Während die Gaslieferungen aus Russland weiter deutlich reduziert fließen, hat Österreich beschlossen, das Verbund-Kraftwerk Mellach in der Steiermark wieder auf den Betrieb mit Steinkohle umzurüsten, um im Notfall für ausbleibende Gaslieferungen einspringen zu können. Die meisten Detailfragen sind aber noch ungeklärt - etwa jene nach den Kosten des Umbaus oder der gesetzlichen Grundlage für den politischen Auftrag an den börsennotierten Verbund-Konzern.

Obwohl die Umrüstung des Kraftwerks Mellach auf den Kohlebetrieb offenbar schon seit längerem im Gespräch war, wollen sich weder Gewesslers Energieministerium noch der teilstaatliche Verbund mit einer Schätzung der erwarteten Kosten aus dem Fenster lehnen. Man sei gerade dabei die Details zu prüfen, sagte eine Verbund-Sprecherin am Montag auf APA-Anfrage. Neben dem technischen Aufwand werde man auch Mitarbeiter brauchen, die mit dem Betrieb eines Kohlekraftwerks vertraut sind - über diese Mitarbeiter verfüge man nach der Stilllegung im Frühjahr 2020 nicht mehr. Außerdem sei auch noch die Frage der Kohle-Beschaffung zu klären. Darüber hinaus brauche man für die Umsetzung des politischen Auftrags auch eine gesetzliche Grundlage.

Gesetzliche Grundlage bis Mitte Juli

Zwar ist die Höhe der Kosten noch nicht spruchreif, klar ist aber, wer sie tragen wird: "Für die Kosten der Ertüchtigung wird zur Gänze der Bundeshaushalt aufkommen", heißt es dazu auf Anfrage aus Gewesslers Ministerium. "Die gesetzliche Grundlage dafür wird bis Mitte Juli geschaffen. Um die Kosten für die Bereithaltung zu tragen, gibt es mehrere Optionen. Sie sind derzeit Gegenstand von Gesprächen mit dem Verbund."

Klar ist auch, dass je nach Wirkungsgrad eines Kraftwerks beim Verbrennen von Kohle im Vergleich zu Gas bis zur doppelten Menge CO₂ frei wird - darum soll das frühere und künftige Kohlekraftwerk Mellach auch nur im Notfall in Betrieb gehen. Was genau ein Notfall ist, ist laut Verbund-Sprecherin noch nicht definiert.

"Eher eine Symbolhandlung"

Der Umweltökonom Stefan Schleicher wiederum wies im Mittagsjournal darauf hin, dass mit Mellach Gaskraftwerke ersetzt werden sollen, die Spitzenlast bereitstellen. Genau das könne aber ein Kohlekraftwerk nicht, "weil man ein Kohlekraftwerk mit konstanter Last betreiben muss. Also die kann man nicht so schnell auf- und abregeln, wie es für Spitzenlast notwendig ist. Und zum zweiten geht es im Winter dann in Wien auch um die Wärmauskoppelung und Mellach ist weit weg von Wien." In Summe ist aus Schleichers Sicht die Aktivierung von Mellach "eher eine Symbolhandlung".

Kritik kam auch aus der Politik: Die SPÖ sieht darin einen Verzweiflungsakt von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). FPÖ-Bundesobmann Herbert Kickl schreibt: "Wenn die grüne Ministerin mit der Reaktivierung eines Kohlekraftwerks die Energieversorgung in Österreich 'retten' will, dann wissen wir, dass unser Land am Abgrund steht. Was kommt als Nächstes? Reaktivieren wir Zwentendorf?" Außerdem würde der höhere CO₂-Ausstoß der Kohle wegen der CO₂-Abgabe den Kohlestrom besonders teuer machen. Die Regierung betreibe reine show- und Reisepolitik und sei unvorbereitet, sagen die NEOS. Die Umweltorganisation Global 2000 akzeptiert immerhin für den Notfall das Anwerfen des Kohlekraftwerks, aber es "sollte klar sein, dass es sich nur um zeitlich eng begrenzte, akute Notfälle handeln darf", schreibt Global 2000.

Das Kohlekraftwerk ging 1986 in Betrieb

Das Kraftwerk wurde von 1983 bis 1986 errichtet und konnte neben einer elektrischen Leistung von 240 Megawatt auch bis zu 230 Megawatt thermisch als Fernwärme vor allem für den Großraum Graz erzeugen. Von der Inbetriebnahme im Dezember 1986 bis zur Stilllegung 2020 standen Kessel und Dampfturbine insgesamt etwa 180.000 Betriebsstunden lang im Einsatz. Über diesen Zeitraum von 34 Jahren lieferte das Fernheizkraftwerk etwa 80 Prozent der gesamten in Graz benötigten Fernwärme - insgesamt mehr als 30 Milliarden Kilowattstunden Strom sowie 20 Mrd. Kilowattstunden Fernwärme. Die Lieferung aus Mellach bildete die Basis für den Ausbau der Fernwärmeversorgung in und südlich von Graz.

Nach der Abschaltung hat der Betreiber Verbund die Kraftwerksanlage in Mellach für die Anforderungen der sogenannten Engpassvermeidung auf der Brennstoffbasis Erdgas betriebsbereit gehalten. Das Kraftwerk konnte somit bei Bedarf kurzzeitig zur überregionalen Stromnetzstützung abgerufen werden. In dieser Funktion steht auch das benachbarte Gaskombikraftwerk Mellach.

Der Standort wurde außerdem zu Forschungszwecken umgebaut, beispielsweise wurde eine Pilotanlage für Hochtemperaturelektrolyse und Brennstoffzellenbetrieb errichtet, bei der Strom in Wasserstoff umgewandelt wird. Auch großvolumige Batteriespeicher für den Einsatz als Pufferspeicher zum Beispiel bei Ultraschnellladestationen für die E-Mobilität wurden in Mellach getestet.

In den vergangenen 20 Jahren wurden alle Kohlekraftwerksblöcke wie etwa in Dürnrohr, Voitsberg, Zeltweg oder St. Andrä stillgelegt. Die noch älteren Ölkraftwerke wie etwa Neudorf-Werndorf oder Pernegg wurden oder werden bis zur "grünen Wiese" rückgebaut.