Trotz der Turbulenzen an den Finanzmärkten hat Volkswagen am späten Montagabend über den milliardenschweren Teilbörsengang der Sportwagentochter Porsche AG entschieden. Der Aufsichtsrat hat am Abend beraten und den Startschuss für das Vorhaben gegeben.

Der Vorstand habe mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossen, einen Börsengang der Vorzugsaktien der Porsche AG und deren Notierung im Regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse anzustreben, teilte der Volkswagenkonzern am späten Montagabend mit. Als Zeitpunkt wurde Ende September/Anfang Oktober genannt - der Konzern stellt das jedoch "unter den Vorbehalt der weiteren Entwicklung am Kapitalmarkt".

Bis zu 25 Prozent der stimmrechtslosen Vorzugsaktien – das entspricht 12,5 Prozent des Grundkapitals – der Porsche AG sollen in den nächsten Wochen am Aktienmarkt platziert werden.

Von der offiziellen Ankündigung bis zur Erstnotiz dauert es in der Regel rund vier Wochen.

Im Fall eines erfolgreichen Börsengangs will Volkswagen die Aktionäre für Dezember 2022 zu einer außerordentlichen Hauptversammlung einladen, um über eine Sonderdividende in Höhe von 49 Prozent der Gesamterlöse aus der Platzierung der Vorzugsaktien sowie dem Verkauf der Stammaktien an die Aktionäre Anfang 2023 abzustimmen.

Bewertung von 60 bis 80 Milliarden Euro

Ob der milliardenschwere Börsengang trotz der Turbulenzen an den Finanzmärkten am Ende realisiert wird, hängt davon ab, ob und zu welchem Preis die Investoren bereit sind, Porsche-Aktien zu kaufen. Kritiker warnen Volkswagen vor einem Börsengang in unsicheren Zeiten. Anleger halten ihr Geld dann oft zusammen. Allerdings dürfte Volkswagen bereits Vereinbarungen mit großen Investoren getroffen haben, um die Platzierung abzusichern. Laut Finanzkreisen peilen VW und Porsche eine Bewertung von 60 bis 80 Milliarden Euro an, der Verkauf der Vorzugsaktien würde damit 7,5 bis 10 Milliarden einbringen.

Der Großaktionär des Wolfsburger Autokonzerns, die Familienholding Porsche SE, will zugleich 25 Prozent plus eine Aktie der stimmberechtigen Stammaktien an der Ertragsperle Porsche AG erwerben. Dafür soll die Porsche SE 7,5 Prozent mehr zahlen als den Ausgabepreis der Vorzugsaktien. Je billiger diese verkauft werden, desto weniger müssten damit die Eignerfamilien Porsche und Piech zahlen. Mit der Transaktion bekämen sie wieder direkten Zugriff auf die Porsche AG, den sie nach der Übernahmeschlacht vor zehn Jahren an Volkswagen verloren hatten. Volkswagen würde nach dem Börsengang 75 Prozent minus eine Aktie am Gesamtkapital der Porsche AG halten.

"Hier geht es planmäßig voran"

Volkswagen-Finanzchef Arno Antlitz bezeichnete einen Börsengang der Ertragsperle des deutschen Konzerns als Großprojekt. "Hier geht es planmäßig voran", sagte er in einem im Laufe des Montags veröffentlichten internen Interview, das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Für den Konzern sei das insbesondere deshalb ein zentrales Element, weil Volkswagen durch die möglichen Erlöse mehr Flexibilität bekomme und die Transformation beschleunigen könne. Auch die Aktie von Volkswagen soll von dem Börsengang von Porsche profitieren.

Mehr als 20 Prozent an Wert eingebüßt

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben die VW-Aktien mehr als 20 Prozent ihres Werts eingebüßt, ähnlich viel wie der europäische Index für die Automobilbranche. Dabei markierten die Titel des Autobauers Anfang Juli mit 120,56 Euro den niedrigsten Stand seit gut zwei Jahren. Seither erholte sich die Aktie etwas auf gegenwärtig knapp 145 Euro. An der Börse ist der Mehrmarkenkonzern mit Sitz in Wolfsburg derzeit knapp 87 Milliarden Euro schwer.

"VW sollte an seinem Timing arbeiten"

Analysten äußern seit Wochen Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Börsengangs in einem derart unsicheren Marktumfeld. Auch die Doppelrolle von Volkswagen-Chef Oliver Blume, der Porsche auch nach der Aktiennotierung in Personalunion weiterführen soll, gibt vielfach Anlass für Fragen.

Kritiker haben Volkswagen ohnehin schon länger wegen der Regeln für gute Unternehmensführung im Blick. Der Wolfsburger Autobauer und sein Hauptaktionär Porsche SE sind personell eng verflochten. "Die Familie Porsche/Piech kontrolliert VW und VW verkauft einen wichtigen Vermögenswert an die PAH (Porsche Automobil Holding SE), die von derselben Familie kontrolliert wird", schrieb Daniel Schwarz von der Investmentbank Stifel. Er kritisierte auch den Zeitablauf. Der Plan für den Börsengang sei am selben Tag bekannt gegeben worden, als Russland in die Ukraine einmarschierte. Und die Absicht zur Aktienplatzierung von Porsche komme genau an dem Tag, als Russland seine Gaslieferungen an Deutschland einstelle. "VW sollte an seinem Timing arbeiten", sagte Schwarz.