Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt und Energie, will den Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich massiv beschleunigen. Bis 2030 soll 100 Prozent des österreichischen Strombedarfs mit Wind, Wasser und Sonne produziert werden. "Dafür müssen wir schneller werden, deutlich effizienter und flexibler in den Genehmigungsverfahren", erklärt Gewessler im Rahmen eines Pressegesprächs am Montag. Gelingen soll das mit einem Drei-Punkte-Plan, dessen Kernstück die Gesetzesnovelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens (UVP) ist. Ein entsprechender Vorschlag dafür werde in der Regierung eingebracht.
"Keine Widmung mehr notwendig"
Es gehe vor allem darum, die Mehrfach- und Doppelprüfungen wegzubekommen, welche in mehreren Bundesländern seit 2014 eingeführt wurden. "Wir müssen in den Verfahren auf die Überholspur kommen", so Gewessler. Konkret würde das für die UVP-Prüfungen bedeuten, dass, sollte die Novelle beschlossen werden, künftig die Fläche zum Beispiel für die Errichtung eines Windrades nicht schon wie bisher vor dem Verfahren gewidmet sein müsste. "Es wäre keine Widmung mehr notwendig, um in das UVP-Verfahren einzusteigen", betont die Energieministerin.
Energieraumplanung
Gewessler will künftig die Bundesländer quasi dazu zwingen, eine Energieraumplanung abzuliefern. Also Zonen festzulegen, wo Windräder, PV-Anlagen oder Wasserkraftwerke errichtet werden können. Auf diesen ausgewiesenen Flächen sollen Genehmigungen für Projekte dann rasch erteilt werden. "Wenn es eine Zonierung gibt, reicht eine Prüfung aus. Das heißt, es muss im UVP-Verfahren reichen, wenn einmal geprüft ist, ob das Landschaftsbild gestört ist", so die Ministerin. Auch die Genehmigung von Leitungen und Speichern müsse rasch erfolgen. "Die Energiewende hat ein besonderes öffentliches Interesse", rechtfertigt Gewessler ihren ambitionierten Plan, der die Länder unter Druck setzen soll. Vor allem im Bereich der Windkraft.
Vorzeigebundesländer und Nachzügler
Während die Bundesländer Niederösterreich, Steiermark und Burgenland von Stefan Moidl, dem Geschäftsführer der IG Windkraft, als Musterbeispiele angeführt werden, in welchen 95 Prozent der Windräder Österreichs stehen, dreht sich in Tirol, Vorarlberg und Salzburg noch kein einziges Windrad. In Oberösterreich seien es 35, in Kärnten zwei, ein Windpark mit weiteren zehn werde gerade errichtet. Einen Zonenplan gibt es aber in Kärnten auch noch nicht. Und zusätzlich eine Sichtbarkeitsverordnung, die Windkraftprojekte erschwert, weil Windräder aus 25 Kilometern Entfernung nicht gesehen werden dürfen. In Salzburg, so Gewessler, werde gerade Energieraumplan erstellt.
"Es darf keine Blockade durch fehlende Energieraumplanung mehr geben. Die Zonierung muss an die Energieziele angepasst werden", so Gewessler. "Was wir nicht haben, ist Zeit", bekräftigt auch der frühere Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. "Putin setzt Energie als Waffe ein. Wir müssen die Energieunabhängigkeit zurückgewinnen. Und jedes Windrad ist ein Zeichen der Unabhängigkeit", so die Klimaschutzministerin.
Noch keine Fristen und Prozentsätze
Gibt es einen Zeitplan, innerhalb dessen die Länder den Energieraumplan liefern müssten? "Wir wollen so schnell wie möglich in die Umsetzung kommen, Fristen haben wir aber noch keine festgelegt." Und wie hoch ist der Prozentsatz der Fläche, die als Zone für die Errichtung erneuerbarer Energien ausgewiesen sein muss? "Das Potenzial ist in den Bundesländern unterschiedlich", so Gewessler. Einen konkreten Prozentsatz gebe es (noch) keinen.
Gegenwind vom Naturschutz
Noch ist aber nichts beschlossen. Über den Vorschlag der Klimaschutzministerin muss erst in der Regierung beraten werden. Und auch die Naturschutzbeiräte in den Ländern, die sich zum Großteil gegen den Bau beispielsweise von Windkraft aussprechen, werden sich wohl zu Wort melden bzw. haben sich wie im Falle von Kärnten schon vehement gegen den Bau weiterer Anlagen ausgesprochen. Der alpine Raum sei keine Gunstlage für Windstromerzeugung, erklärt Erich Auer, Mitglied des Naturschutzbeirates. Auch liege die Leistung von Windrädern bei Weitem nicht bei dem, was beispielsweise von der IG Windkraft kommuniziert werde. Die FPÖ Kärnten spricht in Zusammenhang mit der Ankündigung von Gewessler von einer "Zwangsaufstellung von Windrädern in Kärnten durch den Bund", die man "bekämpfen" werde.
Die zuständige Kärntner Landesrätin, Sara Schaar (SPÖ), übt ebenfalls Kritik: "Die Ankündigungspolitik von Ministerin Gewessler ohne vorhergehende Einbeziehung der Bundesländer oder auch des Koalitionspartners ist grundsätzlich nicht nachvollziehbar oder vertrauensbildend."
In eine ähnliche Kerbe schlug die steirische Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ). Mit dem Vorschlag von Gewessler sei nur eine Forderung formuliert – noch dazu "nur per medialer Ankündigung und ohne Abstimmung in der Bundesregierung". Es liege kein konkretes Papier vor.
Unterstützung für die Pläne von Gewessler kommt wenig überraschend von der österreichischen E-Wirtschaft. "Mangelnde Flächenverfügbarkeit und schleppende Verfahren zählen derzeit zu den größten Hürden bei der Umsetzung der Energiewende", sagt Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie.
Astrid Jäger