Der Strompreis beschäftigt aktuell jeden. Als Folge entstehen derzeit im ganzen Land Fotovoltaik-Anlagen auf ehemaligen Feldern. Gegner kritisieren, dass die Flächen für die Landwirtschaft verloren sind. Stimmt das?

REINHARD WOLF: Bei klassischen Fotovoltaik-Anlagen gibt es die Möglichkeit von Biodiversitätsflächen, auf der zum Beispiel auch Schafe grasen können. Wir forcieren jedoch sogenannte Agri-PV-Anlagen, die mit flexiblen Modulen ausgestattet sind und auch Platz für landwirtschaftliche Maschinen bieten. Damit sind Beerenobst, Weinbau und auch Getreide machbar. Viel wichtiger ist jedoch die Frage: Wo kann ich den Strom schlussendlich abliefern? Es gibt in den seltensten Fällen direkt neben dem Feld Umspannwerke oder Trafos.

Wie stark spürt die RWA die Auswirkungen des Strompreises?

Wir haben im vergangenen Jahr die Megawattstunde Strom im Schnitt um 60 bis 70 Euro eingekauft. Für das kommende Jahr haben wir den Großteil bereits gesichert. Da werden wir auf rund 250 bis 300 Euro kommen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, wo Strom zur Produktion benötigt wird.

Was ist das größte Einsatzgebiet von Strom bei der RWA?

Bei uns geht es im Getreidebereich um die Trocknung. Dazu kommen die Büros und die Verkaufsräume bei den Lagerhaus-Standorten. Wenn wir mal beim Energiethema sind: Wir müssen das Thema Energiesparen viel stärker angehen und positiv besetzen. 22 statt 24 Grad in der Wohnung wird von vielen schon als Raub von Wohlstand gesehen. Der positive Aspekt des Sparens an sich wird nicht beachtet, und auch nicht die gesündere Raumluft bei geringerer Temperatur.

Bei der Wärme setze vor allem am Land viele Haushalte auf Holz. Auch hier sind die Preise stark gestiegen. Wie reagiert man in den Lagerhäusern auf den Vorwurf, dass der Handel Brennholz zurückhält?

Bei uns gibt es so etwas nicht. Warum sollen wir Holz zurückhalten? Aber wenn sich die Nachfrage nach Brennholz plötzlich verdoppelt, ist das nicht zu schaffen. Es gibt das Holz nicht, es gibt die Lkws nicht, die es transportieren würden, und ebenso wenig die Firmen, die das Holz verarbeiten. Die Frage ist doch: Warum brauchen wir heuer so viel mehr? Die Antwort: Viele Hausbesitzer haben irrational gehamstert.

Ist das Hamstern vorbei?

Ich glaube, es wird sich normalisieren. Es wird kein Haushalt im Winter kalt bleiben. Da und dort wird man improvisieren. Vielleicht bekommt der Kunde im ersten Schwung ein Drittel der bestellten Menge und den Rest zu einem späteren Zeitpunkt. Und es kann gut sein, dass beim Holz in einem Jahr die Lager übervoll sind. Denn alles, was heuer auf Vorrat gekauft und gebunkert wird, wird dann im kommenden Jahr nicht nachgefragt. Die Preise werden dennoch auf einem höheren Niveau bleiben.

Die Energiekosten spüren Landwirte auch beim Dünger. Wie stark sind die Kosten hier gestiegen?

Der Preis für unseren wichtigsten Stickstoffdünger, Kalkammonsalpeter, hat sich verdreifacht, an manchen Tagen vervierfacht. Bei Stickstoffdünger wird ja Luftstickstoff unter Verwendung von Energie aus Gas gespalten. Daher ist der Gaspreis eigentlich hier der Kostenfaktor schlechthin. Entscheidend ist: Wir haben die physische Versorgung im Griff. Wir können die Ware liefern. Wir haben auch heuer bereits für nächstes Jahr gar nicht so wenig Mengen geliefert, allerdings zu höheren Preisen.

Auch bei Kali-Dünger fürchten viele Landwirte wegen des Kriegs in der Ukraine eine Verteuerung. Ist die Versorgung gesichert?

Russland ist zwar einer der größten Produzenten von Kali-Dünger, doch dieser ist nach wie vor nicht von den Sanktionen umfasst. Physisch ist auch in der Vergangenheit kaum russisches Kali zu uns gekommen. Warum es wichtig ist, dass es nicht in den Sanktionen ist? Weil es sonst am Weltmarkt fehlen würde und damit der Preis steigen würde.

Auf den Weltmarkt hat man in den vergangenen Monaten vor allem beim Weizen geschaut. Die Häfen der Ukraine sind wieder offen, die Preise fallen. Aber was bedeutet das für heimische Bauern, die wegen der attraktiven Preise auf Weizen gesetzt haben?

Die Tonne Weizen kostet an den internationalen Börsen jetzt rund 320 Euro. Das sind ca. 100 Euro mehr als vor dem Krieg. Wenn ein Landwirt acht Tonnen Weizen produziert, hat er 800 Euro mehr Erlöse. Natürlich sind auch Dünger, Pflanzenschutz, Diesel und die Kosten für die Arbeitszeit gestiegen. Dennoch bleibt unterm Strich mehr als im Vorjahr.

Wegen des Kriegs in der Ukraine kann dort heuer weniger angebaut werden. Wird sich das im kommenden Jahr auf die Preise auswirken?

Dort, wo die Front verläuft, kann man nicht damit rechnen, dass Saatgut ausgebracht wird. Im Rest der Ukraine wird die Landwirtschaft halbwegs funktionieren. Wir liefern Saatgut hin, machen dort auch Saatgutvermehrung – aber unter besonderen Bedingungen. Ich gehe davon aus, dass die Ukraine auf etwa 80 Prozent der Fläche anbauen wird. Wobei die absolute Produktion in der Ukraine gemessen an der weltweiten Produktion von beispielsweise Weizen mengenmäßig kaum eine Rolle spielt. Die Ukraine exportiert einen Großteil, deshalb ist es vor allem psychologisch wichtig, dass die Ausfuhr wieder klappt. Man muss auch klar sagen: Die Versorgung in Afrika war nie gefährdet. Nur der Preis war für die Menschen vor Ort eine Belastung. Aber wenn wir als westliche Welt hier für Ernährungssicherheit sorgen wollen, müssen wir über Hilfsprogramme Weizen liefern oder den Preis für diese Länder schlicht und einfach subventionieren. Hier könnte man mit relativ wenig Geld viel bewirken.

Lebensmittelpreise sind ja auch bei uns gestiegen. Wie wirkt sich ein veränderter Getreidepreis auf unser Brot aus?

Für die Brotverteuerung ist sicher nicht das Getreide ausschlaggebend, weil der Rohstoff Getreide etwa nur acht Prozent des Brotpreises ausmacht. Ob eine Tonne Weizen um 100 EUR mehr oder weniger kostet, ist für den Brotpreis in Wahrheit nicht relevant. Das Gleiche gilt übrigens auch beim Bier. Aus einem Hektar Braugerste kann man rund 100.000 kleine Bier brauen. Beim Wirt kostet das kleine Bier rund 3,2 Euro. Was der Bauer für Braugerste bekommt, spielt praktisch keine Rolle. Die Rohstoffkosten haben mit dem Preis des Fertigprodukts nur wenig zu tun.