Frau, Leben, Freiheit!
Es ist dieses begriffliche Trio, das im Iran vielerorts aufpoppt. Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die wegen eines zu locker sitzenden Kopftuchs von der Sittenpolizei festgenommen wurde und danach im Spital verstarb, ist das Land in Aufruhr. Sind Demonstrationen in der Islamischen Republik per se nichts Neues, so werden sie dieser Tage als besonders wütend beschrieben. Die Rhetorik ist aggressiver als in der Vergangenheit – zudem dient die weltweite Vernetzung über soziale Medien als Aufmerksamkeitsbeschleuniger. Globale Protestkundgebungen sind die Folge. Dem iranischen Regime ist derlei freilich ein Dorn im Auge. Das zornige Ziel der Führung: den Protest nicht zu laut werden zu lassen und die Verbreitung jeglicher Bilder und Videos schon im Keim zu ersticken.
Instagram als wichtigstes Netzwerk
Dabei verfolgt der Iran den Weg einer schrittweisen Internet-Zensur. Einerseits perfektionierte man über Jahre hinweg das Spiel mit künstlich verringerten Download-Geschwindigkeiten, was die Internet-Nutzung im Land per se erschwert. Darüber hinaus werden westliche Nachrichtenseiten oder soziale Netzwerke einfach gesperrt. Meinungsfördernde und gruppendynamische Portale wie Twitter, Facebook oder YouTube gelten als „unislamisch“ und sind seit Jahren abgedreht, jetzt traf es auch WhatsApp und Instagram.
Letzteres schmerzt die Iranerinnen und Iraner besonders, entfielen doch 2021 mehr als 80 Prozent des Internetverkehrs in sozialen Netzwerken auf Instagram. Zudem greift der Iran zum vehementesten Mittel der Zensur – dem Abschalten kompletter Netzinfrastruktur. „Es gibt im Iran eine Art Internetsperrstunde für Mobilfunk“, lässt die Organisation NetBlocks wissen. Von 16 Uhr bis Mitternacht, also just zu jener Zeit, in welcher die meisten Protestversammlungen stattfinden, wird das Netz gekappt.
Das wiegt schwer, weil dadurch eine Nutzung von Umgehungstechnologie massiv erschwert wird. Und derlei Nutzung hat im Iran gute Tradition. Als begehrt gelten etwa sogenannte „Virtual Private Networks“ (VPN). VPNs werden verwendet, um Datenverkehr umzulenken und User zu tarnen. So können gesperrte Webseiten weiter genutzt werden. VPN-Anbieter wie das Schweizer Start-up Proton sprechen im Iran von einer Nachfrage nach dem eigenen Produkt, die um 5000 Prozent über dem Durchschnitt liege.
Auch die Browsererweiterung Snowflake (siehe Info rechts) gehört zurzeit zu den prominentesten Anwendungen. Nicht zuletzt kündigte Tesla-Chef Elon Musk an, das Satelliten-basierte Starlink-Internet für die Nutzung in Iran freizugeben. Die Sonderlizenz von den US-Behörden bekam Musk bereits, jetzt gelte es, rasch notwendige Router und Satellitenschüssel ins sanktionierte Land zu bringen.
Dass die Menschen im Iran mit Umgehungstechnologien besonders gut umgehen können, ist trauriges Zeugnis der jüngeren Geschichte. Die Zensur des Internets gehört zur DNA des Landes, schon 2006 nannte „Reporter ohne Grenzen“ (RoG) den Iran als einen von 13 „Feinden des Internets“. In Sachen Pressefreiheit rangiert das Land auf Platz 178 von 180 gelisteten Ländern.
Seit der islamischen Revolution von 1979 gehöre der Iran zu den „repressivsten Ländern weltweit für Journalistinnen und Journalisten“, schreibt RoG. Tatsächlich greift die Repression viel weiter. Ziel sind längst nicht nur mehr beruflich Medienschaffende und ihre konventionellen Druck- oder Aufnahmetechnologie, sondern auch Privatpersonen und deren Smartphones. Dass diese dennoch nicht völlig verstummen, schürt Hoffnung.