Der Stahlkonzern Voestalpine gehört zu jenen Industrieunternehmen, die in ihrer Produktion stark von der Versorgung mit Erdgas abhängen. Gas wird dabei hauptsächlich für Wärmebehandlung und für die Walzwerke in den Stahlwerken Linz, Donawitz und Kapfenberg benötigt. Der Konzern hat sich nun erstmals in der Firmengeschichte eigene Gasspeicherkapazitäten gesichert. Möglich wird das durch die Novellierung des Energielenkungsgesetzes. Es erlaubt Unternehmen, selbst Gas einzuspeichern.
Die Voestalpine wird daher bis zu 1,5 TWh an Gas in den RAG-Speichern Haag und Haidach einspeichern. Diese Menge ermöglicht drei Monate Vollbetrieb bzw. einen entsprechend längeren Teilbetrieb. Derzeit sind diese Speicher bereits zur Hälfte gefüllt. "Sollte es zu diesem Worst-Case-Szenario kommen, könnten wir dennoch dank gefüllter eigener Speicher sowie alternativer Gasbezugsquellen die Produktion in Österreich für mehrere Monate aufrechterhalten", erklärt Herbert Eibensteiner, CEO der Voestalpine AG.
Bei einem möglichen Gasengpass würden zudem bereits vorliegende Notfallpläne in Kraft treten, bei denen die Produktion schrittweise an die verfügbaren Energiemengen angepasst werden könnte. Schließlich sind längst nicht alle der weltweit 500 Standorte des Konzerns vom Engpass in Europa betroffen. Produktionsengpässe könnten daher zum Teil kompensiert werden.
Weniger Gas kommt an
Tatsächlich warnt Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck vor so einem Notfallszenario. Schließlich liefere Russland bereits jetzt weniger Gas als vereinbart. Das zeigen auch die Daten des österreichischen Energieregulators E-Control. Es sei eine "ernste und sehr angespannte Lage", sagt Carola Millgramm, Leiterin der Gas-Abteilung bei der E-Control. So liegt seit Ende April die Jamal-Pipeline, die über Polen nach Brandenburg führt, ganz trocken. Offizieller Grund dafür sind die russischen Sanktionen gegen das polnische Unternehmen Europol GAZ, Eigentümer des polnischen Teils der Jamal-Europa-Gaspipeline.
Der russische Gasmonopolist Gazprom nutzt auch eine von zwei Pipelines durch die Ukraine gar nicht mehr und die Kapazitäten für die zweite Pipeline durch die Ukraine nur zu etwas mehr als der Hälfte. Gebucht und bezahlt wurden hier Tagesmengen von 77 Millionen Kubikmetern, es fließen aber nur 41 Millionen Kubikmeter, geht aus Zahlen der E-Control hervor.
Nord Stream 1, die über die Ostsee nach Deutschland führt, wird derzeit nur mit 40 Prozent der Kapazität befüllt. Hier beruft sich Gazprom auf sanktionsbedingte Verzögerungen bei Reparaturarbeiten als Ursache und weist politische Motive von sich. Das wird aber in der EU allgemein bezweifelt. Zudem steht im Juli eine Wartung von Nord Stream 1 an, die zur vorübergehenden totalen Schließung der Verbindung führen wird – und die Wiederbefüllung danach ist offen.
So einen starken Rückgang bei den Gaslieferungen habe es in anderen Jahren nicht gegeben, sagte Millgramm im Gespräch mit der APA. "Typisch für den Sommer ist die Situation also nicht." Die E-Control beobachte das täglich, derzeit reichen in Österreich die ins Land kommenden Mengen, um den Verbrauch zu decken und etwas einzuspeichern. Aber im Juni, Juli und August gebe es auch die geringsten Verbräuche des Jahres. Daher stelle sich die E-Control jetzt schon auf verschiedenste Szenarien ein.
EU-Gipfel berät über Folgen
Die gedrosselte Versorgung mit russischem Gas ist auch ein beherrschendes Thema am zweiten Tag des EU-Gipfels der Regierungschefs. Die EU versucht ja, ihre Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Doch in den Details ist die EU uneinig. Zwar hatten sich die EU-Staaten bereits im März darauf verständigt, ihre Kaufkraft zu bündeln und gemeinsam Gas einzukaufen.
Doch Länder wie Italien oder Belgien wollen deutlich radikalere Maßnahmen und dringen etwa auf einen Preisdeckel auf EU-Ebene, sodass Verbraucher entlastet würden. Spanien und Portugal haben dafür bereits nationale Ausnahmen. Ende Mai beauftragte der EU-Gipfel die EU-Kommission, weitere Möglichkeiten zur Eindämmung steigender Energiepreise zu prüfen – inklusive einer befristeten Preisobergrenze. Staaten wie Tschechien lehnen einen solchen Schritt jedoch ab, weil er ein Eingriff in den Markt wäre.