Für die kommende Herbstlohnrunde fordert der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian, eine "nachhaltige Reallohnerhöhung". Nachhaltig bedeute, diese in den Kollektivverträgen zu verankern, nicht mit Einmalzahlungen vorzugehen, sagte Katzian am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal". Basis müsse die "rollierende Inflation der vergangenen zwölf Monate" sein. Eine Verhandlungsbasis unter diesem Wert sei für keine einzige Teilgewerkschaft denkbar.
Einmalzahlungen, die von der Wirtschaft steuerfrei angedacht werden, sollte der Finanzminister mitmachen, hätten einen großen "Schönheitsfehler", so Katzian: "Einmal und dann nix mehr. Das kann nie ein Ersatz sein (für das Vorgehen über den KV, Anm.), denn die Preise bleiben hoch. Ich brauche KV-Abschlüsse, die nachhaltig sind."
Erhöhungen folgen Preissteigerungen, nicht umgekehrt
Schätzungen zufolge dürfte die durchschnittliche Jahresteuerungsrate für die anstehende Pensionsanpassung bei 5,8 Prozent liegen. Zuletzt (im Juli) lag die Inflationsrate bei 9,2 Prozent, so die Statistik Austria.
Als "Humbug" bezeichnete es Katzian, wenn die Arbeitgeberseite mit einer drohenden Lohn-Preisspirale argumentiere. Die Lohnerhöhungen würden den Preissteigerungen folgen, nicht umgekehrt. Auf Basis der durchschnittlichen Inflation der vorigen zwölf Monate – die üblicherweise in einer ersten Verhandlungsrunde außer Streit gestellt wird –, gehe es dann weiters um das Wachstum in den Branchen, die Produktivitätsentwicklung und Lohnstückkosten, so der oberste Gewerkschafter.
Kürzere Arbeitszeiten "bleiben Thema"
"Geht der Gewerkschafter durchs Zimmer, stimmen die Prognosen nimmer", sagte Katzian zum Hinweis, dass die Wirtschaft vor einer sich eintrübender Konjunktur warne. Das sei jedes Jahr der Fall. "Irgendwann im August", also bevor dann im September die richtungsweisenden Metaller-KV-Verhandlungen beginne, würden von der Arbeitgeberseite dunkle Wolken auf den vorher noch sonnigen Konjunkturhimmel gemalt, so der Gewerkschafter sinngemäß.
Auch die Arbeitszeit ist und bleibe Thema. Allzu lange habe es keine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung mehr geben, die letzte große war die 40-Stunden-Woche. Es gebe viele Entwicklungen und Rahmenbedingungen, die eine Verkürzung nötig machten, so Katzian. In vielen Kollektivverträgen gibt es inzwischen auch etwas kürzere Arbeitszeiten. Heuer werde es aufgrund der extremen Teuerung aber "wohl eher ums Geld" gehen, sagte der ÖGB-Chef "ohne vorgreifen zu wollen".
Energiepreisbremse: "Zieht sich wie Strudelteig"
Von der Regierung fordert er mehr Tempo bei der geplanten Energiepreisbremse. Das würde sich derzeit wie ein Strudelteig ziehen. "Es geht mir schon – ehrlich gesagt – ein bisschen am Hammer." Nur zu beobachten und Berechnungen anzustellen, wie das die Regierung mache, sei enden wollend lustig, sagte Katzian.
Die Gewerkschaft schlägt vor, dass man den Grundbedarf bei Strom und Gas für Kochen, Wäsche waschen, etc. ermittelt und diesen deckelt. Für Mehrverbrauch (Pool beheizen, Klimaanlage durchlaufen lassen, etc.) zahlt man den höheren Marktpreis.
Katzian erneuerte die Forderung nach einer Besteuerung von Übergewinnen von Energieunternehmen. Er unterstütze Investition in erneuerbare Energie, aber das habe mit den Übergewinnen nichts zu tun. Das machen die Energieunternehmen sowieso und die Investitionen werden abgeschrieben.
"Es geht es nicht um die 37. Kaviardose"
Von Wortmeldungen aus der Industrie, wonach diese Diskussionen "Sommernachtsträume" seien, zeigte er sich wenig beeindruckt. Die Teuerung betreffe längst nicht mehr nur die Armen, "es ist voll in der Mitte der Gesellschaft angekommen", in der Mittelschicht, die von den Hochindustriellen so hochgehalten werde. Von Sommernachtsträumen zu reden, sei eine unseriöse Art und Weise zu diskutieren. Bei der Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel etwa "geht es nicht um die 37. Kaviardose, sondern um die Güter des täglichen Bedarfs", so der Gewerkschaftsboss.