"Das ist keine Krise, das ist eine temporäre Sache, die in jedem Teil der Welt passieren könnte." Nun, es kam ein bisschen anders, als es die chinesische Milchpulver-Verkäuferin damals, Mitte Februar 2020, auf der weltgrößten Biomesse "Biofach" in Nürnberg prophezeit hat. 29 Monate, eine Pandemie und ein Krieg in Europa samt Versorgungsnervosität später trifft sich dieser Tage die Bio-Welt (unter den 2100 Ausstellern aus 94 Ländern sind rund 50 aus Österreich) wieder in der fränkischen Stadt.
Kein Stein blieb auf dem anderen
Auch in der Biobranche blieb seit damals fast kein Stein auf dem anderen, wie die aktuellen Zahlen der Agrarmarkt Austria zeigen: Stieg der Bio-Anteil in heimischen Supermärkten seit dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 von damals 9,6 Prozent auf 12,6 Prozent im März 2022, so ging dieser Anteil in den vergangenen, von Teuerung geprägten Monaten auf 11,7 Prozent zurück.
Preisplafonds erreicht
Eine Ursache wird in Branche darin vermutet, dass das höherpreisige Bio-Segment unter Druck kommt, weil die Menschen aufgrund der allgemeinen Teuerung weniger zum Leben übrig bleibt. Und dass es auch bei Bio-Lebensmitteln einen Preisplafond gibt, bei dessen Überschreitung niemand mehr zugreift.
Laut Gertraud Grabmann, Obfrau von "Bio Austria" stiegen die Preise für Bio-Lebensmittel von Jänner bis Mai 2022 deutlich weniger stark (plus 2,5 Prozent) als für konventionell hergestellte Nahrungsmittel (plus 6,5 Prozent).
Warum? "Bio ist weniger abhängig von Produkten, die zuletzt die stärksten Teuerungen aufwiesen – wie Kunstdünger", so Grabmann. Auch sei der Anteil von teuer importierten Futtermitteln kleiner. Dass der Biomarkt generell schrumpft, davon geht Grabmann nicht aus. "Er wird nur nicht so schnell wachsen wie in den letzten Jahren."
Wo Bio gefragt ist, und wo unter Druck
So gebe es aktuell bei Bio-Heumilch noch stärkere Nachfrage, während bei Bio-Geflügelfleisch die Vermarktung schwierig geworden ist, nirgendwo ist der Preisunterschied zwischen (oft importiertem) Billigfleisch und heimischer Bio-Ware größer.
Auf niedrigem Niveau gute Steigerungen erfahre Bio-Schweinefleisch, wo nach wie vor die Nachfrage höher sei als das Angebot. In Zahlen: von den 5 Millionen Schweinen, die in Österreich im Jahr geschlachtet werden, sind 150.000 nach Bio-Kriterien gehalten und gefüttert worden.
Dass Österreich mit 23.480 Bio-Bauern (22,3 Prozent aller Höfe) in der Bio-Sphäre ziemlich weit vorne mitmischt, zeigt ein Messerundgang in Nürnberg: Marktgrößen wie Agrana (Zucker und Fruchtzubereitungen) präsentieren sich hier ebenso internationalen Märkten wie Molkereien (Kärntner Milch, Prolactal, Pinzgauer Milch) oder steirische Bio-Äpfel- und Kernöl-Vermarkter.
Nachhaltig, plastikfrei, Superfood
Die internationalen Mega-Trends sind unübersehbar: möglichst plastikfreie Verpackung, nachhaltige Produktion, Superfood, Fleischersatzprodukte. Gefühlt bietet auch jeder zweite Stand einen multinachhaltigen, vitaminreichen Müsliriegel (nur nennt man das hier meist „Power-Bar“) voll mit Ingredienzen, von denen man vorher nichts wusste. Große Themen bei den Gesprächen sind die Risse in den Versorgungs- und Logistikketten, die viele auf die Probe stellen.
Auch das Agrarland Ukraine ist stark vertreten, auf den blau-gelben Ständen fällt der hohe Frauenanteil auf. „Es ist für Männer schwer, das Land für eine Messe zu verlassen, auch wenn sie zu Hause voll arbeiten“, erklärt Nadiia Tantsiura, die aus Dnipro angereist ist.
Ulrich Dunst