Nachdem Österreichs Treibhausgasemissionen im Vorjahr nach den Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) um rund fünf Prozent über das Niveau des Coronajahres 2020 gestiegen sein dürften, erwarten die Ökonomen für heuer und nächstes Jahr jeweils einen leichten Rückgang. Demnach soll Österreichs Gesamtausstoß an Treibhausgasen heuer um 1,8 Prozent und 2023 um 1,1 Prozent sinken. Das geht aus einer neuen Kurzfristprognose hervor, die das Wifo künftig fix in seine vierteljährlichen Konjunkturprognosen integrieren will.
In absoluten Zahlen ausgedrückt, erwarten die Wirtschaftsforscher, dass Österreichs Treibhausgasausstoß heuer im Vergleich zum Vorjahr um 1,4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent auf 75,7 Millionen Tonnen zurückgeht. Die Gründe dafür liegen laut Wifo-Umweltökonom Mark Sommer allerdings weniger in konkreten Klimaschutzmaßnahmen, sondern in mehreren Sondereffekten: "Einerseits ist zu erwarten, dass die Auslastung der Sachgüterproduktion zurückgeht, andererseits wächst der Treibstoffabsatz nur langsam." Dazu kommt, dass der Winter im Jahr 2021 in Summe kalt war (plus zwölf Prozent bei den Heizgradtagen), was zum Sprung nach oben bei den Emissionen im Vorjahr beigetragen haben dürfe.
Den weiteren erwarteten Emissionsrückgang für das Jahr 2023 um 0,8 Millionen Tonnen auf 74,9 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent erklären sich die Ökonomen zumindest zum Teil mit Klimaschutzmaßnahmen. "Zum einen schlagen da durch den Ausbau der erneuerbaren Energieträger die Änderungen im Energiemix durch. Zum anderen erwarten wir eine abgeschwächte Konjunktur mit einem BIP-Wachstum von 1,6 Prozent", sagt Sommer. Nicht eingepreist sind allerdings jene Änderungen bei der Energieaufbringung, die der Ukraine-Krieg noch mit sich bringen könnte.
Warnung vor Preisdeckel
Ebenfalls nicht berücksichtigt ist in den Berechnungen die für Herbst geplante CO₂-Bepreisung. "Ich würde bei dem niedrigen Einstiegspreis allerdings auch keinen großen Effekt erwarten", sagt Sommer. Mittelfristig emissionsmindernd dürften sich allerdings die krisenbedingt in die Höhe geschossenen Energie- und Spritpreise auswirken, sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. "Das stellt sich nicht unmittelbar ein, aber das Preisgefüge wird sich auswirken auf die Größe der Autos, die wir fahren, und auch auf die Art der Nutzung." Vorausgesetzt allerdings, die Politik lasse sich nicht dazu hinreißen, die Preissignale "künstlich auszubremsen". "Eine Absenkung der Mineralölsteuer oder ein Mehrwertsteuerdeckel für Sprit und Energie wären jetzt das falsche Signal", sagt Felbermayr. "Der Transportsektor ist das größte Problem bei den Emissionen." Gegenläufig zum Gesamttrend erwartet das Wifo im Verkehrsbereich für 2022 und 2023 weiter steigenden Treibhausgasausstoß, wenn auch vorerst nicht ganz auf das Vorkrisenniveau von 2019.
Gesamt betrachtet ist Österreich somit immer noch fernab des Zielpfads für das Jahr 2030 (minus 48 Prozent) oder das Jahr 2040 (Klimaneutralität). "Die Klimaneutralität 2040 ist ambitioniert, aber sie wäre für Österreich erreichbar. Voraussetzung wäre allerdings, dass für alle Sektoren klare Zielpfade festgelegt werden und ein kohärenter Maßnahmenmix erstellt wird", sagt Wifo-Umweltökonomin Claudia Kettner. "Erforderlich ist eine Umwälzung in zentralen Bereichen der Wirtschaft und der Gesellschaft." Dabei handle es sich um "keine Beliebigkeit", wie Felbermayr betont. "Wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen, wird das wirklich teuer, weil wir Zertifikate nachkaufen müssen. Da wäre es volkswirtschaftlich viel vernünftiger, das Geld in Maßnahmen im eigenen Land zu stecken."