Wie steht es um die Investitionen in die erste Groß-Etappe der Energiewende? Gerät die notwendige Transformation angesichts der enormen Herausforderungen durch die Gaskrise ins Hintertreffen? Der Branchenverband Oesterreichs Energie zieht im Hinblick auf das Erneuerbaren-Ausbau-Ziel von zusätzlichen 27 Terawattstunden Stromerzeugung bis 2030 gar nicht so eine schlechte Start-Bilanz – wenngleich auch noch Hindernisse auszuräumen sind. Die 24 Mitgliedsunternehmen, die in Oesterreichs Energie organisiert sind, haben bereits massenhaft Projekte in der Pipeline. 220 meldeten sie dem Verband, das Investitionsvolumen beträgt derzeit 28 Milliarden Euro.
"Damit diese 28 Milliarden investiert werden können, brauchen wir unsere Gewinne", erteilt Verbandspräsident Michael Strugl Ansinnen von "Gewinnabschöpfungen" erstmals eine klare öffentliche Absage. Strugl: "Wenn uns das Geld nicht bleibt, können wir es nicht investieren." Als Verbund-Chef erlebt Strugl gerade, was das "Primat der Politik" bedeutet: Über die kurzfristig bestimmte Reaktivierung der Kohle-Stromerzeugung in Mellach scheint er wenig glücklich. "Das ist nicht Teil unserer Strategie", so Strugl. "Kohle wird mit uns keine Renaissance erleben." Das sei nur als eine Notlösung zu verstehen.
"Akzeptanz für Energieinfrastrukturprojekte gestiegen"
Strugl ist ein Verfechter des Erneuerbaren Ausbaus. Er sieht die Branche in den Startlöchern. Das 2021 verabschiedete Erneuerbaren Ausbaugesetz EAG sieht ja klare Ziele vor, es fehlt jedoch noch die Marktprämienverordnung als Grundlage für die Förderungen.
"Die Akzeptanz für Energieinfrastrukturprojekte ist gestiegen", sagt Verbands-Geschäftsführerin Barbara Schmidt. "Da sehen wir wirklich signifikante Veränderungen." Schmidt kann sich dabei auf die Marktforschung des Gallup-Instituts mit 1000 Befragten stützen. 72 Prozent Zustimmung für den Ausbau von Erneuerbaren-Infrastruktur, das ist im Vergleich zu den 58 Prozent vor einem Jahr ein großer Sprung. Jedem Zweiten geht der Ausbau inzwischen zu langsam. Schmidt: "Das sollte ein Signal an die Politik sein, an die Gemeinden, habt Mut, traut euch was, die Bevölkerung ist nicht dagegen."
"Ziel nur mit großen PV-Freiflächenanlagen erreichbar"
Anbieter von Photovoltaikanlagen können sich über mangelnde Akzeptanz sicher nicht beklagen. Im Gegenteil: Sie werden derzeit so überrannt, dass viele heuer keine Aufträge mehr annehmen. Das Ausbauziel liegt bei elf Terawattstunden, es muss allerdings besonders durch Netzverstärkungen flankiert werden. Wenn Oesterreichs Energie von den Unternehmen nun Projekte mit 2,9 Terawattstunden genannt bekommen hat, ist das kaum repräsentativ, weil es so viele private Investoren gibt.
Strugl mahnt aber trotz des aktuellen Booms, dass sich das Ziel nur mit Hausdächern und ohne große Freiflächenanlagen nicht ausgehen könne.
Für zehn zusätzliche Terawattstunden Stromerzeugung sollen Windkraftwerke sorgen. 4,4 Terawattstunden sind von den Mitgliedsunternehmen projektiert. "Es gibt aber auch ganz viele Private, die Projekte planen", so Strugl. "Unser Marktanteil liegt bei 50 Prozent." Also ist auch hier eine Zielerreichung realistisch, wenn die Genehmigungsverfahren nicht wie bisher viele Jahre dauern. Hier liegt die Hoffnung auf der Gesetzesnovelle für Umweltverträglichkeitsprüfungen.
"Ein guter Teil ist auch bereits in Bau"
"Am weitesten sind wir gemessen an den Zielen bei der Wasserkraft", so Strugl. Von angepeilten fünf Terawattstunden seien 4,7 bereits eingemeldet. "Ein guter Teil ist auch bereits in Bau." Das meiste passiert bei Pumpspeicherkraftwerken. Bei geplanten Kleinwasserkraftwerken sollten aber nicht zusätzliche Auflagen die mögliche Kapazität verringern.
Die Herausforderungen nach 2030 sind noch einmal ganz andere: Da könnte es um weitere 50 Terawattstunden gehen. Der Hoffnungsträger heißt dann Wasserstoff, der aber zu einem guten Teil importiert werden müsste.
Claudia Haase