Es soll nicht die einzige Rettung, doch zumindest eine wichtige Stütze sein, falls Russland die Pipelines dichtmacht: verflüssigtes Erdgas (LNG) aus anderen Quellen. Den per Schiff transportierbaren Rohstoff kauft auch Deutschland in großen Mengen am Weltmarkt zusammen - dort, wo etwas zu haben ist.
Bisher muss das Gas nach dem Wiederverdampfen aus den Ankunftsländern weitergeleitet werden. Zurzeit trifft es etwa in Häfen in Frankreich oder den Niederlanden ein. Deutschland hat noch keine eigenen Terminals. Das soll sich rasch ändern, nicht alle Bewerberstandorte im Norden haben allerdings ähnliche Perspektiven und Planungsstände.
Terminal in Wilhelmshaven
Die erste LNG-Anlage soll in der Stadt am Jadebusen in Niedersachsen entstehen. Am 1. Juli erhielt der Energiekonzern Uniper - selbst stark unter Druck wegen der sinkenden russischen Lieferungen - die Genehmigung. Übergangsweise soll zunächst ein Schwimm-Terminal angebunden werden, bevor später ein fester Umschlagplatz dazukommt.
Die Bauarbeiten liefen kürzlich voll an. Wenn alles nach Plan geht, kalkuliert das Land Niedersachsen mit einem möglichen Betriebsstart ab dem 21. Dezember. Die sonst mitunter langwierigen und komplexen Verfahren mit den Behörden sollen deutlich beschleunigt worden sein, laut Uniper verging vom Einreichen der maßgeblichen Antragspapiere bis zur vorzeitigen Zulassung gut ein Monat. Das Unternehmen peilt allgemein an, das LNG-Terminal im Winter betreiben zu können.
Über die Wilhelmshavener Anlage zum Aufnehmen, Zwischenspeichern und Zurückwandeln des stark heruntergekühlten Erdgases sollen bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr umgeschlagen werden - 8,5 Prozent des aktuellen deutschen Gasbedarfs. Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) erhofft sich hier noch ein zweites Terminal, das nach seiner Einschätzung vielleicht schon 2023 LNG aufnehmen könnte.
Wichtig ist neben dem Bau der Anlandestellen und der Verankerung spezieller Tankschiffe die Einbindung ins überregionale Verteilnetz. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie erteilte Ende Juni seine Genehmigung für eine 26-Kilometer-Pipeline des Netzbetreibers Open Grid Europe von Wilhelmshaven zum Anschlusspunkt Etzel.
Terminal in Stade
Schon lange bevor Russlands Angriff auf die Ukraine das Thema LNG auf die politische Agenda hob, hat im ebenfalls niedersächsischen Stade ein privates Konsortium begonnen, ein Terminal in Nachbarschaft zum Chemiepark mit dem US-Unternehmen Dow vorzubereiten. Geplant ist eine Kapazität von 13,3 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. "Ab 2026 können wir bis zu 15 Prozent des deutschen Gasbedarfs durch LNG sowie kohlenstoffarme Energieträger wie Bio-LNG und synthetisches Erdgas absichern", so der Geschäftsführer des Hanseatic Energy Hub, Johann Killinger, im April.
Vorstellbar ist zusätzlich auch hier ein Schwimm-Terminal. Die Landesregierung unterstützt die Pläne, zumal Stade gut angebunden und der Stromverbrauch durch den Chemiepark groß ist. Lies will eine rasche Umsetzung: "In Stade ist eigentlich alles klar, wir könnten morgen Material bestellen." Prinzipiell soll der Betriebsbeginn einer ersten Anlage im Wasser schon im dritten Quartal 2023 denkbar sein.
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) schätzte jüngst sogar, dass es gelingen könnte, russisches Gas bis zum dritten Quartal 2023 ganz über in Niedersachsen ankommendes LNG zu ersetzen.
Terminal in Brunsbüttel
An der Elbmündung soll ebenfalls noch in diesem Jahr ein Schwimm-Terminal seine Arbeit aufnehmen. Laut den Netzbetreibern Schleswig-Holstein Netz und Gasunie Deutschland wird dazu im vierten Quartal eine drei Kilometer lange Leitung vom Hafen Brunsbüttel zur Transportleitung von Schleswig-Holstein Netz gebaut und das Terminal damit ans europäische Gasverbundnetz angeschlossen. So könnten bis zu vier Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr eingespeist werden.
Aus dem deutschen Wirtschaftsministerium hieß es jüngst, ein Start in Brunsbüttel sei Anfang 2023 vorstellbar. Weitere Vereinbarungen zu anderen Standorten neben Wilhelmshaven I gebe es noch nicht, wohl aber Charterzusagen für bisher insgesamt vier LNG-Schwimm-Terminals.
Parallel dazu plant die German LNG-Terminal GmbH in Brunsbüttel eine feste Anlage. Diese soll voraussichtlich 2026 in Betrieb gehen und über zwei LNG-Tanks für jeweils 165.000 Kubikmeter sowie eine Regasifizierungsanlage verfügen. Bis zu acht Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr könnten verarbeitet werden, perspektivisch bis zu zehn Milliarden Kubikmeter. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit Gasunie und dem RWE-Konzern.
Terminal in Hamburg
- Hamburg: Derzeit wird am früheren Kohlekraftwerk Moorburg und im Kattwyk-Hafen ein temporäres LNG-Terminal geprüft. Nach Einschätzung der Umweltbehörde ist der Standort grundsätzlich gut geeignet, weil nur etwa 300 Meter Leitungen gebaut werden müssten. Allerdings sind noch Fragen zur Sicherheit und Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs im Hafen zu klären. Erste Untersuchungsergebnisse sollen Ende Juli vorliegen, die Detailplanung im Oktober. Läuft alles wie erhofft, könnten vom ersten Quartal 2023 an für maximal zwei bis drei Jahre jeweils acht Milliarden Kubikmeter Gas angelandet werden.
Terminals in Rostock und Lubmin
Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung wirbt beim Bund schon seit längerem um eine Ansiedlung von LNG-Terminals am Rostocker Seehafen und in Lubmin. Theoretisch könnten Land und Bund sich auch in Polen um eine Mitnutzung der an der Grenze gelegenen Anlage in Swinemünde bemühen, dazu ist bisher jedoch nichts bekannt.
Im vorpommerschen Lubmin will das private Unternehmen Deutsche Regas mit einem schwimmenden Terminal in großem Stil LNG importieren. Ab Dezember plane man, bis zu 4,5 Milliarden Kubikmeter jährlich in das deutsche Fernleitungsnetz einzuspeisen, kündigte der Mittelständler an. Aufgrund der relativ geringen Wassertiefe des Greifswalder Boddens können große Tanker den Hafen Lubmin jedoch nicht anlaufen, das Flüssiggas soll daher mit kleineren Schiffen zum schwimmenden Terminal im Hafen gebracht werden. In Lubmin kommen auch die deutsch-russischen Gasleitungen Nord Stream 1 und 2 an.
Aktuelle und potenzielle Lieferanten
Derzeit erhalten Deutschland und andere europäische Abnehmer ihr LNG vor allem aus den USA, wo viel Erdgas mit dem umstrittenen Fracking-Verfahren gewonnen wird. Die hauptsächlich aus Methan bestehenden Gemische werden dann für den Transport zusammengepresst und ultratiefgekühlt, bevor sie am Ziel in den Normalzustand zurückkehren. Zu den größten LNG-Exporteuren zählt auch Katar, der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck bemühte sich auf einer Reise im Frühjahr um neue Lieferbeziehungen. Ob, wann und wie viel mehr Gas wirklich aus dem Emirat kommt, ist aktuell aber fraglich.
Dem Vernehmen nach will Katar langfristige Verträge. Deutschland will das LNG in der Energiewende indes eher als "Brückenlösung" einsetzen, solange es noch zu wenig Ökostrom und alternative Wärmeträger gibt. Auch beim Verbrennen von Erdgas wird viel CO₂ frei. Und dass schon bestehende Verträge von Ländern mit hohen katarischen Importanteilen oft über längere Fristen laufen, kann die Preise mit antreiben: Die sonst noch verfügbaren Mengen kauft auch Deutschland gerade vor allem auf "Spot-Märkten" ein, die teils teurere Kurzfristtermine bieten.
Die Umweltbedenken
Trotz - oder gerade wegen - des engen Zeitplans für die LNG-Projekte gibt es auch Kritik. Umweltverbände fürchten, bei ökologischen Prüfungen könnte es nun nicht mehr mit der nötigen Gründlichkeit zugehen. Die Deutsche Umwelthilfe bemängelte außerdem, der Umfang des Bedarfs an Terminals sei nicht präzise nachgewiesen.
Uniper sicherte zu, dass in Wilhelmshaven alle umweltrechtlichen Untersuchungen wie vorgeschrieben ablaufen. "Höhere Geschwindigkeit heißt nicht mangelnde Qualität", sagte der für Investitionsplanung zuständige Manager Holger Kreetz der dpa. Auch Lies versicherte das. Gegen die Anschlusspipeline nach Etzel gibt es mehrere Einwendungen.