Uniqa-Chef Andreas Brandstetter warnt vehement vor dem drohenden Personalengpass in der Pflege. Wenn Österreich bis 2030 etwa 75.000 zusätzliche Kräfte brauche, sei das sehr wenig Zeit. Es passiere aber praktisch nichts, um dieses Problem anzugehen. "An den Diskussionen, die wir führen, stört mich die Kurzfristigkeit", sagt der Versicherungschef mit Blick auf die immer wieder hochkochenden Migrationsdebatten. "Wir brauchen eine ganz klare Vorwärtsstrategie, wir brauchen gezielte Migration nach Österreich", fordert der Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns.
In anderen Ländern gibt es bereits Programme, um Menschen aus Nicht-EU-Staaten anzuwerben. Frankreich kooperiert etwa mit Georgien. Deutschland will Pflegekräfte in Indien ausbilden. "Bei uns wollen manche lieber einen Stacheldrahtzaun um Österreich ziehen und diese Probleme negieren", platziert Brandstetter am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten einen politischen Seitenhieb.
Wichtige Stellschraube
Aber selbst ohne ein gezieltes Programm nach dem Muster Deutschlands könnte Österreich an einer wichtigen Stellschraube drehen: "Der Gesetzgeber sagt immer noch, das ist kein Mangelberuf", erklärt Brandstetter. Das bedeutet eine unüberwindbare Hürde für alle Nicht-EU-Bürger. In deklarierten Mangelberufen dürfen auch sie in Österreich arbeiten.
Die Uniqa ist in der Pflege inzwischen ein großer, wenn nicht der größte Spieler am Markt in Österreich, seitdem sie mit knapp 40 Prozent am Pflegeanbieter Cura Domo beteiligt ist, zu dem etwa 2000 selbstständige MitarbeiterInnen für die Pflege zu Hause gehören. Brandstetter kündigt weitere Zukäufe an. "Wir wollen dazu beitragen, den Markt zu konsolidieren." Zur oft schlechten Bezahlung in Dienstleistungsberufen sagt Brandstetter: "Da muss sich im Laufe der nächsten Zeit etwas abspielen."
"Planeten nicht an die Wand fahren"
Nicht hinter dem Berg hält er auch mit seiner Meinung zum politischen Umgang mit der Klimakrise: "Wir sind drauf und dran, unseren Planeten krachend gegen die Wand zu fahren", sagt Brandstetter, der auch Präsident des Europäischen Versicherungsverbandes Insurance Europe ist, wörtlich. Bis Ende September habe die Uniqa in Österreich 300 Millionen Euro Schäden durch Großereignisse und Umweltereignisse gehabt. Das sei eine Vervielfachung im Vergleich zum Jahr 2000. Sorgen mache den Versicherungen auch die rasant steigende Zahl von Hitzetagen – in Wien waren es in diesem Sommer 39 –, denn Hitze bedeutet auch eine viel höhere Feuergefahr durch Blitzschlag.
Das Geschäft des Versicherungskonzerns litt in den ersten drei Quartalen auch unter der Ukraine-Krise und Abschreibungen auf Russland-Anleihen. Das Vorsteuerergebnis EGT fiel mit 275 Millionen Euro um 7,8 Prozent schlechter aus als im per Ende September 2021.
Von den Rückversicherern seien angesichts der steigenden Schäden durch Naturkatastrophen, Preiserhöhungen zu erwarten. Das müsse sicher weitergegeben werden. Zudem würden Versicherungen jetzt noch mehr auf die Risikoqualität achten als bisher. Zu den derzeit noch am meisten unterschätzten Risiken zählt Brandstetter ein großflächiges, möglicherweise globales Lahmlegen wichtiger Infrastruktur durch Cyberangriffe.
Claudia Haase