Am Montag werden alle Züge in Österreich – für 24 Stunden – stillstehen. Die Vorbereitungen auf diesen massiven Eisenbahner-Warnstreik liefen auch am Wochenende weiter. Es gab aber noch eine letzte Chance, den Ausstand doch noch abzuwenden. Die Verhandlungspartner versuchten sich nämlich nochmals zusammenzuraufen und sich doch noch auf einen neuen Kollektivvertrag zu einigen. Das ist nicht gelungen. Auf den letzten Drücher sollte der folgenschwere Warnstreik am morgigen Montag also doch noch verhindert werden. Doch auch diese letzte Chance ist nun dahin. Die extra am Wochenende eingeschobenen Lohnverhandlungen für die rund 50.000 Eisenbahner sind ebenfalls gescheitert – sie wurden am Sonntag um 3 Uhr früh unterbrochen und dann um 11 Uhr wieder aufgenommen. Dann ging aber alles ganz schnell, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gaben bekannt, dass die Verhandlungen gescheitert sind.
Service
Damit steht endgültig fest, dass in der Nacht von Sonntag auf Montag ab 0:00 Uhr für 24 Stunden die Züge stillstehen – und das in ganz Österreich. Die ÖBB ersuchten die Fahrgäste bereits, nicht notwendige Fahrten zu verschieben bzw. alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. Es kann bereits ab heute Abend – und dann auch bis Dienstagfrüh – zu Ausfällen bei den Nightjet- und Euro-Night-Verbindungen kommen. Die Bahn hat unter oebb.at/streik ein eigenes Infoportal für Betroffene eingerichtet. Nur Busse und kommunale Verkehrsbetriebe sind unterwegs, aber keine Regional-, Fern- und Nachtzüge oder S-Bahnen.
Nur Busse und kommunale Verkehrsbetriebe sind unterwegs, aber keine Regional-, Fern- und Nachtzüge oder S-Bahnen.
"Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab"
Die Gewerkschaft vida kritisierte nach den gescheiterten Verhandlungen, dass die Arbeitgeberseite der Wirtschaftskammer ihr ursprüngliches Angebot von plus 200 Euro (und Einmalzahlung von 1.000 Euro) zuletzt nur um 8 Euro erhöht hätten. "Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab", wurde vida-Chefverhandler Gerhard Tauchner in einer Aussendung zitiert. Die Arbeitgeber teilten hingegen mit, dass sie ihr Angebot von einem Plus von 8 Prozent auf plus 8,44 Prozent erhöht hätten. Sie gaben der Gewerkschaft die Schuld, einen Streik vom Zaun zu brechen und dabei einem Drehbuch zu folgen.
"Die Verantwortung für diesen Warnstreik, für die Auswirkungen auf die Pendlerinnen und Pendler sowie für den wirtschaftlichen Schaden liegt damit ausschließlich bei der Wirtschaftskammer. Hätte sie sich in den letzten zwei Monaten bewegt und ernsthaft verhandelt, hätten wir schon lange einen Abschluss", so Tauchner.
"Gewerkschaft nimmt Branche in Geiselhaft"
"Waren die Forderungen bisher schon maßlos, dann ist diese Vorgehensweise unmittelbar vor einem Streik verantwortungslos", so Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber. Er fragte, warum niedrigere Gehaltsabschlüsse von der vida in anderen Branchen "abgefeiert" werden, aber bei der Bahn gestreikt werde. "Die Gewerkschaft nimmt mit ihren unrealistischen Forderungen die gesamte Branche und ihre Kunden in Geiselhaft."
"Wenn man sich die letzten Aussagen anschaut, dann bin ich nicht sehr zuversichtlich, dass es möglich sein wird, diesen Streik noch abzuwenden", sagte Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber im Gespräch mit der APA kurz vorm Verhandlungsstart. Selbst wolle man "lösungsorientiert" in die Gespräche gehen. Der aufgebaute Druck sei aber nicht hilfreich, so Scheiber zum drohenden Warnstreik: "Zwang in Gesprächen hindert eher Lösungen."
Solange es bei der Eisenbahn noch 40-Stunden-Jobs gäbe, wie im Nachtzug, wo Kolleginnen und Kollegen lediglich 1356 Euro netto im Monat als Einstiegsgehalt bekämen, gäbe es im Kollektivvertrag noch massiven Aufholbedarf, so Tauchner. "Wir fordern weiterhin einen monatlichen Fixbetrag in Höhe von 400 Euro auf KV- und Ist-Löhne, weil dieser insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen in Zeiten der anhaltenden Rekordinflation von inzwischen 11 Prozent stützt", bekräftigt Tauchner.
Expertengespräche ab Dienstag möglich
Der Gewerkschafter sagte auf APA-Nachfrage, wie und wann es denn jetzt mit Gesprächen weitergehen werde, wo die Situation besonders verfahren erscheint: "Wir haben angeboten, dass sich die Experten am Dienstag wieder zusammen setzen und schauen, was wir machen können. Danach haben wir rasch neue Termine als Ziel." Der Vorschlag sei auf ein Kopfnicken der Arbeitgebervertreter gestoßen, ist vorerst so aber noch nicht fixiert, so Tauchner. Morgen gehe es einmal darum, die Mitarbeiter im Zuge des Ausstands über die neuesten Vorgänge zu informieren.
Der zuständige Wirtschaftskammer-Fachverband teilte auf Nachfrage mit, dass man am Dienstagnachmittag zu einer "Vollversammlung/Erweiterte Ausschusssitzung" lade, um die Mitglieder zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise zu beraten. Vor der Sitzung werde es keine neuen Terminvorschläge an die Gewerkschaft geben.
Kritik von ÖBB-Chef und Westbahn
Kein Verständnis für den Streik zeigen die Manager von ÖBB und Westbahn. ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä teilt via Aussendung mit: "Mir fehlt jedes Verständnis für diesen Streik. Die Arbeitgeberseite hat mit 8,44 Prozent das höchste Angebot aller Branchen gestellt. Es ist ganz klar, ein mutwilliger Streik der Gewerkschaft." Es schmerze ihn, "dass unsere Fahrgäste dermaßen in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich möchte mich bei den Kundinnen und Kunden aufrichtig entschuldigen", so Matthä. "Die ÖBB werden alles daran setzen, den Betrieb so rasch wie möglich wieder hochzufahren."
Harsche Kritik setzt auch seitens der privaten Westbahn. Durch den Streik "werden zigtausende Bahnreisende, die sich darauf verlassen, dass die Bahn sie sicher und zuverlässig an ihr Reiseziel, ihren Arbeitsort, ihre Schule oder nach Hause bringt, morgen mit einem Chaos auf den Schienen und signifikanten Konsequenzen konfrontiert sein", wird in einer Aussendung betont. "Das Image des Schienenverkehrs wird dadurch nachhaltig Schaden nehmen." Damit geht auch eine Forderung der Geschäftsführer Florian Kazalek und Thomas Posch einher: „Das viel gerühmte 'Bahnland Österreich' muss in der Lage sein, den Betrieb für die Reisenden aufrechtzuerhalten, selbst wenn die Sozialpartner hart verhandeln. Mittels Infrastrukturbereitstellung durch eine staatliche Behörde, unabhängig von den ÖBB, können Situationen wie die, auf die sich Bahnreisende morgen einstellen müssen, künftig vermieden werden. In Deutschland startet dazu gerade eine Diskussion, der wir uns in Österreich auch stellen sollten.“
Passagierinformationen für den Streikfall
Die ÖBB ersuchen die Fahrgäste, nicht notwendige Fahrten zu verschieben bzw. alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. Es kann bereits ab Sonntagabend bzw. bis Dienstagfrüh zu Ausfällen bei den Nightjet- und EuroNight-Verbindungen kommen. Die Bahn werde im Streikfall Details zu Einschränkungen, Verzögerungen oder Ausfällen auf oebb.at/streik, den ÖBB-Social-Media-Kanälen sowie in der Fahrplanauskunft SCOTTY bekannt geben. Alle Bahnunternehmen versuchen laut Scheiber, die Fahrgäste, so gut es geht, zu informieren und die Tickets zu ersetzen oder weiter gelten zu lassen.
Postbusse wären nicht vom Streik betroffen. Das gilt auch für kommunale Verkehrsbetriebe, wie etwa die U-Bahn in Wien.
Für den Pendlerverkehr nach und in Wien ist allerdings auch die S-Bahn besonders wichtig, die beim Streik nicht fahren würde. Hier führten Ausfälle kürzlich wegen einer Betriebsversammlung im Zuge des KV-Streits bereits zum Unmut einiger Fahrgäste.