Jahr für Jahr verspricht die sogenannte Herbstlohnrunde, die traditionell mit den Kollektivvertragsverhandlungen der Metallindustrie eingeläutet wird, besondere Spannung. Und Jahr für Jahr werden die KV-Runden geradezu rituell mit Zuschreibungen wie „heißer Herbst“ und diversen Verbal-Scharmützeln einbegleitet. Dass im Vorfeld stets besonders harte und intensive Auseinandersetzungen heraufbeschworen werden, gehört ebenfalls zum Routine-Repertoire von Lohnverhandlungen.
Kommentar von Roman Vilgut
Mit der Übergabe der Forderungen durch die Gewerkschaften PRO-GE und GPA hat die Lohnrunde nun begonnen. Die Metaller wollen ein Lohnplus von 10,6 Prozent. Die Gewerkschaft argumentiert die hohe Forderung mit der aktuellen Inflation von 9,3 Prozent. Weitere Forderungen der Gewerkschaften sind: 1000 Euro für Lehranfänger, ein neuer Zuschlag für Samstagsarbeit, die Anhebung des Überstundenzuschlages für die 10. Arbeitsstunde und eine leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche.
Bei allem Verständnis für die Kostensituation der Unternehmen verweisen die beiden Chefverhandler der Gewerkschaft Rainer Wimmer und Karl Dürtscher darauf, dass die Arbeitgeber in der stärkeren Position seien. Sie könnten die Preise ja an ihre Kunden weitergeben. "Die Arbeitnehmer können gar nichts weitergeben", sagt Dürtscher.
Auch Einmalzahlungen seien keine Alternative für Lohnerhöhungen. Diese könnten den Verlust der Kaufkraft nicht ersetzen, sagt Dürtscher, sie seien bestenfalls der "Schnittlauch auf dem Brot". Grundlage für das Feilschen der Sozialpartner ist ja eigentlich die Inflation der vergangenen zwölf Monate, diese liegt bei 6,3 Prozent. Die am Freitag veröffentlichte August-Inflation lag mit 9,3 Prozent aber deutlich darüber.
Christian Knill, Chefverhandler des Fachverbands der metalltechnischen Industrie, war von der Höhe der Forderung zwar nicht überrascht, bezeichnet diese allerdings als "unvernünftig". Für viele Betriebe, die auch unter der aktuellen Kostensituation leiden, sei die Forderung "völlig überzogen". Dennoch sei man erst am Beginn der Verhandlungen. Knill betont, dass ein Abschluss für beide Seiten "vernünftig" sein müsse und vor allem tragbar für die Unternehmen.
Knill führt auch die Maßnahmen der Regierung ins Treffen, die ja die Arbeitnehmer ebenfalls entlasten würden. Eine klare Absage gibt es von Knill zum Thema Arbeitszeitverkürzung. Knill wünsche sich, dass auch das Thema Einmalzahlungen bei den Verhandlungen berücksichtigt werden. Diese steuerbefreite Möglichkeit nicht zu nützen, wäre "ein Schwachsinn".
Der Gewerkschaftsbund hat sich am Samstag mit Demos unter dem Motto, „Preise runter“, quer durch Österreich auf den herausfordernden Herbst eingestimmt. Von der Bundesregierung werden mehr Maßnahmen gegen die Teuerung gefordert, von den Unternehmen höhere Löhne und Gehälter. Noch immer gelten die Metaller-Abschlüsse – ab heute geht es erst einmal um die rund 135.000 Beschäftigten der Metalltechnischen Industrie – als zumindest in der Tendenz richtungsweisend für andere Branchen. Die Arbeitgeberseite gab sich zuletzt eher zurückhaltend, es wurde aber betont, dass die Unternehmen den Inflationsausgleich nicht alleine schultern können. Gleichzeitig wird vor einem nachhaltigen Schaden für den Wirtschaftsstandort gewarnt, sollten die Abschlüsse zu hoch ausfallen.
"Letztlich immer Wege gefunden ..."
Auf dieses Spannungsfeld verweist auch Volkswirtschaftsprofessor Michael Steiner: Von der Energie bis hin zu Vormaterialien steigen die Preise massiv, „es gibt derzeit noch zahlreiche andere Kostenfaktoren, die Betriebe schultern und überhaupt erst verkraften müssen“. Es stelle sich daher nicht nur die verteilungspolitische Frage. „Eine Eskalation muss jedenfalls verhindert werden“, so Steiners Appell. Dafür brauche es gegenseitiges Verständnis für die aktuellen Herausforderungen. Seine Hoffnung: „Die Sozialpartner haben letztlich immer Wege gefunden, um auch in sehr schwierigen Zeiten eine Lösung zu finden.“ Es brauche einen Kraftakt.
Ringen um neuen KV auch in privater Sozialwirtschaft
Nicht nur die Metaller starten die Lohnverhandlungen – auch für die 130.000 Beschäftigten des privaten Gesundheits- und Sozialbereichs geht es ab heute um einen neuen Kollektivvertrag. Verhandelt wird zwischen den Gewerkschaften GPA und vida auf der Arbeitnehmer-, sowie der Sozialwirtschaft Österreich auf der Arbeitgeberseite. Der letzte Abschluss wurde im April 2020 – nach sieben Verhandlungsrunden und Warnstreiks – erzielt. Damals wurden Erhöhungen für die Jahre 2020–2022 abgeschlossen und eine generelle 37-Stunden-Woche fixiert.