Die Inflation ist in Österreich im September weiter gestiegen und erstmals seit 70 Jahren mit 10,5 Prozent in den zweistelligen Bereich geklettert. Hauptgrund sind explodierende Haushaltsenergie-Kosten. Eine höherer Verbraucherpreis-Anstieg wurde zuletzt im Juli 1952 gemessen, so die Statistik Austria am Mittwoch. "Damals lag die Inflationsrate bei 14,1 Prozent", so Generaldirektor Tobias Thomas. Der tägliche Einkauf verteuerte sich mit plus 11,5 Prozent noch deutlicher.
Die September-Inflation im Jahr 2022 hat mit ihrem zweistelligen Wert sogar die Teuerungswerte aus den Ölkrise in den 1970er-Jahren überflügelt. "Angeheizt wurde die Inflation im September von einem kräftigen Preisschub bei Haushaltsenergie, die damit zum wichtigsten Treiber der Inflation wurde", erläuterte Thomas. "Die auf hohem Niveau verharrenden Treibstoffpreise wurden damit auf den zweiten Platz der Preistreiber verwiesen." Aber auch die Preise in der Gastronomie und für Nahrungsmittel im Lebensmittel-Einzelhandel sind im Vergleich zu jenen vor einem Jahr weiter deutlich angestiegen.
Energie als Preistreiber
Der Anstieg der Preise für Wohnung, Wasser, Energie (durchschnittlich plus 19,8 Prozent) beeinflusste die Inflationsrate mit plus 3,74 Prozentpunkten. Damit fiel das Plus deutlich stärker aus als im August (plus 13,9 Prozent; Einfluss: plus 2,62 Prozentpunkte).
Hauptverantwortlich dafür war die Preisentwicklung bei Haushaltsenergie. Hier stiegen die Preise im September um 64,1 Prozent, was die Inflation um 2,5 Prozentpunkte steigerte, so die Statistik-Behörde. Im August hatte der Anstieg noch knapp 37 Prozent betragen und steigerte die Inflationsrate um gut 1,4 Prozentpunkte.
Gas wurde im September gleich um 111,4 Prozent teurer (August: plus 71 Prozent). Strom kostete um 36,7 Prozent mehr als im September vor einem Jahr (August: plus 12 Prozent). Diese bemerkenswert hohen Teuerungsraten sind laut Behörde vor allem durch Tarifänderungen in Wien und Niederösterreich beeinflusst worden. Selbiges gilt für die kräftigen Teuerungen für Fernwärme (September: +61,2 Prozent; August: plus 19 Prozent) vor allem wegen Tarifanpassungen in Wien.
Auch feste Brennstoffe verteuerten sich im September weiter kräftig (plus 97,6 Prozent; August: plus 72,4 Prozent). Der Anstieg der Heizölpreise hingegen war annähernd gleich hoch wie im August (September: plus 105,3 Prozent; August: plus 106,6 Prozent.
Das Preisniveau, das den tägliche Einkauf widerspiegelt (Mikrowarenkorb) stieg noch deutlicher an als die Gesamtinflation. Der Preis für den Korb, der überwiegend Nahrungsmittel, aber auch Tageszeitungen oder den Kaffee im Kaffeehaus enthält, stieg im Jahresabstand um 11,5 Prozent (August: +11,2 Prozent).
Teure Getränke
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich durchschnittlich um 13,9 Prozent. Die Preise für Fleisch stiegen um 15,3 Prozent, jene für Milch, Käse und Eier insgesamt um 20,3 Prozent. Brot und Getreideerzeugnisse kosteten um 13,3, Gemüse um 11 Prozent mehr. Öle und Fette verteuerten sich um 29,8 Prozent - alleine Butter um 39,6 Prozent. Obst wurde nur um knapp 4 Prozent teurer.
Deutliche Teuerungen gab es auch bei alkoholfreien Getränken von 15,7 Prozent. Ausschlaggebend dafür waren höhere Preise für Kaffee (plus 21,8 Prozent) und Limos (+11,1 Prozent).
Sich auswärts etwas zu gönnen wurde auch alles andere als günstiger. In Restaurants und Hotels stiegen die Preise um 10,5 Prozent. Bewirtung kostete um gut 10 Prozent mehr, Beherbergung um 12,5 Prozent.
Rekord nach Rekord
Die Teuerung stieg heuer bisher in jedem Monat an. Immer wieder gab es neue Rekordwerte seit vielen Jahrzehnten. Im August und Juli hatte die Inflation jeweils 9,3 Prozent betragen. Im Juni waren es 8,7, im Mai 8,1, im April 7,2 und im März 6,8 Prozent gewesen. Schon im Februar und Jänner belief sie sich auf 5,9 bzw. 5 Prozent, was in diesen ersten beiden Monaten des Jahres Höchstwerte seit 1984 markiert hatte.
Gegenüber dem Vormonat August kletterte das durchschnittliche Preisniveau im September heuer um 1,6 Prozent in die Höhe. Die Steigerung war durch den Anstieg der Haushaltsenergiepreise (plus 21,6 Prozent) getrieben.
Höchstwert in Eurozone
Die Inflation in der Eurozone hat sich im September auf hohem Niveau weiter beschleunigt und erneut einen Rekordwert erreicht. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise um 9,9 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch laut einer zweiten Schätzung mitteilte. Eine vorläufige Erhebung wurden damit um 0,1 Prozentpunkte nach unten revidiert, wohingegen Volkswirte mit einer Bestätigung der ersten Schätzung in Höhe von 10,0 Prozent gerechnet hatten.
Die September-Rate ist die höchste seit Einführung des Euro als Buchgeld 1999. Im Vormonat waren die Verbraucherpreise um 9,1 Prozent gestiegen. Getrieben wurde die Teuerung erneut durch den starken Anstieg der Energiepreise, die sich zum Vorjahresmonat um 40,7 Prozent erhöhten. Zudem beschleunigte sich der Preisauftrieb unter anderem bei unverarbeiteten Lebensmitteln, die um 12,7 Prozent zum Vorjahr zulegten. Stärker stiegen auch die Preise von Industriegütern ohne Energie und von Dienstleistungen.
Die Kerninflation, bei der besonders schwankungsanfällige Preise von Energie, Lebens- und Genussmitteln nicht berücksichtigt werden, stieg von 4,3 auf 4,8 Prozent. Die höchsten Inflationsraten im Währungsraum wiesen mit mehr als 20 Prozent einmal mehr die drei baltischen Staaten auf. So betrug die Jahresinflationsrate in Estland 24,1 Prozent. In Deutschland zog die nach europäischen Standards berechnete Inflationsrate auf 10,9 Prozent an. Frankreich hat mit 6,2 Prozent die niedrigste Inflationsrate in der Eurozone. Die Inflation in Österreich ist laut Statistik Austria erstmals seit 70 Jahren mit 10,5 Prozent in den zweistelligen Bereich geklettert.
Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Verbraucherpreise in der Eurozone im August um 1,2 Prozent. Damit wurde die Erstschätzung bestätigt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Wegen der faktisch viel höheren Inflation hat die EZB nach langem Zögern mit Zinsanhebungen begonnen. Zuletzt hob sie ihre Leitzinsen im September um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an. Dies war die stärkste Zinserhöhung seit der Einführung des Euro.