Als die Kryptowährung Ethereum im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde, setzte man auf das von Bitcoin bekannte Überweisungssystem, den sogenannten Proof-of-Work-Algorithmus. Um einen Block, eine Sammlung von Überweisungen, zu verifizieren, müssen Computer ein komplexes kryptografisches Rätsel lösen. Nur jener Computer, der das als Erstes schafft, wird mit neuen Coins belohnt. Danach beginnt das Rennen von vorne. 

Das führt dazu, dass Abertausende von Prozessoren gleichzeitig versuchen, dieses Rätsel zu lösen, und damit unnötig Energie verbraucht wird. Ethereum-Gründer Vitalik Buterin sah dieses System von Beginn an als Übergangslösung und so wurde seit Jahren an einem neuen Algorithmus gearbeitet: dem Proof-of-Stake.

Krypto-Lotterie

Hier setzen die Bewerber um neue Coins eine beliebige Anzahl bestehender Coins, sie kaufen einen Stake, zu Deutsch einen Einsatz. Danach wird aus diesen Einsätzen ein Teilnehmer ausgelost, der dann das kryptografische Rätsel löst. Statt Tausender Mikroprozessoren rechnet nur noch einer an dem Rätsel. So sinkt der Stromverbrauch auf ein Minimum. Mit "The Merge" wurde Ethereum nun auf diesen Algorithmus umgestellt.

Kritiker sehen in diesem neuen System die Gefahr der Zentralisierung, da die Teilnehmer mit den meisten Coins, dem größten Einsatz, höhere Chancen haben, zu gewinnen. Dem hält Thomas Zeinzinger vom Krypto-Unternehmen Lab10-Collective entgegen, dass ja jeder an dem System teilnehmen kann. "Die Entwicklung bei Ethereum hat ja unter anderem deshalb so lange gedauert, weil man auch aus den Fehlern anderer Proof-of-Stake-Coins gelernt hat." Denn Ethereum ist nicht die erste Kryptowährung, die dieses System verwendet – aber sehr wohl die größte.

"Mit dem Umstieg von Ethereum auf Proof-of-Stake wird die Entwicklung hier noch deutlich an Fahrt gewinnen", ist Zeinzinger überzeugt. Denn dadurch werden auch Anwendungen auf der Blockchain von Ethereum langfristig interessanter. Denn im Gegensatz zur Bitcoin-Blockchain können bei Ethereum nicht nur virtuelle Werte gespeichert und übertragen werden. Über sogenannte Smart Contracts können zahlreiche Formen digitaler Transaktionen abgewickelt werden, von Krediten auf Kryptobasis bis zu den Kryptokunstwerken, die als NFT bekannt sind.

Überlastetes System

Zwei wichtige Probleme wird "The Merge" aber nicht lösen. Zum einen gibt es derzeit beim Validieren der Transaktionen immer wieder große Zeitverzögerungen, weil die Kapazitäten des Systems nicht mit dem Ansturm Schritt halten können. Damit verbunden ist das zweite Problem: Die hohe Netzwerkauslastung mit vielen Transaktionen treibt immer wieder die Transaktionsgebühren ("Gas-Fees") in schwindelerregende Höhen. Das führte beispielsweise bei etlichen digitalen Kunstauktionen dazu, dass die Ausführungsgebühren viel höher lagen als der Preis für das NFT selbst. "The Merge" wird nicht die Staus auflösen, noch die hohen "Gas-Fees" senken. Das soll weiteren Updates vorbehalten bleiben, die bis 2023 über die Bühne gehen sollen.

Die Krypto-Branche schaut nun mit Spannung darauf, wie sich nach dem "Merge" der Umtauschkurs des Ethereum-Coins Ether gegenüber dem US-Dollar und anderen konventionellen Währungen entwickeln wird. Unmittelbar vor und nach der Umstellung hatten die meisten Tauschbörsen den Handel mit Ether ausgesetzt.