Die Europäische Zentralbank (EZB) muss aus Sicht ihres Chefvolkswirts Philip Lane die Entwicklung der Löhne bei der Bewertung der Inflationsentwicklung besonders im Blick haben. Da Lohnerhöhungen in vielen Schritten erfolgten, werde es mehrere Jahre dauern, bis sich die Löhne an den Anstieg der Lebenshaltungskosten anpassen, erläuterte Lane am Freitag in einem Blogbeitrag, der auf der EZB-Webseite veröffentlicht wurde.
"Das wiederum bedeutet, dass die Lohninflation in den nächsten Jahren ein Haupttreiber der Preisinflation sein wird, selbst wenn Energie- und Pandemie-Faktoren aus der Inflationsmessung verschwinden." Dies mache es umso wichtiger, die Lohnentwicklung rechtzeitig und genau zu beobachten.
Rekordinflation in der Euro-Zone
Lane sieht darin allerdings keine grundsätzliche Änderung der Lohndynamik. Dies sei eine zeitlich begrenzte Aufholphase und solle nicht als Hinweis auf eine dauerhafte Veränderung der Lohndynamik missverstanden werden. Die Inflationsrate im Euroraum war im Oktober, angetrieben durch hochschießende Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs, auf 10,6 Prozent geklettert. Das ist das höchste Niveau seit Einführung des Euro.
Damit liegt die Inflation mehr als fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent. Angesichts der jüngsten deutlichen Tarif- und Kollektivvertragsabschlüsse hat die EZB besonders im Blick, ob sich womöglich eine Lohn-Preis-Spirale im Euroraum entwickeln könnte - eine Situation, in der sich Löhne und Preise gegenseitig hochschaukeln.