Die endgültige Antwort auf die Frage, ob die Raiffeisen Bank International RBI in Russland bleiben wird oder nicht, gibt RBI-Chef Johann Strobl auch in der Bilanzpressekonferenz an diesem Mittwoch nicht. Kann er nicht geben. Zu sehr ändern sich die Rahmenbedingungen, zu abhängig ist das Unternehmen vom Wohl und Wehe der russischen Führung und ihren Kommissionen. Klar ist, wenn die RBI aussteigen wollte, müsste sie im schlechtesten Fall damit rechnen, möglicherweise keinen Cent mehr für ihre grundsätzlich sehr wertvolle russische Tochterbank zu bekommen.
Finanziell ist die RBI jedenfalls auch für den Totalausstieg gerüstet. Damit das transparent nachvollziehbar ist, wurden alle am Mittwoch präsentierten Zahlen auch ohne Russland und Weissrussland dargestellt. Die Bank selbst weist ihre Resilienz vor allem anhand der harten Kernkapitalquote aus, die von 13,1 auf 16 Prozent verbessert wurde und ohne Russland bei guten 14 Prozent liegt. Sie steige jetzt sogar noch auf etwa 15 Prozent an, so Strobl. Im offiziellen Ausblick heißt es, dass die Kernkapitalquote auch bei einem Exit noch deutlich über 13,5 Prozent liegen werde. "Was immer passiert," so Strobl wörtlich, "wir enden im schlimmsten Fall bei 14 Prozent, das ist reichlich über den Kapitalanforderungen, also in dem Sinn sind wir vorbereitet."
Noch beläuft sich der Buchwert der russischen Tochterbank in der RBI-Bilanz auf unter eine Milliarde Euro, das ist allerdings nur noch weniger als die Hälfte dessen, was noch vor einem Jahr in den Büchern stand.
Vorbereitungen für Verkauf könnten weit gediehen sein
Einen Verkauf der am Wochenende ins Licht der Öffentlichkeit gerückten russischen Leasing-Tochter "würde ich nicht unbedingt ausschließen," so Strobl. "Wir hatten in den vergangenen Monaten wenig Zeit, um das Portfolio zu optimieren", sagt der RBI-Chef. Dass man keine neuen Verträge mehr abgeschlossen habe, sei aber als ein "klares Signal" zu verstehen. Das gesamte in Russland aushaftende Kreditvolumen wurde um rund ein Drittel von 11,6 auf 8,99 Milliarden Euro zurückgefahren.
Dass wesentliche Entscheidungen zum gesamten Russland-Engagement noch im ersten Quartal fallen könnten, wollte Strobl nicht bestätigen. Erst vor wenigen Tagen hatte dagegen der Chef der Raiffeisenbank Oberösterreich, Heinrich Schaller, diesen Zeithorizont genannt. Offenbar hat die RBI Kaufinteressenten für ihre Russland-Bank. Naturgemäß keine aus dem Westen, wie Strobl auch bestätigt. Tatsächlich dürfte intensivst ausgelotet werden, was wie verkauft werden könnte und welcher Verkaufspreis dann überhaupt nach Wien gelangen könnte. An vielen Stellen schneidet der russische Staat so massiv mit, dass vom vereinbarten Preis deutlich weniger als die Hälfte übrig bleiben könnte.
Strobl sieht das Jahr 2022 im Rückspiegel als extrem ungewöhnliches Jahr mit auf der "einen Seite sehr guten Ergebnissen" und auf der anderen Seite "enormen Problemen". Der Gewinn der russischen Bank-Tochter hat sich von zuvor 474 Millionen Euro auf 2,06 Milliarden Euro mehr als vervierfacht. Er schnellte vor allem aufgrund von Währungseffekten und den extrem zugenommenen Devisengeschäften so stark in die Höhe. Nach dem derzeitigen russischen Regime kann die RBI davon aber wohl keinen Cent nach Österreich transferieren.
So hat die RBI zwar in Summe mit 3,6 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel Gewinn gemacht wie im Vorjahr mit 1,4 Milliarden Euro. Ohne das Geschäft in Russland, Weißrussland und ohne den Erlös aus dem Verkauf der Bulgarien-Einheit blieben als Konzernergebnis unter dem Strich noch 982 Millionen Euro, was 35 Prozent mehr ist als 2021. Die Profitabilität in Österreich, Zentral- und Südosteuropa sei gut, so Strobl. Selbst in der Ukraine gab es einen Gewinn von 65 Millionen Euro, Ende 2021 waren es 122 Millionen gewesen. In Weißrussland machte Raiffeisen 113 Millionen Gewinn, nach zuvor 49 Millionen. Auch dort ist noch nicht klar, welche Rolle die RBI in dem Markt künftig spielen will.
Ohne Russland und Belarus lag der Zinsüberschuss dank höherer Zinsen und Volumina bei 3,4 Milliarden Euro (plus 37 Prozent zum Vorjahr) und der Provisionsüberschuss stieg auf 1,7 Milliarden Euro (plus 16 Prozent).
Das Kundenkreditgeschäft wuchs ohne Russland und Weißrussland um sechs Prozent. Es wurden insgesamt Risikokosten in Höhe von 949 Millionen Euro zurückgelegt, 490 Millionen Euro davon in Russland und Weißrussland.
Dividende von 0,8 Euro je Aktie vorgeschlagen
Von den starken Zahlen sollen auch die Aktionäre profitieren. Das RBI-Management schlägt eine Ausschüttung von 0,80 Euro je Aktie vor. Wann über die Dividende entschieden wird, ist aber noch offen. Auf der kommenden Hauptversammlung am 30. März 2023 werde voraussichtlich keine Entscheidung fallen, der Zeitpunkt der Beschlussfassung sei von den "Kapitalquoten und den fortdauernden strategischen Überlegungen" abhängig. Strobl geht von einer außerordentlichen Hauptversammlung für den Dividendenbeschluss aus.