Die Europäische Zentralbank (EZB) wird Volkswirten zufolge in der kommenden Woche ihren Straffungskurs mit einer weiteren Zinserhöhung vorantreiben. Im Mittel erwarten 51 von 60 befragten Ökonomen, dass die Währungshüter am Donnerstag den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Geschäftsbanken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, um 0,50 Prozentpunkte auf dann 2,00 Prozent anheben werden. Das wäre das höchste Niveau seit Anfang 2009.
Mit einer noch stärkeren Anhebung um 0,75 Prozentpunkte oder mehr rechnen sieben Volkswirte, zwei gehen nur von 0,25 Prozentpunkten aus. Die Nachrichtenagentur Reuters befragte die Ökonomen von 5. bis 8. Dezember.
Für den Hauptrefinanzierungssatz rechnen die Experten im Mittel ebenfalls mit einer Anhebung um 0,50 Prozentpunkte auf dann 2,50 Prozent. Die Verbraucherpreise im Euroraum waren im November nur noch um 10,0 Prozent binnen Jahresfrist gestiegen nach 10,6 Prozent im Oktober. Es war der erste Rückgang der Teuerung seit Mitte 2021. Das deutet darauf hin, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Zwar liegt die Teuerung damit immer noch fünfmal so hoch wie das Ziel der Notenbank von zwei Prozent. Aber unter den Währungshütern nahmen zuletzt die Stimmen zu, die für die Sitzung eine weniger aggressive Gangart erwarten als noch im September und Oktober. Die EZB hatte auf den beiden Zinstreffen ihre Schlüsselsätze jeweils um ungewöhnlich kräftige 0,75 Prozentpunkte erhöht.
Abbau der Anleihenbestände
Die EZB will nächste Woche auf ihrer Sitzung zudem wichtige Schlüsselprinzipien für den Abbau ihrer durch die jahrelangen Anleihenkäufe angeschwollenen Bilanz beschließen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte einen maßvollen und vorhersehbaren Abbau der Anleihebestände in Aussicht gestellt.
Die Notenbankbilanz der EZB hat inzwischen ein Volumen von rund 8,5 Billionen Euro. Allein die Bestände aus den beiden Anleihenkaufprogrammen APP und PEPP haben ein Volumen von rund 5 Billionen Euro. Volkswirte erwarten laut der Umfrage im Mittel (Median), dass die EZB 2023 ihre APP-Bondbestände um rund 175 Milliarden Euro abbauen wird. Die Schätzungen reichten dabei von 75 bis 600 Milliarden Euro.