Zweieinhalb Jahre nach der spektakulären Pleite des einstigen Börsenlieblings Wirecard steht dessen ehemaliger Chef, der Österreicher Markus Braun, ab Dezember vor Gericht. Der Mammutbetrugsprozess vor dem Landgericht München dürfte sich bis ins Jahr 2024 hineinziehen, zumal Braun eine Mitschuld an dem mutmaßlichen Milliardenbetrug bei dem Zahlungsabwickler zurückweist und sich selbst als Opfer sieht. Der Auftakt zu dem Verfahren ist am 8. Dezember.

Heuer soll noch an sechs Tagen im größten Sitzungssaal der Stadt innerhalb der Mauern der Justizvollzugsanstalt Stadelheim verhandelt werden. Für 2023 hat das Landgericht am Mittwoch weitere 94 Verhandlungstage terminiert.

Das Landgericht hatte die Klage gegen den 53-jährigen Braun und zwei weitere Ex-Manager von Wirecard im September wie von der Staatsanwaltschaft beantragt zugelassen. Der Österreicher sitzt seit Juli 2020 in Untersuchungshaft. Die Strafverfolger werfen Braun, seinem Bilanzchef Stephan von Erffa und dem Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, in der 474 Seiten starken Anklageschrift Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue in mehreren Fällen und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Das Wirtschaftsstrafverfahren dürfte eines der größten in der deutschen Geschichte werden. Vorsitzender Richter ist Markus Födisch.

Milliardenpleite

Von dem Prozess erhoffen sich auch die ehemaligen Wirecard-Aktionäre Aufklärung darüber, wie es zu der Insolvenz kommen konnte. Die Ankläger sehen Braun als einen der Hauptverantwortlichen für einen jahrelangen Bilanzbetrug, der im Juni 2020 in einer Milliardenpleite mündete. Bis zur Insolvenz war Wirecard im Leitindex Dax gelistet und an der Börse zeitweise mehr wert als die Deutsche Bank. Braun und seine Manager hätten über Jahre hinweg darauf hingearbeitet, das Unternehmen erfolgreicher aussehen zu lassen, als es tatsächlich war. "Hierzu erfanden sie angeblich äußerst ertragreiche Geschäfte, vor allem in Asien", heißt es in der bereits im März vorgelegten Anklageschrift. Die Bilanzen der Jahre 2015 bis 2018 seien gefälscht.

Wirecard hatte im Juni 2020 zugeben müssen, dass es eine Milliardensumme, die angeblich auf dem Konto eines Treuhänders in Singapur lag, nie gegeben hatte. Auf die Existenz des Geldes hatten auch die Wirtschaftsprüfer von Wirecard, EY, jahrelang vertraut. Auch Insolvenzverwalter Michael Jaffé geht davon aus, dass es nie existierte.

Der langjährige Wirecard-Chef Braun sieht sich dagegen laut seinen Verteidigern als Opfer einer Bande, "die Millionensummen hinter seinem Rücken veruntreut hat". Dabei könnte Geldwäsche im Spiel sein. Das Unternehmen wickelte jahrelang Transaktionen für Online-Wetten und Internet-Pornografie ab. Brauns Vorwurf zielt offenbar auf den ehemaligen Vorstand Jan Marsalek ab, der für das angeblich erfolgreiche Asiengeschäft verantwortlich war und sich kurz nach der Pleite abgesetzt hat. Er wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, Medienberichten zufolge lebt er in Russland.