Im November 2021 war die Kryptowelt noch in Ordnung: Bitcoin als älteste und größte Kryptowährung notierte bei 69.000 Dollar (64.850 Euro). Aber bereits Anfang 2022 sah die Welt anders aus: Die Angst vor einem Krieg in der Ukraine sowie die steigende Inflation in den USA setzten die Kryptowährungen - allen voran den Bitcoin - unter Druck. Schließlich versuchen Notenbanken, eine hohe Inflation über Zinserhöhungen in den Griff zu bekommen.
Darüber hinaus dauerte die vom Bitcoin-Halving ausgelöste Boom-Phase bereits deutlich länger als die beiden Male zuvor. Die Folge: Der Kurs von Bitcoin rasselte in der zweiten Jänner-Hälfte auf unter 33.000 US-Dollar. Mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine bewahrheiteten sich die Ängste - und der Bitcoin blieb weiterhin unter Druck. Dass El Salvador den Bitcoin zuvor als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert hatte, konnte daran auch nichts ändern.
Hochzins-Phase
Erschwerend kam hinzu, dass die Notenbanken rund um die Welt angesichts hoher Inflationszahlen ihre Geldpolitik änderten. Die Geldschleusen wurden geschlossen, die Zinsen steigen. Seit der Geburt von Bitcoin im Jahr 2009 - mitten in der Finanzkrise - gab es diese Bewegung allerdings noch nie. Die kräftigen Zinserhöhungen in den USA und später auch in Europa verfehlten ihre Wirkung an den Kryptomärkten nicht. Denn bei höheren Zinsen wenden sich Anleger von riskanteren Anlagemöglichkeiten ab und investieren lieber in Dollar. Und zu den riskanteren Anlagemöglichkeiten gehört alleine schon aufgrund der hohen Volatilität der Bitcoin.
Zudem wurde 2022 der Ruf nach einer Regulierung der digitalen Währungen immer lauter. Mit 1. März trat die Kapitalertragssteuer für Kryptowährungen in Kraft. Und Notenbanken forderten eine stärkere Regulierung dieser Märkte. Die EU hat sich zumindest auf den Namen des Regelwerks geeinigt, das Ende nächsten Jahres in Kraft treten sollte: "Markets in Crypto Assets".
Sammelbecken für Betrüger
Die massiven Kursgewinne im Kryptomarkt ziehen bereits seit Jahren Betrüger an. Vor allem in Boom-Phasen blühen auch die Pyramidenspiele und Ponzi-Systeme im Kryptobereich. Dazu kommt noch klassischer Anlagebetrug, der in arabische oder karibischen Staaten ohne Kryptoregulierung kaum rechtlich sanktioniert ist.
Die dadurch ausgelösten Kursturbulenzen gingen nicht spurlos an der Branche vorüber. So mussten im Sommer etwa die Kryptobanken Celsius Network und Voyager Digital Insolvenz anmelden.
Hinzu kamen die Pleiten von Brokern und Börsen, die mit den Kursverlusten massive Verluste eingefahren haben. Die Kryptosysteme Luna und Celsius kollabierten in der ersten Jahreshälfte. Jüngstes Beispiel ist die Implosion des Handelsplatzes FTX, der den Ruf aller Kryptowährungen schadete. Die FTX-Pleite zog auch andere Unternehmen in den finanziellen Abgrund, darunter etwa die Krypto-Bank Blockfi.
Immerhin: Die Pleite von FTX hat nun auch Folgen für dessen Gründer Sam Bankman-Fried, obwohl das Unternehmen in der Steueroase Bahamas angesiedelt war. Der Mann sitzt mittlerweile in den USA in Untersuchungshaft, weil die Bahamas einem Auslieferungsantrag der US-Behörden stattgegeben haben. Ihm wird Anlagebetrug in Milliardenhöhe vorgeworfen.
Turbulenzen halten an
Auch die größte unregulierte Kryptobörse Binance kämpft inzwischen mit hohen Mittelabflüssen, nachdem bekannt wurde, dass laut einem Finanzbericht des Unternehmens der Finanzpolster nur an einem Tag die Summe der Kundeneinlagen überstieg. Die unregulierte Kryptowährung Tether, die in der Branche als Dollar-Ersatz fungiert, gerät ebenfalls immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Das Unternehmen versichert zwar, dass jeder ihrer sogenannten USDT-Token mit echten US-Dollar abgesichert sei. Eine unabhängige Prüfung dieser Behauptung wird jedoch nicht zugelassen.
Große Kurssprünge nach oben sind im kommenden Jahr am Kryptomarkt daher nicht zu erwarten. Vielmehr könnten weitere Pleiten - möglicherweise auch große - für mehr Turbulenzen sorgen. Dennoch: Viele rechnen mit einer weiteren Kursrally, allerdings erst in zwei Jahren. Mitte des Jahres 2024 findet das nächste sogenannten Halving bei Bitcoin statt, die Halbierung der Belohnung für Miner. Dieses Ereignis fand bisher drei Mal statt. Jedes Mal kam es einige Monate später zu einem markanten Preisanstieg. Ob das wirklich so kommt, ist unklar. Und so bleiben Kryptowährungen weiterhin ein gefährliches Geschäft mit hohem Risiko, die gesamten Investitionen zu verlieren.
Roman Vilgut