Das Geldtascherl wurde vom Smartphone bei vielen Menschen bereits "eingesackelt", wie man es im schönsten Österreichisch formulieren könnte. "Apple Pay" oder Googles Alternative "Google Pay" haben den Trend hin zu kontaktlosem Bezahlen vielerorts noch einmal verschärft und dazu geführt, dass nach dem Einkauf nicht das Börserl, sondern das Handy gezückt wird. Ein ähnliches Verdrängungsschicksal könnte dem Schlüssel drohen. Zumindest, wenn es nach den Vorstellungen des Mikroelektronik-Konzerns Infineon geht.

"Infineon ebnet den Weg für die Abschaffung des Schlüssels", heißt es nun von Adam White, Divisionspräsident Power & Sensor Systems bei Infineon. Der Grund für den betont selbstbewussten Auftritt? Das auch in Österreich stark verankerte Unternehmen bringt eine neue Lösung auf den Markt, mit der über ein Mobiltelefon Schlösser geöffnet und geschlossen werden können. Das technologisch Bemerkenswerte an der Infineon-Lösung: Die dafür notwendige Energie zieht die Anwendung kontaktlos aus den Mobiltelefonen.

Kern des "smarten" Schlosses: ein Infineon-Mikrocontroller
Kern des "smarten" Schlosses: ein Infineon-Mikrocontroller © Infineon

Um das intelligente Schloss zu betätigen, muss das Mobiltelefon direkt an das Schloss gehalten werden. Über eine Nahfeldkommunikation ("NFC") wird mit Verschlüsselungstechnik geprüft, ob das Gerät auch wirklich zum Öffnen berechtigt ist. Ist es das, wird Energie drahtlos an einen Kondensator übertragen, der wiederum das Schloss öffnet oder schließt. Infineon glaubt, dass dank der Technologie künftig "miniaturisierte Smart Locks mit sehr wenigen Bauteilen" auf den Markt gebracht werden. Einsetzen könnte man diese in Büros, Krankenhäusern oder Fitnessstudios. Aber auch als Fahrradschloss oder Verschluss für Paketboxen. Nicht zuletzt könne die neue Lösung selbst in "komplexen Schließsystemen, etwa in Haustüren" eingesetzt werden, heißt es von Infineon.

Basis für Schaltung aus Graz

Aus steirischer Sicht besonders relevant: Wichtige Schritte in der Entwicklung der Hochtechnologie passieren in Graz. Dort sitzt Infineons globales Kompetenzzentrum für Kontaktlostechnologien. Der Grazer Standort gilt innerhalb des Konzerns vor allem als Beschleuniger von Neuheiten "im Bereich der NFC-Kommunikation, der Sicherheit sowie im Internet der Dinge", wie es von Infineon heißt.

Bei der neuen Schlüsseltechnologie wurde in Graz etwa die "Basis für die Schaltungsarchitektur" entwickelt. Diese spezielle Architektur ermöglicht es, die Energie aus dem NFC-Feld zu gewinnen und sie dann auf die Schließfunktion umzusetzen. Es liegt nahe, Graz als Schlüssel für die neueste Schlüsseltechnologie zu bezeichnen.

Milliardenmarkt rund um smarte Schlösser

Eine Feststellung, die man schnell weiterdenken kann. Gibt es doch mit dem Jungunternehmen Nuki einen weiteren erfolgreichen Grazer Betrieb in diesem Wirtschaftssegment. Die Steirer gelten heute als europäischer Marktführer für nachrüstbare Türschlösser, die per Smartphone gesperrt werden können.

Grundsätzlich ist der Markt für intelligente Schlösser ein großer Wachstumsmarkt. Im Jahr 2020 wurde er von Marktanalysten noch auf 1,4 Milliarden US-Dollar geschätzt, bis ins Jahr 2027 soll er auf mehr als vier Milliarden anwachsen. Auch Infineon setzt deswegen große Hoffnung in die nun vorgestellte Technologie. Nicht zuletzt, weil man sich gewiss zeigt, dass "der Einsatz von batterielosen Geräten das Wachstum noch einmal beschleunigen wird".