Die Inflation in den USA zieht überraschend wieder an und klettert auf den höchsten Stand seit Dezember 1981. Die Teuerungsrate für Waren und Dienstleistungen stieg im Mai von 8,3 auf 8,6 Prozent, wie das Arbeitsministerium am Freitag in Washington mitteilte. Experten hingegen hatten mit einer Stagnation gerechnet. Im April war die US-Inflation erstmals seit August 2021 leicht gesunken. Aber Materialengpässe und erhöhte Energiekosten halten den Preisdruck hoch.
"Das sollte der Inflationsgipfel sein", sagte Analyst Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Die Inflationsrate bleibe vorerst aber sehr hoch. LBBW-Experte Dirk Chlench sieht die Daten als Beleg dafür, "dass es für die US-Notenbank höchste Eisenbahn wird, ihren geldpolitischen Kurs beherzt zu straffen".
Euro gibt nach
"Wir hatten darauf gesetzt, dass die US-Inflation ihren oberen Wendepunkt schon hinter sich hat, und wurden heute eines Besseren belehrt", räumte Chlench ein. "Größte Preistreiber waren zwar erwartungsgemäß einmal mehr Kraftstoffe und Nahrungsmittel, aber die Preisanstiege erfolgen schon seit geraumer Zeit auf breiter Front."
Der Euro verlor nach den Daten zum Dollar und die Börsen weiteten ihre Verluste aus. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, kletterte um bis zu 0,6 Prozent auf ein Dreieinhalb-Wochen-Hoch von 103,95 Punkten. Am Aktienmarkt verschärfte sich dagegen der Verkaufsdruck. Dax und Euro Stoxx 50 fielen um jeweils etwa zwei Prozent auf 13.934 beziehungsweise 3636 Punkte.
Hepperle rechnet damit, dass die US-Inflation bis Ende 2022 Richtung fünf Prozent sinkt. "Ab dem Frühjahr 2023 dürfte eine Drei vor dem Komma auftauchen." Vorerst sei der Inflationsdruck aber noch angelegt, warnte Commerzbanker Christoph Balz. "Außerdem haben die Benzinpreise in den letzten Tagen so deutlich angezogen, dass 8,6 Prozent wohl nicht das Ende der Fahnenstange sein dürften."
Weitere Zinsschritte
Die US-Notenbank Federal Reserve hat Anfang Mai den größten Zinsschritt seit 22 Jahren unternommen und den Leitzins um einen halben Punkt auf die neue Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent angehoben. Fed-Präsident Jerome Powell hat für die Sitzungen nächste Woche und im Juli jeweils ähnlich starke Erhöhungen signalisiert.
"Die Fed ist ja mittlerweile Millionen von Meilen hinter dem Geschehen", erklärte NordLB-Fachmann Bernd Krampen. "Perspektivisch ist aber eine Bremswirkung auf die Konjunktur zu beachten – und dann sicher heftig." Auch Balz betonte, dass die US-Notenbank ihre geldpolitische Wende zu spät eingeleitet habe. "Die Zeit der großen Zinsschritte um 50 Basispunkte ist noch lange nicht vorbei." Ende des Jahres dürfte der Leitzins bei 3,00 Prozent stehen, im Frühjahr 2023 bei 3,50 Prozent, schätzt der Commerzbank-Experte.