Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit einer weiteren kräftigen Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte gegen die Rekordinflation im Euroraum. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank leihen können, steigt damit auf 2,0 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Auch der Einlagenzinssatz und der Spitzenrefinanzierungssatz steigen um je 0,75 Prozentpunkte und liegen damit bei 1,5 bzw. 2,25 Prozent.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte bei der Pressekonferenz nach der Entscheidung einmal mehr, dass es noch weitere Zinserhöhungen geben wird, bis zu einem Zinssatz, der garantiert, dass das Ziel der Preisstabilität wieder erreicht wird – eine mittelfristige Inflation von 2,0 Prozent. Bekannterweise ist das ja das einzige Ziel, das die EZB mit ihrer Politik verfolgt. Im September wurde in der Eurozone allerdings eine Teuerung von 9,9 Prozent ermittelt. "Die Inflation ist nach wie vor deutlich zu hoch und wird für längere Zeit über dem Zielwert bleiben", erklärte Lagarde.
Wie hoch die weiteren Zinssprünge sein werden, ließ Lagarde trotz mehrerer Nachfragen offen. Der EZB-Rat werde die Schritte Sitzung für Sitzung diskutieren und beschließen. Dabei werde vor allem auf drei Punkte geachtet: Die Daten zur Inflation, die Auswirkungen der bereits getätigten Schritte und die Verzögerung, mit der Zinserhöhungen im Markt ankommen. Klar ist für Lagarde aber: "Wir sind noch nicht fertig."
Das unterstreichen auch die Marktdaten, die Lagarde präsentiert. Das Risiko, dass die Inflation weiter ansteigt, sei deutlich erhöht. Vor allem die Preise für Energie und Lebensmittel tragen derzeit zur Inflation bei. Immerhin: Die Lohnabschlüsse passen sich langsam den aktuellen Preisen an.
Ausblick düster
Angesichts der Gaskrise und anhaltend hoher Preise zeichnet die Europäische Zentralbank (EZB) einen düsteren Konjunkturausblick. Die wirtschaftliche Aktivität habe sich im dritten Quartal wahrscheinlich deutlich verlangsamt, sagt die EZB-Präsidentin. "Und wir erwarten eine weitere Abschwächung im weiteren Jahresverlauf und zu Beginn des nächsten Jahres." Ein positives Signal gibt es vom Arbeitsmarkt. Dieser sei weiterhin robust. Die Arbeitslosenquote liegt im Euroraum bei 6,6 Prozent. Allerdings könnte die drohende Rezession auch hier eine Trendumkehr einläuten.
Lagarde, hat die Regierungen der Eurozone aufgerufen, sich auch weiterhin um einen Abbau ihrer Staatsschulden zu bemühen. Die Regierungen sollten eine Finanzpolitik verfolgen, "die zeigt, dass sie die hohen staatlichen Schulden schrittweise reduzieren wollen", sagte Lagarde am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rats in Frankfurt. Sie plädierte gleichzeitig aber auch für Hilfen für die "Schwachen" - wenn auch "befristet und gezielt."
Neben den Zinsen verändert die EZB auch die Bedingungen, zu denen sich Banken langfristige Kredite gesichert haben. Die EZB hatte ja zwei Billionen Euro an ultrabilligen Krediten mit langer Laufzeit an die Banken aufgelegt, um die Folgen der Coronakrise abzufedern. Nun will die EZB die Banken dazu motivieren, diese Kredite schneller zurückzuzahlen. Die EZB will so garantieren, dass die Entscheidungen der Notenbank auch in der Realwirtschaft ankommen. Wenn Banken ihre Geldbestände mittels Rückzahlung reduzieren, können sie weniger Kredite vergeben. Tatsächlich bestätigt Lagarde, dass vor allem die Kredite gegenüber Haushalten in der Eurozone zurückgehen.
Die Anleihekaufprogramme APP und PEPP waren bei der aktuellen Sitzung zwar nicht das Hauptthema. Dennoch wird EZB Zahlungen aus den Anleihen sowie fällige Anleihen weiterhin reinvestierten. Erst im Dezember wird an einem Plan gearbeitet, wie die Notenbank den Berg an Anleihen im eigenen Portfolio abbauen will.
Roman Vilgut