Volkswagen-Chef Herbert Diess tritt ab. Es ist eine spektakuläre Wende in einem Dauerkonflikt – noch Ende 2021 wurde Diess bis 2025 bestätigt, man sprach von einem „Burgfrieden“ mit dem bayrischen Manager mit dem österreichischen Pass, der für zehn Marken, 675.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von 250 Milliarden Euro verantwortlich zeichnete. Aber zuletzt war die Kluft zwischen Aufsichtsrat, Betriebsrat und Diess zu groß geworden.
Seine Überlegungen über einen möglichen Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen hatten den VW-Betriebsrat und das Land Niedersachsen (das Anteile am Volkswagen-Konzern hält) nachhaltig gegen ihn aufgebracht. Zuletzt waren die Probleme rund um die Software-Tochter Cariad evident und öffentlich geworden. Audi und Porsche müssen deshalb wichtige Elektro-Modelle in die Warteschleife geben, sie kommen mit Verspätung auf den Markt. Der Druck wurde immer größer, das Vertrauen in Diess schwand.
Transformation vorantreiben
Denn er wollte die Transformation zu einem Technologieanbieter nach dem Vorbild des US-Elektroautobauers Tesla vorantreiben – aber angesichts der Verzögerungen bei der Software-Entwicklung konnte oder wollte der Aufsichtsrat Diess nicht mehr länger den Rücken stärken.
"Ich geb’ nicht auf"
Im Interview mit der Kleinen Zeitung hatte er noch vor wenigen Wochen erklärt, wie er sein Vermächtnis für den Volkswagen-Konzern gerne sehen würde: „Natürlich die elektrische und die digitale Transformation. Wichtig ist mir, dass wir uns so aufstellen, dass wir eben nicht aus dem Auto verdrängt werden durch Google oder Apple und dass wir beim autonomen Fahren vorne dabei sind und profitabel bleiben und wachsen. So würde ich den Konzern gerne übergeben.“ In einem anderen Interview mit der „Zeit“ hatte sich Diess kürzlich noch kämpferisch gegeben: „Ich geb’ nicht auf. Wenn man so einen Konzern in wenigen Jahren umbauen und auf Elektromobilität und Digitalisierung ausrichten will, geht das eben nicht ohne Diskussionen.“
Diess stand für eine neue Zukunft
Die Dankesworte des Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch klingen in dem Spannungsfeld sehr sanft. „Herbert Diess hat sowohl in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen als auch des Konzerns die Transformation des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben.“
Die Tonalität versteht man angesichts der heiklen Situation besser, Diess stand an der Börse für eine neue Zukunft des Volkswagen-Konzerns, abseits des Dieselskandals, den er mit der Ausrichtung auf einen E-Mobilitätskonzern erstaunlich rasch abschütteln konnte. Im Frankfurter Späthandel verloren die Aktien des Volkswagenkonzerns nach dem Diess-Abgang 2,6 Prozent. Und weil Diess auf der Wunschliste von Tesla-Chef Musk steht, wird sich Volkswagen hüten, ihn auf den Manager-Markt zu lassen – die Trennung erfolgte „einvernehmlich“.
Blume konnte sich Wunsch nicht entziehen
Die Nachfolge tritt einer an, der jegliche Gerüchte um die Diess-Nachfolge bisher entschieden dementiert hatte: Als Vertrauter der Eigner-Familien Porsche und Piëch (sie halten rund 53 Prozent der Stimmrechte am Volkswagen-Konzern) konnte sich der aktuelle Porsche-Chef Oliver Blume dem Wunsch nicht entziehen.
Blume steht für einen klaren, verträglichen Führungsstil, er hat die Porsche-Elektro-Transformation vorangetrieben, und mit 16 Prozent Umsatzrendite leitet er das Paradeunternehmen im Konzern. Der Porsche-Börsengang wird vorbereitet. Blume übernimmt mit 1. September den VW-Konzern-Vorstandsvorsitz und bleibt in Personalunion Vorstandsvorsitzender der Porsche AG.
Didi Hubmann