Verluste mit historischem Ausmaß einstecken. Ultralange US-Staatsanleihen haben seit 2020 mehr als 60% an Wert eingebüßt. „Konservative“ Anleger, die ihr Geld in langlaufende US-Staatsanleihen investiert haben, haben damit gleich viel verloren wie Aktieninvestoren in der großen Finanzkrise rund um die Lehman-Pleite vor rund 15 Jahren. Da zieht es selbst dem hartgesottensten Investor vermutlich die Patschen oder Birkenstock aus!
Samstag, 14. Oktober: Gigantische Gehaltsschecks
Als ich heute in den frühen Morgenstunden meinen Espresso trinke, muss ich unweigerlich schmunzeln, als ich an die Diskussion mit einem Teenager zum Finanzmarkt denke. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, eines Tages Vorstandsvorsitzender eines S&P 500 Unternehmens werden zu wollen, weil diese angeblich ganz gut verdienen. Um schon ein Gefühl dafür zu bekommen, wie hoch sein Gehaltsscheck in der Zukunft ausfallen könnte, wollte er von mir wissen, wie viel die bestbezahlten Vorstände denn nun wirklich verdienen.
Ich muss gestehen, diese Frage konnte ich nicht aus dem Stegreif beantworten. Aber zum Glück gibt es ja das Internet und Google. Und spannenderweise führt der Google (Alphabet)-CEO das Ranking 2022 mit 226 Millionen Dollar an. Darüber hinaus hat noch Michael Rapino (Live Nation Entertainment) im Vorjahr die 100-Millionen-Dollar-Grenze überschritten bzw. mit Tim Cook (Apple) der dritte am Podium mit 99 Millionen Dollar zumindest einmal an dieser magischen Schwelle gekratzt. Auf Platz 20 liegt Larry Fink von BlackRock mit einer Vergütung von 33 Millionen Dollar. Der am besten bezahlte Finanz-CEO ist aber Stephen Squeri von American Express mit 48 Millionen Dollar.
Am Zinsmarkt hat sich in den letzten ein bis zwei Jahren einiges getan. Um das Ausmaß zu beschreiben, empfiehlt es sich, die aktuellen Renditen mit jenen aus dem Jahr 2021 zu vergleichen. Nehmen wir zum Beispiel einmal das 3-Monatsgeld in den USA. Zum Jahresultimo 2021 lag der Zinssatz bei 0,06 Prozent, nicht einmal zwei Jahre später liegen die Zinsen bei 5,5 Prozent. Die Rendite für Unternehmensanleihen mit guter Bonität haben sich seit damals nahezu verdreifacht, jene aus dem High-Yield-Segment, also Anleihen mit einem schlechten Rating, mehr als verdoppelt. In diesem Umfeld sind auch die Finanzierungskosten dies- und jenseits des Atlantiks deutlich gestiegen. Die Zinsen für Immobilienkredite in den USA sind mittlerweile über die 8-Prozent-Schwelle geklettert und sind damit auf dem höchsten Stand seit 23 Jahren. In diesem Umfeld ist es nicht verwunderlich, dass auch der globale Immobilienmarkt ins Stottern gerät.
In China sorgen die Probleme des Bauträgers Country Garden für hohe Wellen. Das Unternehmen mit rund 70.000 Mitarbeitern gehört zu den größten Bauträgern Chinas und konnte diese Woche zum wiederholten Male ausstehende Zinszahlungen nicht begleichen. Country Garden ist hoch verschuldet und hat mittlerweile Außenstände in der Höhe von 180 Milliarden Euro angehäuft. Nach Evergrande ist damit ein weiterer großer Bauträger Chinas in die Schieflage geraten. Der Immobilienmarkt in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist in eine Krise geschlittert. Die Nachfrage ist trotz versuchter Interventionen seitens der Regierung deutlich zurückgegangen. Country Garden teilte mit, dass die Zahlungsschwierigkeiten vor allem damit zu begründen sind, dass die Wohnungsverkäufe für die ersten drei Quartale 2023 um 43,9 Prozent unter dem Vorjahreswert liegen. Im September hat sich die Lage nochmals deutlich verschärft. Im letzten Monat sind die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 80 Prozent eingebrochen. In Zeiten hoher Finanzierungskosten drückt der Schuldenberg gewaltig.
Auch wenn ich hoffe, mit meiner Einschätzung falsch zu liegen, würde es mich nicht verwundern, wenn der eine oder andere Gigant von der Bildfläche verschwinden wird. Hohe Zinsen verringern die Investitionsfreudigkeit von Unternehmen aber auch von Privatpersonen. Und das wiederum sorgt dafür, dass der Konjunkturmotor gehörig ins Stottern gerät.
Die Sorgenfalten auf den Gesichtern vieler Börsianer zeichnen bereits tiefe Furchen und die Stimmungslage ist sehr angespannt. Der US-Economic Optimism Index erreichte Anfang Oktober ein neues Rekordtief und liegt damit unter dem Niveau der Lehman-Pleite oder der Eurokrise.
2023 scheint auch nicht das Jahr zu sein, in dem viele Börsengänge anstehen. Der IPO des Jahres war der Chip-Designer Arm, welcher mit knapp fünf Milliarden Dollar an die Börse gebracht worden ist. Damit liegt man auf dem 17. Platz der größten Börsengänge in den USA. Das ist auch weniger als Infineon, welches vor vielen Jahren mit 5,23 Milliarden Dollar Börsenwert gestartet ist. Das Ranking führt Alibaba (21,7 Milliarden Dollar) vor Visa (17,9 Milliarden Dollar) und Enel (16,5 Milliarden Dollar) an.
Kommen wir abschließend zu den Währungen. Die Dominanz des US-Dollars ist auch mehr als 20 Jahre nach der Einführung des Euros evident. Der Greenback ist an 88,4 Prozent aller FX-Transaktionen weltweit beteiligt. Darüber hinaus wird der Dollar nach wie vor von Vielen als sicherer Hafen angesehen. 59 Prozent aller Währungsreserven auf der Welt werden schließlich in US-Dollar gehalten. Der Teenager, der 2050 ein Millionengehalt als CEO eines S&P 500 Unternehmens beziehen wird, kann sich damit entspannt zurücklehnen. Das Geld ist schon einmal in der „richtigen“ Währung.
Samstag, 7. Oktober: Eine harte oder eine weiche Landung?
Im Oktober geht es an den Börsen noch einmal so richtig rund. Die Unternehmen steigen in den Ring, um den Investoren ihre Quartalsergebnisse vorzulegen. Unweigerlich muss ich an Italien denken. Zum einen natürlich, weil ich meine Kaffeebohnen aus dem Espresso-Mutterland beziehe. Und zum anderen muss ich unweigerlich an den italo-amerikanischen Boxer Rocky Balboa denken. Ob es den CEOs kurz vor der Präsentation der Ergebnisse wohl ähnlich gehen mag wie dem Helden meiner Kindheit vor einem wichtigen Kampf?
Die Rahmenbedingungen sind schwierig und die Erwartungshaltung niedrig. Auch wenn die USA noch in keiner Rezession ist, eine Gewinnrezession haben wir jedenfalls erlebt. Die Unternehmensgewinne sind schließlich schon seit einigen Quartalen rückläufig. Nachdem die Erwartungen des Marktes eher schwach sind, würde es mich nicht wundern, wenn wir in den nächsten Wochen die eine oder andere positive Überraschung erleben. Und eines ist auch klar. Trotz der Kursrückgänge in den letzten Wochen liegt der breite amerikanische Markt (S&P 500) immer noch deutlich im Plus. Klar scheint, dass sich das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamt hat. Die Märkte rätseln nun, ob wir eine harte oder eine weiche Landung erleben werden.
Eine harte Landung – also ein drastischer und oftmals auch abrupter Einbruch – bringt in der Regel sinkende Unternehmensgewinne, Arbeitsplatzverluste und eine wirtschaftliche Abwärtsspirale. Im Gegensatz dazu erleben wir bei einer weichen Landung eine sanftere und kontrollierte Wirtschaftsverlangsamung. Die ergriffenen Maßnahmen greifen und es wird darauf abgezielt, die negativen Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmensgewinne zu minimieren. Die Zukunft kann natürlich niemand vorhersehen.
An den Anleihenmärkten dient die Zinskurve als guter Prognostiker. Bei einer inversen Zinskurve bekommen Anleger für eine kurzfristige Bindungsdauer mehr Rendite als bei einer längerfristigen. Aktuell liegt der 10jährige Zins unter dem 2jährigen oder auch dem 3-Monats-Geld. Die letzten beiden Rezessionen wurden durch eine inverse Zinskurve 2007 bzw. 2001 angekündigt. In der Historie trat eine inverse Zinskurve rund ein bis zwei Jahre vor Beginn einer Rezession auf. Warum ist eine inverse Zinskurve ein gutes Frühwarnsystem? In einem normalen Marktumfeld liegen die langfristigen Zinssätze über den kurzfristigen. Das ist verständlich, da vermutlich jeder Investor dafür belohnt werden will, wenn er einem Schuldner längerfristig Geld leiht. Im Falle einer inversen Zinskurve sehen Investoren einen wirtschaftlichen Abschwung. Infolgedessen wird erwartet, dass die Notenbanken die Zinssätze senken, um damit die wirtschaftliche Abschwächung zu bekämpfen. Unter diesem Blickwinkel erscheinen die langfristigen Renditen gar nicht mehr so unattraktiv, selbst wenn sie unter den kurzfristigen Renditen liegen.
Was sagt aber der Aktienmarkt? Die Bewertungen liegen immer noch über den historischen Durchschnittswerten. Insofern sind Investoren nach wie vor bereit, mehr für Aktien zu bezahlen. Und das wiederum deutet auf ein Soft-Landing-Szenario hin. In einer Einschätzung sind sich Marktteilnehmer aber einig: Der Inflationsdruck hat zwar spürbar nachgelassen, von einer „Normalisierung“ ist aber nicht auszugehen. Wie heißt es so schön: Higher for longer! Und das trifft wohl auch auf die Zinsen zu.
Von einer Box-Legende wie Rocky Balboa erwartet man, sich ohne Angst auch großen Herausforderungen zu stellen. Das kann man von Investoren wahrlich nicht behaupten. Am glitschigen Börsenparkett schwankt das Pendel ständig zwischen Angst und Gier hin und her. Der Fear & Greed Index misst anhand von sieben Einzelindikatoren die Marktstimmung. Aktuell regiert „extreme Angst“. Angst und Gier sind meiner Erfahrung nach schlechte Ratgeber. Langfristig erfolgreich sind jene, die über einen längeren Zeitraum ihrer Strategie treu bleiben und das kurzfristige Geschrei des Marktes ausblenden. In einem Fall hätte ich aber zweifelsohne Angst: Wenn ich mit meinem Nadelstreifanzug zu Rocky in den Ring steigen müsste!
Samstag, 30. September: Energieschub für die Börsen?
In den letzten Septembertagen war die Stimmung an manchen Tagen ziemlich getrübt. Das ist nichts ungewöhnliches, schließlich ist der September ein historisch betrachtet schlechter Börsenmonat. Ein Ereignis wie 2001 mit 9/11 oder 2008 mit der Lehman-Pleite ist uns immerhin erspart geblieben. Bevor mich diese düsteren Gedanken in ein Stimmungstief ziehen, bin ich froh, dass mir der frischgebraute Espresso neue Lebensenergie einhaucht.
Vielleicht verleiht der Quartalswechsel den Aktienmärkten einen neuen Energieschub? Hier lohnt sich ein Blick auf die historische Saisonalität. Im 4. Quartal konnten die großen Aktienindizes in den letzten Jahrzehnten deutlich bessere Ergebnisse erzielen als in den anderen Quartalen. Warum wir in den letzten Wochen und Monaten eines Jahres häufig eine Jahresendrallye erleben, kann ich nicht beantworten. Zinsseitig geht es weiter nach oben. In den USA sind die Renditen für zweijährige Staatsanleihen auf den höchsten Stand seit 2006 gestiegen, jene der fünf- und zehnjährigen auf den höchsten Stand seit 2007 und jene der 30-jährigen Anleihen auf den höchsten Stand seit 2011. Der 30-jährige Zinssatz ist von 0,8 Prozent im März 2020 auf aktuell 4,7 Prozent gestiegen. Für Investoren bedeuten steigende Zinsen Schmerzen. Ganz besonders, wenn die Schuldner ihre Schuld erst in Jahren oder Jahrzehnten begleichen müssen. Der US-Staatsanleihen-ETF mit der längsten Zinsbindung hat seit März 2020 mehr als 60 Prozent an Wert eingebüßt. Spannend finde ich auch die Positionierungsunterschiede einzelner Investorengruppen im Bereich der Staatsanleihen. Während die Hedge-Fonds nach wie vor hohe Short-Positionen halten und damit auf weiter steigende Zinsen setzen, haben klassische Asset-Manager ihre Long-Positionen auf ein Rekordniveau ausgebaut und sich damit genau gegenteilig positioniert. Wer wird das Match nun gewinnen? Ich weiß es nicht! Aber eines ist klar. Der Markt hat am Ende des Tages immer recht und es wird unabhängig der weiteren Entwicklung einen Gewinner und einen Verlierer geben.
Ein Verlierer war in den letzten Monaten auch die amerikanische Notenbank, die selbst ein Wertpapierportfolio im Ausmaß von 7,5 Billionen Dollar aufgebaut hat. Die Verluste haben mittlerweile die 100-Milliarden-US-Dollar-Grenze überschritten und dazu geführt, dass die Fed erstmals seit 13 Jahren Mitarbeiter abbaut. Steigende Zinsen werden sich auch langfristig auf die Staatsfinanzen der USA auswirken. Schließlich laufen heuer noch Staatsanleihen in der Höhe von fünf Billionen Dollar aus. Und diese müssen refinanziert werden. In Anbetracht der deutlich höheren Zinsen aber auch zu einem deutlich höheren Niveau. Vielleicht sollte sich US-Finanzministerin einmal bei ihren Bürgern erkundigen. Der 30-Jahres-Fixzins für Immobilienkredite ist über sieben Prozent gestiegen und hat damit das höchste Niveau seit mehr als 30 Jahren erreicht. Zum Vergleich dazu lag die Rate Anfang 2022 noch bei drei Prozent.
Auch für all jene, die in den letzten Jahren ihre Kreditkarten Schulden in die Höhe geschraubt haben, leiden unter dem Zinsanstieg. Laut der amerikanischen Notenbank liegt der durchschnittliche Zinssatz für Kreditkartenschulden gegenwärtig bei unglaublichen 21 Prozent. Konsumschulden sind generell teuer. Selbst in der absoluten Niedrigzinsphase lag der durchschnittliche Zins bei weit über zehn Prozent.
Kommen wir noch zu einem erfreulichen Thema. Laut Forbes haben es 70 Prozent der Milliardäre aus eigener Kraft geschafft. Darüber hinaus entstammen 157 der Top-400 Liste aus dem Mittelstand. Insofern besteht Hoffnung, meinen Sie nicht auch? Auch wenn der Weg für mich persönlich noch sehr, sehr weit ist, möchte ich dennoch festhalten, dass 14 Prozent dieser selektiven Liste dem Finanz- und Investmentbereich zuzuordnen sind. Dieser Sektor ist damit überraschenderweise am häufigsten vertreten und kann sogar den Technologiebereich übertreffen. Das ist sehr interessant, da in den Top-10, abgesehen von Bernard Arnault (LVMH) und dem Investor Warren Buffet, nur Vertreter aus der Tech-Branche anzutreffen sind. Abgesehen von Bernard Arnault sind zudem alles Self-Made-Milliardäre, die es zum Teil bereits in ihren Zwanzigern zur ersten Million gebracht haben. Dazu gehören klingende Namen wie Microsofts Bill Gates, Googles Larry Page und Sergey Brin oder auch Facebooks Mark Zuckerberg. Den längsten Atem hat Larry Ellison bewiesen, der sich zu seinem 40er nach neunjähriger Aufbauarbeit erstmals Millionär nennen durfte.
Ob ich meinen Kindern nun eine kaufmännische oder doch lieber eine technische Ausbildung empfehlen sollte, kann ich aber leider im Kaffeesud meiner Espressotasse nicht klar und deutlich erkennen.
Samstag, 23. September: Von Hollywood ins Autowerk
Die Leitzinsen in den USA sind auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren. Beim Verfassen dieser Zeilen trinke ich gerade meinen Espresso und muss unweigerlich schmunzeln. Vermutlich habe ich das auch vor 20 Jahren gemacht. Damals waren die Aktienmärkte nach einem mehr als dreijährigen Bärenmarkt am Boden. Und genau in dieser Phase braucht jeder Fondsmanager einen Energieschub.
Aber kommen wir zurück zur amerikanischen Notenbank, die diese Woche tagte. Fed-Präsident Jerome Powell hat wie erwartet nicht an der Leitzinsschraube gedreht. Ob nach mittlerweile elf Zinserhöhungen in den letzten eineinhalb Jahren auch noch eine zwölfte bevorsteht, steht noch in den Sternen. Die Notenbanker befinden sich im Wartemodus und wollen erst einmal „überzeugende Beweise“ sehen, dass das Zinsniveau hoch genug ist, um die Inflationsrate wieder auf das gewünschte Niveau zu bringen. Inflationstreiber sind hier auch die Löhne. Laut einer Analyse der Federal Reserve Bank in Atlanta sind die durchschnittlichen Löhne im August um sechs Prozent gestiegen.
In der Automobilbranche und in Hollywood wird gestreikt. Die „Auto Worker“ fordern mit freundlicher Unterstützung von US-Präsident Joe Biden sogar Lohnerhöhungen im Ausmaß von 36 Prozent in den nächsten vier Jahren. Die ehemalige Fed-Präsidentin und jetzige Finanzministerin Janett Yellen meldete sich auch zu Wort und erwartet eine „weiche“ Landung der US-Wirtschaft. Sie sieht eine „Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt, die auf gesunde Weise stattfindet und nicht in Massenentlassungen einhergeht“. Sie fordert die Autogiganten und die Autogewerkschaft UAW zu aktiven Verhandlungen auf, „um einen fairen Deal zu erzielen.“
In diesem Umfeld ist es wenig überraschend, dass 12 von 19 Fed-Mitgliedern angeben, im heurigen Jahr mit einer weiteren Zinserhöhung zu rechnen. Es scheint aber klar zu sein, dass wir uns am Ende des Zinserhöhungszyklus befinden. Zinssenkungen könnten aber noch etwas länger auf sich warten lassen.
Hinter den USA ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft ist ins Stottern geraten. Laut Einschätzung der OECD ist das anhaltend schwache Wachstum in China eines der zentralen Risiken für die Weltwirtschaft. Zu den großen Herausforderungen zählen die hohe Verschuldung und der schwächelnde Immobiliensektor. Die USA ist seit den 1870er Jahren die größte Volkswirtschaft der Welt. Bereits in den nächsten zehn bis 15 Jahren könnte China trotz der aktuellen Schwächephase die USA überholen. Und das wiederum sorgt für Spannungen zwischen den beiden Kontrahenten. China war der größte Käufer amerikanischer Staatsanleihen. Aktuell besitzt China Anleihen im Ausmaß von 835 Milliarden Dollar. Das ist um knapp 500 Milliarden Dollar weniger als vor zehn Jahren. Und das ist insofern beachtlich, da sich die Staatsschulden in der gleichen Zeitspanne verdoppelten.
Kommen wir nun zu den Aktienmärkten. Die Performance der großen Aktienindizes wird von lediglich wenigen Titeln getragen. Lediglich zehn Unternehmen zeichnen für 80 Prozent der Wertentwicklung der Technologiebörse Nasdaq verantwortlich. Und diese zehn Unternehmen vereinnahmen 34 Prozent der Marktkapitalisierung des S&P 500.
In den aktuellen Kursen spiegelt sich auch die Euphorie und der Optimismus der Investoren wider. Während der Gesamtmarkt mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 25 bewertet ist, sind jene 10 Unternehmen mit einem KGV von 50 doppelt so teuer. Der Börsenwert entspricht damit dem 50fachen Jahresgewinn oder anders formuliert: Ein Investor muss gegenwärtig 50 Dollar bezahlen, um einen Dollar Gewinn zu erhalten.
Spannend finde ich auch die Frage, welche Märkte heuer die beste Wertentwicklung erzielen konnten. Bei den Länder-ETFs führt das Feld überraschenderweise Argentinien mit 34,7 Prozent vor Griechenland (32,5 Prozent) und Nigeria (29,8 Prozent) an. Das Schlusslicht bilden Hong Kong (-15,2 Prozent), Pakistan (-12,6 Prozent) und Thailand (-9,6 Prozent). Wie sehen es die Fondsmanager? Laut einer aktuellen Umfrage der BofA sind die Fondsmanager nach wie vor optimistisch für die Big-Techs. In Bezug auf chinesische Aktien hat sich das Stimmungsbild innerhalb der letzten Wochen gewandelt. Die Positionierung scheint klar zu sein: Long Big-Tech und Short China!
Samstag, 16. September: USA stehen vor der Zinspause
Nach den Sommermonaten werden die Büros und Klassenzimmer wieder voller. Die Dynamik nimmt spürbar zu. Diese Dynamik schlägt sich aber nicht auf das Haushaltsbudget nieder. In den USA beträgt das durchschnittliche Haushaltseinkommen $74.580 brutto. Das reale Einkommen – also Lohnzuwachs abzüglich der Inflation – ist im Vorjahr das dritte Mal in Folge gesunken.
Seit den 1960ern gab es lediglich vier vergleichbare Phasen. In Zeiten stetig steigender Lebenshaltungskosten ist das mit Sicherheit für die Beteiligten kein einfaches Unterfangen. Das hat sich auch schon auf den Immobilienmarkt ausgewirkt. In den USA ist der durchschnittliche Verkaufspreis für Häuser in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen. In den letzten Jahrzehnten wurden nur 1970 und 2008 ähnlich große Preisrückgänge verzeichnet. Und beide Male endete es in einer Rezession.
Im durchschnittlichen US-Haushaltseinkommen sind nicht nur die klassischen Gehaltszahlungen, sondern auch Sozialzahlungen, Arbeitslosengeld, sonstige öffentliche Zuwendungen und wie es sich für ein kapitalmarktorientiertes Land gehört auch Zinsen und Dividendenzahlungen inkludiert. Nachdem in diesem Haushaltseinkommen auch keine Steuern berücksichtigt werden, hinkt ein Vergleich mit dem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen in Österreich, welches aktuell bei €40.309 liegt.
Sollten Sie in einem Haushalt leben, der auf ein Netto-Einkommen von mehr als €60.923 pro Jahr zurückgreifen kann, gehören Sie zu den Top-25%. Auf der gegenüberliegenden Seite gehören Haushalte, die mit weniger als €24.958 ihr Auslangen finden müssen, zu den 25% mit dem geringsten Einkommen.
Ich bin schon gespannt auf die Gehaltsverhandlungen im Herbst. Eines scheint aber klar zu sein. Die Nominallöhne dürften 2024 in Österreich und vielen anderen Ländern deutlich ansteigen. Laut Einschätzung der jüngsten ZEW-Umfrage unter Finanzexperten bleiben Löhne der Inflationstreiber Nummer eins. Als bremsender Faktor kann der stotternde Wirtschaftsmotor ins Feld geführt werden.
Laut Einschätzung des Wirtschaftsforschungsinstitutes WIFO hat sich die regionale Konjunktur in Österreich deutlich abgekühlt. Vor allem die Industrie und der Bausektor müssen deutliche Einbußen hinnehmen. Das schlägt sich auch auf den Arbeitsmarkt nieder. Erstmals seit 2021 ist die Arbeitslosenrate in zwei Bundesländern – Steiermark und Salzburg – wieder angestiegen. Über 80% der Befragten gehen davon aus, dass sich die Lage auf der Inflationsfront in den nächsten sechs Monaten doch deutlich entspannen sollte.
In den USA wurden diese Woche die Inflationszahlen für August veröffentlicht. Die Verbraucherpreise sind um 3,7% wieder etwas angezogen, liegen aber immer noch deutlich unter dem Höchststand des Vorjahres. Auch wenn man mit Spannung nun auf die nächste Fed-Sitzung kommende Woche blicken kann, denke ich nicht, dass uns Jerome Powell eine weitere Zinserhöhung präsentieren wird. Diese Woche hatte bereits Christine Lagarde ihren großen Auftritt. In der EZB-Sitzung am Donnerstag wurden die Leitzinsen zum bereits zehnten Mal seit Juni 2022 um 0,25% auf 4,5% angehoben. Die Geldwertstabilität steht im Vordergrund. Auch wenn das mit Sicherheit den Konjunkturmotor weiter ins Stottern bringt.
Diese Woche hat sich auch der Vorstandschef von JPMorgan Chase zu Wort gemeldet. Jamie Dimon sieht die US-Wirtschaft gegenwärtig auf einem guten Kurs, warnt aber davor, diese Entwicklung noch über Jahre fortzuschreiben. Besonders besorgt zeigt er sich über den Krieg in der Ukraine und die aktuelle Notenbankpolitik und das Finanzverhalten vieler Länder rund um den Globus, welches er mit dem „Ausgabeverhalten betrunkener Seeleute“ vergleicht. Laut Einschätzung von Jamie Dimon sind festverzinsliche Anleihen trotz des Zinsanstieges nicht attraktiv. Eines schein aber klar. Cash wird in Zeiten hoher Inflation zum Luxusobjekt.
Die Österreicher sind nach wie vor Bargeld-Kaiser. Im Vorjahr hat jeder Österreicher im Schnitt 247mal elektronisch bezahlt. Im Vergleich zu Norwegen hat man hierzulande noch einiges Potenzial. In Norwegen wird pro Kopf und Nase jährlich 708mal die Bankomatkarte, die Kreditkarte oder das Smartphone am Kassenterminal gezückt. Das ist nahezu zweimal täglich. Ich bin bekennender Bargeldliebhaber, der ab und an auch auf eine bargeldlose Variante zurückgreift. Insofern werde ich meinen Espresso beim Italiener meines Vertrauens auch in Zukunft mit ein paar Münzen bezahlen.
Samstag, 9. September: Zinsen, Bier und Börsen
Mit September werden die Temperaturen etwas kälter und die Festzelte immer voller. Zumindest dann, wenn Sie auf der Münchner Wiesen ein Maß Bier stemmen. Es ist die Zeit der Oktoberfeste. Das weltweit größte Volksfest der Welt findet seit 1810 Jahr für Jahr auf der Theresienwiese statt. Für ein Maß Bier muss man tief in die Tasche greifen und 14,90 Euro auf den Schanktisch legen. Da bleibe ich – zumindest noch in dieser frühen Morgenstund – doch lieber bei meinem Espresso.
In den Wiesenwochen werden mehr als fünf Millionen Liter Bier getrunken. Der Bierpreis sorgt in einer schönen Regelmäßigkeit für einen medialen Aufschrei, da auch ein Bierfass keinen Inflationsschutz bieten kann. Um Preise gut miteinander vergleichen zu können, braucht man ein geeignetes Produkt. In den Festzelten darf nur ein eigens gebrautes Wiesn-Bier von lediglich sechs Münchner Brauereien ausgeschenkt werden. Die Braumeister haben darüber hinaus drei spezielle Vorgaben zwingend einzuhalten. Die Rohstoffe müssen dem Münchner Reinheitsgebot von 1487 entsprechen, die Stammwürze muss zumindest 13,6% betragen und darüber hinaus muss das Wasser aus einem Tiefbrunnen aus dem Münchner Stadtgebiet stammen.
Soweit, so gut – das Wiesn-Bier ist damit definitiv auch im historischen Kontext als Indikator zur Preisentwicklung geeignet. Insofern wagen wir einmal einen Blick in die Vergangenheit. Um die Jahrtausendwende hat ein Maß auch 12,30 gekostet. Damals waren es aber D-Mark und nicht Euro. Die 10-Euro-Schallmauer wurde 2014 geknackt. Die letzten 20 Jahre hat sich der Bier-Preis auf der Wiesn verdoppelt. Allerdings mit steigender Dynamik. Im Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie kostete das Maß noch 11,50 Euro – wir reden also von einer Preissteigerung von knappen 30 Prozent in lediglich vier Jahren.
2019 war übrigens auch das Jahr, in dem Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank angelobt wurde. Die Inflation bleibt also auch dieser Tage das bestimmende Thema. Und zwar nicht nur in München, sondern auch in den Katakomben der Europäischen Zentralbank. Die EZB hat bereits kräftig an der Zinsschraube gedreht und den Leitzins für den Euroraum in atemberaubender Geschwindigkeit nach oben gezogen.
Kommt nächste Woche die Zinserhöhung Nummer 10? Ich weiß es nicht, es würde mich aber definitiv nicht überraschen. Die Inflationsbekämpfungsmaßnahmen haben aber auch Nebenwirkungen und eine wirtschaftliche Bremsspur hinterlassen. Der Konjunkturmotor stottert gewaltig. Wenn Christine Lagarde den Bogen mit Zinserhöhungen überspannt, droht eine Rezession. Ich bin schon gespannt, ob ihr US-amerikanisches Pendant Fed-Präsident Jerome Powell in der September-Sitzung bereits das Ende des Zinserhöhungszyklus einleitet. Das wäre ein Signal, da die amerikanische Notenbank rund drei Monate vor der EZB mit Zinserhöhungen begonnen hat.
Werfen wir noch einen Blick auf die Kapitalmärkte. Das dritte Quartal neigt sich dem Ende zu und die Stimmung unter den Investoren ist zum Teil sehr angespannt. Wir sollten uns aber auch bewusst sein, dass das vierte Quartal in einer beachtlichen Regelmäßigkeit den Aktionären ein Lächeln auf die Lippen zaubert. In den letzten 30 Jahren ist beispielsweise der Stoxx 600 in den letzten drei Monaten eines Jahres um durchschnittlich 4,6 prozent gestiegen. Die Bewertung europäischer Titel ist im Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants sehr günstig. Dieses Phänomen ist zwar nichts Neues, da es bereits seit vielen Jahren besteht. Es ist aber auch festzuhalten, dass der Bewertungsabschlag für europäische Unternehmen auch in der langfristigen Betrachtung als ausgesprochen hoch bezeichnet werden kann.
Abschließend möchte ich noch den Finanzexperten André Kostolany, der die Börsenwelt mit vielen verständlichen und griffigen Zitaten versorgt hat, ins Feld führen. In Bezug auf die Inflation hat er eine klare Meinung: „Die Inflation ist die Hölle für Gläubiger und das Paradies der Schuldner.“ Kostolanys Vater war ein reicher Industrieller, der sein Geld mit einem Magenbitter mit dem klingenden Namen Herkules verdient hat. Die liebe Christine hätte wohl nichts dagegen, wenn ihr Herkules beim Kampf gegen den Inflationsdämon beisteht. Und nur um eines klarzustellen. Damit meine ich natürlich den starken Sohn vom griechischen Göttervater Zeus und nicht Kostolanys Magenbitter.
Samstag, 2. September: Chefs, Roboter und Tech-Gurus
Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass auch die Bullen wieder motiviert mit den Hufen scharren. Mein Espresso haucht mir zu dieser frühen Stunde neue Lebensgeister ein. Vielleicht haben die Wonnewochen für die Investoren einen ähnlichen Effekt? Die nächsten Wochen werden uns eine Antwort auf diese Frage geben. Ein bestimmendes Thema an den Märkten bleibt nach wie vor die Inflation. Gerade in Hinblick auf die anstehenden Gehaltsverhandlungen im Herbst kann davon ausgegangen werden, dass die anstehenden Erhöhungen ein wesentlicher Inflationstreiber bleiben werden.
Apropos Gehalt. Haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, wie viel ein Angestellter oder ein Geschäftsführer bei einem Tech-Giganten verdient? Unter dem Synonym „GAMAM“ werden die Börsenlieblinge Google, Apple, Microsoft, Amazon und Meta zusammengefasst. Das sind alles Unternehmen, die an den Weltbörsen am teuersten bewertet sind. Interessant ist, dass sich die Gehälter der Mitarbeiter in den jeweiligen Unternehmen deutlich voneinander unterscheiden. Beim größten Online-Händler Amazon verdienen Angestellte im Median 34.000 Dollar pro Jahr. Bei Apple sind es mit 84.000 Dollar mehr als doppelt so viel. Damit haben wir aber das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Mitarbeiter bei Microsoft werden durchschnittlich mit 190.000 Dollar entlohnt, jene von Alphabet (Google) mit 280.000 Dollar und jene von Meta (Facebook) sogar mit 296.000 Dollar.
Der Vergleich hinkt aber, da sich die Tätigkeitsbereiche eines Software-Entwicklers bei Meta doch deutlich von einem Logistikmitarbeiter bei Amazon unterscheiden. Wussten Sie, dass Amazon weltweit 1,465 Millionen Mitarbeiter beschäftigt und damit hinter der US-Einzelhandelskette Walmart (2,1 Millionen Mitarbeiter) der zweitgrößte Arbeitgeber aller privaten und staatlichen Unternehmen der Welt ist? Viele davon sind im Niedriglohnsegment festgefahren und ziehen dadurch das Mediangehalt nach unten.
In den Top-10 der größten Arbeitgeber findet sich mit Volkswagen auch ein europäischer Vertreter in den Top-10 wieder. Mit 676.000 Mitarbeitern rangiert der deutsche Automobilhersteller auf dem 9. Platz. Wir befinden uns aktuell in einem außergewöhnlichen Transformationsprozess. Roboter fahren durch Fabrikhallen und sind im 21. Jahrhundert nicht mehr wegzudenken. Was würden sich wohl unsere Vorgängergenerationen bei dem Anblick denken? Die größte Roboterdichte hat Südkorea. Auf 10.000 Angestellte entfallen 1000 Roboter. Dahinter folgen Japan mit 399 und Deutschland mit 397 Robotern. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Roboter deutlich erhöht. Es dürfte keine gewagte Prognose sein, hier weiterhin steigende Zahlen zu antizipieren.
Aber kommen wir nun vom Angestelltengehalt zum Geschäftsführergehalt. Auch hier gibt es bei den GAMAMs deutliche Divergenzen. Während das durchschnittliche Geschäftsführergehalt bei Amazon „nur“ 1,3 Millionen Dollar beträgt, verdienen Alphabet-Geschäftsführer mit 226 Millionen Dollar mit Abstand am meisten. Und zwar mehr als doppelt soviel wie die Apple-Manager mit 99 Millionen Dollar oder mehr als das Vierfache der Microsoft-Führungsriege mit 55 Millionen Dollar. Im Vergleich dazu verdienen Meta-Geschäftsführer mit 27 Millionen Dollar nicht einmal die Hälfte der Microsoft-Manager. Im Vergleich zum Amazon-Management ist das aber immerhin mehr als das 20fache! Stellen wir einmal die Gehälter der Geschäftsführer in Relation zu den Angestellten. Die Kluft ist bei Apple am größten. Hier verdient die Führungsriege das 1177-fache eines Angestellten. Dahinter folgen Alphabet (808:1), Microsoft (289:1), Meta (91:1) und Amazon (38:1). Sollten Sie ihr Gehalt „optimieren“ wollen, empfehle ich bei Meta ihre Karriere als Tech-Guru zu starten und dann in das Management von Alphabet zu wechseln.
Samstag, 26. August: An den Lippen der Notenbank-Präsidenten
Dieses Wochenende treffen sich die Notenbanker mit Rang und Namen in Jackson Hole, einem Tal in den Rocky Mountains im US-Bundesstaat Wyoming. Das wirtschaftspolitische Symposium wird heuer zum 46. Mal ausgerichtet. In den nächsten Tagen werde ich bei meinem morgendlichen Espresso „digitale“ Höhenluft schnuppern. Schließlich liegt das Tal auf rund 2000 Metern. Das Motto der diesjährigen Veranstaltung, die seit 1981 ununterbrochen in Jackson Hole stattfindet, ist „Strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft.“ Im Fokus stehen auch die Kapitalmärkte, die aufgrund von Inflationssorgen sowie Rezessionsängsten doch gehörig unter Druck geraten sind. Traditionellerweise nutzen Währungshüter die Veranstaltung auch, um ihre längerfristigen Perspektiven und Einschätzungen den Finanzmarktakteuren darzulegen.
Die Investorenschar wird an den Lippen von Fed-Präsident Jerome Powell oder EZB-Präsidentin Christine Lagarde kleben, um vielleicht doch den einen oder anderen Hinweis darüber zu erhalten, ob sich der historische Zinsanhebungszyklus schon bald dem Ende zuneigen wird.
Dieser Tage kommen vor allem die Zinsmärkte gehörig unter Druck. Finanzunternehmen rund um den Globus haben heuer bereits Anleihen im Wert von über zwei Billionen US-Dollar abverkauft. Das ist enorm und auch historisch betrachtetet ein absoluter Rekordwert. Grund dafür sind steigende Zinsen der Notenbanken. Diese Entwicklung treibt die Finanzierungskosten der Banken stark in die Höhe. Und das wiederum ist für viele Finanzinstitute der Auslöser, sich von ihren Anleihenpositionen zu trennen und mit dem Verkaufserlös ihre Außenstände bei der EZB, Fed oder einer anderen Notenbank zurückzubezahlen.
In den letzten Jahren haben Notenbanken im Zuge ihrer expansiven Notenbankpolitik auch Anleihenbestände in Billionenhöhe vom Markt aufgekauft, um damit das Zinsniveau künstlich tief zu halten. Im Zuge der Inflationsbekämpfung wurde diese Strategie aber über Bord geworfen. Insofern fehlen auf der anderen Seite die Käufer. Und genau das führt dazu, dass die Marktpreise für Anleihen sinken und die Renditen steigen. Aufgrund der abnehmenden Wirtschaftsdynamik und der stark steigenden Finanzierungskosten wird das Umfeld auch für Unternehmen zusehends rauer. Im heurigen Jahr schlitterten bereits mehr als 400 Emittenten von Unternehmensanleihen in die Insolvenz. Damit sind heuer bereits annähernd so viele Pleiten zu verzeichnen wie in den Jahren 2022 und 2021 zusammen! Wen wundert's? Beruhigend für Investoren von Unternehmensanleihen ist, dass laut einer Analyse der Rating-Agentur S&P rund 72 Prozent der ausstehenden Anleihen mit einer Fixzinsvereinbarung ausgestattet und im günstigen Umfeld der Niedrigzinsphase auch die Finanzierungsdauer deutlich gestreckt wurde. Die höheren Zinsen schlagen sich damit für einen Großteil nicht sofort sondern erst schleichend im Zuge einer Neufinanzierung in höheren Zinsausgaben nieder.
Kommen wir nun zu den Aktienmärkten. Der etwas ins Stocken geratene Aufwärtstrend wird vor allem von den großen Tech-Aktien angetrieben. Es fehlt dem Aufschwung allerdings doch etwas die Breite. Von den im globalen Aktienindex MSCI ACWI gewichteten Unternehmen liegt jedes zweite noch unter dem Vor-Corona-Höchstständen. Liegt es daran, dass wir uns inmitten einer Tech-Blase befinden oder dass gerade die von der Börse geliebten Unternehmen aufgrund ihres technologischen Fortschritts und ihres Geschäftsmodells die Gewinner des Transformationsprozesses sind? Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Fakt aber ist, dass diese Fragestellung polarisiert und einen Richtungsstreit zwischen Investorengruppen ausgelöst hat.
Abschließend möchte ich mich als Espresso-Liebhaber dem Wein zuwenden. In den vergangenen 20 Jahren ist die globale Weinproduktion mit 240 Millionen Hektolitern relativ konstant geblieben. Wussten Sie, dass Italien vor Frankreich und Spanien etwas mehr als 50 Prozent der globalen Weinproduktion für sich vereinnahmen? Dahinter folgen mit deutlichem Respektabstand die USA und Australien. Deutschland rangiert mit 3,5 Prozent auf Rang 9, Österreich mit 1,0 Prozent auf Rang 17. Mit einem Marktanteil von 19,3 Prozent kommt nahezu jede fünfte Flasche aus „Bella Italia“. Für einen Italienliebhaber beginnt ein guter Tag mit einem Espresso und endet mit einem Glas Rotwein. Als Steirer kann ich dem durchaus etwas abgewinnen, wobei ich persönlich an einem lauen Augustabend doch einen steirischen Weißwein bevorzuge. Vielleicht hätte ich doch ein paar Flaschen nach Jackson Hole schicken sollen? Auch wenn Christine Lagarde und Jerome Powell bei ihren Klassentreffen auf knapp 2000 Meter keinen lauen Sommerabend erleben werden, würde ihnen vermutlich etwas Entspannung auch nicht schaden.
Samstag, 19. August: Der eigenen Strategie treu bleiben
Norwegen ist ein sehr interessantes Land, dass auch aufgrund der 24.000 Kilometer Küstenlänge kulinarisch einiges zu bieten hat. Neben Rentier- und Elchfleisch gehören auch Fischgerichte zu den absoluten Spezialitäten.
Der Norweger an sich trinkt auch gerne Kaffee. Und das nicht nur in den frühen Morgenstunden, sondern zu jeder Tages- und Nachtzeit in großen Mengen. Vielleicht ist mir das Land im Norden Europas auch deshalb so sympathisch. Darüber hinaus hat sich Norwegen auch im Finanzbereich zu einem weltweit viel beachteten Role Model entwickelt.
Der norwegische Staatsfonds ist für mich der Inbegriff für ein über Generationen ausgelegtes Investment. Der Fonds wird aus den Mitteln der Öleinnahmen gespeist und verfolgt das Ziel, einen Teil der Einnahmen auch zukünftigen Generationen zu vermachen. Darüber hinaus war der norwegische Staatsfonds auch ein Pionier im Bereich nachhaltiger Investments und hat bereits um die Jahrtausendwende die ersten Akzente gesetzt. Seit 1996 wird nun eifrig gespart und investiert. Mittlerweile verwaltet der größte Staatsfonds ein Volumen von 1,4 Billionen US-Dollar und damit das 2,4-fache des norwegischen Bruttoinlandsproduktes.
Die Manager des Staatsfonds sind durchaus bereit, gewisse Risiken einzugehen. Knapp 70 Prozent des Portfolios werden in über 9000 Einzelaktien in 63 Länder investiert. Damit besitzt der norwegische Staatsfonds rund 1,5 Prozent aller börsennotierten Aktien der Welt. So gehören ihm beispielsweise 3,4 Prozent der UBS, 2,1 Prozent von Siemens, 1,8 Prozent der Erste Bank, 1,2 Prozent von Microsoft, 1,1 Prozent von Apple bzw. Coca-Cola, 0,9 Prozent von Tesla sowie 0,6 Prozent von BMW bzw. der OMV. Dieses langfristige Investment macht sich durchaus bezahlt. In Phasen geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten des Jahres 2022 muss man aber auch bereit sein, empfindliche Verluste in Kauf zu nehmen. Die Halbjahresbilanz 2023 sieht im Gegensatz dazu schon wieder relativ erfreulich aus.
Angetrieben von der Performance der Aktienmärkte konnte der Staatsfonds eine Performance von zehn Prozent erwirtschaften. Es macht sich also durchaus bezahlt, der eigenen Strategie langfristig treu zu bleiben. In der Krise die eigenen Grundsätze entnervt über Bord zu werfen, ist meiner Beobachtung nach ein kapitaler Fehler von Investoren. Der Aktienmarkt pendelt dieser Tage unentschlossen hin und her. Ausschlaggebend für die Index-Performance ist vor allem die Entwicklung der großen Tech-Schwergewichte. Und dabei spreche ich nicht nur von Tech-Indizes wie dem Nasdaq-100 sondern auch von global ausgerichteten Indizes. Der MSCI All Country World Index (MSCI ACWI) setzt sich auch dem MSCI World, einem Welt-Index für Industrieländer, und dem MSCI Emerging Markets, einem Welt-Index für Schwellenländer zusammen. DER MSCI ACWI repräsentiert rund 85 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung. Von der Länderseite ist die USA mit 62 Prozent am stärksten vertreten. Mit deutlichem Respektabstand folgt Japan mit 5,5 Prozent bzw. Großbritannien mit 3,6 Prozent . Sektorenseitig dominieren IT (22 Prozent ), Finanzdienstleistungen (16 Prozent) und Gesundheitswesen (12 Prozent).
In Summe sind in dem Index knapp 3000 Einzeltitel vertreten. Spannend finde ich aber, dass die sieben Indexschwergewichte Apple, Microsoft, Alphabet (Google), Amazon, Nvidia, Tesla und Meta in Summe 16 Prozent des Index repräsentieren. Der Börsenwert dieser glorreichen Sieben entspricht damit mehr als dem aufsummierten Wert aller Unternehmen in Japan, UK, China und Frankreich zusammen. Irgendwie unglaublich, meinen Sie nicht auch?
Die Notenbanker rund um den Globus waren in den letzten Monaten stark gefordert. Schließlich gilt es, die davongaloppierende Inflation einzufangen und darüber hinaus auch darauf zu achten, das zarte Konjunkturpflänzchen nicht gänzlich verdursten zu lassen. Janet Yellen, ist ehemalige Präsidentin der amerikanischen Notenbank und mittlerweile Finanzministerin der größten Volkswirtschaft der Welt. Eine durchaus beeindruckende Frau, die in ihrem Leben viel erreichen konnte. Janet Yellens Bekanntheitsgrad reicht aber weit über die USA hinaus. Dieser Tage erobert die Frau China. Grund dafür ist, dass die Yellen irrtümlich bei einem Abendessen ein Schwammerl-Gericht verdrückt hat. Das ist einmal nichts Ungewöhnliches. Die Pilze haben aber halluzinogene Eigenschaften, die bei falscher Zubereitung den Gourmet in ein anderes Universum beamen können. Janet Yellen gab an, keine Auswirkungen gespürt zu haben. Nichts desto trotz hat diese „Lanmaoa-Pilze-Affäre“ einen Sturm auf die Filialen der Lokalkette geführt.
Notenbanker aufgepasst: Sollte Sie die US-Finanzministerin zum Abendessen einladen, achten Sie auf den Speiseplan. Die aktuelle Situation ist auch ohne Halluzinationen komplex genug!
Samstag, 12. August: Das Wetter und das Börsentreiben
Sommer, Sonne, Sonnenschein? Von wegen! Das betrifft sowohl die Wetterlage als auch das muntere Börsentreiben all jener, die sich nicht gerade im wohlverdienten Urlaub befinden. In den ersten Augusttagen sind die Aktienmärkte unter Druck geraten. Meine Kaffeemaschine rattert, als die Kaffeebohnen gemahlen werden. Das ist vergleichbar mit dem operativen Geschäftsbereich von Unternehmen. Wenn meine Kaffeemaschine ihren Job gemacht hat, rinnt ein wunderbarer Kaffee in meine Espresso-Tasse. Was für mich mein Espresso ist, ist für einen Investor der Unternehmensgewinn.
Passend dazu können wir einen Blick auf die aktuelle Gewinnsaison machen, die in Nordamerika und Europa schon weit fortgeschritten ist. Die Ergebnisse konnten zwar mehrheitlich die Erwartungen übertreffen, allerdings schlägt sich die abnehmende Konjunkturdynamik mittlerweile auch schon in den Unternehmensbilanzen nieder. Davon sind sowohl kleinere Unternehmen aber auch die großen Börsengiganten betroffen.
So musste beispielsweise Apple, das wertvollste Unternehmen der Welt, einen leichten Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahresquartal hinnehmen. Das liegt vor allem am Hardware-Bereich und betrifft sowohl das iPhone, das iPad aber auch den Mac. Positiv hingegen hat sich der Bereich Services entwickelt. Unglaublich, dass Apple mittlerweile die 1-Milliarden-Schallmauer an verkauften Abos überschritten hat.
Aber nicht nur in Nordamerika und Europa war das Ergebnis durchwachsen. Auch Aktien aus Schwellenländern haben in dieser Berichtssaison mehrheitlich enttäuscht. Von der Sektorenseite her betrachtet, konnte der Bereich Gesundheitswesen besonders überraschen, wohingegen Aktien aus dem Grundstoffsektor mehrheitlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Spannend dazu finde ich auch eine Analyse von SPDR Americas Research, welche die Top-Sektoren in unterschiedlichen Phasen des Wirtschaftszyklus für S&P 500 Unternehmen ermittelt hat. In einer Rezession konnten lediglich Unternehmen aus dem Basiskonsumgütersektor eine positive Performance erzielen. Darüber hinaus konnten klassische Versorger, der Gesundheits- und Energiebereich den Markt deutlich übertreffen. Unterdurchschnittlich entwickelten sich im Gegensatz dazu der Tech-Sektor sowie Immobilienaktien. Wenn die Wirtschaft aber wieder in eine Erholungsphase eintritt, haben in der Historie vor allem der Immobilien- und Technologiesektor ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen können.
Wenn wir uns nun die Aktienmärkte von der Bewertungsseite aus ansehen, sind europäische Unternehmen mit einem deutlichen Abschlag im Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants zu erhalten. Das ist schon seit vielen Jahren der Fall. Allerdings ist zu bedenken, dass der aktuelle Discount bei 34 Prozent liegt und damit so groß ist wie noch nie in der Historie. Erleben wir hier einen Sommerschlussverkauf? Aus meiner Sicht ist der große Bewertungsunterschied vor allem mit der Branchenstruktur zu begründen. Europa steht für Tradition, US-Unternehmen für Innovation und technologischen Fortschritt. Nicht umsonst ist das Mekka der Technologie in Silicon-Valley beheimatet. Wir erleben gerade einen wahrscheinlich auch historisch betrachtet einzigartigen Transformationsprozess. Und genau hier ist Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit das Gebot der Stunde.
Das spiegelt sich auch im Börsenwert der teuersten Unternehmen wieder. Aktuell werden sechs Unternehmen mit mehr als einer Billion US-Dollar bewertet. Neben Apple befinden sich auch mit Microsoft, Alphabet (Google), Amazon, und Nvidia fünf technologieaffine Unternehmen in diesem selektiven Klub. Einzige Ausnahme ist der saudische Ölgigant Saudi Aramco. Einziger Europäer in den Top-25 ist der französische Luxushersteller LVMH auf Rang 14. Der Börsenwert des Unternehmens liegt bei rund 450 Milliarden US-Dollar. Auch wenn es definitiv viel erscheinen mag, entspricht es nur 16 Prozent des Börsenwertes von Apple!
Samstag, 5. August: "Dolce Vita" und Downgrade
Passend zum Ferragosto – also die Zeit rund um den 15. August, in der die Büros in Italien wie leergefegt sind und in der sich Bürohengste im Schattenhüpfen auf den überfüllten Sandstränden üben - kann ich mich dazu bekennen, ein absoluter Italienliebhaber zu sein. Das hat viele Gründe. Dazu zählen Kultur, Land und Leute. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mein geliebter Espresso im Land des "Dolce Vita" seinen Ursprung hat. Ich weiß es nicht.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU ist nach vorläufigen Zahlen der Statistikbehörde ISTAT im zweiten Quartal 2023 überraschend geschrumpft und setzt damit die Regierung Meloni gehörig unter Druck. Italien hat aber immer wieder mit chronisch leeren Staatskassen und einem ausgewaschenen Budgetdefizit zu kämpfen. Wen wundert es, dass sich die Staatsschulden Jahr für Jahr in die Höhe schrauben und mittlerweile ein Niveau von 144 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreicht haben.
Mit dem Kapitalmarkt verbinde ich die Wallstreet und die USA. Der Ursprung – also die älteste Börse der Welt – liegt aber in Europa. Die Amsterdamer Börse wurde bereits 1602 gegründet, um den Aktienhandel der Vereinigten Ostindischen Kompanie (VOC) zu ermöglichen. Die VOC war eine der bedeutendsten Handelsgesellschaften seiner Zeit und betrieb den Handel mit Gewürzen von den Inseln des Indischen Ozeans. In seiner Blütephase war es zu einem der reichsten und mächtigsten Unternehmen aufgestiegen. Vor allem durch Missmanagement, Korruption nahm der Höhenflug aber ein jähes Ende und VOC musste knapp 200 Jahre nach ihrer Gründung aufgelöst werden. Die älteste Börse der USA wurde 1790 – also 188 Jahre nach jener in Amsterdam – in Philadelphia gegründet. Zwei Jahre danach wurde der heutige Branchenprimus, die New York Stock Exchange (NYSE) gegründet.
Wussten Sie eigentlich, dass die Wallstreet im 17. Jahrhundert eine befestigte Siedlung der niederländischen Kolonialmacht und weithin als „New Amsterdam“ bekannt war? Ganz in der Nähe der Siedlung war eine hölzerne Verteidigungsmauer, die das Gebiet vor feindlichen Angriffen schützen sollte und „Wall Street“ genannt wurde. Diese Woche hat aber selbst die „Wall Street“ keinen Schutz geboten. Die Rating-Agentur Fitch hat der USA die Bestnote AAA entzogen. Im Anschluss notierten die Börsen im tiefroten Bereich. Nach S&P, das die USA bereits 2011 herabgestuft haben, ist das bereits die zweite große Rating-Agentur, die der Kreditwürdigkeit der größten Volkswirtschaft der Welt keine blütenweiße Weste mehr attestiert. Mit Australien, Dänemark, Deutschland, Luxemburg, Norwegen, den Niederlanden und der Schweiz gibt es nur mehr sieben Länder, die sowohl bei S&P, Moody’s als auch Fitch mit der Bestnote „Triple-A“ bewertet werden. Österreich wird von allen drei Rating-Agenturen mit einer Stufe unter der Bestnote gelistet.
Warum ist es nun zu einem Downgrade gekommen? Auch die USA kämpft mit einem großen Budgetdefizit und mit stetig steigenden Schulden, die mittlerweile auf 129 Prozent in Relation zum BIP gestiegen sind. Das ist zwar noch nicht ganz auf dem Niveau Italiens, aber nichtsdestotrotz auf einem schwindelerregend hohen Niveau. Und bis zum BBB-Rating Italiens geht es noch einige Stufen der Rating-Leiter hinunter. Die Finanzministerin und ehemalige Fed-Präsidentin kritisierte die Herabstufung scharf und hält die Entscheidung für willkürlich. Die USA haben sich schließlich rasch von der Corona-Rezession erholt, die Arbeitslosenquote befinde sich auf einem Jahrhunderttief und der Wirtschaftsmotor scheint so langsam wieder an Fahrt aufzunehmen. Bei aller Aufregung darf man aber auch nicht vergessen, dass die gesamte Rating-Leiter in Summe 23 Stufen hat. Und die USA befindet sich immer noch auf Stufe 22!
Um das Ausmaß der Verschuldung zu veranschaulichen, erlauben Sie mir noch ein kleines Gedankenspiel. Das profitabelste Unternehmen der Welt ist Apple, welches im Vorjahr knappe 100 Milliarden US-Dollar verdient hat. Die USA haben mittlerweile einen Schuldenberg von knapp über 32 Billionen US-Dollar. Apple müsste also die Gewinne von 320 Jahren aufwenden, um den Schuldenberg abzutragen. Und vor 320 Jahren schrieben wir das Jahr 1703. Damals gründete Zar Peter der Große St. Petersburg als neue Hauptstadt des russischen Reiches, in England wurde die Sklaverei verboten und mit dem „The Boston News-Letter“ nahm die erste regelmäßige Zeitung in Nordamerika ihren Betrieb auf. Apple ist darüber hinaus auch noch das wertvollste Unternehmen der Welt und an der Börse mit über 3 Billionen US-Dollar bewertet. Ach ja – in diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch noch erwähnenswert, dass es 1703 noch 87 Jahre dauern sollte, bis die erste Börse in den USA ihre Pforten öffnete.
Samstag, 29. Juli: Stotternde Motoren ohne Summer Sale
Als ich heute Morgen meinen Espresso trinke und die Börsennews durchscrolle, schaut mir ein traurig dreinblickender Jerome Powell entgegen. Der Präsident der amerikanischen Notenbank hat am Mittwoch Abend die US-Leitzinsen erneut um 0,25 Prozentpunkte auf 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent angehoben. Das war das elfte Mal seit die Fed im März 2022 den Kampf gegen die Inflation aufgenommen hat. Dieser Zinserhöhungszyklus hat sich sowohl von der Geschwindigkeit aber auch vom Ausmaß schon jetzt seinen Platz in den Börsengeschichtsbüchern gesichert. Die Notenbankpolitik zeigt bereits Wirkung. Die Inflationsrate ist im Juni auf 3 Prozent zurückgegangen und liegt damit immer noch deutlich über dem anvisierten Zielwert von 2 Prozent.
Powell rechnet nicht damit, dass die Inflation vor 2025 unter diese Schwelle fallen wird. Bedeutet das nun, dass die Fed weiter kräftig an der Zinsschraube drehen wird? Diese Frage kann mit einem klaren Nein beantwortet werden. Fakt ist aber auch, dass die Zinserhöhungen bereits ihre Wirkung entfalten. Kredite werden teurer. Das trifft sowohl Privatpersonen aber auch Unternehmen. Investitionen werden damit teurer und im Vergleich zum Vorjahr deutlich unattraktiver. Und das wiederum bremst den Konjunkturmotor.
An den Finanzmärkten wird in den kommenden Monaten mit einem stotternden Wirtschaftsmotor und abnehmenden Inflationsraten gerechnet. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, muss die Notenbank den Leitzins wieder senken. Der liebe Jerome Powell hielt sich in seiner Rede alle Optionen offen. Er deutete aber auch an, dass die Fed bereits vor dem Erreichen des Inflationsziels mit Zinssenkungen beginnen wird. Aber muss der liebe Jerome nun wirklich so traurig schauen? So schlecht stehen die Dinge nun auch wieder nicht. Wir haben sinkende Inflationsraten, endlich wieder positive Realzinsen und sind vermutlich schon in der Endphase des Zinserhöhungszyklus angekommen.
Zumindest kann das Potenzial für weitere Zinserhöhungen als gering bezeichnet werden. Und selbst auf der Wirtschaftsfront scheint sich die Lage doch etwas zu entspannen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das BIP-Wachstum zwar zurückgegangen, allerdings kann man doch etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Der Internationale Währungsfonds hat diese Woche seine Prognose aktualisiert und die Prognose für das Weltwirtschaftswachstum für 2023 im Vergleich zur April-Einschätzung etwas angehoben. Die IWF-Experten sehen starke Arbeitsmärkte und durch den steilen Abfall der Preise für Energie und Lebensmittel einen deutlich gemilderten Inflationsdruck.
Einen Tag später standen die Europäische Zentralbank und ihre Präsidentin Christine Lagarde im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die EZB hat die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent angehoben. Im Vergleich zu den USA liegt die Inflationsrate über dem Leitzins. Zudem ist die Wirtschaft wesentlich schwächer. Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU, kämpft seit einiger Zeit mit einem stark stotternden Konjunkturmotor. Der IWF sieht Deutschland sogar als Konjunkturschlusslicht und prognostiziert eine anhaltende Rezession. Wenn die EZB die Zinsen weiter anhebt, besteht die Gefahr, dass der Wirtschaftsmotor komplett abgewürgt wird. Wird die EZB den eingeschlagenen Weg auch im Herbst konsequent weitergehen und weiter kräftig an der Zinsschraube drehen? Diese Frage kann gegenwärtig wahrscheinlich nicht einmal die liebe Christine Lagarde beantworten. An den Finanzmärkten bleibt die Stimmung positiv. Die Aktienmärkte konnten im letzten Monat deutlich zulegen. Die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away” war 2023 definitiv kein guter Ratgeber.
Vor allem Technologie-Aktien erfreuen sich großer Beliebtheit. Der Nasdaq-100 erlebte das beste erste Halbjahr seit der Internetblase in den späten 1990ern. Die Börsenlieblinge Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Nvidia werden im Index mit 60 Prozent gewichtet. Alleine auf Apple und Microsoft entfallen mehr als 25 Prozent. Ein breit diversifiziertes Portfolio schaut definitiv anders aus. Um die Anleger vor zu großen Klumpenrisiken zu schützen, haben Börsenaufsichten wie die amerikanische SEC Diversifikationsregeln eingeführt. In einem Fonds darf das Gesamtgewicht der Aktien, die mit mehr als 5 Prozent beigemischt werden, maximal 50 Prozent betragen. Ein indexnaher Manager kann damit seine Strategie nicht mehr umsetzen. Und das wiederum hat die Indexabteilung der Nasdaq zu einer Neugewichtung bewogen. Hierbei wird das Gewicht der Tech-Giganten begrenzt und „kleinere“ Unternehmen aufgewertet. Und das wiederum wird in den nächsten Tagen und Wochen zu einer Umschichtungswelle und einem „Abverkauf“ der Techgiganten durch Fonds und ETFs führen. Von einem Summer-Sale würde ich aber nicht sprechen.
Samstag, 22. Juli: Notenbanken und der Adrenalinpark
Unseren Sommerurlaub haben wir am Gardasee verbracht. Wie es sich für einen Börsianer gehört, stand mit meinen beiden Kindern auch ein Besuch im Gardaland auf dem Programm. Wie es sich für Teenager gehört, führte uns der Weg zuerst einmal in den Adrenalinpark.
Die Achterbahnen, die einem Mann im fortgeschrittenen Alter durchaus vor Herausforderungen stellen können, gleichen dem Aktienmarkt. Zuerst geht es langsam, aber beständig nach oben. Das Ratern hat beinahe einen meditativen Charakter. Oben angekommen hat man einen wunderbaren Überblick. Kurz vor dem „freien Fall“ bleibt die Achterbahn nochmals stehen. Mein Blick schweift nach unten und das Unbehagen steigt. Die Bahn verharrt hier einige Sekunden im völligen Stillstand. Und dann werden die Bremsen gelöst und es geht mit atemberaubender Geschwindigkeit dem Abgrund entgegen. Ich ahne bereits Schreckliches. Aber wie durch ein Wunder hebt die Bahn zu neuen Höhenflügen an, bevor es wieder rasant nach unten geht.
Auch Aktieninvestoren haben die letzten Jahre eine wilde Achterbahnfahrt erlebt. Mal geht es rauf, mal geht es runter. Und das meist im Vollspeed. Die erfolgreichsten Investoren schaffen es, während der Achterbahnfahrt nicht völlig entnervt auszusteigen. Sie ziehen ihre Strategie konsequent durch. Je größer die Achterbahn, desto größer der Adrenalinkick. Und als Börsianer „bezahlst“ du die höhere Ertragserwartung vermutlich mit der einen oder anderen schlaflosen Nacht.
An den Kapitalmärkten scheint die Sonne. Wie sollte es dieser Tage auch anders sein? Tokio vermeldet einen 150-jährigen Hitzerekord. In Rom werden die heißesten Temperaturen aller Zeiten gemessen. Der Klimawandel stellt eine große Herausforderung dar. 2022 betrug laut Berechnungen der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft der Schaden globaler Naturkatastrophen 270 Milliarden US-Dollar. 55 Prozent und damit mehr als die Hälfte davon war nicht versichert. Ich fürchte, an diese Zahlen werden wir uns wohl gewöhnen müssen. Ob die Kapitalmärkte überhitzt sind, wage ich natürlich nicht zu prognostizieren. Das eine oder andere Unternehmen scheint aber mittlerweile bereits in eine Schieflage geraten zu sein. Die Zahl der in „Probleme geratenen“ Anleihen ist seit 2021 um mehr als das 3,5-fache gestiegen.
In den USA gab es heuer schon 120 große Pleiten zu vermelden. Das Volumen der „distressed“ Anleihen beläuft sich global auf nahezu 600 Milliarden US-Dollar. Von diesem sind weniger als 15 Prozent wirklich pleite. Das bedeutet, dass Anleihenemissionen im Ausmaß von mehr als einer halben Billion US-Dollar nicht vereinbarungsgemäß getilgt werden könnten. Für Schuldner wird es zunehmend schwieriger, frisches Kapital aufzustellen. Die Renditen sind seit Monaten deutlich gestiegen und erhöhen die Zinsausgaben. Ausgenommen davon sind natürlich Finanzierungen mit einer Fixzins-Vereinbarung. Das betrifft sowohl Privatpersonen, Unternehmen aber auch Staaten. Mehr als 46 Länder der Welt müssen bereits heute mehr als 10 Prozent der Staatseinnahmen ausgeben, um die Zinsen bedienen zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen nächste Woche erneut anhebt, wird von Investoren auf nahezu 100 Prozent eingeschätzt. In diesem Umfeld kann ich mir schwer vorstellen, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht nachzieht. Die Lage auf der Inflationsfront scheint für die Notenbanker noch nicht geklärt.
Die Unternehmen haben spätestens seit der Lancierung von Chat-GPT den Fokus auf KI gelegt. Apple arbeitet mit Hochdruck an einem Konkurrenzprodukt. Konzernlenker Tim Cook will die künstliche Intelligenz aber „mit Bedacht“ einsetzen. Das Unternehmen notiert nahe dem Allzeit-Hoch und hat bei der Marktkapitalisierung vor kurzem als erstes Unternehmen überhaupt die 3-Billionen-US-Dollar Schwelle durchbrochen. Ähnliches gilt auch für Microsoft. Der Tech-Gigant ist nach Apple das zweitteuerste Unternehmen der Welt und wird an der Börse mit 2,7 Billionen US-Dollar bewertet. Nach der Ankündigung, dass künftig das KI-Tool 30 US-Dollar pro Monat kosten solle. Und das wiederum ist je nach Kunde und Paket eine Preiserhöhung von 53 Prozent bis 83 Prozent. Das ist ja einmal eine Ansage. Bisher wurde der Konzern vor allem mit dem Gründer Bill Gates in Verbindung gebracht. Unter dem aktuellen CEO Satya Nadella, der Steve Ballmer 2014 als Vorstandsvorsitzender abgelöst hat, ist der Börsenkurs um unglaubliche 1000 Prozent gestiegen. Damit wird er sich wohl auch einen Platz in der Microsoft-Ahnen-Galerie neben dem lieben Bill gesichert haben.
Googles Antwort auf den Microsoft-Suchmaschinen-Angriff lautet Bard! Laut einer Analyse von JP Morgan Chase ist die KI-Revolution für mehr als die Hälfte der Kursgewinne der amerikanischen Leitbörse S&P 500 verantwortlich.
Apropos Inflation: Während unseres Italienurlaubs haben wir natürlich auch Pizza gegessen. Der Preis einer Pizza Margherita ist seit 2019 um rund 7 Prozent angestiegen. Die vom Pizza-Koch benötigten Ingredienzien sind im gleichen Zeitraum deutlich mehr gestiegen. Der Pizza-Margherita-Ingredienzien-Basket stieg im Referenzzeitraum um 14 Prozent und damit doppelt so viel wie der Pizza-Preis. Das wird wohl nur mehr eine Frage der Zeit sein, bis die Restaurantbesitzer die Preissteigerung an den Konsumenten weitergeben werden. Abschließend noch eine Empfehlung eines Italien-Liebhabers: Es geht nichts über den einen oder anderen Espresso in einem belebten Café!
Samstag, 15. Juli: Altstars und unfassbare Zahlen
Dieser Tage verweilen meine Familie und ich in Italien. Als Espresso-Liebhaber zieht es mich immer wieder in das kleine Café um die Ecke. Der Espresso ist stark und energieeinflößend. An den Börsen steht die nächste „Earning-Season“ vor der Tür. Das sind jene Wochen, in denen die Unternehmen ihre Quartalszahlen offenlegen und über den Geschäftsverlauf berichten. Der Ausblick ist aufgrund der wirtschaftlichen Abwärtsdynamik etwas verhalten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat Investoren befragt, wann die Gewinne ihrer Einschätzung nach den Tiefpunkt erreicht haben. Über die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Unternehmensgewinne frühstens im 4. Quartal 2023 wieder wachsen werden. Obwohl die Unternehmensgewinne für das 1. Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 10 Prozent eingebrochen sind, sind die Börsenkurse weiter nach oben geklettert. Der Nasdaq-100 hat das erfolgreichste Halbjahr seiner Geschichte erlebt und konnte um knapp 40 Prozent zulegen. Das ist damit sogar mehr als in der Blütephase der Internetblase kurz vor der Jahrtausendwende. Investoren sollten sich aber auch bewusst sein, dass die Performance aktuell von lediglich wenigen Tech-Unternehmen getragen wird. Der breite Markt hinkt im Vergleich dazu deutlich hinterher. Das betrifft auch den österreichischen Aktienmarkt. Der ATX feierte vor wenigen Tagen ein Jubiläum. Vor mittlerweile 16 Jahren hat der österreichische Leitindex während des Handelstages die 5000er Schwelle erklommen und damit seinen bis damals unerreichten Höchststand. Nur zum Vergleich sei festgehalten, dass sich der S&P 500 seit damals, dank Technologieunternehmen, nahezu vervierfachen konnte. Eines hat uns die Börse aber immer wieder gelehrt: Die Gewinner von heute müssen nicht zwingend die Gewinner von morgen sein.
Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, welches Unternehmen überhaupt am profitabelsten ist und die höchsten Gewinne einfährt? Das profitabelste US-Unternehmen ist Apple. Der Tech-Gigant, der an der Börse vor wenigen Tagen als erstes Unternehmen die 3-Billionen-US-Dollar Schallmauer durchschreiten konnte, hat 2022 einen jährlichen Gewinn von 99,8 Milliarden US-Dollar ausgewiesen. Grund dafür ist vor allem die hohe Gewinn-Marge von 43 Prozent. Dahinter folgt der Energieriese Exxon-Mobile mit 55,7 Milliarden US-Dollar. Für Exxon war 2022 aber mit Sicherheit ein Ausnahmejahr. Im Vergleich zu 2021 konnten die Gewinne um 141,9 Prozent gesteigert werden. Grund dafür waren die stark steigenden Energiepreise. Auf Platz drei folgt mit JPMorgan Chase ein Vertreter aus dem Finanzsektor. Das Unternehmen hat 2022 Gewinne von 37,7 Milliarden US-Dollar einfahren können. Mit dem Pharmakonzern Pfizer (31 Milliarden) und Verizon Communications (21,3 Milliarden) schaffen es auch noch Unternehmen aus anderen Sektoren in die Top-5.
Spannend finde ich auch, dass es mit Tesla auf Rang 9 mit 12,6 Milliarden lediglich ein weiteres Tech-Unternehmen in die Top-20 der profitabelsten US-Unternehmen geschafft hat. Das sind unfassbare Zahlen. Um das noch ein bisschen zu verdeutlichen, bleiben wir noch einmal bei Apple. Das Unternehmen verdiente 2022 knapp 100 Milliarden US-Dollar. Das sind umgerechnet 273,4 Millionen US-Dollar pro Tag, 11,4 Millionen US-Dollar pro Stunde, 190.000 US-Dollar pro Minute oder 3165 US-Dollar pro Sekunde.
Um einen derart hohen Gewinn zu erwirtschaften, braucht Coca-Cola mehr als zehn Jahre, McDonalds mehr als 15 Jahre und Netflix sogar mehr als 20 Jahre. Es gibt aber noch ein Unternehmen, welches selbst das Unternehmen im kalifornischen Cupertino alt aussehen lässt. Der saudi-arabische Ölkonzern Aramco hat für 2022 einen Rekordgewinn verzeichnet und einen Überschuss von 161 Milliarden US-Dollar ausgewiesen. Insofern ist es wahrscheinlich wenig verwunderlich, dass Saudi-Arabien seit Kurzem zum Paradis für Fußballer mutiert und Altstars mit aberwitzigen Summen anlockt. Ob Christiano Ronaldos Prognose aufgeht und die Saudi Pro League bald zu den Top-4 Ligen der Welt gehören wird, wage ich dennoch zu bezweifeln.
Samstag, 8. Juli: Die Kraft des Zinseszinses
Mittlerweile bin ich – ob ich es nun wahrhaben will oder auch nicht – ein Dinosaurier in der Finanzbranche. In meinem Alter kann man sich glücklich schätzen, eine Espresso-Liebe entwickelt zu haben. Irgendwoher muss die Energie ja kommen.
Diese Woche hatte ich das Vergnügen, mit Top-Experten der DACH-Region im Rahmen meines CIO-Talks über ihre Positionierung und Markteinschätzung zu diskutieren. Meine wesentlichen Erkenntnisse möchte ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten. Die Ausrichtung der Gesellschaften bleibt defensiv. Eine weitere wirtschaftliche Abkühlung scheint unumgänglich. Dieses Umfeld bietet aber auch Chancen. Der Zins ist zurück. Für viele jüngere Veranlagungsexperten ist das ein Novum. Seit 2008 sind die Notenbanken auf Dauerfeuermodus eingestellt. Der erste Handelstag der deutschen Leitbörse DAX datiert am 1. Juli 1988. Der Index feiert damit seinen 35. Geburtstag. Investoren haben mit deutschen Aktien in Historie pro Jahr durchschnittlich 7,9 Prozent verdient. Der Jubilar kann damit sogar den MSCI World Index, der die größten Unternehmen der Welt repliziert, übertrumpfen. Das Weltportfolio hat im Vergleichszeitraum „nur“ 7,5 Prozent zugelegt. So weit, so gut! Wenn ein Investor aber in den letzten 35 Jahren sein Geld in der amerikanischen Leitbörse S&P 500 veranlagt hätte, könnte er sich über eine Performance von 10,6 Prozent freuen. Der Unterschied beträgt „nur“ 3,1 Prozent. Kein Grund zur Panik, oder?
Wenn man das aber über den langen Zeitraum betrachtet, erkennt man unweigerlich die Kraft des Zinseszinses. Mit einem DAX-Investment haben Investoren in den letzten 35 Jahren schneidige 1.316 Prozent verdient. Das ist schon ganz ordentlich, meinen Sie nicht auch? Wenn Sie aber anstelle dessen ihr Geld in amerikanische Aktien investiert hätten, könnten Sie sich über eine Performance von 3.272 Prozent freuen. 3,1 Prozent pro Jahr Unterschied summieren sich durch den Zinseszins im Laufe der Zeit damit auf 1.956 Prozent Performanceunterschied auf. Unglaublich, nicht wahr!
Als einer der wesentlichen Gründe für die deutlich bessere Wertentwicklung der amerikanischen Aktien kann die Digitalisierung und die Dominanz von Technologieunternehmen ins Feld geführt werden. Irgendwie hat es den Anschein, als würde die USA für Innovation und technologischen Fortschritt und Europa für Tradition und eine gewisse Behäbigkeit stehen. Vor 15 Jahren haben DAX-Unternehmen noch 4,2 Prozent der globalen Marktkapitalisierung für sich vereinnahmt. Im Vergleich dazu sind es gegenwärtig „nur“ 2,25 Prozent. Spannend finde ich aber auch, den Ursachen der Performance auf den Grund zu gehen.
Die großen Tech-Unternehmen geben den Takt vor. Apple konnte dieser Tage als erstes Unternehmen überhaupt die 3-Billion-US-Dollar-Grenze sprengen. Damit entspricht der Börsenwert des Tech-Giganten nahezu dem BIP von Großbritannien, der immerhin sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt. Und damit nicht genug. Ich möchte noch einen weiteren Vergleich ins Feld führen, um die unglaubliche Zahl von drei Billionen US-Dollar zu verdeutlichen. Der gesamte deutsche Aktienmarkt – und da gehen wir weit über die 30 DAX-Titel hinaus – repräsentiert eine Marktkapitalisierung von 1,3 Billionen Dollar. Der Börsenwert von Apple entspricht damit dem 2,3-fachen Wert aller 225 deutschen Unternehmen, die an der Börse notieren. Ob das gerechtfertigt ist? Mal abwarten.
Haben Sie sich eigentlich auch schon einmal die Frage gestellt, ob die High-Flyer der Vergangenheit auch in Zukunft den Markt übertreffen können? Dahingehend bin ich bei meiner Morgenlektüre auf eine sehr interessante Studie gestoßen. In einer empirischen Analyse wird die Entwicklung der Top-10 Unternehmen in den USA analysiert. Und zwar 10 Jahre bevor sie in die Top-10 (Marktkapitalisierung) vorgestoßen sind und 10 Jahre danach. In der Analyse wird der Zeitraum von 1927 bis 2021 berücksichtigt. Die wesentlichen Erkenntnisse möchte ich Ihnen, lieber Leser, natürlich nicht vorenthalten. Vor dem Erreichen der Top-Position nimmt die Outperformance im Zeitraffer zu. Auf 10-Jahressicht beträgt sie durchschnittlich 10,0 Prozent, auf 5-Jahressicht 19,3 Prozent und auf 3-Jahressicht 24,3 Prozent! Nachdem das Unternehmen in den Top-10 gelistet ist, nimmt der Trend aber deutlich ab. Die ersten drei Jahre kann noch eine durchschnittliche Outperformance von 0,7 Prozent erwirtschaftet werden, auf 5-Jahressicht oder 10-Jahressicht liegen die einstigen Highflyer mit -1,1 Prozent bzw. -1,5 Prozent hinter dem Gesamtmarkt. Was können wir daraus lernen? Der High-Flyer von heute muss nicht zwingend der High-Flyer von morgen sein! Und genau das fällt Investoren oftmals schwer. Menschen neigen dazu, die Vergangenheit auch in die Zukunft zu projizieren.
Samstag, 1. Juli: Trotz allem nimmt Risikoappetit zu
Das erste Halbjahr 2023 ist bereits wieder vorbei. Ich sitze gerade in meinem Lesesessel und trinke meinen Espresso, der mir neue Lebensenergie einhaucht. Nach dem verkorksten 2022er Jahr ergeht es dem Finanzmarkt gerade ähnlich. Es zeichnet sich ein positives Bild ab. Die Aktienmärkte sind zweistellig im Plus. Besonders positiv hat sich die Technologiebörse Nasdaq entwickelt. Und ja, bevor ich es vergesse, es gab auch einen Überraschungskandidaten, den wohl fast niemand auf der Rechnung hatte. Japanische Aktien erleben gerade ein kleines Revival.
Die Performance des Nikkei-225 liegt heuer annähernd auf dem Nasdaq-Niveau. Für langfristig orientierte Investoren ist das aber nur ein schwacher Trost. Der japanische Markt erlebte Ender der 1980er Jahre einen wahren Hype. Obwohl der Index heuer um mehr als ein Viertel zulegen konnte, liegt der Index noch immer unter dem Niveau von damals. Wenn jemand an der Spitze der Blase eingestiegen ist, hat er in mehr als 30 Jahren kein Geld verdient.
Im Vergleich dazu hat sich der amerikanische S&P 500 in dieser Zeitspanne nahezu versechsfacht. Noch ausgeprägter war das Comeback des Bitcoins, der sich seit Ende 2022 nahezu verdoppeln konnte. Im Vergleich zum Höchststand vom Oktober 2021 hat sich der Wert eines Bitcoins aber trotzdem mehr als halbiert. 2023 feiern auch Anleihen wieder ein Comeback. Nach trostlosen Jahren gibt es endlich wieder Zinsen. Spannend finde ich, dass Investoren gegenwärtig verstärkt Anleihen von Peripherieländern suchen. Der Risikoaufschlag von italienischen Staatsanleihen im Vergleich zu ihrem deutschen Pendant ist heuer um 0,5% zurückgegangen.
Interessanterweise nimmt aber der Risikoappetit der Investoren trotz einer spürbar abnehmenden Wirtschaftsdynamik zu. Der Rohölpreis ist in diesem Zusammenhang ein guter Indikator. Wenn der Wirtschaftsmotor stockt, sinkt die Nachfrage nach Öl und damit auch der Preis. 2023 ist der Rohölpreis der Marke Brent um mehr als zehn Prozent zurückgegangen. Irgendwie erleben wir gegenwärtig einen Bullenmarkt, der sich überhaupt nicht so anfühlt. Viele Marktteilnehmer hat es im ersten Halbjahr am falschen Fuß erwischt. Es gibt geopolitische Risiken, ein stark stotternder Konjunkturmotor und darüber hinaus noch hohe Inflationszahlen, die trotz der Interventionen der Notenbanken nicht so recht in den Griff zu bekommen sind. Die New Yorker Fed stuft beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleitet, auf rund 70 Prozent ein.
Diese Woche sind auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Klaus Neusser mit den neuesten Prognosen herausgekommen. Für 2023 lässt die hohe Inflation die Steuereinnahmen sprudeln. Die Forscher führen aber auch ins Feld, dass sich die heimische Wirtschaft in einer Stagnationsphase befindet und mit höheren Zinsen und einer hohen Unsicherheit zu kämpfen habe. Dadurch werde die private Investitionstätigkeit zurückgefahren und das wiederum senkt die Wachstumsaussichten. Für das heurige Jahr rechnen die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute mit Wachstumszahlen knapp über der Null-Linie. Auch in Bezug auf die Einschätzung der Inflation ist man sich einig. Für heuer wird mit einer Teuerungsrate von 7,5 Prozent gerechnet. Erst im nächsten Jahr soll sie auf 3,8 Prozent bis 4 Prozent sinken. In eine ähnliche Kerbe schlägt der aktuelle ZEW-Finanzmarkttest, der Analysten und Wirtschafts- und Finanzexperten über ihre Einschätzung befragt. Die aktuelle Einschätzung zur Konjunktur ist negativ. Die Befragten gehen mehrheitlich davon aus, dass in den nächsten Monaten die Lage unverändert ist oder sich sogar noch verschlechtert. Bei der Inflationsrate ist man sich hingegen einig. Mehr als 80 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Teuerungsrate in den USA und im Euroraum zurückgehen wird.
Spannend finde ich auch die Einschätzung in Bezug auf das Risiko und Ertragsprofil einzelner Anlageklassen. Für ein globales Aktieninvestment, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Gold wird ein positives Stimmungsbild attestiert. Bei Immobilien und Kryptowährungen sind die Befragten im Gegensatz dazu mehrheitlich negativ gestimmt.
Diese Woche haben sich auch Notenbanker beim EZB-Forum getroffen und über ihre Einschätzung diskutiert. EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwartet zwar einen Rückgang der Inflation. Die Marktteilnehmer gehen aber von weiteren Zinserhöhungen aus. Auch Fed-Präsident Powell erwartet sich noch zwei weitere Zinsschritte.
Abschließend machen wir noch einen Blick auf die Positionierung des Altmeisters Warren Buffet. Zu den absoluten Top-Holdings gehört Apple. Buffet war lange Zeit sehr technologieavers eingestellt und ist erst sehr spät auf den Zug aufgesprungen. Jetzt aber dafür mit einer ordentlichen Gewichtung. Von Diversifikation hat der Altmeister Zeit seines Lebens nie wirklich viel gehalten. Apple ist mittlerweile eines seiner erfolgreichsten Investments der letzten Jahrzehnte. Ob dieser Trend anhalten wird, wird uns erst die Zukunft weisen.
Samstag, 17. Juni: "Nur Tech macht fesch?"
Mein Espresso haucht mir neue Energie ein. Die habe ich heute auch bitter nötig, da ich sehr spät ins Bett gegangen bin. Gemeinsam mit meinem Sohn haben wir uns abends noch ein paar interessante YouTube-Beiträge angesehen. Die am meisten besuchte Website der Welt ist Google mit unglaublichen 83,9 Milliarden Aufrufen pro Monat. Dahinter folgt YouTube mit 32,7 Milliarden und Facebook mit 16,8 Milliarden Besuchern. Das sind unfassbare Zahlen, nicht wahr?
Apropos YouTube. Die Website wird in wenigen Tagen den ersten offiziellen Shopping-Kanal in Südkorea starten und den Besuchern 30 Marken per Livestream präsentieren. Irgendwie werden bei mir Erinnerungen an den einen oder anderen Shopping-Kanal wach, die in meinen Kindheitstagen in den 1980ern noch so populär waren. Irgendwie spannend, dass mehr als 30 Jahre später die größte Videoplattform der Welt auf ein ähnliches Konzept zurückgreift.
Kommen wir nun zu den Aktienmärkten, die kurz vor der Jahreshälfte auf eine ganz ansehnliche Wertentwicklung zurückblicken können. Die amerikanische Leitbörse S&P 500 hat seit Jahresbeginn um rund 15 Prozent zugelegt. Ohne Technologieunternehmen im Portfolio schaut die Lage aber ganz anders als. Lediglich sieben Unternehmen zeichnen für 84 Prozent der Gesamtperformance verantwortlich. Den größten Beitrag zur S&P 500 Wertentwicklung leistet Apple mit 18,8 Prozent, Microsoft mit 16,5 Prozent und Nvidia mit 14.8 Prozent. Damit machen diese drei Unternehmen 50 Prozent der Gesamtperformance aus. Und dem gegenüber stehen die anderen 497 Unternehmen, die in Summe auch 50 Prozent zur Index-Entwicklung beitragen. Das alte Sprichwort „Nur Cash macht fesch“ könnte man schön langsam in „Nur Tech macht fesch“ umwandeln. Naja, abgesehen vom Jahr 2022 natürlich.
Klassische ETFs versuchen, einen breiten Markt kostengünstig abzubilden. In den letzten Jahren ist das eines der Trendthemen schlechthin. Weltweit werden laut Morningstar rund 38 Billionen Dollar in Fonds veranlagt. Die größten Anbieter sind Vanguard mit 6,6 Billionen Dollar und iShares mit 2,9 Billionen Dollar, die gemeinsam einen Marktanteil von 25 Prozent für sich vereinnahmen und darüber hinaus zu den größten ETF-Anbietern der Welt zählen. iShares gehört BlackRock, dem weltweiten Branchenprimus. Das Unternehmen wurde 1988 gegründet, bietet eine breite Palette an Finanzprodukten und Dienstleistungen an und verwaltet auch das Geld von vermögenden Kunden. In Summe verwaltet BlackRock Vermögenswerte in der Höhe von 9 Billionen Dollar.
Ein nicht unerheblicher Teil wird in Aktien investiert. Zu den Top-Investitionen gehören Apple (170 Milliarden Dollar), Microsoft (155 Milliarden Dollar) oder auch Amazon (63 Milliarden Dollar). Der Börsenwert der Top-25 Investments beläuft sich auf über eine Billion US-Dollar und repräsentiert rund 30 Prozent des BlackRock-Aktien-Portfolios. Und damit gehört das Unternehmen bei vielen Unternehmen zu den Top-Aktionären. BlackRock kontrolliert z.B. 8 Prozent von Pepsi Co oder Waren Buffets Berkshire Hathaway, 7 Prozent von Coca-Cola oder Mastercard bzw. 6 Prozent von Amazon. Diese Liste lässt sich noch lange fortführen.
BlackRock ist damit in der Lage, durch die Ausübung von Stimmrechten das globale Wirtschaftsgeschehen maßgeblich mitzubestimmen. Dadurch steht der Investmentkonzern auch immer wieder in der Kritik. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum BlackRock seit 2021 großen institutionellen Investoren das Recht einräumt, bei Aktionärsversammlungen die Stimmrechte selbst auszuüben.
Abschließend kommen wir noch zu einem weiteren High-Performer. Der Bitcoin-Kurs konnte Mitte der Woche erstmals wieder die 30.000 US-Dollar Grenze durchbrechen und hat sich damit seit Jahresbeginn nahezu verdoppelt. Für all jene, die im November 2021 eingestiegen sind, ist das wahrscheinlich nur ein schwacher Trost. Denn 100 damals investierte Euro sind heute nicht einmal 50 Euro wert! Diese Schwankungsbreite ist unglaublich und selbst für mich als hartgesottenen Aktieninvestor nur schwer erträglich. Und auch hier spielt BlackRock vermutlich eine dominierende Rolle. Es wird bereits vermutet, dass der BlackRock Bitcoin ETF in Kürze von der US-Börsenaufsicht nach jahrelang vergeblichen Versuchen endlich durchgewunken werden könnte. Und das wiederum würde vermutlich auch den einen oder anderen institutionellen Investor, wie z.B. eine Versicherung oder ein großer Pensionsfonds zu einem Investment bewegen. Ob die Gerüchte stimmen, wird die Zukunft weisen. Eines ist für mich aber klar: Das hohe Ertragspotenzial bezahlen Bitcoin-Investoren mit der einen oder anderen schlaflosen Nacht!
Samstag, 17. Juni: Bewegung im elitären Billionärsklub
Wir sind mitten in einem Bullenmarkt. Aber irgendwie fühlt es sich nicht so an. Der wirtschaftliche Ausblick ist nebulös und vorsichtig formuliert verhalten. Die Inflation ist nach wie vor über den Zielwerten. Gerade in Europa fällte es trotz der intensiven Interventionen seitens der EZB schwer, die Inflationsraten spürbar nach unten zu drücken. Nichts desto trotz klettern die Aktienkurse nach oben. Die amerikanische Leitbörse S&P 500 hat beispielsweise seit dem Oktober-Tief um mehr als 20 Prozent zulegen können. Die Performance des Index wird aber nicht vom breiten Markt, sondern von den dominanten und hochgewichteten Playern gestützt.
Apple wird aktuell an der Börse mit einem Marktwert von 2,9 Billionen Dollar bewertet und damit das wertvollste aller 61.869 an den Weltbörsen gelisteten Unternehmen. Das entspricht in etwa dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Frankreich, immerhin der weltweit siebendgrößten Volkswirtschaft. Lediglich zwei weitere Unternehmen, Microsoft mit 2,5 Billionen Dollar und Saudi Arabian Oil mit 2,1 Billionen Dollar, werden aktuell mit mehr als 2 Billionen Dollar bewertet. Die Luft an der Spitze ist aber sehr dünn. Gemeinsam mit Alphabet (Google, 1,6 Billionen Dollar) und Amazon (1,3 Billionen Dollar) befindet sich seit kurzem auch Nvidia (1,0 Billionen Dollar) im elitären Billionärsklub, der nun aus sechs Unternehmen besteht. In Summe werden „nur“ 10 Unternehmen mit mehr als 500 Milliarden Dollar, 141 Unternehmen mit 100 Milliarden Dollar und 1660 Unternehmen mit mehr als 10 Milliarden Dollar bewertet.
Über die 1-Milliarde-Dollar Schwelle schaffen es immerhin noch 8887 und damit knapp 15 Prozent aller gelisteten Unternehmen. Die größten Unternehmen in Deutschland sind SAP (166 Milliarden Dollar), Siemens (142 Milliarden Dollar) und die Deutsche Telekom (102 Milliarden Dollar). In der Schweiz führen Nestle (315 Milliarden Dollar), Roche (254 Milliarden Dollar) und Novartis (226 Milliarden Dollar) das Ranking an. Damit sind sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz „nur“ drei Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Dollar bewertet.
Der österreichische Markt ist im Vergleich dazu deutlich kleiner. Mit Erste Group Bank (14,7 Milliarden Dollar), OMV (13,8 Milliarden Dollar) und Verbund (13,6 Milliarden Dollar) sind drei Unternehmen über der 10-Milliarden-Schwelle. Kommen wir noch einmal zum Börsenprimus Apple zurück. Das Unternehmen hat dieser Tage ein neues Allzeit-Hoch erklommen. Der bisherige Höchststand datiert vom Jänner 2022. Damit konnten die Verluste des für Technologieunternehmen schwierigen 2022er Jahr wieder wettgemacht werden.
Kommen wir nun zu den Notenbanken. Die US-Fed hat ihren Leitzins diese Woche nach zehn Zinserhöhungen in Serie nicht weiter erhöht und damit eine Pause eingelegt. Für 2023 erwarten die Fed-Mitglieder laut der veröffentlichten Zinsprojektion zwei weitere Zinsanhebungen um 0,25 Prozentpunkte. Die weiteren Schritte hängen von der Wirtschaftsdynamik und der Inflationsentwicklung ab. Im Gegensatz dazu geht die chinesische Zentralbank einen anderen Weg, in dem sie den Zinssatz für kurzfristige Kredite gesenkt hat, um die ins Stocken geratene Wirtschaftsdynamik anzuheizen. Die europäische Zentralbank hat wiederum die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte auf aktuell 4,0 Prozent angehoben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Inflationsentwicklung klar im Fokus, zuletzt aber auch darauf hingewiesen, dass auch die konjunkturelle Entwicklung als Richtschnur für geldpolitische Entscheidungen herangezogen wird. Auch wenn die EZB noch meilenweit vom anvisierten Inflationsziel von 2 Prozent entfernt ist, ist man trotz der hohen Inflation im Vergleich mit anderen Ländern immer noch gut bedient.
In Argentinien dürfte die monatliche Inflationsrate im Mai auf 8,8 Prozent gestiegen sein. Ja, lieber Leser, Sie haben richtig gelesen. Die monatliche Inflation! Auf Jahressicht beträgt die Rate aktuell 114 Prozent. Laut Prognosen dürfte die Dynamik zunehmen und die Inflationsrate Ende des Jahres auf 150 Prozent klettern.
Ein Immobilieninvestment ist der Realwert schlechthin. Gerade in Zeiten hoher Inflationsraten haben Realwerte, zu denen auch Aktien zählen, einen guten Schutz geboten. In Österreich ist trotzdem in den letzten Monaten die Nachfrage nach Wohnungseigentum um 80 Prozent gesunken. Die Bauwirtschaft repräsentiert alleine rund 7,5 Prozent des österreichischen BIPs. Der Nachfrageeinbruch ist u. a. auf das strengere Kreditvergabeverhalten der Banken und die steigenden Zinsen und damit teureren Kreditraten zurückzuführen. Ob die weitere Zinsanhebung der lieben Christine Lagarde dafür sorgen wird, die Nachfrage im Immobilienbereich erneut zu entfachen, kann damit ausgeschlossen oder zumindest bezweifelt werden.
Samstag, 10. Juni: KI und die eingepreiste Phantasie
Heute höre ich Vögel zwitschern, während ich frühmorgens meinen Espresso auf unserer Terrasse trinke. Unweigerlich muss ich schmunzeln, da mich dieses aufgeregte Gezwitscher an das aufgeregte Geschwätz an der Börse erinnert. Zu Beginn meines Berufslebens wurde definitiv noch vermehrt direkt kommuniziert. Mittlerweile hat sich das Gezwitscher auf das Internet und die Sozialen Medien verlagert.
Die Social-Media-Plattform Twitter hat das sogar in der Namensgebung verankert. Twitter bedeutet übersetzt Gezwitscher und die einzelnen Nachrichten der Anwender werden Tweets genannt, was wiederum zwitschern bedeutet.
Aber kommen wir zu dem Gezwitscher an den Kapitalmärkten. Gegenwärtig dreht sich alles um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Die Wertentwicklung der Aktienmärkte kann sich heuer durchaus sehen lassen. Die Gesamtperformance wird von wenigen Technologieaktien angetrieben, wohingegen der breite Markt deutlich zurückbleibt. Dieser Trend begleitet uns schon seit gut 15 Jahren. Wenn man sich das Verhältnis des breiten Marktes in Relation zu den großen Technologieunternehmen ansieht, befinden wir uns auf dem tiefsten Niveau seit Anfang 2000. Und damals waren wir bekanntlich in der Blütephase der Dotcom-Blase.
Im Nasdaq 100 sind die 100 größten gelisteten Technologieunternehmen enthalten. Und dieser Tech-Index wird von lediglich acht Unternehmen dominiert, die gemeinsam 57% vom Nasdaq 100 repräsentieren. Zu den Indexschwergewichten gehören klingende Namen wie Apple, Alphabet (Google), Amazon, Microsoft, Tesla, Nvidia, Meta (Facebook) und Broadcom. Die Euphorie und das Gezwitscher der Finanzmarktakteure lassen bei mir Erinnerungen an die Dotcom-Euphorie wach werden. Wir befinden uns definitiv in einem gigantischen technologisch getriebenen Transformationsprozess und KI ist mit Sicherheit das Trendthema der Stunde. In den aktuellen Kursen ist bereits viel "Phantasie" eingepreist. Ob diese Euphorie auch wirklich eintreffen wird, werden wir vermutlich erst in ein paar Jahren beantworten können.
Was tut sich sonst an den Kapitalmärkten. Das Feld führen heuer Aktien aus den USA, Europa und Japan an, die deutliche Zugewinne erwirtschaften konnten. Auf der Minusseite befinden sich im Gegensatz dazu chinesische Aktien, die aufgrund des schwächeren Wachstums und dem andauernden Konflikt mit den USA unter Druck geraten sind. Nach den guten Jahren 2021 und 2022 haben heuer Rohstoffe wieder Federn lassen müssen. Wenn man sich die Wertentwicklung auf Zehnjahressicht ansieht, gibt es einen klaren Gewinner. Während man mit US-Aktien durchschnittlich 11,9% verdient hat, erwirtschaften europäische und japanische Aktien mit 5,3% nicht einmal halb so viel.
Das hängt vor allem mit der Branchenstruktur zusammen. Während Europa beispielsweise für Industrie und Tradition steht, steht die USA für Technologie und Innovation. Interessant ist auch, dass Investoren die letzten zehn Jahre mit chinesischen Aktien lediglich einen Ertrag von durchschnittlich bescheidenen 2,1% pro Jahr erzielen konnten. Der BIP-Wachstumskaiser der letzten Jahrzehnte bleibt auf den Aktienmärkten deutlich zurück. Das ist wieder einmal ein Indiz dafür, dass man nicht zwingende in chinesische Unternehmen investieren muss, um von einer florierenden lokalen Wirtschaft profitieren zu können. In einer globalisierten Welt erwirtschaften viele Unternehmen einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Erträge in aufstrebenden Ländern wie China.
Wie sieht es mit anderen Veranlagungsklassen aus? Mit einem klassischen Staatsanleihenportfolio hat man die letzten 10 Jahre nichts verdient. Im Gegenteil, man musste sogar ein leichtes Minus hinnehmen. Im Anleihenbereich haben Unternehmensanleihen mit einer schlechteren Bonität langfristig das beste Ergebnis erzielen können. Abschließend kommen wir noch zu den reichsten Menschen der Welt. Der liebe Elon Musk hat es geschafft. Er hat sich den Platz an der Sonne als reichster Mensch des Planeten zurückerobert und den bisherigen Leader Bernard Arnauld unbarmherzig von seinem Thron gestoßen. Irgendwie passt das gut zum Zeitgeist: Technologie schlägt Luxusgüter!
Samstag, 3. Juni: Die KI-Entwickler und die Börsianer
Der Wonnemonat Mai ist bereits Geschichte. Geschichte hat diese Woche auch Nvidia geschrieben und sich seinen Eintrag in den Geschichtsbüchern gesichert. Das Unternehmen ist in den erlauchten Kreis von lediglich sechs Unternehmen eingetreten, die an der Börse mit mehr als einer Billion US-Dollar bewertet werden. Und das als erster Chip-Hersteller überhaupt. Die anderen Protagonisten sind alte Bekannte: Neben dem saudischen Ölförderer Saudi Aramco spielen auch die US-Konzerne Amazon, Apple, Microsoft und Alphabet (Google) in dieser Super-Liga mit.
Nvidia profitiert von dem KI-Boom. Generative KI wie z.B. ChatGPT benötigen viel Rechenpower, für den sich Grafikchips und besonders jene von Nvidia gut eignen. KI-Entwickler und Börsianer haben eines gemeinsam. Die einen reißen sich um die Chips, die anderen um Aktien des Unternehmens. Seit Jahresbeginn hat der Kurs um mehr als 180 Prozent zugelegt. Im letzten Geschäftsjahr erwirtschaftete Nvidia einen Umsatz von knapp 27 Milliarden Dollar und einen Jahresüberschuss von 9,75 Milliarden Dollar. Auch wenn KI das Trendthema der Stunde ist, ist hier bereits viel Phantasie und Wachstum in den Kursen eingepreist. Auch wenn der Umsatz für das laufende Quartal um rund 50 Prozent über den Erwartungen gelegen ist, wird von Nvidia jetzt erwartet, auch langfristig zu liefern. Wer steht denn eigentlich hinter Nvidia? Einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für PCs, Server und Spielkonsolen wurde im April 1993 gegründet, beschäftigt 22.500 Mitarbeiter und hat den Firmensitz in Santa Clara in Kalifornien.
Der Konzern nimmt gegenwärtig eine dominierende Rolle am Weltmarkt ein und vereinnahmt laut Schätzungen von J. P. Morgan bis zu 60 Prozent des weltweiten Umsatzes mit KI durch Hardwareprodukte. Der CEO des Unternehmens ist mehr als 30 Jahre nach der Gründung immer noch Jen-Hsuan Huang, der aktuell noch 3,5 Prozent der Nvidia-Aktien besitzt und damit hinter den Asset-Managern Vanguard (8,28 Prozent), Fidelity (5,38 Prozent), BlackRock (4,64 Prozent) und State Street (3,71 Prozent) der fünftgrößte Einzelaktionär des Unternehmens ist. Huang ist damit laut dem Bloomberg Billionärs Index mit einem geschätzten Vermögen von 36 Milliarden Dollar auf dem 34. Platz gelistet. Mehr als 22 Milliarden Dollar und damit auch mehr als 60 Prozent seines aktuellen Vermögens hat er seit Jahresbeginn aufgebaut. Wen wunderts, dass der liebe Jen-Hsuan, der von vielen auch Jensen genannt wird, der Rising-Star unter den Tech-Unternehmern ist.
Bis zum Branchenprimus der Technologiebranche Elon Musk, aktuell mit einem Vermögen von 190 Milliarden Dollar die Nummer zwei der Welt, fehlt aber doch noch ein bisschen. Aktuell führt das Ranking noch Bernard Arnauld vom Luxusgüterhersteller Louis Vuitton mit 192 Milliarden Dollar an. Es würde mich aber nicht wundern, wenn der heranstürmende Elon MUsk den Bernard Arnauld schon bald wieder vom Thron stoßt.
Kommen wir noch zu Deutschland, dem größten Wirtschaftsraum der Europäischen Union. Der Konjunkturmotor stottert gehörig. Die Wirtschaft ist in eine Rezession abgeglitten. Das bedeutet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum zweiten Mal in Folge geschrumpft ist. In der deutschen Industrie sind im März die Auftragseingänge um mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vormonat geschrumpft. Das ist der stärkste Rückgang seit April 2020. Der Ausblick bleibt zumindest für 2023 noch verhalten. Beim ZEW-Finanzmarktreport werden rund 350 Finanzexperten aus Banken, Versicherungen und großer Industrieunternehmen nach ihrer Einschätzung befragt. Im Vergleich zum April-Report hat sich im Mai die Konjunktureinschätzung deutlich eingetrübt. Für Deutschland und den Euroraum gehen rund ein Drittel der Experten davon aus, dass sich die Lage verschlechtern wird. Im Vergleich dazu wird die Situation für die USA mit minus 43,8 Prozent noch negativer eingestuft. Positiver Ausreißer ist China. Hier gehen nur 10 Prozent der Befragten von einer Verschlechterung aus.
Wenn dieses Szenario eintritt, ist mit einer Entspannung auf der Inflationsfront zu rechnen. Mehr als 80 Prozent der Finanzexperten gehen von einem Rückgang der Inflationsrate aus. Das wird aber laut ihrer Einschätzung nicht ausreichen, um den Zinsanhebungszyklus der Notenbanken abzubrechen. Knapp 80 Prozent prognostizieren einen weiteren Anstieg der kurzfristigen Zinsen in Europa. Mal schauen, ob das auch wirklich eintrifft. Wie heißt es so schön: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.
Samstag, 27. Mai: Zooms 215.900 Geschäftskunden
Das lange Wochenende steht vor der Tür. Nach einigen turbulenten Wochen freue ich mich schon sehr darauf, den einen oder anderen Espresso auf unserer Terrasse zu genießen. Unsere Wohnung haben wir 2015 gekauft. Gefühlt war es damals schon teuer, wenn man sich die Entwicklung der Immobilienpreise der letzten Jahre ansieht, war das wohl ein Trugschluss.
Seit dem Vorjahr haben sich die Rahmenbedingungen aber doch deutlich verändert. Die Einführung der verschärften Kreditvergaberichtlinien – als Käufer benötigt man zumindest 20% Eigenkapital, die Kreditrate darf 40% des Haushaltseinkommen nicht übersteigen, die maximale Laufzeit beträgt 35 Jahre – hat zu einer deutlich geringeren Nachfrage geführt. Darüber hinaus belasten die steigenden Zinsen die Haushaltsbudgets der Kreditnehmer mit variablen Zinsen und verteuern zudem neue Finanzierungen. Das führt auch dazu, dass manch ein Immobilienbesitzer Kasse macht und den durch die stark steigenden Immobilienpreise erwirtschafteten Gewinn abschöpft.
Dieses Umfeld hat dazu geführt, dass in Wien die Immobilienpreise laut dem Bloomberg City Tracker um 12,2% eingebrochen sind. Ein Quadratmeter kostet demnach gegenwärtig im Schnitt 7.084 Euro. Wien ist damit jene Metropolo, die im europäischen Vergleich den größten Preisrückgang verzeichnet hat. Dahinter folgt Stockholm mit einem Preisrückgang von -6,4% bzw. Dublin mit -2,4%. Im Vergleich dazu kostet ein Quadratmeter in Berlin gegenwärtig 5.143 Euro. Im Jahr 2023 sind die Preise um 1,0% gesunken. Ich persönlich gehe davon aus, dass Immobilien auch künftig zumindest einen Inflationsschutz bieten. Wichtig ist und bleibt aber die Lage.
Apropos Lage – wie geht es eigentlich der größten Wirtschaft der Welt? In den USA wird die Wahrscheinlichkeit einer Rezession laut Angaben der New York Fed aktuell mit 68% beziffert. Das ist immerhin der höchste Wert seit 1983! Auch hier merkt man, dass der Zinsanstieg die Konsumenten, die immerhin rund zwei Drittel der US-Wirtschaft schultern, belasten. In den letzten Jahren sind sowohl die Investitionsschulden (z.B. Immobilienkäufe) aber auch Konsumschulden (z.B. Kreditraten) deutlich gestiegen. Zu einem nicht unerheblichen Teil sind diese variabel verzinst. Das bedeutet, dass steigende Zinsen direkt an den Kreditnehmer weitergereicht werden. Und das wiederum ist ein gefährlicher Giftcocktail für all jene, die im Rausche der Nullzinspolitik den Bogen doch etwas überspannt haben.
An den Aktienmärkten zeichnet sich eine kleine Sensation ab. In den letzten Jahren haben europäische Indizes im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants deutlich Federn lassen müssen. 2023 verkehrt sich das Bild. Sowohl der DJ Euro-Stoxx-50 als auch der deutsche DAX konnten den amerikanischen S&P 500 deutlich übertreffen. Ausgenommen davon bleibt aber die Technologiebörse Nasdaq, die nach den herben Verlusten im Vorjahr heuer ein kleines Revival erlebt.
In den letzten Jahren haben sich Video-Calls auch im Geschäftsbereich etabliert. Der Anbieter Zoom hat diese Woche die Analystenerwartungen deutlich übertroffen. Mittlerweile gibt es 215.900 Geschäftskunden – mit 3.580 Kunden hat das Unternehmen mehr als 100.000 US-Dollar verdient. In den ersten Monaten der Coronaphase hat sich der Aktienkurs binnen weniger Monate verachtfacht. Das war natürlich eine absolute Übertreibungsphase. Nicht einmal drei Jahre später hat sich der Kurs wieder auf dem Vor-Corona-Niveau eingependelt. Ich bin schon gespannt, wie die Entwicklung weitergehen wird.
Blenden wir nochmals zurück ins Jahr 2022. Damals erlebten Energie-Unternehmen ausgelöst durch den Russland-Ukraine Konflikt ein wahres Revival. Die Unternehmen Exxon Mobil, Shell, Chevron, Total Energies und BP erwirtschafteten gemeinsam einen Gewinn von mehr als 200 Milliarden US-Dollar. Knapp 30% davon entfallen allein auf den Branchenführer ExxonMobil. Spannend finde ich auch, dass Chevron 2022 den größten Gewinn in der 115-jährigen Unternehmensgeschichte einfahren konnte. In den letzten 10 Jahren ist die Gewichtung des Energiesektors in einem globalen Aktienportfolio aber trotz der jüngsten Entwicklungen deutlich gesunken.
Von der regulatorischen Seite her wird versucht, die Finanzströme in eine nachhaltige Richtung zu lenken. Und genau hier steht der Klimawandel im Fokus der Überlegungen. Eine CO2-neutrale Ausrichtung ist und bleibt das Ziel vieler Unternehmen und Staaten. Insofern gehe ich persönlich nicht von einem Trendwechsel aus. Nur mit einer koordinierten und vor allem möglichst globalen Vorgehensweise wird es möglich sein, den Klimawandel, eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, abzufedern.
Samstag, 20. Mai: Künstliche Intelligenz und die Börsen
Im Wonnemonat Mai häufen sich die Feiertage. Mit den steigenden Temperaturen stellt sich für viele von uns auch die Frage, wohin es in wenigen Wochen in den Sommerurlaub gehen wird. Als wir das letzte Mal mit unseren Kindern am Meer waren, war das Problem des Plastikmülls unübersehbar. Laut düsteren Prognosen gibt es 2050 bereits mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren. Im Bereich der nachhaltigen Geldveranlagung wird dieses Problem immer häufiger thematisiert.
Laut Einschätzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) kann die Menge des weltweiten Plastikmülls bis 2040 um 80 Prorzent reduziert werden. Ziel ist es, noch heuer ein globales Abkommen zur Verringerung von Plastikmüll zu erreichen. Passend dazu gibt es in zwei Wochen ein Treffen in Paris. Genau in jener Stadt, in der schon das Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 von fast allen Ländern der Welt unterfertigt wurde. Das Übereinkommen hat das Hauptziel definiert, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten. Und genau dieses Abkommen wiederum ist ein wesentlicher Bestandteil des EU Aktionsplans, der die Finanzströme in eine nachhaltige Richtung lenken möchte. Von dieser Regulatorik sind zum Beispiel Banken, Versicherungen und andere Investoren betroffen.
Kommen wir nun zum Aktienmarkt. Das Trendthema an den Weltbörsen bleibt Künstliche Intelligenz. Der Chiphersteller NVIDIA zählt zu den großen Profiteuren der Investitionen in dem KI-Bereich. Das Unternehmen ist mittlerweile mit rund 750 Milliarden US-Dollar bewertet und ist der unumstrittene Best-Performer der amerikanischen Leitbörse S&P 500. Allein im heurigen Jahr konnte sich der Aktienkurs nahezu verdoppeln. Das zaubert allen Aktionären ein Lächeln auf die Lippen. NVIDIA CEO Jensen Huangs Vermögen beläuft sich auf 27,3 Milliarden US-Dollar. Laut dem Bloomberg Billionärs Index ist er damit der größte Gewinner unter den Tech-Millionären. Damit rangiert er bereits auf Platz 49 der Liste der reichsten Personen der Welt. Im Oktober 2022 – also vor etwas mehr als einem halben Jahr – betrug Huangs geschätztes Vermögen „lediglich“ elf Milliarden US-Dollar. Mich würde es nicht überraschen, wenn Huang im Laufe des heurigen Jahres noch einige Plätze im Bloomberg Billionärs Index nach oben klettert.
Viele Finanzmarktakteure haben auch Kryptowährungen im Fokus. Neben der „Leitwährung“ Bitcoin, die nach den herben Verlusten im Vorjahr 2023 deutlich zulegen konnte, gibt es noch eine Vielzahl an anderen Kryptowährungen. Seit dem ersten Krypto-Boom 2011 sind zehntausende Kryptowährungen an den Start gegangen. Einige davon waren sehr erfolgreich, andere nicht. Wie viele werden wohl auf Dauer überleben? Bei meiner morgendlichen Recherche stoße ich auf eine Analyse von CoinKickoff, in der die „Death Rate“ der Währungen dargestellt wird. Die größte Sterblichkeit weist das Jahr 2014 auf. Von den damals 793 aufgelegten Coins haben 76,5 Prozent nicht überlebt. Mehr als 50 Prozent aller bis 2017 aufgelegten Kryptowährungen existieren heute nicht mehr. Ich persönlich denke, dass die dahinterliegende Technologie durchaus Zukunftspotenzial hat. Nichtsdestotrotz führt mir diese Analyse eindrucksvoll vor Augen, welche Risiken hier schlummern und welche Bedeutung hier der Titelselektion zukommt. Für mich persönlich heißt es, den Familienurlaub zu planen. Die Wahl des Urlaubsortes ist für uns wahrscheinlich genauso wichtig wie die Coin-Wahl eines Kryptoinvestors.
Samstag, 13. Mai: "Aufruhr" in den USA
Diese Woche war ich drei Tage lang in Wien. Eine Stadt der Tradition und eine Stadt, in deren Zentrum die Habsburgermonarchie mehr als ein Jahrhundert nach deren Ablauf noch immer präsent ist. Mittlerweile leben wir in extrem schnelllebigen Zeiten. Das merkt man selbst in einem jahrhundertealten Kaffeehaus, das seit mittlerweile mehreren Hundert Jahren ihren Gästen Kaffee kredenzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass während der Kaiserzeit viele Geschäftsleute viele Stunden des Tages im Kaffeehaus verbracht haben.
Heute Morgen tummeln sich Menschen im Business-Outfit an der Theke, um einen schnellen Espresso einzunehmen, während sie ihre Smartphones in Arbeit haben. Einer der wichtigsten Informationsanbieter ist Google. Ganz egal ob es sich um eine einfache Google Suche, Google Maps oder sonst einen Dienst des Online-Giganten handelt. Seit einigen Monaten ist der Internet-Gigant ordentlich ins Schwitzen gekommen.
ChatGPT ist in aller Munde und viele KI-Experten sprechen bereits davon, dass die Künstliche Intelligenz die größte Revolution seit dem Internet, wenn nicht gar der größte Entwicklungsschritt der Menschheit sei. Der Google-Chef Sundar Pichai hat dieser Tage angekündigt, im Bereich der KI mit einer Vielzahl von neuen Anwenderfeldern zu kontern. Eines scheint klar. Die KI wird auch Google im Sturm erobern. Ganz egal, ob der Anwender seine Emails automatisiert von einer KI unter Berücksichtigung deren Wichtigkeit beantwortet oder bei der klassischen Google-Suche durch die KI unterstützt wird.
Wenig überraschend hat Google mit PaLM 2 bereits ein Konkurrenzprodukt zu ChatGPT auf den Markt gebracht. Der Kampf der Giganten kann beginnen. Der Google-Konzern Alphabet wird an der Börse mit mehr als 1,4 Billionen US-Dollar bewertet und beschäftigt knapp 190.000 Mitarbeiter. Noch sprudeln die Gewinne. Bei einem Jahresumsatz von ca. 280 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet der Konzern einen Gewinn von stolzen 60 Milliarden. Der Aktienkurs konnte seit Mitte März um mehr als 20 Prozent zulegen. Die Aktionäre scheinen davon auszugehen, dass Google den Transformationsprozess gut meistert und auch in Zukunft eine führende Rolle einnehmen wird.
Kommen wir zu einem anderen großen Thema an den Weltbörsen. In den USA ist ein Streit um eine Anhebung der Schuldenobergrenze entfacht. Wenn diese nicht angehoben wird, ist die größte Volkswirtschaft der Republik defacto zahlungsunfähig. Und diese wiederum würde laut Einschätzung der Finanzministerin Janet Yellen zu einem „steilen wirtschaftlichen Abschwung“ der USA führen. Yellen schätzt, dass bereits Anfang Juni der Tag kommen wird, an dem die USA ohne Anhebung der Schuldenobergrenze durch den Kongress nicht mehr in der Lage sein wird, ihre Rechnungen zu begleichen.
Laut einer Schätzung des White House Council of Economic Advisors gehen bei einer längerfristigen Zahlungsunfähigkeit 8 Millionen Jobs verloren. Das reale BIP würde unter diesen Umständen sogar um 6,1% einbrechen.
Ich persönlich hoffe und gehe eigentlich davon aus, dass die Tradition fortgesetzt wird und die Schuldenobergrenze nach dem typischen Ränkespiel der politischen Kräfte erneut angehoben wird. Auch die Investmentlegende Warren Buffet meldete sich dieser Tage zu Wort und hat den Umgang mit den jüngsten Unruhen im Bankensektor kritisiert und davor gewarnt, dass ein Schuldendeckel einen „Aufruhr“ ins Finanzsystem bringen könne. Die Lage bleibt weiter angespannt.
Darüber hinaus finde ich sehr spannend, dass der liebe Warren bekanntgab, dass Apple das beste Unternehmen im Portfolio von Berkshire Hathaway sei. Buffets Unternehmen ist hinter der Vanguard Group der zweitgrößte Investor und besitzt 5,66% der Apple Aktien mit einem Börsenwert von knapp 150 Milliarden US-Dollar. Das Paradeprodukt iPhone ist das umsatzstärkste Produkt der Welt und zeichnet sich für 52% der Apple-Einnahmen verantwortlich.
Bei einem Gesamtumsatz von 394 Milliarden US-Dollar sind das immerhin 205 Milliarden. Und das ist mehr als der Gesamtumsatz von Microsoft (198 Mrd.), J.P. Morgen (132 Mrd.) oder auch Coca-Cola (43 Mrd.). Abschließend möchte ich noch einen Schwenk auf die Vorstandsebene machen.
Für die Top-CEOs global tätiger Unternehmen stehen laut einer Umfrage von McKinsey drei Trendthemen im Fokus, die einen großen Einfluss auf ihr Unternehmen haben. Neben disruptiven digitalen Technologien sehen noch das Risiko der hohen Inflation und geopolitische Unsicherheiten ganz oben auf der Agenda. Ich bin schon sehr gespannt, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen wird. Ob Warren Buffet eines Tages eine Künstliche Intelligenz ablösen wird, wage ich dennoch zu bezweifeln!
Samstag, 6. Mai: Der breite Markt hinkt hinterher
Meine Espressomaschine stammt aus Italien. Die Äpfel im Obstkorb stammen aus der Steiermark. Aber als ich meinen Blick durch unsere Wohnung schweifen lasse, entdecke ich einige Gegenstände von amerikanischen Unternehmen. Dazu gehört auch der andere Apfel, der ein Mobiltelefon ziert. Die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt. Nahezu ein Viertel des Welt-BIPs wird von Uncle Sam gestemmt. In den USA sind auch die größten Börsen beheimatet. Und die USA hat auch mich persönlich dieser Tage in ihren Bann gezogen.
Zu Wochenbeginn haben wir die nächste Bankenpleite in den USA erlebt. Die kalifornische First Republic wurde übers Wochenende vom Staat "geschlossen". Anleger und Sparer haben in den letzten Wochen mehr als 100 Milliarden US-Dollar abgezogen. Vertrauen ist immer noch das größte Gut. Der Branchenprimus JPMorgan sprang in die Bresche und hat das ins Straucheln geratene Institut übernommen. Ob damit Ruhe einkehren wird, wagte nicht einmal der JPMorgan-Vorstandsvorsitzende Jamie Dimon zu prognostizieren.
Mittwoch tagte die amerikanische Notenbank. Fed-Präsident Jerome Powell hat die Leitzinsen wie erwartet erneut um 0,25 Prozent auf 5,00 Prozent bis 5,25 Prozent angehoben. Nach der zehnten Erhöhung liegen die Leitzinsen auf dem höchsten Wert seit 2007. Um die Inflation zu bändigen, hat die Notenbank aggressiv die Zinsen erhöht. Als Kollateralschaden hat diese Strategie auch zu den Turbulenzen im Bankensektor beigetragen. Die Inflation geht in den USA spürbar zurück und lag im März bei "nur" noch fünf Prozent und damit auf dem niedrigsten Wert seit Mai 2021. Die Fed hat auch den üblichen Passus zu weiteren Zinserhöhungen aus dem schriftlichen Statement gestrichen. Es hat für mich den Anschein, dass wir in den USA bereits das Ende der Fahnenstange erreicht haben.
Davon kann Österreich gegenwärtig nur träumen. Laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria betrug die Inflationsrate im April 9,8 Prozent. Wifo-Chef Felbermayr hat bereits angekündigt, dass die März-Inflationsschätzung von sieben Prozent nach oben revidiert werden müsse. Das ist auch im europäischen Vergleich außergewöhnlich. In Österreich steigt das Preisniveau seit 20 Jahren stärker als im EU-Durchschnitt. 2003 war das Preisniveau in der Alpenrepublik acht Prozent über dem EU-27-Schnitt, aktuell liegt es bereits 15 Prozent darüber. Damit verliert Österreich, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, an Wettbewerbsfähigkeit.
In der Eurozone liegt die Inflationsrate aktuell bei sieben Prozent und damit deutlich über dem EZB-Ziel. Präsidentin Christine Lagarde hat erwartungsgemäß einen Tag nach der Fed die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozent auf aktuell 3,75 Prozent angehoben. Solange es hier keine Entspannung gibt, würde ich im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank mit weiteren Zinserhöhungen rechnen. In diesem Umfeld ist es wenig verwunderlich, dass das Kriseninvestment Gold ein neues Jahreshoch erreicht hat.
Kommen wir zu den Aktienmärkten. Der amerikanische S&P 500 konnte 2023 trotz aller Turbulenzen zulegen. Die Frage stellt sich aber, ob diese Performance von einigen wenigen oder von vielen Schultern getragen wird? Die Top-20-Unternehmen sind im S&P 500 mit knapp 30 Prozent gewichtet. Darunter finden sich klingende Namen, wie z. B. Amazon, Alphabet (Google), Tesla, Meta (Facebook) oder auch Nvidia. Spannend finde ich, dass die Top-20-Unternehmen aber mehr als 90 Prozent der positiven Gesamtperformance auf ihren Schultern tragen. Die restlichen 480 Unternehmen oder der breite Markt hinkt im Vergleich dazu deutlich hinterher. Von einer breiten Aufwärtsbewegung würde ich daher nicht sprechen.
Und ewig grüßt das Murmeltier. In den USA warnt Finanzministerin Janet Yellen bereits davor, dass bereits Anfang Juni die Schuldenobergrenze erreicht werden könnte, sollte der Kongress sich nicht über eine Anhebung einigen können. In diesem Fall ist die USA nicht mehr in der Lage, allen Verpflichtungen nachzukommen. Die Schuldenobergrenze wurde 1917 eingeführt, um die Regierung zu ermächtigen, mit der Ausgabe von Anleihen die Ausgaben des 1. Weltkrieges zu finanzieren. Ziel war es, den Schuldenberg nicht in lichte Höhen wachsen zu lassen. Seit damals wurde die Schuldenobergrenze Dutzende Male angehoben. Die aktuelle Obergrenze von 31,4 Billionen US-Dollar ist bereits erreicht. Um die Rechnungen begleichen zu können, müssen Reserven angezapft werden. Und diese sind bekanntlich begrenzt.
Präsident Biden ist bereits umtriebig und versucht den US-Kongress zu überzeugen, rasch zu handeln und damit eine Zahlungsunfähigkeit der größten Volkswirtschaft der Welt zu vermeiden. Mich würde es nicht wundern, wenn wir in typischer Hollywood-Manier in den nächsten Wochen ein Auf und ein Ab erleben werden, bevor der Held in letzter Sekunde das Unheil abwendet. Janet Yellen hat bereits Geschichte geschrieben. Sie war die erste Frau, die den Vorsitz der Federal Reserve im Jahr 2014 übernommen hat und darüber hinaus auch die erste Frau, die als Finanzministerin angelobt wurde. Für meinen Geschmack reicht das. Die liebe Janet muss auch nicht die erste Frau und Finanzministerin sein, in deren Regentschaft die USA zahlungsunfähig wurde.
Samstag, 29. April: Es geht so richtig zur Sache
In unserer Küche stehen noch zwei leere Flaschen eines Limonadenherstellers, die meine Kinder stehen gelassen haben. Diese bunten, süßen Durstlöscher sind zu meinem Leidwesen der absolute Renner und für uns als Eltern ist es schwierig, den Konsum möglichst einzudämmen. Im Durchschnitt sind zwei Stück Würfelzucker pro 100 Milliliter enthalten. In diesem Zusammenhang bin ich froh, dass ich meinen morgendlichen Espresso ganz ohne Zucker genieße.
Das Geschäft mit Zuckergetränken ist aktuell zwar hochprofitabel, Investoren drängen z. B. den Lebensmittelriesen Nestlé bereits dazu, das zuckerhaltige Produktsortiment zu verringern, und ein gesünderes Angebot bereitzustellen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es für mich als Teenager ein absolutes Highlight war, einmal ein Cola zu trinken. Coca-Cola erwirtschaftet Umsätze in der Höhe von 43 Milliarden US-Dollar und ist darüber hinaus hochprofitabel. Der Nettogewinn beläuft sich auf knappe zehn Milliarden US-Dollar. Als Europäer kann man es gar nicht glauben, dass Pepsi mit 86 Milliarden US-Dollar doppelt so viel umsetzt als der Erzrivale. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass damit am Ende des Tages auch ein höherer Gewinn übrigbleibt. Der Nettogewinn von Pepsi ist mit neun Milliarden US-Dollar durchaus herzeigbar. Allerdings ist die Marge – also das, was von jedem erzielten US-Dollar als Gewinn übrig bleibt, im Vergleich zu Coca-Cola nur halb so hoch. Das mag auch daran liegen, dass PepsiCo 315.000 Mitarbeiter beschäftigt, wohingegen Coca-Cola mit "nur" 82.500 Mitarbeitern das Auslangen findet.
Diese Woche geht es an den Aktienmärkten so richtig zur Sache. Knapp ein Drittel aller Unternehmen der S&P-500-Konzerne legen ihre Quartalsergebnisse vor. Darunter finden sich auch die Tech-Giganten Microsoft und Alphabet (Google), welche ganz gute Ergebnisse präsentieren konnten. Klar scheint auch, dass für viele Unternehmen das Themenfeld Künstliche Intelligenz (KI) immer stärker in den Fokus rückt.
Man merkt aber auch, dass es deutlich schwieriger wird, Geld zu verdienen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Unternehmensgewinne das zweite Quartal in Folge rückläufig. Auch für das nächste Quartal zeigt die Prognose-Uhr deutlich Richtung Süden. Besonders stark werden die Gewinne des Energiesektors zurückgehen. Das zeigt wieder einmal eindrucksvoll, welches außergewöhnliche Jahr 2022 für den ganzen Energiesektor war. Eine Ausnahme bildet der Finanzsektor, der nach vielen harten Jahren der Nullzinspolitik wieder zum Höhenflug ansetzt. Im 1. Quartal 2023 sind die Gewinne der S&P-500-Banken um 7,5 Prozent gestiegen. Laut Einschätzung der Analysten dürfte sich der Trend in den nächsten Quartalen weiter beschleunigen.
Kommen wir noch zu den reichsten Menschen der Welt. Das Ranking des Bloomberg Billionaires Index führt nach wie vor der Franzose Bernard Arnault mit einem geschätzten Vermögen von 209 Milliarden US-Dollar vor Tesla-Gründer Elon Musk (162 Milliarden US-Dollar) und Amazons Jeff Bezos (127 Milliarden US-Dollar) an. Bernard ist seit 1989 CEO des weltweit größten Luxusgüterkonzerns Louis Vuitton SE (LVMH). In den Top Ten dominieren jedoch ansonsten US-Tech-Unternehmer. Auf dem 9. Rang hat sich aber dieser Tage schlicht und heimlich ein "Exote" eingeschlichen. Françoise Bettencourt-Meyers ist Französin und die einzige Frau, die im elitären Klub der zehn reichsten Menschen der Welt aufgenommen wurde. Die liebe Françoise ist die Erbin von L'Oréal, dem größten Kosmetikunternehmen der Welt.
Das Unternehmen wurde von Eugène Schueller, dem Großvater von Françoise, im Jahr 1909 gegründet. Der Chemiker stellte einst in seiner Küche Haarfärbemittel her und verkaufte sie an Friseure. Spannend finde ich, dass das Vermögen von Bettencourt-Meyers, die 33 Prozent des L'Oréal-Konzerns besitzt, allein heuer um mehr als 20 Milliarden US-Dollar auf aktuell 94 Milliarden US-Dollar angestiegen ist. Schönheit und Luxus sind anscheinend auch krisenresistente Geschäftsfelder.
Abschließend heißt es auch für mich eine (nicht ganz so schwere) Entscheidung zu treffen. Obwohl die Tage nun wieder wärmer werden, werde ich auf eine Cola verzichten und meinem geliebten Espresso treu bleiben.
Samstag, 22. April: Am Puls der Zeit
Im Frühjahr herrscht Aufbruchstimmung. Und es ist auch immer die Zeit der Prognosen und Neuausrichtung. Der IWF kommt mit seiner Wachstumsprognose und Analysten nutzen die sogenannte "Earning Season", in der die Unternehmen ihre Quartalsergebnisse präsentieren, um ihre Prognosen anzupassen.
Die Bank of America führt in regelmäßigen Abständen eine Umfrage unter Fondsmanagern mit dem Ziel durch, ein aktuelles Stimmungsbild einzufangen. Das ist ein spannendes Unterfangen. Fondsmanager werden zum Beispiel befragt, ob sie aktuell Aktien übergewichten oder untergewichten. Im April 2023 sind die Fondsmanager so vorsichtig positioniert wie seit März 2009 nicht mehr. Das muss aber nicht zwingend ein Verkaufssignal sein. Damals im März 2009 waren die Aktienmärkte nach der Lehman-Pleite auf dem absoluten Tiefpunkt und das wiederum war der Beginn einer außergewöhnlichen Aktienmarkt-Rallye. Ähnliches haben wir im Mai 2020 gesehen. Auch damals war die Unsicherheit nach dem ersten Corona-Lockdown sehr hoch. Doch auch das hat die Aktienkurse nicht davon abgehalten, in den Folgemonaten von einem Höchststand zum nächsten zu klettern.
Blenden wir wieder ins Jahr 2023 zurück. Wir kämpfen nach wie vor mit einer hohen Inflation. Die Wachstumsprognosen werden sukzessive zurückgenommen. Und darüber hinaus scheinen die Notenbanker sich nicht im Klaren darüber zu sein, ob man in diesem Spannungsfeld die Zinsen weiter anheben oder doch lieber senken sollte. Niemand kann die Zukunft vorhersehen. Nicht einmal Fondsmanager, die am Puls der Zeit sind und auf ihren Bildschirmen im Sekundentakt mit Informationen versorgt werden.
Im Laufe meines Berufslebens habe ich aber gelernt, dass Emotionen die Handlungen wesentlich beeinflussen. Wenn die negativen Nachrichten und Probleme überhandnehmen, sind wir Menschen tendenziell negativ gestimmt. Und es erfordert viel Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, um in diesem Umfeld auch einmal zuzugreifen und die Chancen zu nutzen.
Blenden wir nochmals zur "Earning Season", die in dieser Woche so richtig an Fahrt aufgenommen hat. Weltweit haben bereits etwas mehr als fünf Prozent der Unternehmen ihre Quartalsgewinne offengelegt. Die Mehrheit der Unternehmen haben die Erwartungen übertroffen. Mit Spannung werden die Kennzahlen von den großen Tech-Giganten erwartet. Eines scheint aber auch klar. 2023 werden viele Unternehmen Rekord-Dividenden ausschütten. Das trifft vor allem auf europäische Unternehmen zu. Laut einer ersten Einschätzung erhöhen 27 der 40 DAX-Unternehmen ihre Dividende. Lediglich vier von den deutschen Börsenschwergewichten zahlen keine Gewinnausschüttung. In Summe können sich Aktionäre über rund 50 Milliarden Euro freuen. Im Krisenjahr 2022 haben die DAX-Konzerne die Ausschüttung im Vergleich zum Vorjahr, dem bisherigen Rekordjahr, um neun Prozent übertroffen. Das ist für mich ein weiteres Indiz dafür, dass Aktien langfristig betrachtet einen guten Inflationsschutz bieten.
Kommen wir noch zum Anleihenmarkt. In den letzten Jahren sind sowohl die Zinsen aber auch die Schuldenlast deutlich angestiegen. Die Staaten der Welt sind laut IWF durchschnittlich mit 93 Prozent in Relation zum BIP verschuldet. Die britische NGO Debt Justice sieht vor allem Probleme für ärmere Länder mit hoher Auslandsverschuldung. Wenn es eng werden sollte, lohnt es sich vielleicht einmal bei Apple nachzufragen. Der Tech-Gigant bietet seinen Kreditkarten-Kunden jetzt auch ein Konto mit einer 4,15-prozentigen Verzinsung an. Das führte zu größeren Mittelzuflüssen.
Es hat irgendwie den Anschein, dass Apple immer gezielter daran arbeitet, ein veritables Bankgeschäft aufzubauen. Irgendwie drängt sich für mich die Frage auf, ob Apple eines Tages die Hausbank von heute ersetzen wird? Aus heutiger Sicht würde ich das als sehr unwahrscheinlich einstufen. Aber eines ist auch klar: Für den Banker im Nadelstreif ist es nicht die Zeit des Ausruhens. Es ist die Zeit des Ärmelaufkrempelns, um im Ansturm der Tech-Giganten nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Samstag, 15. April: Was ChatGPT nicht beantworten kann
Das Wetter dieser Tage ist äußerst bescheiden. Ein Blick aus dem Fenster verheißt auch heute kaltes und regnerisches Wetter. Während ich meine Kaffeebohnen vom Italiener meines Vertrauens in meine Kaffeemaschine fülle, stelle ich mir unweigerlich die Frage, ob Carlo seinen Espresso im Gegensatz zu mir bereits im morgendlichen Sonnenschein genießen kann? Zeit für mich, die Künstliche Intelligenz anzuwerfen. Eine Abfrage später weiß ich, dass es in Österreich, Deutschland und der Schweiz ca. 145 Tage im Jahr regnet. Im April sind es zwischen zwölf und 14 Regentage. Carlo erlebt in einem Jahr nur 96 Regentage. Aber auch hier ist der April mit zehn Regentagen nur knapp über dem Jahresdurchschnitt. Wieder einmal bin ich sehr beeindruckt von den Fähigkeiten der neuen KI-Attraktion.
In Bezug auf die Notenbankpolitik scheiden sich die Geister. In diesem Lebensbereich kann mir aber auch die KI nicht weiterhelfen. Soll die US-Fed oder die EZB weiter die Zinsen anheben und damit die Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung fortführen? Oder soll genau das Gegenteil gemacht werden und die Zinsen wieder zu senken, um den stotterten Wirtschaftsmotor wieder zum Laufen zu bringen? Der Markt geht einmal davon aus, dass die US-Notenbank im Mai die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte anheben wird. Und das mit einer knapp 70-prozentigen Wahrscheinlichkeit! Für die Sommermonate werden von manchen bereits Zinssenkungen prognostiziert.
Und wie reagiert die EZB? Der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann sieht den Kampf gegen die Inflation nach wie vor als oberste Priorität und schließt eine weitere Zinsanhebung um 0,50 Prozentpunkte in der nächsten EZB-Sitzung am 4. Mai definitiv nicht aus. Auch Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau sieht die Inflation als hartnäckig an. Er sprach davon, dass die EZB jetzt von einem "Sprint" zu einem "Langstreckenrennen" übergehe. Will Villeroy de Galhau nun andeuten, dass die EZB weiter konsequent die Zinsen anheben wird? Allerdings in einem gemütlicheren Tempo als bisher? Wir werden sehen.
In diesem Umfeld kommt wenig überraschend auch der Immobilienmarkt unter Druck. Allein die Finanzierungskosten haben sich seit Ende 2021 mehr als vervierfacht. So heftig und in so kurzer Zeit sind die Finanzierungskosten seit Ende der 1980er-Jahre nicht mehr gestiegen. Kommen wir nun zur Wirtschaft.
Der Internationale Währungsfonds publiziert im April traditionellerweise seine Wachstumsprognosen. Für 2023 wird für die Weltwirtschaft ein Wachstum von 2,8 Prozent bzw. für 2024 von 3,0 Prozent in Aussicht gestellt. Auch wenn sich im Vergleich zur letzten Prognose die Aussichten etwas verschlechtert haben, scheint 2023 der Boden erreicht zu sein. Der Ukraine-Krieg hat vor allem die Industriestaaten getroffen. Die Zugpferde bleiben Indien und China, während Deutschland, die Eurozone aber auch die USA im Vergleich dazu eher wie ein lahmer Gaul wirken. Als Risikofaktor sieht der IWF den Finanzsektor, der in den letzten Wochen den Kollaps von Banken in den USA und der Schweiz verarbeiten musste. Darüber hinaus bleiben die hohe Inflation, steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie steigende Finanzierungskosten ein Problem.
Im Jahr 2023 sind Tech-Aktien wieder in. So konnte beispielsweise der technologielastige Nasdaq-100 den breiten Markt deutlich hinter sich lassen. Wenn man sich die Zusammensetzung des Index einmal im Detail ansieht, repräsentieren lediglich sieben Unternehmen mehr als die Hälfte des Börsenwertes des gesamten Nasdaq-100. Eines haben Microsoft, Apple, Alphabet (Google), Amazon, Nvidia, Meta (Facebook) und Tesla gemeinsam. Alle legen den Fokus auf Künstliche Intelligenz (KI). In China formieren sich Alibaba, Tencent oder auch Baidu. Das KI-Match scheint sich zwischen China und den USA zu entscheiden. Europäische Unternehmen dürften in diesem Bereich deutlich hinterherhinken.
Spannend finde ich aber, dass Österreich chinesische KI-Lösungen europaweit verbieten will. Stein des Anstoßes sind angestrebte Regulierungsmaßnahmen von Chinas Internetregulierungsbehörde, die u. a. sicherstellen möchte, dass die von der KI-produzierten Inhalte mit den sozialistischen Grundwerten des Landes übereinstimmen müssten. Ist das die moderne Version des Kalten Krieges, in dem sich die Westmächte, angeführt von USA, und der sogenannte Ostblock unter der Führung Russlands jahrzehntelang in den Haaren lagen? Gegen Russland hat sich die USA durchgesetzt. Aber wird Uncle Sam im Kampf mit den chinesischen Drachen auch reüssieren? Diese Frage konnte mir ChatGPT leider nicht beantworten.
Samstag, 8. April: Bohnen, Banken und Roboter Aloys
In der Fastenzeit war an den Börsen einiges los. Gerade der Bankensektor hat – ausgelöst durch die Pleite der Silicon Valley Bank – in den letzten Wochen stürmische Zeiten erlebt. Darüber hinaus musste auch die eidgenössische Institution Credit Suisse die Segel streichen. Während ich an meiner Kaffeemaschine stehe und beobachte, wie mein Espresso wohlriechend in meine Tasse rinnt, muss ich unweigerlich an die US-Banken denken. Denen ist im März nämlich buchstäblich das Geld zwischen den Fingern zerronnen. Die Bohnen in meiner Kaffeemaschine sind so etwas wie die Spareinlagen bei den Banken. Wenn man auf den Knopf drückt, wird der Behälter immer leerer.
Die Bankkunden waren in den letzten Wochen im Dauerdrückermodus. Im März haben Konsumenten knapp 400 Milliarden US-Dollar an Bankeinlagen abgezogen. Das ist der größte monatliche Rückgang in der US-Banken-Geschichte. Und diese Einlagen sind der Treibstoff der Banken. Ohne sie können sie beispielsweise keine Kredite vergeben. Eine Bank ohne Einlagen ist wie eine hochwertige Kaffeemaschine ohne Bohnen. Und eines wird uns wieder einmal klar und deutlich vor Augen geführt: Das größte Problem einer Bank ist der Vertrauensverlust! Im Falle der Finanzinstitute sollte diese Redewendung leicht adaptiert werden: Das Geld ist ihnen zur Tür raus geronnen.
Bleiben wir noch in den USA. Der ISM-Einkaufsmanager-Index ist ein beliebter Vorlaufindikator. Im Rahmen einer Umfrage werden Einkaufsmanager von Unternehmen über ihre aktuelle Einschätzung und ihren Ausblick befragt. Der Ausblick ist im fünften Monat in Folge gefallen und deutet einen Schrumpfkurs bzw. vielleicht sogar in weiterer Folge eine Rezession an. Eines ist aber klar. Die Wirtschaftsdynamik hat bereits deutlich abgenommen. Und das wiederum ist ein globales Phänomen. An den Aktienmärkten scheint diese Woche der Osterfrieden einzukehren. Noch einmal Luft holen, bevor ab Mitte April die Berichtsaison so richtig an Fahrt aufnimmt. Im 4. Quartal 2022 sind die Gewinne für den S&P 500 um 3,2 Prozent gesunken. Großer Ausreißer war der Energiesektor, der seine Gewinne ausgelöst durch den Russland-Ukraine-Konflikt und die damit verbundene Energieknappheit um knapp 60 Prozent steigern konnte. Für 2023 haben die Analysten ihre Prognosen sukzessive zurückgefahren. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit!
Spannend finde ich auch eine Analyse der Performance nach Kalendermonaten. Der April war für Aktieninvestoren der beste Monat, der September der schlechteste.
Abschließend kommen wir noch zur Künstlichen Intelligenz (KI), die mittlerweile schon sehr ausgereift scheint. So hat beispielsweise ChatGPT die österreichische Zentralmatura oder auch die Jura-Prüfung der juristischen Universität bestanden. Auch wenn noch vieles, was von ChatGPT ausgeworfen wird, falsch sein mag, ist das schon eine deutliche Ansage. Passend zu den Osterferien macht die KI scheinbar auch vor den österreichischen Schipisten nicht halt. Und Vorsicht: Das ist definitiv kein nachgelagerter Aprilscherz! Der Ischgl-Touristiker Aloys denkt Roboter-Schilehrer an. Für mich ist das nach wie vor schwierig, mir einen Stanzel singenden und Witze erzählenden Roboter vorzustellen, der Kinder und Touristen auf unseren Schipisten bespaßt. Aber das mag auch an mir und meiner Vorstellungskraft liegen. Forscher der University of Pennsylvania gehen davon aus, dass in rund 80 Prozent der Jobs mindestens eine Aufgabe durch KI schneller erledigt werden könnte. Und das wiederum kann laut Einschätzung von Goldman Sachs dazu führen, dass rund zwei Drittel aller Arbeitsplätze einem gewissen Grad der KI-Automatisierung ausgesetzt sind. Weltweit sprechen wir dabei von 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen!
Im Frühjahr ist auch der Saisonstart für die Donauschifffahrt, die aktuell aber mit einem massiven Personalmangel zu kämpfen hat. Vielleicht wäre auch hier ein Roboter-Kapitän die Lösung? Bei all den Gedanken kommt mir irgendwie Arnold Schwarzeneggers "I'll be back" als Terminator in den Sinn. Vorab aber wünsche ich Ihnen, lieber Leser, frohe Ostern!
Samstag, 1. April: Wenn Zinsen aufs Budget drücken
Irgendwie habe ich seit der Zeitumstellung noch immer einen "Mini-Jetlag". Dagegen kann selbst ein doppelter Espresso wenig ausrichten. Ob mir da ein vorgezogenes Frühstück Abhilfe schaffen kann?
Bei diesem Gedanken schweife ich in eine längst vergangene Zeit zurück, als ich als Kind bevorzugt meine Cornflakes mit kalter Milch zum Frühstück verspeiste. Der amerikanische Traum ist in den 1980ern sogar bis in die Steiermark vorgedrungen. Die Frage, ob ich frühstücksmäßig zu meinen Wurzeln zurückkehren soll, erübrigt sich, da ich in unserer Küche keine Cornflakes finde. Wussten Sie eigentlich, dass der Arzt John Kellogg gemeinsam mit seinem Bruder Will Kellogg Cornflakes bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt haben, da sie ein gesundes vegetarisches Grundnahrungsmittel für ihre Patienten gesucht haben? Die von Will gegründete Firma heißt seit 1922 Kellogg Company. Das Unternehmen beschäftigt heute weltweit rund 30.000 Mitarbeiter und wird an der Börse mit etwas mehr als 20 Milliarden US-Dollar bewertet. Das ist definitiv kein kleiner Fisch. In den letzten Jahren blieb die Performance von Kellogg aber deutlich hinter jener der Highflyer zurück.
Bleiben wir bei Uncle Sam. Die USA haben mittlerweile mehr als 31 Billionen US-Dollar an Schulden angehäuft. Etwas mehr als sieben Billionen US-Dollar werden von ausländischen Kreditgebern finanziert. Der größte Kreditgeber ist Japan mit etwas mehr als einer Billion US-Dollar. China hält aktuell US-Staatsanleihen im Ausmaß von 867 Milliarden US-Dollar und liegt damit vor Großbritannien mit 655 Milliarden auf Rang zwei. Die Abhängigkeit der USA gegenüber Fernost wird dadurch ersichtlich, dass Japan und China gemeinsam mehr als ein Viertel aller von Ausländern gehaltenen US-Staatsanleihen halten.
Spannend finde ich auch einen Blick in die Historie. Zwischen 2002 und 2013 hat China die Position in US-Staatsanleihen von 100 Milliarden US-Dollar auf den Rekordwert von 1,3 Billionen US-Dollar aufgebaut. Seit damals wurde das Engagement deutlich zurückgefahren. Erst 2019 hat Japan China als größten ausländischen Kreditgeber abgelöst. Die Lage in den USA ist mittlerweile äußerst angespannt. Das liegt zum einen an der hohen Schuldenlast, die mittlerweile auf ein Niveau von 129 Prozent in Relation zum BIP geklettert ist. Darüber hinaus beträgt das Budgetdefizit gegenwärtig minus 5,8 Prozent. Damit stehen die USA nur unwesentlich besser da als das europäische Sorgenkind Italien.
In den vergangenen Monaten sind die Zinsen deutlich angestiegen. Inwiefern sich das auf die einzelnen Staatsbudgets auswirkt, hängt im Wesentlichen vom Refinanzierungsbedarf und der Neuverschuldung ab. Und auch hier könnte es für die USA kritisch werden, da ein Großteil der Anleihen bereits in den nächsten Jahren auslaufen werden. Allein in den nächsten beiden Jahren laufen gerundete 40 Prozent der US-Staatsanleihen im Ausmaß von zehn Billionen US-Dollar aus. Gemeinsam mit dem jährlichen Budgetdefizit müssen die USA also knapp zwölf Billionen US-Dollar neu und zu deutlich höheren Konditionen als in der Vergangenheit refinanzieren. Um das zu verdeutlichen, noch ein kleines Rechenbeispiel: Der Zehn-Jahres-Zins ist seit 2020 um drei Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass bei gleichbleibenden Bedingungen die Finanzierungskosten der zwölf Billionen US-Dollar jährlich um 360 Milliarden US-Dollar teurer sind als noch 2020. Und das ist nur unwesentlich weniger, als die USA für Forschung und Entwicklung ausgeben.
Dieses Phänomen betrifft aber nicht nur Staaten, sondern auch Privatpersonen. Die Nachfrage für Wohnbaukredite ist in den letzten Monaten spürbar zurückgegangen. Das hängt zum einen mit den höheren Zinssätzen, aber auch mit den strengeren Vergaberichtlinien der Banken zusammen. Laut OeNB liegt der Durchschnittszinssatz bei Wohnbaukrediten in Österreich bei 3,33 Prozent und damit deutlich über dem Vorjahreswert von 1,18 Prozent. Umgerechnet bedeutet das, dass sich die Zinsausgaben für Privatpersonen von 148 Millionen Euro auf 284 Millionen Euro innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt haben.
Das wird wohl zweifelsohne eine ordentliche Delle in dem einen oder anderen Haushaltsbudget hinterlassen. Bleibt für mich noch die Frage offen, ob ich nun Cornflakes auf unsere Einkaufsliste setzen soll?
Samstag, 25. März: Ist "Too big to fail" steigerbar?
Zu Wochenbeginn war irgendetwas anders. Das ist verwunderlich, denn mein Montagmorgen begann wie jeden anderen Tag im Jahr mit einem Espresso, während ich über die Börsen und das Weltgeschehen in aller Ruhe nachdenke. Ob das etwas damit zu tun hat, dass wir am Wochenende einen ordentlichen Frühjahrsputz gemacht und uns von einigen Dingen getrennt haben? Wohl eher nicht.
Aber ein anderer Verlust macht mir irgendwie zu schaffen. Die schweizerische Institution Credit Suisse wurde zu Grabe getragen. Ein Unternehmen, welches mich Zeit meines Berufslebens begleitet hat. Nicht immer im positiven Sinne. Es gab schließlich einige Skandale, die letztlich das Vertrauen der Kunden bis ins Mark erschüttert haben. Und ohne Vertrauen kann keine Bank überleben. Der große Bruder UBS musste in die Bresche springen und war bereit, das angeschlagene Institut für drei Milliarden Schweizer Franken zu kaufen. Ob hier auch der Druck der Politik oder der SNB eine Rolle gespielt hat? Die Credit Suisse wurde ja als "Too big to fail" eingestuft.
Für mich stellt sich die Frage, ob für das neue Institut eine Steigerungsform von "Too big to fail" eingeführt werden muss? Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was "Too big to fail" überhaupt bedeutet? Prinzipiell werden damit Unternehmen bezeichnet, deren Pleite gravierende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben würde. Das Unternehmen ist schlicht und einfach zu groß und wirtschaftlich mit anderen Stakeholdern zu sehr vernetzt, um es in die Insolvenz gehen zu lassen. In diesem Fall eilt der Staat als Retter in der Not zu Hilfe. Auch wenn der Begriff auf die Finanzkrise 2008 infolge der Lehman-Pleite zurückgeht, liegt der Ursprung bereits in den 1980ern, als die Continental Illinois National Bank – immerhin die siebendgrößte Bank der USA – als "Too big to fail" oder systemrelevant gerettet wurde.
Die G20-Länder – ein Zusammenschluss der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer – haben den Finanzstabilitätsrat (FSB) eingerichtet, welcher seit 2011 jährlich eine Liste der systemrelevanten Banken publiziert. Ein Zusammenbruch dieser Banken hätte laut Einschätzung der Experten verheerende Folgen für das Finanzsystem, die Realwirtschaft und damit auch für Unternehmen und private Haushalte. Aus diesem Grund gelten für sie verschärfte Anforderungen. Systemrelevante Banken müssen z. B. einen größeren Kapitalpuffer haben, um gegen Krisen besser gewappnet zu sein. Auf der aktuellen Liste des FSB finden sich neben der UBS und der Credit Suisse noch 28 weitere Institute, wie z. B. JPMorgan Chase, die Bank of America, ING, die Deutsche Bank oder Barclays. Und jetzt ist es erstmals so, dass zwei dieser 30 systemrelevanten Banken miteinander fusionieren.
Die UBS und Credit Suisse verwalten Vermögen in der siebenfachen Höhe des Schweizer Bruttoinlandsproduktes. Der größte Assetmanager der Welt ist BlackRock mit einem verwalteten Vermögen von 9,5 Billionen US-Dollar vor Vanguard mit 8,1 Billionen US-Dollar. Durch den Zusammenschluss der beiden schweizerischen Großbanken kommt die "neue" UBS auf ein verwaltetes Vermögen von 5,9 Billionen US-Dollar und schafft es damit auf das Podium der Top drei Assetmanager.
Kommen wir nun zu den Notenbanken, die in diesen Tagen vor der Herausforderung stehen, eine Bankenkrise abzuwenden und die hohen Inflationsraten einzufangen.
Am Mittwoch dieser Woche hat der Präsident der US-Notenbank Jerome Powell eine weitere Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte verkündet. Das ist bereits die neunte Zinsanhebung in Folge. Mit steigenden Leitzinsen setzt die Fed den Kampf gegen die Inflation fort. Das aber wiederum ist Gift für den in Trubel geratenen Bankensektor. Noch Anfang März hat Powell verdeutlicht, dass die amerikanische Notenbank bereit sei, das Tempo der Zinsschritte wieder zu erhöhen. Zur Erinnerung: Im Vorjahr wurden die Leitzinsen mehrmals um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Durch den Kollaps mehrerer kleiner US-Banken hat Powell den Fuß aber augenscheinlich doch etwas vom Gas genommen. Durch den Zinsanstieg werden Kredite für Unternehmen und Privatpersonen teurer. Dadurch ist davon auszugehen, dass weniger Geld für Investitionen und den privaten Konsum zur Verfügung stehen.
In den USA trägt der Konsum der privaten Haushalte immerhin rund zwei Drittel zur Wirtschaftsleistung bei. Für einige US-Bürger ist die Situation schon ziemlich angespannt. 2022 waren 41 Millionen Menschen auf staatliche Lebensmittel-Hilfen angewiesen. Das sind immerhin zwölf Prozent der Bevölkerung. Die Zahl ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Anfang des Jahrtausends waren es noch 17 Millionen oder sechs Prozent der Bevölkerung. Besorgniserregend empfinde ich auch, dass die Zahl der Lebensmittel-Gutscheinbezieher die Anzahl der Arbeitslosen von rund sechs Millionen deutlich übersteigt. Die USA sind anscheinend nicht nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch ein Land der "working poor".
Kommen wir nach Europa. Auch die EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat wieder einmal klar und deutlich kommuniziert, dass die EZB den Fokus auf der Preisstabilität hat und die Inflation auf mittlere Sicht wieder in Richtung Zwei-Prozent-Marke führen möchte. Nachdem das "nicht verhandelbar" ist, würde es mich nicht verwundern, wenn weitere Zinserhöhungen ante portas stehen. Die Kapitalmärkte sind gut ins Jahr 2023 gestartet, in den letzten Wochen aber doch etwas unter Druck gekommen. Die Frage, ob an den Finanzmärkten auch ein Frühjahrsputz bevorsteht, kann ich Ihnen erst im Juni beantworten.
Samstag, 18. März: Alarmglocken statt Kuhglocken
Schwarz ist eine interessante Farbe. Das Herzstück der Wiener Kaffeehäuser ist und bleibt ein kleiner Schwarzer. Der starke, schwarze Kaffee ohne Milch und Zucker lässt das Herz eines Espresso-Liebhabers höher schlagen. Unternehmen wiederum können rote und schwarze Zahlen schreiben. Auch in diesem Fall ist die Farbe schwarz positiv besetzt. Der Ursprung liegt in der fernen Vergangenheit, als negative Zahlen in roter Farbe geschrieben und damit herausgehoben wurden. Und dann gibt es noch die vielsagende Redewendung: Ich sehe schwarz!
Als Börsianer kommt mir natürlich auch der 24. Oktober 1929 in den Sinn, der als Schwarzer Freitag in die Börsengeschichte eingegangen ist und als Auslöser der Großen Depression und der Weltwirtschaftskrise gilt. Und dann hätten wir auch noch den Schwarzen Schwan. An der Börse wird damit ein plötzliches, unerwartetes und sehr seltenes Ereignis beschrieben, welches große Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und den Finanzmarkt hat. Einzig in Bezug auf selten bin ich mir nicht sicher, ob der von Nassim Taleb geprägte Begriff nicht einmal überarbeitet werden sollte. An der Börse sind Schwarze Schwäne gefühlt allgegenwärtig.
In meinen ersten Berufsjahren habe ich beispielsweise 9/11 oder die Lehman-Pleite hautnah miterlebt. Beide Ereignisse fanden im September statt. Wen wundert es, dass bei mir jedes Jahr im September die Alarmglocken läuten. Bei einer genaueren Überlegung sollte ich das aber tunlichst überdenken. Im März 2020 erlebten wir den ersten Corona-Shutdown. Vor etwas mehr als einem Jahr ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Beide Ereignisse würde ich von ihrer Dimension auch als Schwarzer Schwan betrachten. Und nun im März 2023 sorgt der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank für Aufsehen und setzt die Börsen vorübergehend in Schockstarre.
Seit 2001 sind 563 US-Banken gescheitert. Die Pleite der Silicon Valley Bank dürfte ein bedrohliches Ausmaß annehmen. Der Kollaps war der größte seit der Finanzkrise 2008 und der zweitgrößte in der US-Geschichte überhaupt. Die Rating-Agentur Moody's sieht sich bereits veranlasst, den Ausblick für den Bankensektor aufgrund der Vertrauenskrise von "stabil" auf "negativ" herabzustufen. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass viele Investorengesichter Sorgenfalten zieren.
Auch die europäische Credit Suisse (CS) kämpft dieser Tage mit Liquiditätsproblemen. Am Mittwoch brach die Aktie in der Spitze um 30 Prozent auf ein Allzeit-Tief ein. Auslöser war die Sorge, dass die Pleite der Silicon Valley Bank eine globale Schockwelle auslöst und die geschwächte schweizerische Traditionsbank Credit Suisse mit in den Abgrund reißt. In der Schweiz läuten die Alarmglocken. Die CS wird bis zu 50 Milliarden Euro von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) aufnehmen, um ihre Liquidität zu stärken. Als Sicherheiten wird die Bank "erstklassige" Vermögenswerte einbringen. Die Credit Suisse kämpft mit einer Vertrauenskrise und ist damit die erste global systemrelevante Bank seit der Finanzkrise, die maßgebliche Unterstützungsmaßnahmen erhält.
Die Credit Suisse verarbeitet viele Skandale. Bankenchef Ulrich Körner lässt keinen Stein auf dem anderen und plant tiefgreifende Umstrukturierungen. Bleibt zu hoffen, dass die Alarmglocken bald wieder von den Kuhglocken abgelöst werden.
Wie kam es überhaupt zu dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank? Die Bank ist im Silicon Valley, dem Mekka der Tech- und Start-up-Branche, beheimatet. Die Bank hat sich darauf spezialisiert, Start-ups vor allem aus der Tech-Branche zu finanzieren. Durch den Tech-Boom in den 2010er-Jahren sind die Einlagen von Unternehmen und deren Gründer exorbitant gestiegen. Und zwar so weit, dass die Summe der Einlagen die Summe der Kredite deutlich überragt hat. Die Bank hat daraufhin viel Geld in vermeintlich sichere Staatsanleihen investiert. Solange der Ertrag bei Staatsanleihen höher ist als die Zinsen, die die Bank den Sparern für ihre Einlage bezahlen muss, ist das ein rentables Geschäft. Im Vorjahr fand der Tech-Boom ein jähes Ende. Das führte zu einer Entlassungswelle und einer Reorganisation vieler Unternehmen. Die außer Kontrolle geratene Inflation hat zu steigenden Zinsen geführt, was wiederum zu einem beträchtlichen Wertverlust von Anleihen geführt hat. Die vermeintlich krisensichere Assetklasse erlebte 2022 ein Horrorjahr.
Laut einer Studie von Professor Edward McQuarrie von der Santa Clara University war es für US-Anleiheninvestoren sogar das schlechteste Jahr aller Zeiten. Das will was heißen, denn seine Analysen gehen 250 Jahre zurück. Langlaufende US-Staatsanleihen verloren 2022 mit minus 29,3 Prozent mehr als der amerikanische Aktienmarkt mit minus 18,1 Prozent. Die unter Druck geratenen Tech-Unternehmen zogen systematisch ihre Einlagen von der Silicon Valley Bank ab. Um die Einlagen auszahlen zu können, musste die Bank Anleihen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt mit hohen Verlusten verkaufen. Das blieb nicht unbemerkt. Die Gerüchteküche brodelte. Aus Angst davor, ihr Geld nicht mehr zurückzubekommen, haben viele Unternehmen große Geldbeträge abgezogen. Nachdem an einem einzigen Tag ganze 42 Milliarden US-Dollar abgehoben wurden, kam es zu einer behördlichen Schließung der Bank. Die Pleite war damit besiegelt.
In diesem Umfeld bleibt die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank um weitere 0,50 Prozentpunkte nahezu ein "Randereignis". Was können wir daraus lernen? Die Bank war branchenmäßig nicht ausreichend diversifiziert, da die Mehrzahl der Kunden aus dem Tech-Sektor stammt. Wenn dieser in Probleme gerät, hat das fatale Auswirkungen. Wie heißt es so schön: Diversifikation ist der einzige Free-Lunch! Darüber hinaus hat die Bank mit den Einlagen der Kunden "spekuliert". Der sogenannte Leverage-Effekt hat sich in der Krise so richtig entfalten können. Auch hier habe ich eine alte Börsenweisheit zur Hand: Der Kredit ist der siamesische Zwilling der Spekulation!
Ob die Pleite der Silicon Valley Bank auch als Schwarzer Schwan in die Geschichte eingehen wird, wage ich gegenwärtig noch zu bezweifeln. Für mich persönlich stellt sich die Frage, ob ich meine Grundnervosität von September künftig auf Februar/März verlagern sollte?
Samstag, 11. März: Von Verdiensten der US-Chefs
Heute Morgen bin ich durch die Wiener Innenstadt geschlendert. Unweigerlich ist mir ein Starbucks-Logo ins Auge gestochen. Irgendwie passt das nicht in mein Bild von Wien mit seinen traditionellen Kaffeehäusern und grantigen Kellnern. Als ich so vorbeischlenderte, werde ich beinahe von einer jungen Frau mit einer "Tall Latte" in der Hand, die hastig aus der Filiale schreitet, angerempelt. Als bekennender Espresso-Liebhaber kann ich nur sagen: Zum Glück ist nichts passiert, Frau und Kaffee sind unversehrt.
Unweigerlich muss ich an den Starbucks-Index denken, der analog dem Big-Mac-Index den Preis eines Tall Latte in unterschiedlichen Ländern angibt. Starbucks betreibt mittlerweile 32.000 Geschäfte in über 80 Ländern dieser Welt. Die Bandbreite des Kaffeepreises reicht von 7,17 US-Dollar in der Schweiz bis 1,31 US-Dollar in der Türkei. Überrascht hat mich, dass der Tall Latte in Deutschland mit 4,49 US-Dollar um mehr als einen US-Dollar teurer ist als in Österreich 3,48 US-Dollar.
Spannend finde ich auch, wenn man den Preis eines Kaffees in Relation zum Einkommen setzt. Während Menschen in Kambodscha 86 Prozent ihres Tageslohnes ausgeben müssten, kostet ein Tall Latte einem US-Amerikaner lediglich 2,1 Prozent.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie viel die Topverdiener der S&P-500-Unternehmenslenker verdienen? Der Topverdiener heißt Peter Kern, der CEO des Online-Reiseanbieters Expedia. Kern verdiente inklusive Bonuszahlungen 296,2 Millionen US-Dollar. Das ist das 2897-fache des Mediengehalts seiner Mitarbeiter. Mit David Zaslav von Warner Bros. Discovery mit 246,6 Millionen US-Dollar und dem Amazon-Chef Andrew Jassy mit 212,7 Millionen US-Dollar verdienen drei Manager über 200-Millionen-Dollar.
Sie werden sich wahrscheinlich auch fragen, wie viel Tim Cook, CEO von Apple, dem wertvollsten Unternehmen der Welt, verdient? Cook hat 98,7 Millionen US-Dollar eingestreift und ist damit der am siebendbeste bezahlte S&P-500-Chef. Spannend finde ich auch das Gehalt von Eric Yuan, dem Gründer und CEO von der Videokonferenzplattform Zoom, die gerade in den ersten Coronajahren einen enormen Zuwachs verzeichnen konnte. Seit 2022 ist aber etwas Sand im Getriebe. Eric Yuan hat sich von 15 Prozent seiner 1300 Mitarbeiter trennen müssen. Aber auch er hat seinen Gürtel enger geschnallt und sein Jahresgehalt auf 6304 Dollar heruntergeschraubt. Auch wenn er es mit einem geschätzten Vermögen von 4,1 Milliarden US-Dollar verkraften wird, wird diese Geste sowohl von Mitarbeitern als auch Aktionären wertgeschätzt.
Und nun kommen wir noch zur Frage, wie alt denn die Chefs der großen Unternehmen überhaupt sind? Das Durchschnittsalter liegt bei 57 Jahren. Der jüngste in diesem elitären Managerkreis ist ein gewisser Mark Zuckerberg. Seines Zeichens Gründer und CEO von Meta (ehemals Facebook). Neben Zuckerberg sind lediglich drei weitere Manager noch in ihren Dreißigern.
Machen wir einen Schwenk nach China. Das aufstrebende Land hat sich selbst ein Wachstumsziel von fünf Prozent für 2023 gesetzt. Volkswirte sind bisher sogar von einem höheren Wachstum ausgegangen, da der Industrieoutput und die Konsumentenausgaben nach dem Ende der Corona-Restriktionen einen wahren Rebound erleben.
Apropos Rebound. In diesem Zusammenhang ist wohl auch Tesla zu nennen. Einer der Verlierer des Jahres 2022 gehört, trotz des Preisrückganges in den letzten Tagen, zu den großen Gewinnern 2023. Der Trend zu Aktien scheint weiter anzuhalten. Elon Musks Vorzeigeunternehmen führt auch das Ranking der beliebtesten Aktien privater Investoren an. Spannend finde ich, dass in der Top-Ten-Liste sich auch zwei ETFs, die in den breiten Aktienmarkt und damit in eine Vielzahl von Unternehmen investieren, wiederfinden. Auffallend ist auch, dass prominente Namen wie Amazon, Apple, Alphabet, Meta und Microsoft nichts an Attraktivität verloren zu haben scheinen.
Diese Woche stand auch wieder ganz im Zeichen des US-Notenbankpräsidenten, der in einer vielbeachteten Rede mehr Tempo bei den Zinserhöhungen in Aussicht stellt und damit die Märkte unter Druck setzte. Oberkellner Jerome wird uns Investoren wohl Zinserhöhungen der Marke Espresso anstatt eines Latte macchiato servieren.
Samstag, 4. März: Die salzige Suppe von Uncle Sam
Heute Morgen bin ich mit dem Zug unterwegs. Als ich aus dem Fenster blicke, erkenne ich aus der Ferne das gelbe Logo einer amerikanischen Fast-Food-Kette. Ob die wohl auch einen guten Espresso verkaufen?
In den letzten Jahrzehnten haben sich viele US-Unternehmen auch in Europa einen Namen gemacht und zum Teil eine nahezu monopolartige Stellung eingenommen. Dazu brauche ich gar nicht weit schauen. Auf dem Tisch vor mir liegt ein Mobiltelefon mit einem Apfel-Logo, auf dem ich gerade danach google, wie groß der US-Aktienmarkt eigentlich ist. In den USA leben aktuell rund 330 Millionen Menschen oder vier Prozent der Weltbevölkerung. Damit ist man das drittbevölkerungsreichste Land der Welt. Allerdings doch mit deutlichem Respektabstand zu China und Indien, in denen jeweils 1,4 Milliarden Menschen leben.
Von der wirtschaftlichen Seite her ist die USA aber immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt und trägt knapp 25 Prozent zum Welt-BIP bei. Die Dominanz der US-Wirtschaft hat in den letzten Jahren durch den stetigen Fortschritt Chinas etwas gelitten. Seit den 1870er-Jahren ist die USA die größte Volkswirtschaft der Welt. Und es scheint sich anzudeuten, dass China bereits in diesem Jahrzehnt die mehr als 150 Jahre Vormachtstellung beendet und zur größten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen wird.
Das dürfte Uncle Sam wohl gehörig die Suppe versalzen. Auf meiner Recherche stoße ich auf eine Analyse, die die größten Börsen der Welt vergleicht. Die großen Börsen in den USA sind die New York Stock Exchange (NYSE) und die technologielastige Nasdaq. An der NYSE sind gegenwärtig 2400 Unternehmen mit einem Börsenwert von 22,8 Billionen US-Dollar gelistet. An der Nasdaq notieren sogar 3700 Unternehmen, die mit 16,2 Billionen US-Dollar bewertetet sind. Gerade im letzten Jahrzehnt haben Tech-Aktien die Performance-Listen angeführt. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der US-Börsen an der Welt-Marktkapitalisierung von knapp unter 30 Prozent auf aktuell 42 Prozent angestiegen ist. Und das wiederum ist deutlich mehr als der Anteil am Welt-BIP.
Dahinter folgt die Shanghai Stock Exchange mit einer Marktkapitalisierung von 6,7 Billionen US-Dollar auf dem dritten Rang. Spannend finde ich, dass auf der größten chinesischen Börse mit 1600 Unternehmen doppelt so viele notieren wie auf der Euronext. Die Euronext ist ein Börsenverbund aus den Handelsplätzen Paris, Amsterdam, Mailand, Brüssel, Dublin, Oslo und Lissabon. Der Börsenwert aller Euronext-Unternehmen liegt bei 6,1 Billionen US-Dollar. Die Japan Stock Exchange (5,4 Billionen US-Dollar) vollendet die Top fünf. Spannend finde ich auch eine Umfrage von PWC unter potenziellen Börsenkandidaten. Knapp zwei Drittel aller Unternehmen gaben an, ein Listing an der NYSE oder Nasdaq anzustreben. Und das betrifft nicht nur US-Unternehmen, sondern Unternehmen aus der ganzen Welt.
Kommen wir noch zu den europäischen Börsen. Grundsätzlich eignen sich Immobilien gut dafür, um sich gegen eine Inflation zu schützen. Preissteigerungen in anderen Lebensbereichen münden im Regelfall auch in steigenden Immobilienpreisen. Aktuell sind wir aber in der Situation, dass die Kreditraten vieler Haus- und Wohnungsbesitzer durch den Zinsanstieg der letzten Monate deutlich angestiegen sind. Die Notenbanken haben sich dem Kampf gegen die hohen Inflationsraten verschrieben. In diesem Umfeld ist die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen deutlich zurückgegangen. Und das hat sich auch in den Aktienkursen niedergeschlagen.
Der Stoxx Europe 600 Real Estate Index investiert in Real Estate Investment Trusts (REITs). Im Vergleich zum Gesamtmarkt haben Immobilien-REITs in den letzten Monaten deutlich Federn lassen müssen. Was sind denn nun überhaupt REITs? REIT ist die Abkürzung für reine, in der Immobilienbranche tätige Aktiengesellschaften. Die Geschäftsfelder können z. B. den Erwerb und die Veräußerung oder die Vermietung und Verwaltung von Immobilien sein. Die Unternehmen erhalten Steuerbegünstigungen und verpflichten sich im Gegensatz dazu, staatliche Auflagen zu erfüllen. Und die wichtigste davon ist, dass ein Großteil der Erträge an die Investoren ausgeschüttet werden muss. Die Mindestquoten und Steuerbegünstigungen unterliegen der nationalen Gesetzgebung. Als ich wieder aus dem Zugfenster blicke, sehe ich schwarz. Ich fahre gerade durch einen Tunnel. So schwarz würde ich die Situation der REITs aber nicht einstufen. Ob ich mit meiner Prognose richtig liege, erfahren Sie, wenn ich aus dem Tunnel komme.
Samstag, 25. Februar: Bill Gates und sein Feierabendbier
Kommt sie, oder kommt sie nicht? Diese Frage haben sich diese Woche vermutlich viele Börsianer gestellt. Und damit meine ich nicht den obligatorischen Kater nach einer ausufernden Faschingsparty. Der Blick richtet sich auf die abwärts gerichtete Wirtschaftsdynamik und die Frage, ob ein schärferer Wirtschaftsabschwung oder gar eine Rezession ante portas stehen.
In Deutschland hat diese Woche das IFO-Institut einen neuen Statusbericht publiziert. Der IFO-Geschäftsklimaindex ist zwar im Februar das vierte Mal in Folge gesunken, allerdings sehen die mehr als 9000 befragten Führungskräfte bereits einen Silberstreifen am Horizont. Auch wenn sich die deutsche Wirtschaft sukzessive aus der Schwächephase herausarbeitet, dürfte man um eine milde Rezession nicht herumkommen. Einen Vorgeschmack haben wir im 4. Quartal 2022 mit einem Rückgang von 0,2 Prozent bekommen. Mal schauen, was die nächsten Wochen und Monate so bringen.
An den Kapitalmärkten läuft es momentan auch eher schleppend dahin. Nach dem erfolgreichen Jahresbeginn hat sich in den letzten Wochen die Unsicherheit wieder etwas breit gemacht. Vor allem Zinsängste sorgen zunehmend für Sorgenfalten auf den angespannten Gesichtern vieler Börsianer. In Deutschland haben sich die Renditen für 10-jährige deutsche Staatsanleihen in den letzten sechs Monaten verdoppelt. Mit rund 2,5 Prozent ist das Niveau zwar historisch betrachtet immer noch niedrig, allerdings auch auf dem höchsten Wert seit elf Jahren. In Japan sind am Aschermittwoch die Zinsen für Staatsanleihen über das obere Ende des von der Notenbank definierten Zinsbandes gestiegen. Das hat die Bank of Japan veranlasst, Notkäufe durchzuführen und Staatsanleihen aufzukaufen, um sich vehement gegen weitere Zinsanstiege zu stemmen. Japan hat aktuell eine Schuldenquote in Relation zum BIP in der Höhe von 262,5 Prozent und ist damit vor Venezuela und Griechenland das meist verschuldete Land der Welt. Gerade für hoch verschuldete Länder sind steigende Zinsen Gift, da jede neue Finanzierung zusätzlich das Staatsbudget belastet.
Die US-Notenbank hat in atemberaubender Geschwindigkeit die Leitzinsen angehoben. Darin sind sich alle einig. Bei den Prognosen tun sich mittlerweile deutliche Unterschiede zwischen Notenbanker und Marktteilnehmern auf. Während die Marktteilnehmer von einer Rezession und Zinssenkungen ausgehen, gehen die Prognosen der Währungshüter weiter nach oben. Eine bekannte Börsenweisheit lautet: "Never fight the Fed!" Irgendwie wäre es auch anmaßend, sich mit den eigenen beschränkten Mitteln gegen die US-Notenbank mit ihren "unbegrenzten" finanziellen Mitteln zu stellen, meinen Sie nicht auch? Das scheint wie der Kampf Davids gegen Goliath. Falsch liegen können aber sowohl die Währungshüter als auch die Marktteilnehmer. Wer kann schon wissen, wie wir in einem Jahr dastehen werden!
Neues gibt es auch auf der Tech-Front zu berichten. Elon Musk und Mark Zuckerberg machen gemeinsame Sache. Nach Twitter wird auch Facebook (Meta) kostenpflichtige Abos einführen und damit versuchen, schwindende Werbeeinnahmen zu kompensieren. Ob damit verbunden auch eine weitreichende Änderung des Facebook-Geschäftsmodells einhergeht, bleibt abzuwarten. Wenn es für Musk und Zuckerberg nicht klappen sollte, können sie ja dem Beispiel von Microsoft-Gründer Bill Gates folgen und beim Bierkonzern Heineken einsteigen. Gates gab vor wenigen Jahren an, kein großer Biertrinker zu sein. Ob sich das durch seine Beteiligung groß ändern wird, bleibt abzuwarten!
Ich für meinen Teil bleibe wohl lieber bei meinem Espresso. Bleibt zu hoffen, dass Bill Gates seine Dividende nicht in Bierflaschen ausbezahlt bekommt. Bei seinem Investment von 883 Millionen Euro kann Gates auf eine Gewinnausschüttung in der Höhe von rund 15 Millionen hoffen. Bei einem Flaschenpreis von einem Euro wären das stattliche 15 Millionen Flaschen Bier. Selbst wenn der liebe Bill Gates mit all seinen Freunden gemeinsam künftig sein Feierabendbier genießt, wird ihn diese Anzahl kräftig überfordern.
Samstag, 18. Februar: Kodak und Nokia lassen grüßen
Mein Blick schweift aus unserem Wohnzimmer in die Ferne, während meine Espressomaschine zum Leben erwacht. Es ist noch stockdunkel, ruhig und friedlich. Dieser Blick aus dem Fenster wirkt auf mich sehr beruhigend. Ein wahres Kontrastprogramm im Vergleich zu meinem Leben als Börsianer. Und spannenderweise hat sich der Ausblick zu dieser frühen Stunde seit Jahren nicht verändert. Im Gegensatz dazu ändern sich viele andere Bereiche unseres Lebens.
Die Welt heute ist definitiv nicht mehr mit jener vor einem Jahr oder sogar mit jener im Jahr 2000 zu vergleichen. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit und die Dynamik hat nochmals deutlich zugenommen. Diese Woche hat eine aktuelle Studie von McKinsey meine Aufmerksamkeit erregt, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass mehr als jedes zweite Unternehmen, welches zur Jahrtausendwende zu den Top-500-Unternehmen gezählt hat, etwas mehr als zwei Jahrzehnte später keine dominierende Rolle mehr einnimmt. Die Geschäftsmodelle haben sich massiv verändert. Der Gewinner von heute muss nicht zwingend auch der Gewinner von morgen sein. Kodak oder Nokia lassen grüßen.
Spannend finde ich auch, dass 46 Prozent aller Vorstandsvorsitzenden die Entwicklung der eigenen Geschäftsfelder als Top-drei-Priorität eingestuft haben. Die Unternehmenslenker gehen davon aus, dass die Hälfte aller Einnahmen in fünf Jahren mit neuen Geschäftsfeldern erwirtschaftet wird. Das verdeutlicht für mich nochmals die Dynamik des Transformationsprozesses, den wir gerade hautnah miterleben. Apropos Studie. Auch wir haben diese Woche eine neue Studie zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage publiziert.
Seit August 2022 sind Finanzberater verpflichtet, mit ihren Kunden auch über ihre Nachhaltigkeitspräferenzen zu sprechen. Die neuen Regeln für nachhaltige Finanzberater werfen viele Fragen auf. Und damit meine ich sowohl die Kunden, die Berater aber auch den Produktanbieter. Im Rahmen einer Analyse haben wir über 8000 zum Vertrieb in Österreich zugelassene Fonds analysiert. Und das Ergebnis ist klar: Eine Angabe von nachhaltigen Präferenzen führt gegenwärtig zu einer massiven Reduktion des Produktangebotes. Die drei Kategorien der Abfrage geben kein umfassendes Bild über das ganze Spektrum von nachhaltigen Geldanlagen, sondern dienen lediglich als Anhaltspunkt. Ich persönlich gehe davon aus, dass hier nochmals nachgeschärft wird.
Kommen wir noch in die USA. Im Jänner lag die Arbeitslosenrate bei 3,4 Prozent. Das ist der tiefste Wert seit mehr als fünf Jahrzehnten! Volkswirte gehen davon aus, dass damit der Druck auf die amerikanische Fed weiterhin anhalten wird. Durch den ausgedünnten Arbeitsmarkt ist davon auszugehen, dass der Lohndruck weiter zunehmen wird. Und das wiederum führt oft zu steigenden Preisen. Aktuell stehen wir bei einer Inflationsrate von 6,4 Prozent. Das ist zwar deutlich niedriger als im Juni 2022 (9,1 Prozent), allerdings immer noch deutlich über der Wohlfühlzone der amerikanischen Notenbanker. Es ist für mich daher schwer vorstellbar, dass die Inflation bei diesen Arbeitsmarktbedingungen in absehbarer Zeit deutlich sinkt. Fed-Chef Powell hat ja bereits angedeutet, dass die Marktteilnehmer geduldig sein müssen und sich darauf einstellen sollten, dass die Zinsen weiter steigen. Ich bin schon gespannt auf den nächsten Arbeitsmarktbericht am 10. März und wohin die Reise gehen wird.
Der Arbeitskräftemangel ist auch ein bestimmendes Thema in der EU. Laut Berechnungen der Agenda Austria haben in Österreich 35,6 Prozent aller Dienstleistungsunternehmen und 21,3 Prozent aller Industrieunternehmen Produktionseinbußen aufgrund des Arbeitskräftemangels hinnehmen müssen. Deutschland ist noch stärker betroffen. 41,7 Prozent der Dienstleister und 38,8 Prozent der Industriebetriebe sind davon betroffen. Der Kampf der Unternehmen um kompetente Arbeitskräfte hat längst begonnen. Es ist auch in Europa zu befürchten, dass sich das auf höhere Löhne und in weiterer Folge in höheren Preisen niederschlagen wird. Steht die Inflation 2.0 bereits ante portas? Ich weiß es nicht. Aber es würde mich nicht wundern, wenn wir noch einige Zeit mit hohen Inflationsraten konfrontiert sind.
Samstag, 11. Februar: Leerverkäufe und Grenzen der KI
Die Künstliche Intelligenz (KI) erobert das Internet. ChatGPT ist neu! ChatGPT ist cool und kennt die Antwort auf beinahe jede Frage. Der User kann sprachbasiert der Künstlichen Intelligenz Fragen zu unterschiedlichsten Themen stellen und erhält auf Wunsch vordefinierte Textzusammenfassungen oder einen ausformulierten Businessplan. Klingt beeindruckend, nicht wahr!? Seit November 2022 ist diese Anwendung kostenlos zu testen.
Für neue Applikationen und Tools ist es wichtig, einmal die Schwelle von einer Million Anwendern zu erklimmen. Erfolgreiche Beispiele aus der Vergangenheit lehren uns, dass das Erklimmen dieser Hürde kein Sprint, sondern eher ein Marathon ist. Netflix ging 1999 an den Start und benötigte 3,5 Jahre, um in den Million-User-Bereich vorzustoßen. Airbnb startete 2008 und benötigte 2,5 Jahre. Twitter brauchte 2,5 Jahre, Facebook acht Monate, Spotify fünf Monate. Der bisherige Spitzenreiter ist Instagram. Die Social-Media-Plattform benötige nur zweieinhalb Monate nach der Auflage, um die Eine-Million-Anwender-Schwelle zu überwinden. Das ist sehr beeindruckend, finden Sie nicht auch?
Im Vergleich zu ChatGPT gleicht das aber beinahe einem Kindergeburtstag. Bereits fünf Tage nach dem Produkt-Launch wurde die Millionenschwelle erreicht. Mittlerweile ist die Plattform so überlaufen, dass zwischenzeitlich Schwierigkeiten aufgetreten sind, sich als neuer User überhaupt registrieren zu können. ChatGPT scheint der Beginn einer Revolution zu sein. Vergleichbar mit dem Internet oder auch dem Smartphone. Gerade der Tech-Gigant Google kommt dadurch gehörig unter Druck. Im Vergleich zu einer klassischen Google-Abfrage, durch die man sich ein eigenes Meinungsbild erst "erarbeiten" muss, kann man den Weg durch ChatGPT gehörig abkürzen und erhält bereits ein, nach den eigenen Bedürfnissen erstelltes, fix ausgearbeitetes Konzept. Der Aufschrei der Skeptiker und Kritiker lässt nicht lange auf sich warten. Wie gehen Schulen oder Universitäten mit diesem Thema um? Besteht die Gefahr, dass KI-Texte die Datenflut im Internet auf ein bisher ungeahntes Niveau ausweiten?
Auch diese Befürchtung macht Google durchaus zu schaffen. Die Haupteinnahmequelle sind Werbeeinschaltungen. Unternehmen werden aber in Zukunft kaum Geld in die Hand nehmen, um mit der Künstlichen Intelligenz anstatt dem zahlungskräftigen Konsumenten in Kontakt zu kommen. Zu den prominenten Geldgebern von ChatGPT gehören Elon Musk oder auch Microsoft. Auch Google ist bereit, Milliarden in diesen Bereich zu investieren. Google-Vorstand Sundar Pichai hat bereits angekündigt, drei KI-Produkte auf den Markt bringen zu wollen. Der Kampf der Giganten ist eröffnet. Ich bin schon sehr gespannt, wohin die Reise gehen wird.
An den Finanzmärkten ist ein Kampf um die Adani-Gruppe entfacht. Gautam Adani zählte zu Jahresbeginn mit einem geschätzten Vermögen von 120 Milliarden US-Dollar noch zu den reichsten Menschen der Welt. Der indische Mischkonzern, der u. a. Häfen, Flughäfen, Kraftwerke bzw. einen Fernsehsender oder auch als Waffen- und Zementhersteller fungiert, wurde 1988 gegründet. Für Adani lief alles gut, bis der Hedgefonds Hindenburg Research sich laut eigenen Angaben das Ziel gesetzt hat, bei dem Unternehmen Unregelmäßigkeiten aufzuspüren und davon durch Leerverkäufe zu profitieren. Bei einem Leerverkauf werden Aktien verkauft, ohne dass sie im Besitz des Hedgefonds sind. Wenn die Strategie aufgeht, kann der Hedgefonds die Aktien in weiterer Folge die Unternehmensanteile deutlich billiger kaufen und damit seine Position glattstellen. Je tiefer der Adani-Kurs fällt, desto besser für den Hedgefonds.
Der Angriff hat bereits Spuren hinterlassen. Adanis Vermögen ist 2023 um unglaubliche 63 Milliarden US-Dollar eingebrochen. Ende Dezember war er noch der drittreichste Mensch dieses Planeten. Wenige Wochen später ist er bereits aus den Top 20 gefallen. Der Aufsteiger des Jahres 2022 kam 2023 gewaltig unter die Räder. Der Wind kann aber auch wieder sehr schnell drehen. Vielleicht nimmt sich Adani Elon Musk als Beispiel. Der große Verlierer des Jahres 2022 ist 2023 bereits wieder einer der großen Gewinner. Nach den herben Kursverlusten im letzten Jahr konnten sich Musk und die anderen Tesla-Aktionäre heuer bisher über deutliche Kursgewinne von mehr als 80 Prozent freuen. Ähnliches gilt für Bitcoin-Investoren. Auch wenn diese nicht im Ausmaß jener von Tesla sind, gab es 2023 starke Zugewinne. Wie heißt es so schön: Totgesagte leben oft länger!
Abschließend kommen wir noch einmal zu ChatGPT. Meinem Test zufolge waren die Ergebnisse durchaus beeindruckend. Mir ist es aber auch gelungen, der KI die Grenzen aufzuzeigen. Auf meine Frage hin, ob ich lieber einen Espresso oder doch einen Cappuccino beim Schreiben dieser Zeilen bevorzuge, blieb ChatGPT ziemlich leise. Nach meinem Stresstest kann ich Sie beruhigen. Auch in Zukunft wird das Logbuch eines Börsianers nicht von einer Künstlichen Intelligenz geschrieben. :-)
Samstag, 4. Februar: Mit Bär durchs Tal der Tränen
Und schon wieder ist es passiert! Die amerikanische Notenbank hat die Leitzinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 4,75 Prozent angehoben. Vor einem Jahr wäre ich beinahe die Wette eingegangen, für jede Zinserhöhung der Fed einen Espresso pro Tag zu trinken. Zu meinem Glück bin ich da nochmals rausgekommen. Es war nämlich die achte Zinserhöhung in Folge. Und acht Espressi tagein tagaus wären selbst für mich eine große Herausforderung.
Fed-Präsident Jerome Powell scheint aktuell nur eine Richtung zu kennen. Ob das an seinem Koffeinkonsum liegen mag, kann ich leider nicht beantworten. Die Angst vor der Inflation scheint aber nach wie vor der bestimmende Faktor zu sein. Um einen wirtschaftlichen Schock zu vermeiden, ist davon auszugehen, dass keine weiteren "drastischen" Zinserhöhungen auf einmal durchgeführt werden. Die Inflation betrug in den USA im Dezember 6,5 Prozent und ist damit zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Die anvisierten zwei Prozent scheinen aber noch weit entfernt. Apropos zwei Prozent! Das ist auch das mittelfristige Inflationsziel der Europäischen Zentralbank.
In Österreich hat die Inflation laut einer ersten Schätzung der Statistik Austria im Jänner mit 11,1 Prozent den höchsten Wert seit 70 Jahren erreicht. Von einer Trendumkehr kann hier also keine Rede sein. Die Inflation ist auch in anderen Euroländern das große Thema schlechthin. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass die EZB einen Tag nach der Fed auch die Leitzinsen angehoben hat. Diesmal hat Christine Lagarde ihren US-Kollegen Jerome übertrumpft. Der Leitzins wurde um 0,50 Prozentpunkte auf aktuell drei Prozent angehoben.
Der Internationale Währungsfonds sieht die Lage anscheinend ein bisschen anders. In seiner Jänner-Prognose gehen IWF-Experten davon aus, dass sich die Lage an der Inflationsfront doch etwas entspannen sollte. Die Prognostiker rechnen damit, dass wir weltweit im ersten Halbjahr 2023 den Höchststand erleben werden. In 80 Prozent aller Länder wird die Kerninflation aber deutlich über dem Vor-Pandemie-Niveau bleiben. Bei der Kerninflation wird der Lebensmittel- und Energieanteil ausgenommen. Grund dafür ist, dass gerade diese Komponenten großen Schwankungen unterliegen. Das wird uns Otto-Normal-Verbraucher dieser Tage wenig interessieren, da die Segmente Energie und Nahrungsmittel einen großen Teil unserer Haushaltsbudgets vereinnahmen. Es gibt aber durchaus auch Positives vom IWF zu berichten. Die Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft wurde im Jänner seit der letzten Schätzung im Oktober von 2,7 Prozent auf 2,9 Prozent angehoben.
Die Kluft zwischen entwickelten Volkswirtschaften, die um 1,2 Prozent wachsen, und Schwellenländern mit einer Wachstumsrate von 3,9 Prozent bleibt groß. Während China und Indien mit 5,2 Prozent bzw. 6,1 Prozent wachsen, hinken die USA mit 1,4 Prozent und die Eurozone mit 0,7 Prozent bereits deutlich hinterher. Kommen wir noch zu den Aktienmärkten. Seit den Tiefstständen konnten bereits deutliche Kursgewinne erwirtschaftet werden.
Erleben wir jetzt gerade eine Trendwende oder nur einen Bluff vor dem nächsten Abwärtstrend? Seit 1927 gab es insgesamt 20 Bärenmarkt-Rallyes. Damit wird eine temporäre Erholungsphase in einem Abwärtstrend definiert, in der sich die Märkte um zumindest 15 Prozent erholen konnten. Wie schaut es 2023 aus? Haben wir das Tal der Tränen bereits durchschritten oder blufft der Bär? Das kann nur die Zukunft beantworten. Aber irgendwie fühle ich mich an den März und April 2020 zurückerinnert. Nach den großen Kursverlusten und nach dem ersten Corona-Shutdown war die Unsicherheit groß. Der Blick in die Zukunft düster. Nichtsdestotrotz erlebten wir im Anschluss eine sehr erfreuliche Börsenphase. Und das gegen die Meinung aller Skeptiker.
Ob das auch 2023 der Fall sein wird, weiß ich nicht! Klar ist lediglich, dass viele erfolgreiche Investoren es schaffen, langfristig ihrer Strategie treu zu bleiben und den Lärm der Wallstreet auszublenden. Und das gelang dem norwegischen Staatsfonds in der Vergangenheit sehr gut. Die Entscheidungsträger bleiben ihrer Strategie auch in schwierigen Marktphasen treu. Ziel ist es, die Erdöleinnahmen über mehrere Generationen zu verteilen. Aufgrund des langen Veranlagungshorizonts scheuen die Manager auch nicht davor zurück, Risiken einzugehen. Das Jahr 2021 bescherte den zweithöchsten Gewinn der Geschichte des Staatsfonds. Und 2022 musste der Fonds einen Rekordverlust in der Höhe von 152 Milliarden Euro hinnehmen. Das ist mehr als das Doppelte im Vergleich zur Finanzkrise. Das ist natürlich sehr bitter. Die Entscheidungsträger wissen aber auch, dass schlechte Jahre Teil des Geschäfts sind und langfristig – zumindest war es in der Vergangenheit so – durch gute Jahre wieder wett gemacht werden können. Wie heißt es so schön: Ein höheres Ertragspotenzial bezahlst du mit der einen oder anderen schlaflosen Nacht! Und das wiederum liegt mit Sicherheit nicht daran, dass du den einen oder anderen Espresso zu viel getrunken hast.
Samstag, 28. Jänner: Positive Stimmung im Mikrokosmos
2023 hat für mich so richtig an Fahrt aufgenommen. Mit einem Espresso in der Hand fällt es mir wesentlich leichter, frühmorgens meine Gedanken schweifen zu lassen und über die Finanzmärkte nachzudenken. Diese Woche standen für mich Gespräche mit deutschen, amerikanischen und österreichischen Investoren auf der Agenda. In meinem Mikrokosmos ist die Stimmung im Vergleich zum Vorjahr deutlich positiver. Das bestimmende Thema bleibt die Inflation. Mit dem Jahreswechsel werden die Zeiger wieder auf null gestellt. Die negative Performance gehört der Vergangenheit an. Das hat anscheinend doch irgendwie eine bereinigende Wirkung auf das Seelenwohl der so "rational" agierenden Investoren. Und dabei möchte ich mich gar nicht ausnehmen.
Blenden wir zu den Kapitalmärkten. Hier schwenkt das Zinspendel kräftig hin und her. Auf der einen Seite stehen jene, die auch für 2023 deutlich höhere Zinsen sehen und damit die Kapitalmärkte unter Druck setzen. Auf der anderen Seite formieren sich jene, die davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten die Inflation deutlich zurückgehen und sich damit die Lage entspannen wird. Das ist aber nicht nur für Investoren, sondern auch für alle Kreditnehmer relevant. Zumindest jene, deren Finanzierung mit einer variablen Verzinsung ausgestattet ist.
Von den neu abgeschlossenen Krediten sind fast die Hälfte variabel verzinst. Und von den Bestandskrediten haben laut Angaben der Österreichischen Nationalbank lediglich sechs Prozent eine reine Fixzins- bzw. 46 Prozent eine variable Variante. Und der verbleibende Rest hat sich für eine gemischte Variante mit unterschiedlichsten Ausprägungen entschieden. Damit sind 94 Prozent aller Kreditnehmer von Zinserhöhungen mehr oder weniger stark betroffen.
Wenn man der EZB-Präsidentin Christine Lagarde Glauben schenken kann, dürfte der Zinsanhebungszyklus auch 2023 bis auf Weiteres fortgesetzt werden. Der Kampf gegen die Inflation steht im Vordergrund. Die nächste Zinsentscheidung findet bereits am 2. Februar statt. Ob die Zinsen weiter angehoben werden, ist sehr wahrscheinlich. Die Frage scheint nur, um wie viel?
Kommen wir noch zur Aktienseite. Mit der Schweiz verbindet man Schokolade, Sicherheit und Schifahren. Die Credit Suisse ist eine Schweizer Großbank und ist eines der größten Finanzunternehmen der Welt. Vom Börsenkurs ist das Unternehmen aber nur mehr ein Schatten seiner selbst. Seit der Immobilienkrise 2008 ging es stetig Richtung Süden. Die Aktie hat seither mehr als 90 Prozent an Wert eingebüßt. Und das in einer sehr schwankungsintensiven, aber durchaus prosperierenden Börsenphase, in der vor allem Technologieunternehmen gigantische Gewinne erzielen konnten.
Und als ob das noch nicht genug wäre, gehört das Schweizer Traditionsunternehmen längst mehrheitlich ausländischen Investoren. Die größten Anteile hält die Saudische Nationalbank mit knapp zehn Prozent. Gleich dahinter folgt der Staatsfonds von Katar, der seine Anteile auf knapp sieben Prozent aufgestockt hat. Auch US-Investoren, wie BlackRock oder Vanguard, halten hohe Anteile. Die Top-sieben-Investoren kommen ausschließlich aus den Golfstaaten oder den USA und halten in Summe knapp ein Drittel aller Anteile. Der größte Schweizer Investor ist die UBS mit 1,4 Prozent aller Anteile.
Das ist kein Einzelfall. Wir erleben einen großen Transformationsprozess. Manch ein Zyniker mag sogar von einem Ausverkauf Europas sprechen. Dieser Transformationsprozess wird bei einem Blick auf die Weltwirtschaft sichtbar. Das Welt-BIP hat 2022 erstmals die 100-Billionen-Dollar-Schallmauer durchstoßen. Die USA sind seit 1872 die größte Volkswirtschaft. Mit einem Anteil von rund 25 Prozent führt man das Ranking noch deutlich vor China mit 18 Prozent an. Noch in dieser Dekade soll es zu einer Wachablöse kommen und das chinesische Jahrhundert eingeleitet werden. Für mich ist aber klar: Meinen Espresso werde ich nicht gegen einen Reiswein eintauschen!
Samstag, 21. Jänner: Zwischen Kräutertee und Datenflut
Im Dezember und Jänner ist die Zeit der Prognosen. Wir werden de facto täglich mit Meinungen und Ausblicken eingedeckt. Renommierte Institute wie der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank oder auch Investmenthäuser wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley haben eine klare Meinung, wie es 2023 weitergehen wird. Darüber hinaus spielen auch Social-Media-Plattformen wie LinkedIn oder Medienkonzerne wie CNBC, Bloomberg oder Reuters in der Meinungsbildung eine wesentliche Rolle.
Ob es an meinem Kräutertee liegen mag – ja, ich lebe immer noch meine selbstauferlegte Espresso-Abstinenz – oder einfach an der unglaublichen Datenflut liegt, kann ich nicht beantworten. Aber irgendwie ist es verdammt schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen. Und genau diese Problemstellung hat sich die "2023 Global Forecast Series" zur Aufgabe gemacht. Im Rahmen einer umfassenden Datenanalyse wurden die wesentlichen Themen komprimiert zusammengefasst.
Beginnen wir mit der Wirtschaft. Für 2023 geht die Mehrheit davon aus, dass Chinas Wirtschaft ein Comeback feiert. Das Risiko einer globalen Rezession wird als hoch eingestuft. Die Mehrheit geht auch davon aus, dass die Inflationsraten zurückgehen und die Zinsen weiter ansteigen werden.
Von der geopolitischen Seite her wird davon ausgegangen, dass der Russland-Ukraine-Krieg auch 2023 nicht enden wird. Darüber hinaus werde die europäische Einheit auf die Probe gestellt, weil einige Länder mit einem sehr rauen wirtschaftlichen Gegenwind und einer abnehmenden Dynamik zu kämpfen haben werden.
Für die Kapitalmärkte scheint es ein erfreuliches Jahr zu werden. Die Prognostiker gehen mehrheitlich davon aus, dass viele Aktienmärkte heuer deutlich steigen werden und auch der Anleihenmarkt, der 2022 schwer unter die Räder gekommen ist, ein Comeback feiern wird. Besonders positiv wird die Lage für Schwellenländer eingeschätzt.
Von der technologischen Seite her geht der Trend immer mehr in Richtung Künstliche Intelligenz. Und viele gehen auch davon aus, dass für TikTok oder auch andere Tech-Unternehmen der regulatorische Druck deutlich zunehmen wird.
Und in der letzten Kategorie "Everything Else" gehen die Prognosen davon aus, dass Indien ein sehr starkes Jahr haben wird, die Arbeitskultur weiterhin in Richtung Flexibilität gehen wird und dass viele große Einzelhandelsketten Recyclingprogramme ins Leben rufen werden.
So schlecht dürfte das Jahr 2023 gar nicht werden, meinen Sie nicht auch?
Kommen wir zur EZB. Der Chefvolkswirt Philip Lane hat angedeutet, dass die Zentralbank vorerst auf dem im Juli 2022 begonnenen Zinsanhebungskurs bleiben werde. Aktuell liegen die Leitzinsen bei 2,5 Prozent. Wohin die Reise gehen wird, wollte Lane aber nicht verraten. Auch Frankreichs Notenbankchef François Villeroy schlägt in die gleiche Kerbe und geht davon aus, dass der Kampf gegen die hohen Inflationsraten noch nicht gewonnen ist. Die europäische Wirtschaft zeige sich robuster als erwartet und den Höhepunkt der Inflation erwarte er in den nächsten Monaten. Das nächste EZB-Meeting findet am 2. Februar statt. Villeroy zeigte sich ziemlich überrascht, dass in den Medien von einer Zinsanhebung von "nur" 0,25 Prozentpunkten ausgegangen wird und verwies auf die Worte von EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der letzten Pressekonferenz im Dezember: "Wir sollten erwarten, dass die Zinsen für einige Zeit in einem Tempo von 0,50 Prozentpunkten angehoben werden. Und diese Worte sind heute immer noch gültig."
Des Sparers Freud, des Kreditnehmers Leid! Ausgenommen sind nur jene, deren Kreditzinsen mit einem Fixzinssatz ausgestattet sind. Spannend finde ich auch, dass der Trend in Deutschland Richtung Aktien geht. Und das ausgerechnet im schwachen Börsenjahr 2022. In Summe ist jeder fünfte Deutsche am Aktienmarkt engagiert. Das sind um 830.000 Menschen mehr als im Jahr davor. Besonders populär sind Aktien bei 600.000 jungen Erwachsenen. Das sind immerhin um 40 Prozent mehr als 2021. Die hohen Inflationszahlen scheinen ihre Wirkung zu entfalten.
Für mich persönlich heißt es bald Abschied zu nehmen. Nein, keine Sorge, ich werde auch 2023 Woche für Woche mein Logbuch weiterschreiben. Die Zeit des Kräutertees ist morgen vorbei. Der Espresso erlebt ein Revival!
Samstag, 14. Jänner: Oder doch nur ein Wunschtraum?
Das Jahr 2023 ist erst wenige Tage alt und irgendwie habe ich das Gefühl, es unterscheidet sich diametral zu den Dezembertagen. Kommt es mir nur so vor, oder hat sich die Stimmung unter den Investoren doch deutlich verändert? Oder ist der Wunschtraum der Vater meines Gedankens? An der Börse gibt es ein ständiges Wechselspiel zwischen Gier und Angst.
Während ich meinen Kräutertee – ja, Sie haben richtig gelesen, ich bin immer noch in meiner "freiwilligen" Abstinenzzeit – trinke, analysiere ich den "Fear & Greed Index". Dieser Indikator wird von CNN erstellt und hat sich das Ziel gesetzt, die Emotionen der Börsenteilnehmer zu erfassen. Der Index schwankt zwischen 0 und 100. Alles über 50 zeigt eine positive Stimmung an (Greed), alles unter 50 eine negative Stimmung (Fear) an. Aktuell liegen wir mit 55 Punkten knapp im positiven Bereich. Am 28. Dezember lag der Wert noch bei 32 Punkten – auf dem Börsenparkett herrschte Angst. Und Ende September sogar bei 18 Punkten. Die Ampel hat anscheinend einmal auf Grün geschaltet.
Machen wir einen Schwenk zur Volkswirtschaft. Vor Kurzem hat mich Gerald, ein befreundeter Versicherungsmanager, darauf aufmerksam gemacht, dass Österreich 2022 laut Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 4,7 Prozent ein größeres Wirtschaftswachstum aufweist als der jahrzehntelange Wachstumskaiser China mit "nur" 3,2 Prozent. Die Zahlen für Österreich werden auch vom Wifo bzw. dem IHS bestätigt. Für das starke Wachstum sind vor allem Sonderfaktoren wie eine starke Erholung des Dienstleistungssektors sowie eine positive Entwicklung der Industrieproduktion in den ersten Monaten verantwortlich.
2023 verkehrt sich das Bild aber wieder. Während Österreichs Wirtschaftsdynamik deutlich einbricht – laut IWF sprechen wir von 1,0 Prozent – nimmt Chinas Wirtschaft bereits wieder Fahrt auf. Für 2023 wird ein Wachstum von 4,4 Prozent prognostiziert, was wiederum deutlich über anderen großen Ländern wie den USA (1,0 Prozent) oder Deutschland (–0,3 Prozent) liegt. Der Traum Chinas, die USA bald als größte Volkswirtschaft der Welt abzulösen, dürfte wohl in wenigen Jahren in Erfüllung gehen.
Apropos USA. Die Sparquote der Haushalte liegt aktuell bei 2,2 Prozent und damit auf dem tiefsten Stand seit 2005. Die hohen Inflationsraten, steigende Zinsen und damit höhere Kreditkosten scheinen eine Delle in das Haushaltsbudget vieler Amerikaner geschlagen zu haben. Im 50-Jahres-Durchschnitt lag die Sparquote immerhin bei 7,9 Prozent. Der US-Konsument ist für rund zwei Drittel der Wirtschaftsleistung verantwortlich. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass einige Analysten bereits vor einer anstehenden Rezession warnen. Einige "Investoren" gehen bereits Wetten ein, dass die amerikanische Notenbank aus Angst vor einem Wirtschaftseinbruch den Fuß vom Gas nehmen wird und den Zinsanhebungszyklus deutlich verlangsamen wird.
Die rasant steigenden Zinsen haben zu deutlichen Verlusten bei Anleihen geführt. Die vermeintlich krisensichere Assetklasse erlebte 2022 ein Horrorjahr. Laut einer Studie von Professor Edward McQuarrie von der Sana Clara University war es für US-Anleiheninvestoren sogar das schlechteste Jahr aller Zeiten. Das will was heißen, denn seine Analysen gehen 250 Jahre zurück. Langlaufende US-Staatsanleihen verloren 2022 mit minus 29,3 Prozent mehr als der amerikanische Aktienmarkt mit minus 18,1 Prozent. Das bisher zweitschlechteste Jahr war 1980 mit minus 17,1 Prozent. Und daran können sich die wenigsten Börsianer erinnern. Selbst ich als heutiger Silberfuchs war damals noch ein Dreikäsehoch!
Samstag, 7. Jänner: Die Uhren werden auf null gestellt
Neues Jahr, neues Glück? Das werden wir nach wenigen Tagen im Jahr definitiv noch nicht beantworten können. Eines ist aber klar, die Uhren werden auf null gestellt und das dicke Minus des Jahres 2022 gerät schön langsam wieder in Vergessenheit. Das Kalenderjahrdenken scheint uns von klein auf anerzogen worden zu sein. Auf der anderen Seite ist es auch gut so. Der MSCI All-Country World Index hat 2022 immerhin das schlechteste Jahr seit der Finanzkrise und Lehman-Pleite im Jahr 2008 erlebt.
Werfen wir einen Blick auf die Finanzmärkte. Der US-Arbeitsmarkt hat sich 2022 als widerstandsfähiger Stabilisator der Wirtschaft herausgestellt. Diese hatte ohnehin mit der hohen Inflation genug zu kämpfen. Im November lag die Arbeitslosenquote bei lediglich 3,7 Prozent und damit nur knapp über dem Tiefststand eines halben Jahrhunderts, den wir Anfang 2022 gesehen haben. In der Eurozone liegt die Arbeitslosenrate mit 6,5 Prozent zwar etwas darüber, allerdings auch auf dem niedrigsten Niveau seit der Euro-Einführung.
Der wirtschaftliche Ausblick bleibt für 2023 aber getrübt. In vielen Ländern wird mit einem deutlichen Wirtschaftsabschwung, in manchen sogar mit einer Rezession, gerechnet.
Kommen wir noch zur amerikanischen Notenbank, die diese Woche die Wall Street durch eine anhaltend aggressive Rhetorik unter Druck setzte. Für die Sitzungen im Februar und März wird von einigen bereits mit einer weiteren Anhebung der Leitzinsen um jeweils 0,50 Prozentpunkten gerechnet.
Neues gibt es auch vom FTX-Gründer Sam Bankman-Fried zu berichten, der vor Gericht auf unschuldig plädiert. Der Gründer der insolventen Kryptobörse ist unter anderem wegen Betrugs, Geldwäsche und anderer Straftaten angeklagt. Besonders schwer wiegt der Verdacht, 1,8 Milliarden US-Dollar an Kundengeldern veruntreut zu haben. So wird dem 30-Jährigen vorgeworfen, riesige Summen von Anlegern von seiner Plattform abgezweigt zu haben und damit Luxusimmobilien gekauft, Spenden an Politiker getätigt oder andere hochriskante Finanzgeschäfte abgewickelt zu haben. Die Börsenaufsicht auf den Bahamas gab diese Woche bekannt, dass sie Kryptowährungen in der Höhe von mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar beschlagnahmt habe und diese Gelder für geschädigte Kunden und Gläubiger bereitgehalten werden. Die Frage stellt sich nun, ob es überhaupt genügend Käufer für eine derart hohe Transaktionssumme gibt und ob bzw. wie die Aufsicht das überhaupt zu Geld machen kann. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 115 Jahre Gefängnis. SBF – so wurde Sam Bankman-Fried jahrelang beinahe liebevoll in der Kryptobranche genannt, gab an, nur noch über ein Vermögen von 100.000 US-Dollar zu verfügen. Vor der FTX-Pleite gehörte er mit einem geschätzten Vermögen von 26 Milliarden US-Dollar zu den reichsten Menschen der Welt.
Für einen kam es aber noch schlimmer. Elon Musk besaß vor einem Jahr noch geschätzte 270 Milliarden US-Dollar. Aktuell sind es "nur" mehr 126 Milliarden US-Dollar. Damit ist sein Vermögen innerhalb eines Jahres um unglaubliche 144 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Und der 2022 eingeschlagene Abwärtstrend geht für Elon Musk auch 2023 weiter. Bereits in den ersten Tagen des Jahres hat er mehr als zehn Milliarden US-Dollar verloren.
Wagen wir noch einen Blick in die Ferne. 2022 hat der amerikanische S&P 500 knapp ein Fünftel seines Wertes eingebüßt. In den letzten 50 Jahren kam es nur zweimal vor, dass der Index zwei Jahre in Folge eine negative Performance erleiden musste. Einmal war das in den 1970ern, einmal nach dem Platzen der Internetblase in den Jahren 2000–2003. Ich hoffe für Investoren, dass es bei diesen beiden Ausnahmen bleibt und 2023 ein positives Ende nimmt. Apropos Trend: Es ist hart, aber ich halte mich nach wie vor strikt an meinen selbstauferlegten Espresso-Verzicht. Im Gegensatz zu anderen Themenfeldern ist aber hier eine Prognose nicht allzu schwierig und muss auch nicht nebulös in einen Wortschwall verpackt werden. Wie auch die Jahre davor wird sich spätestens ab Mitte Jänner jeden Morgen ein wohliger Kaffeegeruch in unserer Wohnung ausbreiten. Der Trend der koffeinlosen Zeit und der fallenden Börsenkurse wird mit Sicherheit gebrochen. Die Frage ist nur: Wann?!
Samstag, 31. Dezember: Zeit für die Neuausrichtung
Heute ist es so weit. 2022 neigt sich unwiderruflich dem Ende zu. Für mich persönlich ist es nicht nur der letzte Tag des Jahres, sondern auch jener Tag, bevor ich meinen Espresso-Konsum auf null herunterfahre. All jene, denen mein Gemütszustand Sorgen bereitet, kann ich beruhigend hinzufügen, dass meine Abstinenz nur ein paar Tage andauert. Der Jahreswechsel ist für mich eine Zeit der Neukalibrierung und der Neuausrichtung. Und da gehört der Koffeinverzicht für mich dazu. Auch an den Finanzmärkten sehnen wir uns nach einer Neuausrichtung. Ab nächster Woche wird die Performance auf null gestellt. Nach dem herausfordernden und historisch herausragenden Jahr wird es aber auch Zeit.
2022 hat alles von uns abverlangt. Nahezu alle Assetklassen weisen eine deutlich negative Wertentwicklung auf. Und genau das macht 2022 zu einem außergewöhnlichen Jahr. In der Vergangenheit hat mir die Diversifikation – also die Verteilung auf mehrere Vermögensklassen – wertvolle Dienste erwiesen. Nicht so 2022!
Auch vermeintlich sichere Wertpapiere, wie z. B. österreichische oder deutsche Staatsanleihen mussten zum Teil herbe Verluste hinnehmen. Je länger die Laufzeit, desto größer war der Verlust. Eine österreichische Staatsanleihe mit einer knapp 100-jährigen Laufzeit musste 2022 Kursverluste von 55 Prozent hinnehmen. Der Kurs einer 10-jährigen Staatsanleihe ist immerhin um 22 Prozent zurückgegangen. Ich bin seit gut 25 Jahren in der Finanzbranche tätig, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.
Die Phase der Null- oder Negativzinsen ist definitiv vorbei. Im Jahr 2014 sind die Anleihenrenditen in einigen Ländern das erste Mal in den negativen Bereich geschlittert. Im Jahr 2020 haben Anleihen im Gegenwert von über 18 Billionen US-Dollar eine negative Rendite und damit eine negative Ertragserwartung ausgewiesen. Als Investor war damit klar, dass man am Ende des Tages weniger herausbekommt als man eingezahlt hat. Laut Lehrbuch ein unvorstellbares Szenario. Aber auch ein Indiz dafür, dass in diesen Tagen selbst Unvorstellbares Realität werden kann. All jene, die das mit Skepsis betrachten, kann ich beruhigen. Die Zeit der Negativrenditen scheint endgültig vorbei.
Nach den Zinsanstiegen in den letzten Monaten ist das Volumen der Anleihen mit einer negativen Rendite auf de facto null gesunken. Für Investoren, die bereits seit Längerem in Anleihen investiert sind, ist das natürlich ein schwacher Trost. Wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen, haben sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zum Vorjahr doch deutlich verbessert. Immerhin gibt es jetzt schon positive Renditen, die aber immer noch deutlich unter der aktuellen Inflationsrate liegen. Damit hat der Investor real Geld verloren, aber zumindest sind sie positiv! Im Gegensatz zu den Anleihen war der Kursrückgang für die Aktienmärkte 2022 durchaus im Rahmen. Ein klassischer Bärenmarkt beginnt ja schließlich erst bei einem Rückgang von zumindest 25 Prozent. Auffallend aber war, dass einstige Highflyer zu Verlierern geworden sind.
Gerade der Technologiesektor ist 2022 gewaltig unter die Räder gekommen. Als Sinnbild dafür möchte ich Tesla heranziehen. Zu Beginn des Jahres war das Unternehmen an der Börse noch mit 1,2 Billionen US-Dollar bewertet. Ein Jahr danach liegt der Börsenwert bei "nur" mehr 355 Milliarden US-Dollar. Das entspricht immerhin einem satten Minus von gerundeten 70 Prozent! Im Gegensatz dazu konnten bereits totgesagte Energieunternehmen eine beeindruckende Performance aufweisen und damit andere Marktsektoren deutlich übertrumpfen. Es muss aber auch festgehalten werden, dass langfristige Investoren trotz der Kurs-Rallye im letzten Jahr bei längerer Betrachtungsdauer kein Geld verdient haben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Was erwartet uns 2023? Das ist wohl die Frage aller Fragen. Bevor ich Ihnen meine subjektive Einschätzung darlege, möchte ich der Form halber festhalten, dass niemand die Zukunft seriös vorhersagen kann. Insofern bitte ich Sie, meine Ausführungen als Status-quo-Einschätzung zu betrachten. Ich persönlich gehe davon aus, dass wir im kommenden Jahr eine abnehmende Wirtschaftsdynamik erleben werden. Der Konjunkturmotor stottert und weitere Zinsanhebungen der großen Notenbanken werden diesen Trend noch verschärfen. Im Laufe des Jahres wird sich die Lage auf der Inflationsfront aber deutlich entschärfen und damit für positive Impulse sorgen. Aktienseitig sind die Bewertungen im historischen Vergleich im "Normalbereich" – also weder als extrem teuer noch als extrem billig zu bewerten. Nachdem bereits viel Negatives in den Kursen eingepreist ist und ich davon ausgehe, dass sich ein Silberstreif am Horizont abzeichnet, sehe ich 2023 durchaus optimistisch entgegen. Ich gehe nicht davon aus, dass wir ein fulminantes Kursfeuerwerk erleben werden, aber eine deutlich positive Performance würde mich nicht überraschen.
Und auch für Anleiheninvestoren blicke ich optimistisch in das Jahr 2023. Immerhin haben wir schon positive Renditen. Und auch für mich persönlich ist angerichtet. Spätestens Mitte Jänner ist meine Kaffee-Abstinenz wieder Geschichte und ich werde wieder genussvoll meiner Espresso-Leidenschaft frönen. Und eines können Sie mir glauben. Im Gegensatz zu den anderen Prognosen wird diese mit 100-prozentiger Sicherheit aufgehen.
Insofern bleibt mir nur noch, Ihnen einen entspannten Jahresausklang und alles Gute für 2023 zu wünschen. Prosit Neujahr!
Josef Obergantschnig