Das EU-Parlament könnte den Vorschlag der EU-Kommission zur Einstufung von Atomkraft und Gas als sogenannte nachhaltige Investitionen doch noch zu Fall bringen. In den zuständigen Ausschüssen stimmten am Dienstag 76 EU-Abgeordnete gegen den Plan der EU-Behörde, 62 dafür und vier enthielten sich. Österreichische Politiker und Umweltorganisationen zeigten sich erfreut über das Ergebnis. Die endgültige Entscheidung im EU-Parlament wird jedoch erst im Plenum Anfang Juli fallen.
Mit der sogenannten Taxonomie will die EU-Kommission festlegen, welche Finanzinvestitionen künftig als klimafreundlich gelten sollen, um mehr Geld in nachhaltige Technologien und Unternehmen lenken. So soll wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beigetragen werden. EU-Berechnungen zufolge braucht es dazu pro Jahr 350 Milliarden Euro aus privaten Investitionen.
Österreich kündigte für den Fall des Inkrafttretens der Taxonomie mit "grüner" Atomkraft eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. "Das Ergebnis der Abstimmung in den beiden Ausschüssen ist sehr erfreulich", sagte Gewessler in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Nuklearenergie und Gas haben in der Taxonomie nichts verloren. Jetzt braucht es dieselbe Entscheidung im Plenum des Europaparlaments, dann kann der delegierte Rechtsakt nicht in Kraft treten."
Finale Entscheidung im Juli
Das geplante Inkrafttreten der neuen Regeln lässt sich noch verhindern, wenn 20 der 27 EU-Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung oder eine absolute Mehrheit im Europaparlament dagegen stimmen. Dass die Mitgliedsländer sich noch dagegenstellen, gilt als unwahrscheinlich. Die EU-Mandatare entscheiden endgültig im Juli. Stimmen sie dagegen, müsste die EU-Kommission ihren Vorschlag dann zurückziehen oder ändern.
Die EU-Parlamentsausschüsse lehnten nun das grüne EU-Label für Atomkraft und Gas auf der Basis eines Einspruchs ab, der von allen zuständigen österreichischen Europaabgeordneten unterstützt wurde. Darin wird festgehalten, dass die Pläne der EU-Kommission nicht mit der Grundverordnung und daher den Grundprinzipien der Taxonomie vereinbar seien, weil Atomkraft und Gas eben nicht nachhaltig und umweltfreundlich seien.
Österreichische EU-Abgeordnete und Umweltorganisationen begrüßten das Ergebnis. "Eine 'grüne' Atomkraft gibt es nicht und daher dürfen auch Investitionen in die Atomkraft kein grünes Mascherl bekommen", sagten die ÖVP-Europaabgeordneten Othmar Karas und Alexander Bernhuber laut Aussendung bereits im Voraus. Die SPÖ-EU-Mandatare, Evelyn Regner und Günther Sidl, hielten fest: "Wenn Atomkraft und Gas in der 'Taxonomieverordnung' verankert bleiben, verstoßen wir gegen die sechs festgeschriebenen Grundprinzipien der 'Taxonomie', wie den Klimaschutz."
Etappensieg für Atomkraft-Gegner
Nach Ansicht von Roman Haider, freiheitlicher EU-Abgeordneter, ist der Kommissionsvorschlag "im Grunde ein Einknicken vor der Atomlobby und führt zu einer Renaissance der Atomenergie auf EU-Ebene". Der grüne EU-Mandatar Thomas Waitz sieht in dem Ergebnis der Abstimmungen "ein klares Signal" an die Brüsseler Behörde und forderte "Investitionen in den massiven Ausbau Erneuerbarer Energien". NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon äußerte sich ebenfalls erfreut: Es brauche "dringend eine verlässliche Referenz für die Finanzwelt, um die Finanzierungslücke für den Kampf gegen den Klimawandel zu schließen".
"Die Europaabgeordneten haben heute mit dieser Abstimmung gezeigt, dass sie die Klima- und Naturkrise nicht weiter anheizen, und dass sie Putins Kriegsmaschinerie nicht weiter mit Geld füttern wollen. Das ist ein Erfolg!", sagte Ariadna Rodrigo, Greenpeace Sprecherin für nachhaltige Finanzen in der EU. WWF-Experte Jakob Mayr bezeichnete das Ergebnis als einen "wichtigen Etappensieg. Damit könnte das Greenwashing von Atomkraft und Erdgas auf den letzten Metern doch noch verhindert werden." Die NGO atomstopp_oberoesterreich begrüßte das Ergebnis ebenfalls.