Volkswirte erwarten ein aggressiveres Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB). 55 der 59 von Reuters befragten Volkswirte rechnen mit einer Erhöhung des Einlagesatzes, den Banken für das Parken von überschüssigen Geldern bei der Notenbank erhalten, um weitere 0,50 Prozentpunkte. Demnach werde die EZB den Einlagensatz bei ihrer Zinssitzung am 2. Februar auf 2,50 Prozent anheben.
Eine weitere Anhebung um 0,50 Punkte werde wahrscheinlich im März erfolgen. Die EZB werde dann im nächsten Quartal die Zinsen um weitere 0,25 Prozent anheben, bevor sie eine Pause einlege. Die Volkswirte erwarten einen Endsatz von 3,25 Prozent im laufenden Zyklus, den höchsten Stand seit Ende 2008. Die Reuters-Umfrage fand zwischen dem 13. und 20. Jänner statt.
Doppelschlag im Februar und März
Die Europäische Zentralbank wird auch nach Darstellung des niederländischen EZB-Ratsmitglieds Klaas Knot sowohl im Februar als auch im März die Zinsen um jeweils 0,5 Prozentpunkte anheben. Auch in den Monaten danach werde die EZB mit weiteren Zinserhöhungen nachlegen, sagte Knot am Sonntag in einem Interview des Senders WNL. Man werde im März noch nicht durch sein. Weitere Schritte im Mai und Juni würden folgen.
Mit der Serie von Zinserhöhungen will die Euro-Notenbank die extrem hohe Inflation wieder Richtung des EZB-Ziels von zwei Prozent bringen. Nach Jahren der ultra-lockeren Geldpolitik steigen die Zinsen seit Juli 2022. Zuletzt wurden sie im Dezember um 0,5 Prozentpunkte angehoben. Der Einlagensatz, der an den Finanzmärkten aktuell als der maßgebliche Satz gilt und den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt mittlerweile bei 2,0 Prozent. Noch im Juni 2022 hatte er bei minus 0,5 Prozent gelegen, was Strafzinsen für die Geldhäuser bedeutete.
"Kurs zu halten, ist mein geldpolitisches Mantra"
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte am Freitag bereits betont, dass sie den Kampf gegen die hohe Inflation entschlossen fortführen will. "Kurs zu halten, ist mein geldpolitisches Mantra", sagte sie in Davos. Dies gelte auch unabhängig davon, dass der Höhepunkt der Inflation erreicht scheine, sagte Lagarde. "Wir werden tun, was nötig ist." Die Aufhebung der strikten Corona-Maßnahmen in China stelle eine zusätzliche Inflationsgefahr dar. Am Donnerstag hatte Lagarde schon davon gesprochen, dass die Inflation "viel zu hoch" sei. Die EZB sei entschlossen, die Inflation rasch auf zwei Prozent zu reduzieren.
Die EZB hatte im Dezember den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte angehoben und zugleich weitere Erhöhungen in dieser Größenordnung in Aussicht gestellt. Dies wurde zuletzt jedoch durch einen Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg in Zweifel gezogen. Laut dem Bericht gibt es Diskussionen, ob auf der übernächsten Sitzung im März das Zinserhöhungstempo verlangsamt werde. Jedoch haben sich seitdem neben Lagarde auch andere Notenbankvertreter für eine Fortsetzung eines entschlossenen Kurses ausgesprochen.