Die Coronapandemie hatte den gut zehn Jahre währenden Boom am Immobilienmarkt noch einmal richtig befeuert. Wer einen Baugrund, ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollte, musste bei einem eher leer gefegten Markt mit fast schon verrückten Preisen rechnen. Die Krisen des Jahres 2022 haben aber offenbar eine scharfe Trendwende gebracht.

Das Angebot ist laut dem Maklernetzwerk Remax seit Sommer teilweise um fast ein Drittel gestiegen, bei den Preisen gebe es schon Korrekturen.
"Das ist eine Situation, wie wir sie noch nie gehabt haben", sagt Anton Nenning von Remax zu den Markteinschätzungen des mit 600 Maklern größten Netzwerks in Österreich. "Wir erwarten erhebliche Veränderungen mit negativen Vorzeichen. Das Angebot wird massiv anwachsen", so Nenning. "Da geht es nicht um homöopathische Dosen, sondern deutliche Trendwenden, aber", so betont er, "das ist auch noch lange kein Fall für den Notarzt."

Am stärksten werde das mittelpreisige Segment von dieser Entwicklung betroffen sein. Um fast zehn Prozent könnte hier die Nachfrage wegbrechen, die Preise könnten um knapp acht Prozent absacken. Insgesamt könnten elf Prozent Nachfragerückgang das Angebot um acht Prozent erhöhen.

Explodierende Baupreise, verschärfte Richtlinien

Dass ein und dieselbe höherpreisige Immobilie heute teilweise um Hunderttausende Euro billiger angeboten wird als noch vor einem halben Jahr, ist bereits zu beobachten. Eine Entwicklung, die Remax bei der traditionellen Pressekonferenz zum Jahresbeginn Anfang 2022 so nicht für möglich gehalten hätte. Denn da deutete noch nichts darauf hin, welch scharfe Wende die EZB bei den Zinsen hinlegen musste, um die Inflation zu bekämpfen. Explodierte Baupreise und die im Sommer massiv verschärften Kreditvergaberichtlinien taten ihr Übriges.

Bei der Regelung erwartet sich Remax-Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer eine dringende Reparatur, damit bestehende Immobilien wieder als Eigenmittel anerkannt und somit Zwischenfinanzierungen ermöglicht werden können. Auf Finanzierungszusagen vom Sommer bis inklusive Juli könne man jedenfalls nicht mehr zählen. Dafür habe sich zu viel geändert. Inzwischen müssten auch die Betriebskosten einer Immobilie viel stärker als früher berücksichtigt werden.

Risikovermeidung wichtiger als Eigentum

In der aktuellen Situation sei für viele Menschen "Risikovermeidung wichtiger als Eigentum", sagt Nenning. Deshalb gehe bei den Mietwohnungen der Boom weiter – vor allem in der Stadt, die wieder an Anziehungskraft gewinne. Bei Mietwohnungen ist deshalb nicht mit Preisrückgängen zu rechnen, Remax erwartet sogar leicht höhere Preise.
Für Gewerbeimmobilien sind die Aussichten Remax zufolge am "unerfreulichsten". Die regionalen Unterschiede sind ebenfalls nicht klein: In Kärnten dürfte die Marktkorrektur viel gedämpfter ausfallen, die Steiermark liegt im Mittelfeld.

Einfamilienhaus um 40.000 Euro teurer

258.000 Euro kostete 2022 eine Eigentumswohnung im Schnitt. Vor einem Jahr mussten Käufer noch durchschnittlich 235.403 Euro hinblättern. Ein Einfamilienhaus kostete im Durchschnitt 347.000 Euro, nach 307.085 nur ein Jahr zuvor.

Steigerungen, die erklären könnten, warum 2022 für das Remax-Netzwerk trotzdem "das mit Abstand beste Jahr der Unternehmensgeschichte" in Österreich war.

Die Makler der Franchise-Gruppe erzielten knapp zehn Prozent höhere Honorarumsätze, gegenüber 2020 waren es um 38,6 Prozent mehr. Der Transaktionswert war mit 2,5 Milliarden Euro um 9,5 Prozent höher als vor einem Jahr. Österreichweit dürften 2022 etwa 145.000 Immobilien im Wert von rund 43 Milliarden die Besitzer gewechselt haben. "Wir bleiben in Summe optimistisch", so Nennig. Remax will am Markt nicht zuletzt durch starke Digitalisierung weiter wachsen.