Als Sie vor vier Jahren angetreten sind, haben Sie sinngemäß gescherzt, dass Sie Ihrer Frau nicht vor den Füßen herumstehen wollen. Sie waren voller Tatendrang, jetzt werden Sie 70, haben die vergangenen Jahre doch Spuren hinterlassen?
REINHOLD GÜTEBIER: Ganz und gar nicht, der Tatendrang ist ungebrochen, die Arbeit macht viel, viel Spaß.

Und Ihre Frau sagt nicht, tritt mal langsam kürzer?
Die sagt: Du hast eine Aufgabe übernommen, das sind alles deine Kinder. Sie liebt Möbel und geht oft mit mir durch die Möbelhäuser, sie ist meine größte Kritikerin. Wir sind beide der Meinung, wer im Alter nicht mehr arbeitet und den Ruhestand genießen will, verblödet.

Also arbeiten bis 80?
Das muss man realistisch sehen, ob die Gesundheit mitspielt, man noch die Energie hat und es noch Spaß macht. Ich bin Leistungssportler.

Nur hat sich in der Zwischenzeit viel getan, diese Krise wird sehr tiefe Spuren hinterlassen.
Gar keine Frage. Das ist eine Zusammenballung. Es begann für uns mit der Reisewelle, dem verständlichen Nachholbedarf, dann kamen die Kriegsängste, jetzt explodieren die Kosten. Dazu die Hitzewelle, keine kurze, sondern eine lange. Und die wenigsten können in Euro greifen, was noch an Kostensteigerungen auf sie zukommt. Diese Ballung an Verunsicherungen hat es zuvor noch nicht gegeben. Ich bin trotz alledem optimistisch.

Weil Sie ein Kämpfer sind?
Die ersten drei Jahre waren die Pflicht, die nächsten drei sind Kür. Wir haben sofort reagiert, wir werden sparen und uns so aufstellen, dass wir im Herbst super dastehen und wieder durchstarten können. Die Reisewelle hat den Höhepunkt schon überschritten, die dunkle Jahreszeit ist unsere Jahreszeit.

Manche Unternehmen verzichten auf Prospekte. Auf die hat Kika/Leiner, seit Sie dort sind, sehr stark gesetzt.
Wir werden für die nächsten Monate oder sogar Jahre einen völlig anderen Werbemix im Handel sehen. Wir in der Möbelbranche brauchen den Prospekt, wir setzen weiter auf ihn, in verringertem Umfang. Er wird kleiner und hat auch weniger Seiten, statt 16 oder 20 jetzt acht oder zwölf.

Passt das mit dem Ziel zusammen, sich Anteile vom Online-Handel zurückzuholen?
Auch unser Wachstum wird ganz stark im Online-Geschäft zu suchen und zu finden sein. Wir entwickeln uns ganz antizyklisch zu dem, was man im Moment aus der Branche hört. Als wir angetreten sind, war der Online-Anteil nicht der Rede wert, jetzt streben wir bis Jahresende acht Prozent an.

Sind große Möbelhäuser langfristig noch zeitgemäß?
Möbel wollen angefasst werden. Man will Probe sitzen oder liegen. Wer kauft sich blind ein Boxspringbett, die kosten doch richtig Geld.

Wie steuern Sie bei den extremen Energiekosten gegen?
Wir werden die Temperatur ein paar Grad herunterfahren, die Kunden kommen ja sowieso in der Jacke oder im Mantel zu uns. Wir werden auch den einen oder anderen Lichtstrahler ausschalten, ohne dass das Einkaufserlebnis getrübt wird. Und außerhalb der Geschäftszeiten reduzieren wir die Außenbeleuchtung auf ein Minimum.

Das wichtigste Sanierungsziel, in drei Jahren in Richtung schwarze Null zu kommen, wurde Ende September 2021 erreicht. Heuer lassen Sie Federn?
Ja, aber in einem vernünftigen Maß. Wir sollten deutlich besser dastehen als viele andere, die ich kenne.

Erwarten Sie, dass diese Krise für viele Möbelhändler existenzgefährdend sein wird?
Ich halte das Gros der Betriebe im deutschsprachigen Raum für nicht gefährdet.

Zu was fordert diese Krise Sie persönlich heraus?
Ich bin ja schon ein alter Dackel, habe in 53 Berufsjahren viel erlebt, ich kann Sicherheit und Ruhe vermitteln. Chancen in einer Krise kann man wahrnehmen, wenn die Truppe zusammenhält, das setzt Energie frei. Bei uns muss sich keiner Gedanken machen. Hinter uns steht eine Signa mit Herrn Benko, das ist ein echtes Pfund.

Das bedeutet, es werden keine Standorte geschlossen?
Das haben wir den Mitarbeitern versprochen. Ich habe allen gesagt, wir müssen keine Befürchtungen haben.

Herr Benko hat für Signa frisches Kapital aufgestellt. Geht es auch um Kika/Leiner?
Nullkommanull.