Mit der geschätzten Inflationsrate von 10,5 Prozent im September in Österreich übertrifft die Inflationsrate die Werte während der Ölkrisen der Siebzigerjahre und steigt auf den höchsten Stand seit Juli 1952, damals lag sie bei 14,1 Prozent. Damit ist die Inflationsrate gegenüber August (9,3 Prozent) kräftig gestiegen.

Gegenüber dem August stieg das Preisniveau in Österreich im September voraussichtlich um 1,6 Prozent.

Angeheizt wurden die Verbraucherpreise durch starke Teuerungen bei der Haushaltsenergie, die im September auch wichtigster Treiber der Inflation ist. Zweitwichtigster Preistreiber sind die Treibstoffpreise, die auf hohem Niveau verharren. Moderate Preiserhöhungen zeigen sich bei Nahrungsmitteln und in der Gastronomie.

Tarifanpassungen stärkster Inflationsimpuls

Für den Wifo-Inflationsexperten Josef Baumgartner gaben die im September vorgenommenen Tarifanpassungen für Gas und Strom in der Osthälfte Österreichs den stärksten Inflationsimpuls. "Da haben Wien Energie und die EVN die Preise auch für ihre Bestandskunden sehr deutlich nach oben angehoben", sagte der Ökonom. Im Westen habe es diese Erhöhungen bisher nur bedingt gegeben. Es sei aber davon auszugehen, dass auch dort die Preise erhöht werden - spätestens im nächsten Jahr.

"Nicht am Höhepunkt angekommen"

Nach seiner Einschätzung ist die Inflation daher noch nicht am Höhepunkt angekommen, zumal die CO₂-Bepreisung, die am morgigen Samstag in Kraft tritt, die Inflation weiter antreiben dürfte. Baumgartner: "Wenn man den Steuereffekt noch mitberücksichtigt, dann wird das den Treibstoffpreis um knapp 10 Cent erhöhen." Die für Dezember angekündigte Stromkostenbremse lasse allerdings dann einen Dämpfer erwarten.

Lebensmittelpreise weniger verantwortlich

Weniger verantwortlich für den Anstieg der Inflationsrate erwiesen sich die Lebensmittelpreise, wobei es laut Statistik Austria auch in diesem Bereich zu einer weiteren Erhöhung kam. Folgt man einem aktuellen Preismonitor der Arbeiterkammer (AK), schlägt die Teuerung bei Nahrungsmitteln wesentlich kräftiger durch. So koste ein Einkaufskorb "mit preiswertesten Lebens- und Reinigungsmitteln" seit September 2021 um 33,2 Prozent mehr. Merklich verteuert hätten sich unter anderem Nahrungsmittel wie Sonnenblumenöl, Mehl oder Butter, geht aus der Arbeiterkammer-Analyse hervor.

Energie EU-weit größter Treiber

Mit einem Wert von 10,5 Prozent reiht sich Österreich jedenfalls in eine Kette vieler weiterer europäischer Länder, deren Verbraucherpreis-Inflation mittlerweile in der Zweistelligkeit angelangt ist. Im gesamten Euroraum erklomm die Teuerung im September einen Wert von 10,0 Prozent, teilte das Statistikamt Eurostat mit. Und wie in Österreich ist auch in der gesamten Eurozone die Energie der größte Preistreiber.

Kritik an der Regierung

FPÖ und NEOS reagierten mit Kritik an der Regierung. "ÖVP und Grüne fahren unsere Wirtschaft sehenden Auges und - so muss man es leider sagen - mit voller Absicht an die Wand", sagte der freiheitliche Wirtschaftssprecher Erwin Angerer, der sich auch auf die Geldpolitik der EZB und die Sanktionen gegen Russland einschoss. Für die Neos war die Entwicklung "vorhersehbar". "Und dennoch hat es die Bundesregierung bis heute verabsäumt, endlich Maßnahmen vorzulegen, damit den Menschen in Österreich am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche bleibt", meinte der pinke Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker.

Für den Handelsverband spiegelt sich in der aktuellen Situation die "dramatische Lage" der Branche. "Wenn die Politik nicht fundamental gegensteuert, droht 900 Handelsunternehmen bzw. 6000 Geschäften bis Jahresende die Schließung", warnte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Höchster Wert seit Nachkriegszeit

Historisch markiert dieser Wert das höchste Teuerungsniveau seit der Nachkriegszeit in Österreich. 1952 lag die Inflation auf Jahressicht bei 17 Prozent. Eine ähnlich hohe Verbraucherpreis-Inflation wurde danach nur in den 1970er- und 1980er-Jahren verzeichnet.

Angefacht wurde die Inflation damals durch die beiden Ölkrisen. Mitte der 1970er-Jahre ging die hohe Teuerung auf ein Embargo einiger arabischer OPEC-Staaten im Zuge des Jom-Kippur-Kriegs zurück. Die Preise für Öl explodierten und trieben die Teuerungsrate 1974 in Österreich auf einen Jahresschnitt von 9,5 Prozent. Im darauffolgenden Jahr schwächte sich die Inflation mit 8,4 Prozent nur geringfügig ab, wie aus Daten der Statistik Austria hervorgeht.

Eine Trendumkehr

Die Teuerung blieb auch im weiteren Verlauf der 1970er-Jahre relativ hoch. Vor allem gegen Ende des Jahrzehnts aber entspannte sich die Situation, ehe es zu einem weiteren, bemerkenswerten Anstieg kam. Anfang der 1980er-Jahre führten die iranische Revolution und der Erste Golfkrieg zu Unsicherheiten an den Ölmärkten. 1980 wurde hierzulande eine Rate von 6,4 Prozent, 1981 ein Wert von 6,8 Prozent gemessen. Mitte der 80er kehrte sich dieser Trend um. Seit 1986 lag die durchschnittliche Inflationsrate nie höher als 4,1 Prozent - was sich heuer mit großer Wahrscheinlichkeit ändern wird.

Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) liegt im September laut vorläufiger Schnellschätzung im September um 11 Prozent über dem Vorjahresmonat bzw. um 2,5 % über dem Vormonat.

Die endgültigen Zahlen werden am 19. Oktober bekannt gegeben.

Video: Vermögensaufbau als Millennial: Wie geht das heute noch?