Trotz Lohnerhöhung kann man sich nicht mehr leisten als zuvor. Das klingt absurd, ist aber in Österreich, wie auch in anderen europäischen Staaten, Realität. Denn verantwortlich ist dafür zum einen die Inflation und zum anderen der sogenannte "progressive Steuersatz". Einfach ausgedrückt: Je mehr man verdient, desto höher ist die anfallende Steuer.
"Lediglich ein Brutto-Jahreseinkommen bis zu 11.000 Euro ist steuerfrei. Bei einem Gehalt zwischen 11.000 und 18.000 Euro sind zwar die ersten 11.000 Euro steuerfrei, darüber hinaus fällt 20 Prozent Steuer an", sagt der Klagenfurter Steuerberater Klaus Scheder, Partner bei TPA in Österreich. Wer ein Gehalt zwischen 18.000 Euro bis 31.000 Euro hat, zahlt ebenfalls für die ersten 11.000 Euro keine Steuer, 20 Prozent für den Betrag zwischen 11.000 und 18.000 Euro und für das Gehalt ab 18.000 Euro 32 Prozent.
Die kalte Progression betrifft vor allem jene, die nahe an der Schwelle zu einer höheren Steuerklasse liegen. Wenn sie aufgrund der jährlichen Lohnrunde in die höhere Tarifstufe fallen, bezahlen sie zumindest für einen Teil ihres Zusatzgehaltes einen höheren Steuersatz. Von der Bruttoerhöhung bleibt also netto weniger über. Je mehr Arbeitnehmer in höhere Tarifstufen rücken, umso mehr schöpft der Saat ab. Das nennt man deshalb kalte Progression, weil dafür keine aktive Handlung wie etwa eine Steuererhöhung erforderlich ist. Es ist quasi eine "heimliche Steuererhöhung".
Derzeit treffen kalte Progression und hohe Inflation zusammen, wodurch die Bürgerinnen und Bürger beim Einkauf deutlich spüren, dass sie sich weniger leisten können als bisher – also einen realen Lohnverlust haben.
Sehr niedrige Einkommen kaum betroffen
Um diesen Effekt abzufedern, hat die Regierung nun ein Entlastungspaket geschnürt. Die unterschiedlichen Tarifstufen werden automatisch um zwei Drittel der jährlichen Inflation (gerechnet wird von Juli bis Juni) erhöht. Das übrige Drittel muss für weitere Entlastungsmaßnahmen für Erwerbstätige und Pensionisten eingesetzt werden. Ausgenommen von der automatischen Anpassung ist der höchste Steuersatz, also jene 55 Prozent, die ab einem Einkommen von einer Million Euro greifen.
Dazu meint Scheder: "Bereits in den vergangenen Jahren hat die Regierung immer wieder Maßnahmen gesetzt, um die kalte Progression einzufangen, diese aber nicht linear ausgeglichen." Sehr niedrige, also steuerfreie Einkommen seien kaum von der kalten Progression betroffen. Für diese wäre eine Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge eine spürbare Maßnahme.