Warum haben Sie sich dazu entschieden, sich als Chef der Kärnten Werbung zu bewerben?
KLAUS EHRENBRANDTNER: Ich habe vor über 20 Jahren eine Karriere in der Tourismusentwicklung gestartet, und seither bin ich mit viel Herzblut dabei. In den letzten Jahren ist noch das Thema Standortentwicklung dazugekommen. Meine Frau ist Kärntnerin, und nach 20 Jahren im Ausland bin ich vor vier Jahren mit der Familie nach Kärnten gezogen, um hier sesshaft zu werden. Das war eine sehr bewusste Entscheidung, weil wir hier viel Potenzial sehen. Wenn ich die Möglichkeit habe, in meiner neuen Heimat die Tourismusentwicklung und damit die Entwicklung des Lebensraumes mitzugestalten, dann muss ich das natürlich nützen.
Wie ist Kärnten aus Ihrer Sicht als touristischer Markt positioniert? Gibt es Märkte, welche Sie gerne verstärkt bearbeiten würden?
75 Prozent der Nächtigungen werden durch Gäste aus Österreich und Deutschland generiert, wobei Österreich die Nummer eins ist. Kärnten hat im Österreichschnitt relativ wenig internationale Gäste. Der Märktemix ergibt sich aber auch sehr stark aus den Anreisemöglichkeiten. Die Koralmbahn bringt sicher noch einmal Potenzial Richtung Osten, zum Beispiel Richtung Slowakei. Welche Märkte wir wie bearbeiten, werde ich mit den Regionen und anderen Akteuren abstimmen. Für erfolgreiche Marktbearbeitung braucht es immer das Commitment von Partnern auf Regions- , Destinations- und Betriebsebene. Hier müssen die Kräfte gebündelt werden.
Der Ganzjahrestourismus und dessen Wichtigkeit ist immer wieder ein Thema. In Kärnten gibt es hier noch zu wenig Angebot. Wie wollen Sie den Ganzjahrestourismus ankurbeln?
Die Herbstoffensive, die 2022 ins dritte Jahr geht, ist ein wichtiger Schritt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass man bis in die Herbstferien Ende Oktober in Kärnten noch herrliche Outdoor-Erlebnisse bei mildem Wetter haben kann. Darauf kann man mit passenden Produkten und der entsprechenden Vermarktung gut aufsetzen. Urlauberschwache Monate wie November und Mai werden in vielen Bundesländern durch den Tagungstourismus austariert. In dem Bereich ergeben sich in Kärnten durch die Koralmbahn Chancen. Und zum Winter: Es gibt in Kärnten in der Sommersaison 2,6 Mal so viele Nächtigungen wie in der Wintersaison. Das ist die größte Schwankungsbreite aller Bundesländer. Eine Stärkung des Winters wird daher einen hohen Stellenwert haben, und zwar auf der Skipiste und abseits der Skipiste.
Muss der Chef der Kärnten Werbung Nächtigungen bringen?
Die Nächtigungs-Entwicklung wird durch sehr viele Parameter beeinflusst. Die Arbeit der Kärnten Werbung ist hier nur ein Element. Ich empfehle, die Entwicklung immer im Vergleich mit dem Mitbewerb zu sehen. Für die Betriebe und auch volkswirtschaftlich ist es natürlich relevanter, welche Tourismusausgaben und welche Wertschöpfung im Land generiert werden.
Was machen andere Bundesländer besser als Kärnten?
Die Voraussetzungen sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Was aber in allen Bundesländern ein Erfolgskonzept ist, ist ein verstärkter Fokus auf Kooperation über alle Systemebenen. Einerseits die Zusammenarbeit von Betrieben, Tourismusverbänden, Regionen und der Österreich Werbung. Andererseits die Zusammenarbeit auf Landesebene mit den relevanten Akteuren in Bereichen wie Mobilität, Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit, Digitalisierung. Hier geht es auch darum, eine Destination als Lebensraum zu begreifen, und auf die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen zu achten. Gäste und Gastgeber/Betriebe, Mitarbeiter und Einheimische.
Sind Tourismusmessen noch zeitgemäß? Muss man präsent sein?
Das kommt auf die jeweilige Messe und auf den Markt darauf an. Ich halte Pauschalurteile hier für unseriös. Generell ist seit Jahren ein Trend weg von Tourismusmessen sichtbar, es wird spannend sein, zu beobachten, welche Auswirkungen Covid langfristig auf diesen Trend hat.
Wie wichtig ist der Klagenfurter Flughafen aus Ihrer Sicht für das Incoming?
Wenn er gut frequentiert ist, dann ist er natürlich wichtig für das Incoming. Es gibt im Tourismus eine Daumenregel, dass Gäste gewillt sind, so viele Stunden Anreise in Kauf zu nehmen, wie sie Urlaubstage in einer Destination verbringen, manchmal ein bisschen mehr, aber nie viel mehr. Für manche Märkte wie z.B. Großbritannien oder Belgien macht eine Direktflugverbindung hier einen Unterschied. Das Gleiche gilt für Kurztrips aus deutschen Ballungszentren.
Wie könnte es gelingen, sich bei den unmittelbaren Nachbarn – Stichwort Alpe Adria Raum – besser zu positionieren? Derzeit kommen aus diesen Regionen sehr wenige Gäste.
Die Zahl der Nächtigungen der italienischen Gäste ist von 2009 bis 2019 um 25 Prozent zurückgegangen, nimmt man Slowenien und Kroatien dazu, sind es minus 16 Prozent aus diesen drei Ländern. Hier müssen wir uns das Urlaubsverhalten in diesen Märkten genauer ansehen. Wurde insgesamt weniger geurlaubt, in welche Destinationen sind unsere Gäste abgewandert? Auf der Basis lassen sich die Gründe für diese Entwicklung eruieren. Und wir können mit den Regionen gemeinsam entsprechende Gegenmaßnahmen setzen.
Astrid Jäger