Man müsse darüber nachdenken, ob man an den Sanktionen gegen Russland in der derzeitigen Form festhält. Mit dieser Aussage in einem Interview mit der Kleinen Zeitung trat ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer eine Debatte über Sanktionen los. Auch Tirols ÖVP-Obmann Anton Mattle, der sich gerade im Wahlkampf befindet, zeigte sich "offen" für den Vorstoß, die Sanktionen auf "Treffsicherheit zu überprüfen". FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte gleich eine Volksbefragung darüber.
Das Außenministerium versuchte in einer Stellungnahme am Sonntag einen Spagat und erklärte, dass die Sanktionen "ein flexibles Werkzeug" seien und jederzeit angepasst werden können. Daher werde der entsprechende EU-Ratsbeschluss zu den Wirtschaftssanktionen in Brüssel auch halbjährlich überprüft. Gleichzeitig bekräftigte das Ressort die Wirksamkeit der Sanktionen. "Die Sanktionen wirken – jeden Tag ein Stück mehr. Die russische Wirtschaft wird dieses Jahr um mindestens sechs Prozent schrumpfen, andere Prognosen sprechen sogar von bis zu zehn Prozent. Für die EU erwartet die EU-Kommission hingegen ein Wachstum von rund 2,7 Prozent."
Kommentar
"Nicht das Gesetz des Dschungels"
"Wir wollen eine regelbasierte Weltordnung, nicht das Gesetz des Dschungels, wo sich der Stärkere einfach holen kann, was er will. Wir können und werden es nicht zulassen, wenn im 21. Jahrhundert versucht wird, mit Panzern und Raketen Fakten zu schaffen und Grenzen zu verschieben. Putin rechnet damit, dass wir uns als pluralistische offene Demokratien auseinanderdividieren lassen, dass wir nicht den Willen haben, ihm rote Linien aufzuzeigen. Die größte Stärke der EU ist die Einigkeit, die müssen wir uns bewahren", so das Außenministerium.
Auch Othmar Karas, der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, mahnte am Sonntag: "Wer jetzt der Lockerung oder dem Ende von Sanktionen das Wort redet, der schwächt die europäische Einigkeit, stärkt Putins Spaltungsstrategie und dessen barbarische Expansionspläne." Die Sanktionen würden Wirkung zeigen. "Wir haben in dieser Frage vor der Geschichte zu bestehen – nicht vor der nächsten Wahl."
"Die Spaltung ist genau das, was Putin will"
"Wir müssen aufhören, die Melodie des Kremls zu spielen", sagte auch Neos-Außenpolitiksprecher Helmut Brandstätter: "Wenn jetzt die Sanktionen gegen Russland infrage gestellt werden, dann sind ein paar österreichische Politiker auf die von Russland verbreitete Propaganda hereingefallen." Gespenster-Flughäfen, rund 1000 Unternehmen, die das Land verlassen haben, was alleine schon den Verlust von bis zu fünf Millionen Arbeitsplätzen bedeute, die sinkenden Energieeinnahmen und über eine Million gut Ausgebildeter, die Russland bisher verlassen haben, würden ganz klar zeigen, dass Russland "wirtschaftlich am Boden" liegt. "Wir dürfen nicht den Fehler machen, hier in Europa untereinander zu streiten. Die Spaltung ist genau das, was Putin will", so Brandstätter.
Geteilte Meinung in Bevölkerung
Die Bevölkerung sieht die Sanktionen gegen Russland wegen des Angriff-Krieges auf die Ukraine höchst unterschiedlich: Über ein Viertel (26 Prozent) spricht sich im aktuellen APA/ATV-"Österreich-Trend" von Peter Hajek dafür aus, die Sanktionen ganz zurückzunehmen, zwölf Prozent wären für eine Lockerung. Ein Fünftel ist demgegenüber dafür, die Sanktionen noch zu verschärfen, 19 Prozent sind der Meinung, sie sollten wie bisher fortgeführt werden. Der Rest legte sich nicht fest.
Für den "Österreich-Trend" wurden zwischen 10. und 18. August 1615 Personen ab 16 Jahren online und telefonisch befragt. Die Schwankungsbreite liegt bei plus/minus 2,4 Prozent.
Wirken die Sanktionen?
42 Prozent glauben nicht, dass die Sanktionen gegen Russland Wirkung zeigen, und zwar "weder jetzt noch in der Zukunft". Elf Prozent sind bei dieser Frage der Meinung, "ja, das sieht man schon jetzt deutlich", 28 Prozent glauben an eine mittel- oder langfristige Wirkung. 19 Prozent trauten sich keine Beurteilung zu oder machten keine Angabe.
Die meisten der Befragten (46 Prozent) glauben, dass die Sanktionen mehr der EU schaden. 14 Prozent sagen, Russland schaden die Sanktionen mehr, knapp ein Viertel (24 Prozent) meint, sie schaden beiden gleich.