Nach Deutschland melden auch Österreich und Tschechien reduzierte Gaslieferungen aus Russland. Ein Sprecher des heimischen Öl- und Gaskonzerns OMV sagte, der russische Lieferant Gazprom habe über eine Reduzierung von circa einem Drittel informiert. "Wir werden diese Mengen, sofern aufgrund des geringeren Gasbedarfs überhaupt notwendig, durch Speichermengen und Mengen vom Spotmarkt ersetzen. Die Versorgung unserer Kunden ist derzeit sichergestellt." Am Donnerstag ist laut OMV um rund ein Drittel weniger Gas geflossen.

Neben Österreich und Deutschland sind auch Frankreich, Italien und Tschechien von den niedrigeren Liefermengen betroffen. Der italienische Energiekonzern Eni teilte mit, am Donnerstag seien nur 65 Prozent der angeforderten Menge geliefert worden. Lieferrückgänge meldeten auch das französische Unternehmen Engie. Auch ein Sprecher des tschechischen Versorgers CEZ sagte, es gebe Einschränkungen, die mit technischen Problemen zusammenhingen. Gazprom hatte diese Woche bereits zwei Tage lang Gaslieferungen nach Deutschland zurückgefahren und zur Begründung auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren verwiesen.

Gaspreise steigen

Angesichts stockender Gaslieferungen aus Russland sind die Gaspreise in Europa am Donnerstag spürbar an. Der richtungweisende Terminkontrakt zog am Donnerstag um bis zu 30,5 Prozent auf 148,73 Euro je Megawattstunde an. Der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge könnten Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ausgesetzt werden. Dabei wurde erneut auf Probleme mit Reparaturen verwiesen. Mehrere EU-Länder - darunter Österreich, Deutschland und Tschechien - meldeten bereits, dass weniger Gas ankomme. Aktien des Energiekonzerns Uniper, ein großer Importeur russischen Gases, fielen beispielsweise um rund neun Prozent. Die Papiere der OMV fielen am frühen Nachmittag an der Wiener Börse um knapp sechs Prozent.

Ministerium: "Beobachten die Situation genau"

Das heimische Klimaministerium will die Situation in Österreich jedenfalls genau beobachten. "Wir überwachen die Situation und sind mit der OMV in engem Austausch", hieß es in einer Stellungnahme an die APA. "Zur Stunde gibt es keine Anzeichen für einen Lieferstopp, wir sind aber auf alle Szenarien vorbereitet."

Landeshauptmann Stelzer fordert "rasche Aufklärung"

Via Aussendung zu Wort gemeldet, hat sich mittlerweile Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer: Er forder "rasche Aufklärung über die geplante weitere Vorgangsweise der Bundesregierung zur unmittelbaren Sicherstellung der Gasversorgung für Betriebe und Haushalte". Die Meldungen über rückläufige Gaslieferungen aus Russland nach Österreich "müssen beim Energieministerium die Alarmglocken schrillen lassen". Klar, so Stelzer, sei jedenfalls schon jetzt: "Reißt die Gaslieferung nach Österreich heute ab, haben wir in Kürze Massenarbeitslosigkeit."

Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch schließt sich dieser Forderung an: „Wie VP-Landeshauptmann Stelzer völlig richtig der Regierung ausrichtet: Es müssen bei der Energieministerin die Alarmglocken schrillen." Deutsch fragt: „Wo bleiben also die konkreten Pläne Gewesslers zur Garantie der Versorgungssicherheit? Es gehe um die Versorgungssicherheit der Haushalte, der Unternehmen und der Betriebe.

Strategie, um zu verunsichern und Preise hochzutreiben

Gazprom hat zudem, wie angekündigt, in der Nacht zum Donnerstag seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream weiter reduziert. Wie aus im Internet veröffentlichten Transportdaten des Pipelinebetreibers Nord Stream hervorgeht, sank die Gasmenge von Mittwochabend ab. In der Früh erreichte die Liefermenge - hochgerechnet auf 24 Stunden - in etwa die von Gazprom angekündigten 40 Prozent der technischen Kapazität.

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck nannte die Situation zwar ernst, sie gefährde die Versorgungssicherheit in Deutschland aber nicht. Die Drosselung der Gasmenge fällt zusammen mit dem Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in Kiew. Scholz traf Donnerstagfrüh gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi in Kiew ein. Dort wollen sie mit Präsident Wolodymyr Selenskyj unter anderem über weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land sprechen.

"Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet"

Die deutsche Regierung sieht die sichere Versorgung mit Gas derzeit als weiter gewährleistet an. "Aktuell können die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es wird aktuell noch eingespeichert", teilte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Donnerstag auf Anfrage mit. "Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet."

Das Ministerium beobachte die Dinge aber sehr genau und sei über die Krisenstrukturen in engstem Austausch mit den relevanten Akteuren.

Rückgang seit Mittwoch, 23 Uhr

Seit 23 Uhr am Mittwochabend ist in den Daten von Nord Stream ein Rückgang der Gas-Liefermenge durch die Ostseepipeline zu verzeichnen. In der Früh, zum Beginn des sogenannten Gastages um 6 Uhr, lag die stündliche Gas-Liefermenge über die Ostseepipeline bei rund 2,6 Millionen Kubikmeter (29 Millionen Kilowattstunden), von 8 bis 11 Uhr flossen den Angaben nach stündlich rund 2,7 Millionen Kubikmeter (30 Millionen Kilowattstunden).

Gazprom: "Verzögerungen bei Reparaturarbeiten"

Der russische Energieriese Gazprom hatte am Mittwoch angekündigt, die Gasliefermengen durch Nord Stream 1 nach Deutschland erneut zu reduzieren. Von der Nacht zum Donnerstag an sollten täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter durch die Leitung gepumpt werden. Erneut begründete der Staatskonzern den Schritt mit Verzögerungen bei Reparaturarbeiten.

Bereits am Dienstag hatte Gazprom die Reduktion des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Mio. um rund 40 Prozent auf 100 Mio. Kubikmeter Gas pro Tag verkündet und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen. Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne. Die neuerliche Reduktion auf 67 Mio. Kubikmeter bedeutet eine Drosselung um rund 60 Prozent innerhalb von zwei Tagen.

Aufruf zum Energiesparen

Angesichts dieses Rückgangs rief Wirtschaftsminister Habeck erneut zum Energiesparen auf. In einem am Mittwochabend über Twitter verbreiteten Video dankte der Grünen-Politiker der Bevölkerung und den Unternehmen für ihre bisherigen Bemühungen. Habeck appellierte mit Blick auf das Energiesparen zugleich: "Es ist jetzt der Zeitpunkt, das zu tun. Jede Kilowattstunde hilft in dieser Situation."

Habeck mahnte: "Wir müssen wachsam sein. Wir müssen konzentriert weiterarbeiten. Vor allem dürfen wir uns nicht spalten lassen. Denn das ist das, was Putin vorhat." Entgegen der Darstellung Gazproms, der Grund für die Drosselung seien Verzögerungen bei Reparaturarbeiten, vermutet Habeck dahinter eine politische Entscheidung.

"Technisch nicht zu begründen"

Auch die Bundesnetzagentur nannte das Vorgehen Moskaus "technisch nicht zu begründen". Dass Gazprom seine Lieferungen durch Nord Stream 1 nun auf etwa 40 Prozent senkt, ist aus Sicht des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ein Warnsignal. "Russland schürt damit leider Verunsicherung und treibt die Gaspreise hoch", sagte er der "Rheinischen Post" (Donnerstag).

Wenn Gazprom über Wochen nur 40 Prozent durch Nord Stream 1 liefere, bekomme Deutschland ein Problem, sagte Müller: "Das würde unsere Situation erheblich verschlechtern. Über den Sommer könnten wir das vielleicht aushalten, denn die Heizsaison ist ja vorbei. Allerdings müssen wir jetzt zwingend die Speicher füllen, um den Winter zu überstehen - auch mit russischem Gas."

Hohe Abhängigkeit von Österreich und Deutschland

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine Ende Februar gilt die Versorgung Europas mit Gas aus Russland als gefährdet. Deutschland und andere europäische Staaten versuchen seitdem, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, indem sie mehr Gas aus anderen Staaten beziehen.

Polen, Bulgarien, Finnland, die Niederlande und Dänemark erhalten bereits kein Gas mehr aus Russland. Kremlchef Wladimir Putin hatte Ende März ein neues Zahlungssystem angeordnet - als Reaktion auf die Sanktionen des Westens im Zuge von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das Verfahren sieht vor, dass Kunden bei der staatlichen russischen Gazprombank ein sogenanntes K-Konto eröffnen. Dort können sie wie bisher ihre Rechnungen in Euro oder Dollar begleichen, die Bank konvertiert das Geld in Rubel und überweist es an Gazprom. Polen, Bulgarien, Finnland, die Niederlande und Dänemark aber weigerten sich, auf das neue Schema umzusteigen.

Hauptversorgungsleitung

Für Deutschland ist Nord Stream 1 die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa, die durch Polen führt, nicht mehr befüllt worden. Den Transit über die Ukraine hatte Gazprom bereits Mitte Mai gedrosselt. Auch am Donnerstag werden den Daten des staatlichen Gasnetzbetreibers zufolge nur etwas weniger als 40 Prozent der vertraglich vorgesehenen 109 Millionen Kubikmeter Erdgas nach Westen fließen. Unter anderem durch die bisherigen Einschränkungen hatten sich die Energiepreise erhöht, weil insgesamt weniger Gas von Russland nach Europa fließt.