Aufgrund der gestiegenen Strom- und Gaspreise freuen sich Energiekonzerne derzeit über teils beträchtliche Gewinne. In Österreich und der EU wird deshalb vermehrt über die Einführung einer Steuer auf solche Gewinne diskutiert. Laut Wifo ist das nicht sinnvoll. Denn nur ein geringer Anteil dieser Gelder würde tatsächlich in die Hände privater Investorinnen und Investoren fließen, so das Argument des Wirtschaftsforschungsinstituts.
Wichtig sei zunächst die Unterscheidung zwischen "Übergewinnen" und "Zufallsgewinnen". Übergewinne ("excess profits") seien übermäßige Gewinne, die im Verhältnis zum eingesetzten Kapital und Risiko als unverhältnismäßig hoch angesehen, oftmals durch Missbrauch von Marktmacht erzielt werden und daher wettbewerbspolitische oder regulatorische Eingriffe erfordern, heißt es in der am Donnerstag erschienenen Studie. Davon zu unterscheiden seien allerdings sogenannte Zufallsgewinne ("windfall profits"), die ungeplant und ohne missbräuchliche Handlungen der Unternehmen entstehen. Auch wenn sich die Diskussion in Österreich um "Übergewinne" drehe, geht es aus Sicht des Wifo in Wahrheit um "Zufallsgewinne". Denn es "beruht die Diskussion über Zufallsgewinne auf extremen exogenen Ereignissen, die im Vorfeld nicht erwartet werden konnten und daher keinen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen hatten. Diese Form von Zufallsgewinnen steht derzeit im Mittelpunkt der Diskussion", erklären die Autorinnen und Autoren.
Anteile und Dividenden für öffentliche Hand
In Österreich habe der Staat in der Energiewirtschaft traditionell eine starke Position. Beispielsweise muss per Verfassung die Mehrheit des Aktienkapitals der Verbundgesellschaft und der neun Landesenergieversorger im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Die Republik hält über die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) auch 31,5 Prozent an der OMV. Dazu kommt, dass die Steuern auf ausgeschüttete Gewinne ebenfalls an den Staat gehen. "Daraus ergibt sich, dass der öffentlichen Hand auch ein entsprechend hoher Anteil der Gewinne dieser Unternehmen direkt als Dividende zufließt", so die Studie. Dies gelte dann eben auch für Zufallsgewinne.
Von (fiktiven) Zufallsgewinnen von 100 Euro würden aufgrund der Aktionärsstruktur und der Steuern beim Verbund rund 88 Euro dem Staat zufließen. Private Investoren würden nur etwas über zwölf Euro erhalten, rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut in der Studie vor. Ähnlich wäre es bei der OMV: hier würde der Staat knapp unter 63 Euro erhalten, Private knapp über 37 Euro.
Steuer aus "standortpolitischer Sicht problematisch"
"Der vergleichsweise geringe Anteil, der von Zufallsgewinnen an österreichischen Energieunternehmen den privaten Investorinnen und Investoren verbleibt, rechtfertigt die Einführung einer Zufallsgewinnsteuer in Österreich nicht", heißt es in der Studie. Eine solche Steuer sei zudem aus standortpolitischer Sicht problematisch. Außerdem liege die Ursache für Zufallsgewinne auch in der geltenden Organisation des europäischen Strommarktes. Eine Zufallsgewinnsteuer könne diese strukturellen Probleme nicht lösen.
"Im Gegensatz zu einer Zufallsgewinnsteuer, die, einmal eingeführt, immer wieder zu den unterschiedlichsten Anlässen (re-)aktiviert werden könnte, wäre die Stromkostenbremse mit einer Preisobergrenze viel spezifischer auf das akute Problem der hohen Strompreise aufgrund der künstlichen Gasverknappung zugeschnitten", so das Fazit der Studie.
In ihrem REPowerEU-Plan vom März 2022 erlaubt die Europäische Kommission den Mitgliedsländern explizit die - zeitlich befristete - Besteuerung übermäßiger Erlöse bestimmter Stromerzeuger, um dadurch Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Eine solche wurde bereits von einigen EU-Ländern wie Griechenland, Italien oder Spanien implementiert. Auch in Österreich wurde eine solche Steuer zuletzt diskutiert.