Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping will die Zusammenarbeit mit Deutschland ausbauen. Bei seinem ersten Treffen mit Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag in Peking äußerte er die Hoffnung, dass der Besuch das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit vertiefe. Beide Seiten sollten die Grundsätze des gegenseitigen Respekts und der Suche nach Gemeinsamkeiten beachten sowie Differenzen außen vor lassen werden.
Der Austausch, das voneinander Lernen und eine Kooperation zum Nutzen beider Seiten sollten aufrechterhalten werden. Unter diesen Umständen könnten sich die Beziehungen in eine unvoreingenommene und beständige Richtung entwickeln, wie auch die fünf Jahrzehnte seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und China gezeigt hätten, sagte Xi Jinping nach einem Bericht des chinesischen Staatsfernsehens. Die internationale Lage sei "komplex und wechselhaft". China und Deutschland sollten als einflussreiche Länder zusammenarbeiten und "in Zeiten von Veränderung und Chaos" mehr Beiträge zu Frieden und Entwicklung leisten.
Erster Regierungschef, der Jinping trifft
Scholz ist der erste westliche Regierungschef, der Xi Jinping nach dessen Wiederwahl zum Parteichef trifft. Bei den Gesprächen am Freitag in der Großen Halle des Volkes in Peking sollte es vor allem um die bilateralen Beziehungen, die geopolitischen Umwälzungen durch den Ukraine-Krieg und die Spannungen um Taiwan gehen.
Der Besuch findet unter scharfen Corona-Maßnahmen statt, da China unverändert eine strikte Null-Covid-Strategie verfolgt. So begrüßte Xi Jinping den Kanzler zwar ohne Maske - es gab aber keinen Handschlag. Die beiden saßen sich auch an zwei langgezogenen Tischen mit Abstand gegenüber. Scholz und seine Delegation bewegen sich in einer hermetisch abgeriegelten "Blase". Deswegen ist die Visite mit elf Stunden auch so kurz wie keine Kanzler-Reise nach China zuvor. Seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren ist der deutsche Kanzler der erste Regierungschef der Gruppe der großen Industrienationen (G7), der China wieder besucht. Er trifft auch den chinesischen Premier Li Keqiang, der nächsten März aus dem Amt scheiden wird.
"Intensiver Austausch"
Zum Auftakt seines Gesprächs mit dem Staats- und Parteichef in Peking sagte der SPD-Politiker, es werde "selbstverständlich" auch um die Fragen gehen, "wo wir unterschiedliche Perspektiven verfolgen". Das sei "das Ziel eines guten Austausches". Der Kanzler hob in seinem Eingangsstatement den Ukraine-Krieg hervor. "Wir kommen zusammen in einer Zeit, die von großen Spannungen geprägt ist. Ganz besonders will ich den russischen Krieg gegen die Ukraine hervorheben, der viele Probleme für unsere regelbasierte Weltordnung mit sich bringt." Außerdem nannte er Hunger, Klimawandel und die Verschuldung armer Länder als wichtige Themen. Es sei gut, nun zu einem "ganz intensiven Austausch" zusammenzukommen.
Der deutsche Kanzler wird von rund einem Dutzend Top-Managern begleitet, darunter die Vorstandschefs von Volkswagen, BMW, BASF, Bayer und der Deutschen Bank. In Peking wird Scholz auch örtliche Unternehmensvertreter treffen. Der Zeitpunkt der Reise so kurz nach dem Parteitag, auf dem Xi Jinping seine Macht weiter ausgebaut hat, ist umstritten. Chinesische Dissidenten und der Weltkongress der Uiguren hatten sogar eine Absage gefordert.
Neuer Kurs angekündigt
Kurz vor seiner Abreise hatte Scholz in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" einen neuen Kurs gegenüber China angekündigt. "Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern." Scholz will bei seinen Gesprächen in Peking auch "schwierige Themen" wie Menschenrechtsfragen und den Umgang mit Minderheiten ansprechen. Beunruhigt äußerte sich Scholz zur Lage rund um Taiwan und warnte China indirekt vor einer Invasion.
Der berühmteste chinesische Gegenwartskünstler Ai Weiwei hat Scholz wegen seiner Reise nach China vor Kritik in Schutz genommen. Vor dem Hintergrund von Forderungen im Vorfeld, nicht zu reisen, sagte Ai Weiwei am Freitag: "Es ist zumindest keine schlechte Idee." In der heutigen Welt wäre es unrealistisch, Beziehungen abzubrechen, um politische Ziele zu erreichen. Das habe nie funktioniert. "Ich denke nicht, dass sein Besuch in Peking inakzeptabel ist."
Strategische Abhängigkeit und Moralismus
Kontakte zwischen Staats- und Regierungschefs fänden meist aus Gründen strategischer Abhängigkeit statt und könnten nicht durch Moralismus verhindert werden. Egal, ob Scholz oder andere europäische Führer - das wichtigste sei, dass sie klar darstellten, wofür sie stünden. "Respekt kann nicht verdient werden, wenn eine Beziehung nur aus Profitgründen aufgebaut ist", sagte der heute in Portugal lebende Künstler, der häufig als "soziales Gewissen" Chinas beschrieben wird.
"Wenn Werte und Interessen wie auch die eigenen Notlagen und Risiken in einer offenen Art vorgetragen werden, dann ist das eine klare Haltung", sagte Ai Weiwei. Das demonstriere auch "Selbstbewusstsein". Wenn sich Deutschland aber nicht an europäische Werte hielte, verdiente es nicht die führende Position, die von ihm erwartet werde. "Der Gewinn könnte die Verluste nicht aufwiegen."