Die sogenannte Gas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung wird von der Opposition blockiert. Sowohl SPÖ als auch FPÖ und Neos haben dem Gesetz im Hauptausschuss die Zustimmung verweigert. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne hätten für die Verordnung eine Zweidrittelmehrheit im Ausschuss benötigt. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will nun weiterverhandeln, die SPÖ ist verhandlungsbereit.
Die Regierung hatte vergangenen Mittwoch dem Energielenkungsbeirat die Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung vorgelegt. In der Verordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe aufgefordert, umzurüsten, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Biomasse einzusetzen. Die Verordnung betrifft unter anderem das stillgelegte Kohlekraftwerk des Verbunds in Mellach, aber auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zudreht.
"Wir sind jederzeit bereit zu diskutieren"
Die SPÖ hat bereits zuvor angekündigt, der Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung und damit unter anderem der Reaktivierung des klimaschädlichen Kohlekraftwerks Mellach am Dienstagnachmittag im Hauptausschuss des Nationalrats nicht zuzustimmen. "Wir sind jederzeit bereit zu diskutieren", sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien.
Die Sozialdemokraten hatten vergangene Woche ihre Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft, etwa dass zusätzliche Kosten, die durch die Umrüstung von Gas auf Kohle und Öl entstehen, nicht auf die Energiekunden überwälzt werden dürfen. Die SPÖ fordert außerdem, dass Unternehmen, die hohen Gewinne aufgrund der Energiekrise lukrieren, keine Förderungen im Rahmen der Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung erhalten. Sollte es substanzielle Änderungen geben, könne man "nächste oder übernächste Woche die Verordnung beschließen", sagte Leichtfried.
"Kein Blankoscheck für Gewessler"
Für SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll sind die kolportierten Reaktivierungskosten für das frühere Kohlekraftwerk Mellach (Steiermark) "nicht nachvollziehbar". Zuerst seien 20 Millionen Euro genannt worden, nun würden 160 Millionen Euro im Raum stehen. "Wir haben keine definitive Zahl bekommen", kritisierte Schroll bei der Pressekonferenz. "Deswegen wird es keinen Blankoscheck für Gewessler geben." Zudem bräuchten Energiekonzerne, die Krisengewinner seien, "keine Förderung aus Steuergeld", so der SPÖ-Energiesprecher.
Neos dagegen, FPÖ-Zustimmung "unwahrscheinlich"
Für die FPÖ war die heutige Sitzung des Hauptausschusses ein "Reality-Check" für die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung. "Diesen Test hat sie nicht bestanden", so FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger in einer Aussendung. "Darüber hinaus sind viele Fragen überhaupt nicht geklärt und ich glaube kaum, dass die Ministerin sie auch nur ansatzweise zufriedenstellend beantworten kann." Kassegger bezeichnete die Energiepolitik der türkis-grünen Regierung als "chaotischen und vollkommen verfehlt". Die Sanktionen gegen Russland seien ebenfalls ein "Knieschuss".
Auch die Neos wollen der Verordnung nicht zustimmen. "Energieversorger wie EVN oder Verbund machen gerade so hohe Gewinne wie nie, sie brauchen aktuell sicher kein Steuergeld", so Neos-Energiesprecherin Karin Doppelbauer am Dienstag in einer Aussendung. Die Verordnung sei "komplett auf die Bedürfnisse der Energieversorger zugeschnitten".
"Unverantwortlich": Gewessler kritisiert SPÖ scharf
Gewessler kritisierte die SPÖ für ihre Ablehnung scharf, das sei aus ihrer Sicht "unverantwortlich und einer sozialdemokratischen Partei unwürdig". In einem Notfall könnte Mellach 260.000 Haushalte mit Energie und Wärme versorgen, dafür sei die Verordnung aber eine rechtliche Voraussetzung, sonst könne der Verbund die technischen Voraussetzungen für eine etwaige Wiederinbetriebnahme nicht schaffen. Die SPÖ habe der Grundlage, nämlich dem Energielenkungsgesetz ebenfalls zugestimmt und dort sei klar geregelt, dass Unternehmen, die auf Anordnung Umrüstungen für den Umstieg weg von Gas, hin zu Kohle, Öl oder etwa auch Biomasse vornehmen, einen Kostenersatz erhalten.
Auch die Klubobleute August Wöginger von der ÖVP und Sigi Maurer von den Grünen kritisierten das geplante Abstimmungsverhalten der SPÖ als "grob verantwortungslos".
Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer ließ auf Twitter wissen: "Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben."
Verbund benötigt gesetzliche Grundlage
Die von der Regierung anvisierte Reaktivierung des Kohlebetriebs in Mellach verzögert sich nun. "Je später diese gesetzliche Grundlage gegeben ist, umso später ist auch ein Einsatz im Notbetrieb umsetzbar", hieß es vom Verbund auf APA-Anfrage. "Die Reaktivierung der Kohleverstromung am Standort Mellach beinhaltet Umbau- und Wartungsarbeiten, Personalfragen, die Beschaffung der Kohle am Weltmarkt wie auch der Transportslots an den Standort", so der teilstaatliche Energieversorger.