Mit einem weit überdurchschnittlichen Tarifabschluss hat die deutsche AUA-Mutter Lufthansa den Tarifkonflikt mit ihrem Bodenpersonal beigelegt. "Das Ergebnis beinhaltet Inflationsausgleich plus Reallohnerhöhung", jubelt die Verhandlungsführerin der deutschen Gewerkschaft Verdi, Christine Behle.
Auch die Lufthansa scheint nicht unglücklich zu sein über den Tarifvertrag, der Beschäftigten in der unteren Lohngruppe knapp 20 Prozent mehr Geld bringt. Personalvorstand Michael Niggemann lobt das Konstrukt aus hohen Sockelbeträgen und späteren prozentualen Erhöhungen. "Es war uns wichtig, die unteren und mittleren Einkommensgruppen überproportional zu berücksichtigen. So werden wir der sozialen Verantwortung für unsere Beschäftigten gerecht und sichern unsere Attraktivität als Arbeitgeber."
Lufthansa will 10.000 zusätzliche Stellen besetzen
In der Luftverkehrsbranche konkurriert Konzern nämlich mit vielen anderen um die knappen Arbeitskräfte, muss aber bis Ende nächsten Jahres 10.000 zusätzliche Stellen besetzen. Gemeinsam mit den Passagieren braucht Lufthansa nun ebenfalls bis Ende 2023 keine weiteren Streiks des Bodenpersonals mehr zu fürchten. Gelingt es Personalvorstand Niggeman nun noch die streikbereiten Piloten der Vereinigung Cockpit zu befrieden, dürfte Lufthansa wieder stabil in der Gewinnzone fliegen.
Die Flucht der einfachen Arbeiter und Angestellten vom Flughafen in andere Jobs begründete das Abfertigungschaos in diesem Sommer, das letztlich nur mit weniger Flügen in den Griff zu bekommen war. Allein Lufthansa musste 7000 Flüge ausfallen lassen, um das System zu stabilisieren. Neue Kräfte waren auch für Fraport kaum zu bekommen und Anwerbungen beispielsweise in der Türkei sind vorerst an bürokratischen Hürden gescheitert.
Streik: Bis zu 95 Prozent Beteiligung
Absichtsvoll hatte Verdi der Lufthansa vorgerechnet, dass kleine Dienstleister etwa für das Check-in beim Gehalt deutlich nachgelegt und Lufthansa in einzelnen Job-Profilen überholt haben. Ganz ohne Streiks konnten bei Firmen wie AHS, Aviapartner, Acciona, FraGround oder Stuttgart Ground Services Steigerungen von bis zu 26 Prozent durchgesetzt werden, häufig ausgehend von sehr niedrigen Niveaus.
Ein Teil der stattlichen Zuwächse erklärt sich aus dem großen Nachholbedarf. 2018 hatte Verdi bei einer Laufzeit von 33 Monaten für das Lufthansa-Bodenpersonal zwei prozentuale Erhöhungen von jeweils 3 Prozent erreicht. In der Coronakrise verzichteten die Beschäftigten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Gehaltszuwächse hat es seit Mai 2019 nicht mehr gegeben. Die hohen Belastungen beim chaotischen Neustart feuerten die Unzufriedenheit an. "Beim Warnstreik in der vergangenen Woche hatten wir 90 bis 95 Prozent Beteiligung", sagt Verdi-Streikleiter Marvin Reschinsky.
Heizen Abschlüsse die Inflation an?
Das arbeitgebernahe Institut der Wirtschaft warnt davor, dass hohe Lohnabschlüsse die Inflation weiter anheizen könnten. "Je mehr neue Abschlüsse dem Beispiel der Lufthansa folgen, desto mehr wird sich die Lohn-Preis-Spirale drehen", meint Tarifexperte Hagen Lesch.
Für das Bodenpersonal hatte Verdi bei einer Laufzeit von zwölf Monaten durchgehend Gehaltssteigerungen von 9,5 Prozent verlangt, mindestens aber 350 Euro im Monat. Herausgekommen sind nun in 18 Monaten mindestens 325 Euro plus eine weitere Steigerung von 2,5 Prozent. Der erste Festbetrag von 200 Euro monatlich wird rückwirkend ab dem 1. Juli 2022 gezahlt, ab dem 1. Jänner 2023 gibt es weitere 2,5 Prozent, mindestens aber 125 Euro monatlich. Ab Juli 2023 kommt dann noch einmal eine prozentuale Erhöhung von 2,5 Prozent hinzu ohne Mindestbetrag. Die Laufzeit endet am 31. Dezember 2023.